Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen und geschmacksmusterrechtlichen Nachahmungsschutz für ein Reifenprofil

12. Mai 2014
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Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 27.03.2014, Az.: 6 U 254/12

Die Beurteilung der geschmacksmusterrechtlichen Eigentümlichkeit eines Reifenprofils ist durch Gesamtvergleich des vorbekannten Formenschatzes - unter Bewertung und Gewichtung der einzelnen Formen des Musters – und des damit erzeugten Gesamteindrucks aus Sicht eines Durchschnittsbetrachters vorzunehmen. Der durch die bestimmte Verwendung funktionsbedingt begrenzte Gestaltungsspielraum der Reifenprofile muss dabei Berücksichtigung finden. Für eine wettbewerbsrechtliche Eigenart des Reifenprofils ist hingegen erforderlich, dass es im Vergleich zu anderen Profilen besonders auffällige und charakteristische Merkmale aufweist, die dem Verbraucher in Erinnerung bleiben.

 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 27. März 2014

Az.: 6 U 254/12

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.10.2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf € 143.000,00 festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
Die Parteien streiten über die angebliche Nachahmung eines Reifenprofils.

Die Klägerin ist Inhaberin des IR-Geschmacksmusters A vom ….10.2000 mit Priorität des US-Geschmacksmusters B, angemeldet am ….07.2000. Das IR-Geschmacksmuster betrifft Kraftfahrzeugreifen mit bestimmten Profilen. Streitgegenständlich ist das aus den Abbildungen Nr. 8.1, 8.2 ersichtliche Design (Anlagen HEP 3, HEP 13):

Die Beklagte bietet unter der Bezeichnung „X“ einen runderneuerten Ganzjahresreifen an, wie nachfolgend eingeblendet:

Darin sieht die Klägerin eine Verletzung ihres Designs.

Die Klägerin behauptet, sie vertreibe seit 2001 den Ganzjahresreifen „Y“ und seit 2006 das Nachfolgemodell „Y1“, die dem Klagemuster entsprächen (vgl. Anlage HEP 6). Es würden Stückzahlen von mehreren 100.000 pro Jahr verkauft. Der jährliche Umsatz liege im zweistelligen Millionenbereich. Insoweit beruft sich die Klägerin hilfsweise auf ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte im Hinblick auf das Design antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge anzubieten, zu bewerben und/oder in Verkehr zu bringen, zu den genannten Zwecken zu besitzen oder ein- oder auszuführen, deren ästhetischer Gesamteindruck im Wesentlichen durch folgende Gestaltungsmerkmale gekennzeichnet ist:

1. eine symmetrische Gliederung des Reifenprofils in sechs Bereiche;

2. einen ersten Bereich bestehend aus parallel und leicht sichelförmige angeordneten Profilblöcken, wobei die Profilblöcke jeweils eine waagrecht angeordnete mittig angeordnete Querrille aufweisen, die sich fast über die gesamte Breite der Profilblöcke erstreckt und sich am äußeren Rand erweitert;

3. einen zweiten Bereich, bestehend aus parallel und leicht sichelförmige angeordneten Profilblöcken, wobei die Profilblöcke jeweils mehrere waagrecht angeordnete wellenförmig ausgestrahlte Querrillen aufweisen;

4. einen dritten Bereich, bestehend aus einer umlaufenden Mittelrippe, wobei

4.1 die Mittelrippe von der Außenseite bis zur Mitte durch sichelförmige Aussparungen unterbrochen ist, so dass mit dem auf der Außenseite der Mittelrippe liegenden Elemente der Mittelrippe die Anordnung der daneben liegenden Profilblöcke aufgenommen wird;

4.2 die außen liegenden Elemente der Mittelrippe jeweils mehrere waagrecht angeordnete wellenförmig ausgestaltete Querrillen aufweisen, die sich bis zur inneren Seite der Mittelrippe fortsetzen;

4.3 von den sichelförmige Aussparungen jeweils mehrere waagrecht angeordnete wellenförmig ausgestaltete Querrillen ausgehen, die sich bis zur inneren Seite der Mittelrippe fortsetzen;

5. einen spiegelbildlich zu dem dritten Bereich angeordneten vierten Bereich, bestehend aus einer umlaufenden Mittelrippe, wobei

5.1 die Mittelrippe von der Außenseite bis zur Mitte durch sichelförmige Aussparungen unterbrochen ist, so dass mit dem auf der Außenseite der Mittelrippe liegenden Elemente der Mittelrippe die Anordnung der daneben liegenden Profilblöcke aufgenommen wird;

5.2 die außen liegenden Elemente der Mittelrippe jeweils mehrere waagrecht angeordnete wellenförmig ausgestaltete Querrillen aufweisen, die sich bis zur inneren Seite der Mittelrippe fortsetzen;

5.3 von den sichelförmige Aussparungen jeweils mehrere waagrecht angeordnete wellenförmig ausgestaltete Querrillen ausgehen, die sich bis zur inneren Seite der Mittelrippe fortsetzen;

6. einen spiegelbildlich zum zweiten Bereich angeordneten fünften Bereich, bestehend aus parallel und leicht sichelförmige angeordneten Profilblöcken, wobei die Profilblöcke jeweils mehrere waagrecht angeordnete wellenförmig ausgestrahlte Querrillen aufweisen;

7. Einen spiegelbildlich zum ersten Bereich angeordneten sechsten Bereich, bestehend aus parallel und leicht sichelförmige angeordneten Profilblöcken, wobei die Profilblöcke jeweils eine waagrecht angeordnete mittig angeordnete Querrille aufweisen, die sich fast über die gesamte Breite der Profilblöcke erstreckt und sich am äußeren Rand erweitert;

wenn dies geschieht wie aus dem Tenor ersichtlichen nachfolgenden Abbildung ersichtlich:

Das Landgericht hat die Beklagte außerdem zur Auskunftserteilung und Vernichtung verurteilt und ihre Schadensersatzpflicht festgestellt. Im Berufungsrechtszug verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.10.2012, Az. 2-03 O 535/11 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Es fehlt nicht an der Bestimmtheit des Unterlassungsantrags. Der Antrag beschreibt die nach Ansicht der Klägerin prägenden Merkmale des Klagemusters und nimmt auf die als Foto eingeblendete konkrete Verletzungsform Bezug. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, der Antrag ziele auf das Verbot eines KfZ-Reifens ab, während das Klagemuster nur ein Reifenprofil zeige. Ein Reifen mit einem Profil, das vom Kernbereich der aufgezählten Merkmale abweicht, ist von dem angestrebten Verbot nicht umfasst. Entgegen der Ansicht der Beklagten muss der Antrag auch nicht ausdrücklich Fälle der Erschöpfung ausschließen.

b) Ohne Erfolg rügt die Beklagte die ordnungsgemäße Klageerhebung. Sie macht geltend, es sei nicht klar, nach dem Recht welchen US-Bundesstaates die Klägerin gegründet sei. Deshalb könnten die Aktivlegitimation und die Voraussetzungen der ordnungsgemäßen Parteibezeichnung nach § 253 II Nr. 1 ZPO nicht geprüft werden. In der Klageschrift ist die Klägerin als „Company“ bezeichnet, ohne dass die Rechtsform ersichtlich wäre. Diese Bezeichnung entspricht ihrer Firma (vgl. Anlagen HEP3, HEP 12). In der Replik und in der Berufungserwiderung hat die Klägerin klargestellt, dass sie eine „Corporation“, eine börsennotierte Aktiengesellschaft nach US-amerikanischem Recht mit Sitz in O1, Ohio ist. Nach dem Gesellschaftsrecht welchen Bundesstaates sie gegründet wurde, ist für die Zulässigkeit der Klage nicht von Bedeutung. Die Beklagte bestreitet nicht die Existenz oder Parteifähigkeit der Klägerin.

2. Die Klage ist unbegründet.

a) Die Klägerin kann ihre Ansprüche nicht auf das IR-Geschmacksmuster stützen, weil es nicht schutzfähig ist.

aa) Entgegen der Ansicht des Landgerichts wird die Rechtsgültigkeit des Klagemusters im Streitfall nicht nach Art. 85 GGV vermutet. Das Landgericht hat ausgeführt, für das streitgegenständliche IR-Muster seien die Vorschriften der GGV gegenüber dem nationalen Recht vorrangig. Dies trifft nicht zu. Zwar kann bei einer IR-Anmeldung unter anderem das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft benannt werden (Art. 106d GGV). Dies ist jedoch bei dem Klagemuster gerade nicht der Fall (vgl. Anlage HEP 3). Als Schutzgebiet wurde unter anderem Deutschland benannt. Nur dieser Schutz wird auch beansprucht. Eine internationale Eintragung, deren Schutz sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezieht, hat ab dem Tag ihrer Eintragung dieselbe Wirkung, wie ein beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldetes und eingetragenes Design (§ 71 I DesignG, § 7b GeschmMG a.F.). Die Schutzfähigkeit von Designs, die wie das angegriffene Muster vor dem …. Oktober 2001 eingetragen worden sind, beurteilt sich noch nach dem Geschmacksmustergesetz in seiner vor dem Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes (BGBl. 2004 I S. 390) am 1. Juni 2004 geltenden Fassung (§ 72 Abs. 2 Satz 1 DesignG; BGH GRUR 2008, 153, Rn. 20 – Dacheindeckungsplatten).

bb) Die aus dem Klagemuster ersichtliche Gestaltung ist ein Erzeugnis im Sinne des § 1 GeschmMG a.F. Danach können Muster nur selbständig verkehrsfähige Erzeugnisse sein, die bestimmt und geeignet sind, auf den Formen- und Farbensinn des Betrachters zu wirken (vgl. BGH GRUR 2008, 153, Rn. 22 – Dacheindeckungsplatten). Maßgeblich sind die hinterlegten Abbildungen. Das eingetragene IR-Muster der Klägerin zeigt in den Abbildungen zu Ziff. 8.1, 8.2 einen KfZ-Reifen mit einem bestimmten Laufflächenprofil. Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt es nicht deshalb an der Erzeugniseigenschaft, weil Reifenprofile für sich genommen nicht verkehrsfähig sind und nach altem Recht ein Schutz eines Teils des Erzeugnisses nicht möglich war. Das Klagemuster zeigt nicht nur ein Reifenprofil, sondern einen kompletten Reifen, wenn auch die Seitenflächen nur schemenhaft dargestellt sind. Dies ist ausreichend. Denn nach § 7 III Nr. 2 GeschmMG a.F. genügt eine graphische Darstellung, die diejenigen Merkmale deutlich und vollständig offenbart, für die der Schutz nach diesem Gesetz beansprucht wird. Dies sind im Streitfall die Besonderheiten des Laufflächenprofils.

cc) Die Schutzfähigkeit setzt nach § 1 II GeschmMG a.F. außerdem Neuheit und Eigentümlichkeit voraus. An der Neuheit bestehen keine Zweifel, weil keine zum Prioritätszeitpunkt bekannte identische Gestaltung ersichtlich ist. Ein Muster oder Modell ist eigentümlich i.S. des § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F., wenn es in den für die ästhetische Wirkung maßgebenden Merkmalen als das Ergebnis einer eigenpersönlichen, form- und farbenschöpferischen Tätigkeit erscheint, die über das Durchschnittskönnen eines Mustergestalters mit der Kenntnis des betreffenden Fachgebiets hinausgeht (vgl. BGH GRUR 2001, 503, 505 – Liegemöbel). Daran fehlt es.

(1) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann allerdings nicht angenommen werden, die Merkmale des geschützten Reifenprofils seien allein technisch bedingt. Ausschließlich technisch bedingte Formgestaltungen können die Schutzfähigkeit nicht begründen. Der Umstand, dass die Gestaltung eines Musters mit technischen Vorteilen verbunden ist, hindert dagegen nicht, den Mustern Eigentümlichkeit beizumessen (vgl. Senat, Urt. v. 06.10.2011 – 6 U 63/11 – juris; BGH GRUR 2008, 153, Rn. 30 – Dacheindeckungsplatten). Die Beklagte hat unter Vorlage der Anlagen BK 2- 4 nachvollziehbar dargelegt, dass bestimmte Gestaltungselemente eines Reifenprofils für bestimmte Fahreigenschaften stehen. Dies versteht sich bei bestimmten Merkmalen von selbst, zum Beispiel bei der Profiltiefe. Auch die Größe und Länge der Profilblöcke sowie die Anzahl der Lamellen können für die Fahreigenschaften von Bedeutung sein. So bilden Feinschnitte in Gestalt von Lamellen Griffkanten, die für die Bodenhaftung von Bedeutung sind. Je mehr Rillen das Profil hat, umso mehr Wasser wird abgeleitet. Die Gestaltung des Reifenprofils ist deshalb ein Faktor, der die Funktion des Reifens bestimmt („form follows function“). Daraus zieht die Beklagte jedoch zu Unrecht den Schluss, die Lauffläche des Reifens sei ausschließlich technisch bedingt. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass bereits aus dem wettbewerblichen Umfeld von Ganzjahresreifen ersichtlich ist, dass ein hinreichender ästhetischer Gestaltungsspielraum für Positionierung und Form der Profilblöcke und Rillen verbleibt (Anlage HEP 19). Die gewünschten Fahreigenschaften sind offensichtlich mit ganz unterschiedlichen Reifenprofilen erreichbar. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus dem im Berufungsrechtszug vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen E, der ausdrücklich bestätigt, dass bestimmte Modifikationen des Profils ohne Auswirkungen auf die Fahreigenschaften möglich sind.

(2) Bei der Beurteilung der Eigentümlichkeit eines Designs ist der vorbekannte Formenschatz zu berücksichtigen. Dazu gehören solche Gestaltungsformen, die den inländischen Fachkreisen im Anmeldezeitpunkt bekannt waren oder bei zumutbarer Beachtung der auf den einschlägigen oder benachbarten Gewerbegebieten vorhandenen Gestaltungen bekannt sein konnten (BGH GRUR 2004, 427 – Computergehäuse). Während die Prüfung der Neuheit durch einen Einzelvergleich des zu prüfenden Musters mit Entgegenhaltungen zu erfolgen hat, ist die Prüfung der Eigentümlichkeit und ihres Grades nach altem Recht durch einen Gesamtvergleich mit den vorbekannten Formgestaltungen vorzunehmen (BGH GRUR 2008, 153, Rn. 27 – Dacheindeckungsplatten). Der Gesamtvergleich muss von der Feststellung des Gesamteindrucks des Musters und der Gestaltungsmerkmale ausgehen, auf denen dieser Gesamteindruck beruht. Maßgeblich ist die Auffassung des für geschmackliche und ästhetische Fragen aufgeschlossenen und mit ihnen einigermaßen vertrauten Durchschnittsbetrachters.

(3) Für den Gesamteindruck des Klagemusters kann zunächst auf die Merkmalsbeschreibung der Klägerin Bezug genommen werden, die im Unterlassungsantrag und im Tenor des landgerichtlichen Urteils wiedergegeben ist. Die Beklagte beanstandet zu Unrecht, die Gliederung des Reifenprofils sei in Wahrheit nicht symmetrisch, weil die Profilblöcke des linken Bereichs zu jenen des rechten Bereichs leicht versetzt seien. Es trifft zwar zu, dass die Aussparung in der Mitte keine exakte Spiegelachse bildet. Mit dem Begriff „spiegelbildlich“ ist jedoch erkennbar nur gemeint, dass die Anordnung auf der rechten Seite jener auf der linken entspricht. Zusätzlich zu den Merkmalen der Beschreibung im Klageantrag ist für den Gesamteindruck folgendes Merkmal von Bedeutung: Die Außenkante des ersten Profilblocks ist jeweils nicht gerade, sondern trapezförmig gestaltet.

(4) Neben der Aufzählung der Merkmale erfordert die Feststellung des ästhetischen Gesamteindrucks auch eine Bewertung und Gewichtung der einzelnen Formen des Klagemusters (BGH GRUR 2000, 1023 – 3-Speichen-Felgenrad). Die Gewichtung hängt wiederum davon ab, von welchem vorbekannten Formenschatz das Muster ausgeht. Dem von der Beklagten vorgelegten Formenschatz (Anlagen B2 – B7) lässt sich entnehmen, dass zahlreiche Einzelmerkmale der im Klageantrag aufgelisteten Merkmalskombination – für sich genommen und teilweise auch in Kombination – vorbekannt sind. Insbesondere sind symmetrisch angeordnete Reifenprofile mit sichelförmigen Profilblöcken vielfach vorbekannt (vgl. Anlagen B3, B6, B7). Auch die Gliederung in sechs Bereiche und die waagrecht angeordneten wellenförmigen Querrillen waren zum Prioritätszeitpunkt bekannt.

Den inländischen Fachkreisen war auch das am ….01.1996 veröffentlichte nationale Geschmacksmuster C mit Priorität vom ….05.1995 bekannt (Anlage B7 / BK5), dessen Gesamteindruck demjenigen des Klagemusters von allen vorgelegten Entgegenhaltungen am nächsten kommt. Es weist eine symmetrische Gliederung des Reifenprofils in sechs Bereiche auf (Merkmal 1). Im Unterschied zum Klagemuster sind allerdings die Bereiche 1 und 2 nicht durch eine breite Aussparung, sondern nur durch eine schmale Längsrille getrennt. Der erste Bereich weist sichelförmig angeordnete Profilblöcke auf (Merkmal 2), wobei nicht nur eine Querrille wie beim Klagemuster, sondern mehrere vorhanden sind. Das Merkmal 3 ist ebenfalls verwirklicht, wobei jedoch die Querrillen anders als beim Klagemuster nicht waagrecht, sondern diagonal verlaufen. Die Mittelrippe (Merkmal 4) verfügt – wie das Klagemuster – über sichelförmige Aussparungen, die die Aussparungen zwischen den daneben liegenden Profilblöcken fortsetzen. Im Unterschied zum Klagemuster weist die Mittelrippe am inneren Ende der Aussparung zusätzlich eine feine umlaufende Längsrille auf.

Der Gesamteindruck des Klagemusters hebt sich damit vom vorbekannten Formenschatz im Wesentlichen nur dadurch ab, dass die äußeren Profilblöcke über nur eine mittige Querrille verfügen, die Ausrichtung sämtlicher Querrillen waagerecht im Verhältnis zu den Profilblöcken ist und zwischen erstem und zweitem Block eine stärker ausgeprägte Aussparung in Längsrichtung vorhanden ist. Außerdem ist die Außenkante des ersten Profilblocks jeweils nicht gerade, sondern trapezförmig gestaltet.

(5) Die Merkmalskombination des Klagemusters erzeugt damit keinen wesentlich anderen Gesamteindruck und verfügt deshalb nicht über die notwendige Gestaltungshöhe. Im Gesamtvergleich mit den vorbekannten Reifenprofilformen übersteigt die Schaffung des Klagemusters nicht das Durchschnittskönnen eines Mustergestalters auf diesem Gebiet in schutzbegründender Weise. Es ist zwar zu berücksichtigen, dass bei der Gestaltung von Reifen-Laufflächen für eine bestimmte Verwendung (hier: Ganzjahresreifen) schon funktionsbedingt kein unbegrenzter Gestaltungsspielraum besteht und die Anforderungen deshalb nicht überspannt werden dürfen. Andererseits sind keine Anhaltspunkte für eine Mustervielfalt ersichtlich, die nur einen ganz engen Spielraum für Neuschöpfungen zulassen würde. Gegen einen engen Gestaltungsspielraum spricht das wettbewerbliche Umfeld mit ganz unterschiedlichen Gestaltungen (Anlage HEP 19). Das von der Klägerin beanspruchte Design entfernt sich nicht weit genug von vorbekannten Gestaltungen.

b) Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche aus §§ 3, 4 Nr. 9, 8 I UWG zu. Den von der Klägerin vertriebenen Reifen „Y“ und „Y1“ kommt keine wettbewerbliche Eigenart zu. Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2007, 795Rn. 25 – Handtaschen). An der wettbewerblichen Eigenart können grundsätzlich auch technische Merkmale teilhaben. Abzustellen ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers. Zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört im Streitfall in erster Linie der Endverbraucher, der gelegentlich KfZ-Reifen kauft. Obwohl er auf der Straße ständig Reifenprofile sieht, wird er den im Klageantrag beschriebenen Details keine besondere Aufmerksamkeit widmen. Der Durchschnittsverbraucher erkennt zwar die besonders charakteristischen Merkmale der symmetrischen Anordnung der Profilblöcke und deren sichelförmige Ausgestaltung. Diese Merkmale weisen jedoch nicht nur auf die Klägerin hin. Es gibt mehrere vorbekannte Gestaltungen, die diese Merkmale ebenfalls kombinieren. Auch im aktuellen wettbewerblichen Umfeld gibt es Gestaltungen, die diese Merkmale aufweisen. Dies gilt zum Beispiel für den D-Reifen (Anlage HEP 19, Bl. 190 d.A.). Die Feinheiten des Reifenprofils wie zum Beispiel die Anzahl der durch Aussparungen in Längsrichtung abgetrennten Bereiche wird ein Verbraucher in der Regel nicht in Erinnerung behalten und ihnen auch keinen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller entnehmen. Er wird sich vorrangig an den Marken und Logos auf den Reifen orientieren. Nichts anderes ergibt sich aus den erheblichen Stückzahlen und Umsätzen, die die Klägerin mit den streitgegenständlichen Reifen angeblich erzielt. Der Verkehr wird trotzdem nur auffällige, besonders charakteristische Merkmale in Erinnerung behalten, die das Profil der Klägerin gerade nicht aufweist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Den Streitwert für die Schutzrechtsverletzung bemisst der Senat wie das Landgericht mit € 130.000,00. Der Gesamtstreitwert war um 10% zu erhöhen, weil auch über die auf ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz gestützten, hilfsweise geltend gemachten Ansprüche entschieden wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 12.09.2013, I ZR 65/11).

4. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision ( § 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt.

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