Kein Wettbewerbsverstoß eines Arztes bei Übersendung von Rezepten immobiler Patienten an Wunschapotheke

27. September 2016
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Hand eines Arztes übergibt ein Rezept an den Patienten Urteil des OLG Naumburg vom 04.05.2016, Az.: 9 U 85/15

Ob die direkte Übersendung von Rezepten immobiler Patienten an deren Wunschapotheke mit der Berufsordnung für Ärzte in Sachsen-Anhalt vereinbar ist, hängt davon ab, inwieweit hinreichende Gründe für die Weiterleitung der Rezepte im Sinne des § 31 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt vorliegen. Entscheidend für die Beurteilung sind die internen Verhältnisse der jeweiligen Praxis. Ein solcher Grund liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn vorgetragen wird, dass die Mehrzahl des Patientenstammes Rentner sind. Wird dem Patienten ein Rezept in Papierform durch den Arzt ausgestellt, so muss dieser zunächst frei entscheiden können, welche Apotheke er aufsuchen möchte. Wird der behandelnde Arzt durch den Patienten gefragt, wie er denn nun an die Medikamente gelangen kann, so ist das Praxispersonal dazu berechtigt, das Rezept an die jeweilige Wunschapotheke zu übermitteln. Selbst wenn ein Sponsoring-Vertrag zwischen Apotheke und Arzt geschlossen wurde, so begründet dieser nicht zwingend einen konkreten Verstoß gegen die genannte Vorschrift, da dieser zunächst nur geeignet wäre, die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten zu beweisen.

Oberlandesgericht Naumburg

Urteil vom 04.05.2016

Az.: 9 U 85/15

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 25.09.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Dessau-Roßlau wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 25.000,00 EUR

Entscheidungsgründe

A.

Der Senat nimmt zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug.

Das Landgericht hat die Klage mit am 25.09.2015 verkündetem Urteil abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte nicht gegen § 31 Abs. 2 Berufsordnung der Ärztekammer in Sachsen-Anhalt verstoße. Die Klägerin stütze ihren Anspruch maßgeblich auf die Aussage in einem Flyer der H. GmbH . Allein aus diesem Flyer sei kein Verstoß des Beklagten gegen die Verbotsnorm erkennbar. Die Aussagen dort seien viel zu pauschal. Man könne hieraus nicht ableiten, dass der Beklagte in einem konkreten Einzelfall ohne Auskunftsverlangen des Patienten oder ohne hinreichenden Grund generell alle Rezepte nur an die beiden von ihm genannten Apotheken weiterleite und die Patienten dorthin verweise. Der Beklagte habe dargestellt, dass er über das Netz der H. GmbH versuche, seine Patienten, die zu mehr als 60 % aus Rentnern bestünden, zu versorgen.

Der Kläger hat gegen das ihr am 05.10.2015 zugestellte Urteil am 30.10.2015 Berufung eingelegt und diese am 27.11.2015 begründet.

Er wiederholt seine Auffassung, dass hier hinreichende Gründe für die Weiterleitung der Rezepte im Sinne des § 31 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt vorlägen. Der Beklagte beschränke die Weiterleitung nicht auf Fälle, in denen eine Weiterleitung zur Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten angezeigt sei. Ob ein solcher hinreichender Grund für die Weiterleitung vorläge, könne nur bei Kenntnis der internen Verhältnisse in der Praxis des Beklagten beurteilt werden. Es obläge daher nach dem Grundsatz der sekundären Darlegungs- und Beweislast dem Beklagten, seinerseits zum hinreichenden Grund seiner Weiterleitung von Rezepten vorzutragen. Dem sei er nicht nachgekommen.

Stattdessen habe er lediglich vorgetragen, dass 60 % seiner Patienten Rentner seien. Dies allein begründe allerdings noch keinen hinreichenden Grund im Sinne der genannten Vorschrift. Weiter habe er lediglich pauschal behauptet, dass ein großer Teil seiner Patienten gehbehindert bzw. körperlich derart eingeschränkt sei, dass eine Weiterleitung der Rezepte notwendig würde. Eine derart pauschale Behauptung sei nicht geeignet, der dem Beklagten obliegenden sich sekundären Darlegungs- und Beweislast zu genügen. Stattdessen hätte er darlegen müssen, welche Gründe ein Weiterleiten der Rezepte im Einzelfall erforderlich gemacht hätte.

Die vorgelegte Aufstellung über die Verteilung der Medikamentenversorgung genüge für die Erfüllung der sekundären Darlegungs- und Beweislast ebenfalls nicht. Aus dieser ergäbe sich lediglich, wie viele Patienten ihre Medikamente selbst bei einer Apotheke abholten und wie viele ihre Rezepte vom Beklagten an eine Apotheke weiterleiten leiten ließen. Aus der Aufstellung ließe sich aber nicht entnehmen, welche Gründe für die Weiterleitung vorgelegen hätten. Die Aufteilung umfasse außerdem nur den Zeitraum von zwei Tagen und sei daher nicht repräsentativ. Die sehr hohe Anzahl an weitergeleiteten Rezepten (bei 26 von 76 Patienten) spreche dagegen eher dafür, dass nicht in jedem Fall eine medizinische Notwendigkeit zur Weiterleitung bestanden habe. Selbst bei einem hohen Rentneranteil erscheine es als unwahrscheinlich, dass 1/3 aller Patienten nicht in der Lage sei, ihre Medikamente ohne Weiterleitung der Rezepte durch den Beklagten zu beschaffen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts läge kein hinreichender Grund im Sinne der genannten Vorschrift vor, wenn ein Patient allein um die Weiterleitung des Rezeptes bitte. Eine Bitte um Auskunft rechtfertige zwar die Empfehlung von Apotheken, aber noch nicht das Weiterleiten von Rezepten.

Die Qualität der Versorgung der Patienten werde durch das Weiterleiten der Rezepte ebenfalls nicht verbessert.

Bei dem H. -Netzwerk handele es sich um ein Netzwerk mit stark kommerziellem Charakter. Antrieb für die Nutzung dieses Netzwerkes an die Weiterleitung von Rezepten über die H. -Plattform werde regelmäßig ein nicht unerhebliches finanzielles Interesse sein. Der kommerzielle Charakter ergebe sich daraus, dass der Beklagte bereit sei, jeden Monat einen Betrag von 9,99 € für die Nutzung der Plattform zu zahlen. Außerdem läge dem Kläger nunmehr ein sogenannter Sponsoring-Vertrag vor, wie er offensichtlich zwischen Apothekern und der H. GmbH abgeschlossen werde. Daraus ergäbe sich, dass sich die Apotheker verpflichteten, die Kosten für die Portalregistrierung im Gesundheitsportal H. , H. -Zertifikate, Kartenlesegeräte, die Installation einer H. -VPN-Mehrplatzlizenz sowie die monatlichen Mietkosten zur Kommunikation im internen Bereich für ein Jahr für jeweils 10 Arztpraxen zu übernehmen. Im Gegenzug verpflichte sich die H. GmbH , den gesponserten Ärzten den vollen Leistungsumfang des Gesundheitsportals H. zur Verfügung zu stellen. Nach dem Sponsoringsvertrag verpflichteten sich die Apotheker damit Kosten in Höhe von insgesamt 9.598,80 € zu tragen. Diese erheblichen Kosten würden die Apotheker nur dann investieren, wenn sie von der Nutzung des Netzwerkes durch die Arztpraxen, insbesondere durch die Weiterleitung von Rezepten über diese Plattform entsprechend hohe Einnahmen erwartet könnten. Diese Erwartungen ließen sich nur dann erfüllen, wenn gesponserte Arztpraxen gehalten sein, für ihr Sponsoring eine Gegenleistung zu erbringen und Rezepte bevorzugt an Apotheken weiterzuleiten, die dem Netzwerk angehörten.

Im vorliegenden Fall befänden sich auf der Einwilligungserklärung, auf der auch das Logo der H. GmbH abgebildet sei, namentlich nur die beiden Apotheken, die auch dem Netzwerk angehörten. Wegen des stark kommerziellen Charakters des Netzwerkes sei es naheliegend, dass die angeschlossenen Ärzte Rezepte nicht nur dann an die Apotheken weiterleiteten, wenn ein hinreichender Grund dafür bestünde.

Schließlich ergebe sich aus dem Sponsoring-Vertrag, dass die angeschlossenen Apotheken den angeschlossenen Arztpraxen die Nutzung des Netzwerkes finanzierten. Dies beinhalte auch einen Verstoß gegen § 31 Abs. 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt.

Die Patienten würden auch schon durch die Gestaltung der Einwilligungserklärung in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinflusst. Das Weiterleiten der Rezepte im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Einwilligungserklärung sei außerdem dazu geeignet, die Patienten dazu veranlassen, ihre Medikamente bei den beiden genannten Apotheken statt in einer anderen Apotheke zu beschaffen.

Schließlich habe der Kläger seinen Antrag auch auf die Ankündigung der umfassenden Weiterleitung der Rezepte an Apotheken gestützt. Hierfür habe er hinreichenden Beweis vorgelegt. Dies ergebe sich aus dem Werbeflyer.

Der Kläger beantragt,

das am 25.09.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die in der Praxis des Beklagten für Patienten ausgestellten Rezepte ohne hinreichenden Grund an Apotheken weiterzuleiten und/oder dies anzukündigen, wie in dem als Anl. 2 vorgelegten Flyer.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 246,10 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.07.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag: Zunächst behandele er seine Patienten und stelle ihnen anschließend ein Rezept in Papierform aus. Das Rezept werde den Patienten sodann ausgehändigt. Der Patient könne frei entscheiden, wo er sein Rezept einlöse. Mehr als 60 % der Patienten seien Rentner und zum großen Teil entweder gehbehindert und/oder aufgrund ihres Alters oder ihrer Krankheit nicht in der Lage, persönlich eine Apotheke aufzusuchen. Die nächsten Apotheken seien 10 km von der Praxis entfernt und mit Bus und Bahn nicht erreichbar. Deshalb werde der Beklagte regelmäßig gefragt, wie die Patienten nun an ihre Medikamente kommen sollten. Er gebe diesen Patienten dann die Möglichkeit, die Rezepte durch das Praxispersonal an die von ihnen gewünschte Apotheke übersenden zu lassen. Eine Weiterleitung der Rezepte können auf Wunsch des Patienten auch an eine Apotheke erfolgen, die nicht an das H. – System angeschlossen sei. In diesem Falle erfolge die Übermittlung dann per Fax.

Bisher habe der Kläger nicht konkret vorgetragen, dass der Beklagte ohne hinreichenden Grund Rezepte weiterleiten würde. Er baue seinen gesamten Vortrag allein auf dem Zitat in dem fraglichen Flyer auf. Diese Flyer lägen in der Praxis des Beklagten nicht aus, sondern würden von der H. GmbH nur zur Werbung gegenüber Ärzten und Kliniken verwendet. Er sei seinen Darlegungspflichten nachgekommen. Jedenfalls könne der Kläger von ihm nicht verlangen, dass er Patientendaten offenlege und gegen seine Schweigepflicht verstoße.

Der Beklagte habe jedenfalls nie einen Sponsoring-Vertrag, wie er jetzt vorgelegt worden sei, abgeschlossen. Dieser Vertragsentwurf aus dem Jahre 2010 sei bis heute auch mit niemanden anderem abgeschlossen worden.

Im Übrigen wiederholt und vertieft der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt die angefochtene Entscheidung.

B.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

Im Berufungsverfahren sind Entscheidungen des ersten Rechtszugs nach § 513 Abs. 1 ZPO nur noch darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

II.

Das Landgericht hat hier zu Recht einen Verstoß gegen § 31 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer in Sachsen Anhalt weder als ausreichend dargelegt noch als bewiesen angesehen. Insbesondere hat es die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden nicht verkannt.

  1. Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (st.Rspr., z.B. BGH NJW 1999, 1404-1406 m.w.N).

Dabei bleibt der Grundsatz unberührt, dass keine Partei verpflichtet ist, dem Gegner die für den Prozesssieg benötigten Informationen zu verschaffen (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., vor § 284 Rn. 34).

Die sekundäre Darlegungslast führt auch nicht zu einer Beweislastumkehr. Der Beweislastverteilung liegen generalisierende Risikozuweisungen zu Grunde. Sie kann daher nicht von einzelfallbezogenen Billigkeits-, Wahrscheinlichkeits- oder Plausibilitätserwägung abhängig gemacht werden (BGH NJW 2014, 2275, 2276).

  1. Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger einen konkreten Verstoß gegen § 31 Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt weder dargelegt noch unter Beweis gestellt; der Beklagte hat hingegen einer ihn möglicherweise treffenden sekundären Darlegungslast genügt.
  1. a) Der Senat vermag keine Verantwortung des Beklagten für den Flyer der H. GmbH und den darin getätigten Aussagen festzustellen. Der Beklagte hat den Flyer weder formuliert noch verwendet. Er selbst hat daher durch diesen Flyer auch die Weiterleitung von Rezepten nicht angekündigt. Eine irgendwie geartete Verantwortung des Beklagten für eine mögliche Ankündigung durch die H. GmbH ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Im Übrigen enthält auch der Flyer – wie das Landgericht zutreffend ausführt – nur pauschale Aussagen, die nicht geeignet sind, konkrete Verstöße zu belegen.

  1. b) Der Kläger hat es auch nicht vermocht, einen konkreten Verstoß des Beklagten darzulegen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Aussagen in dem Flyer einen gewissen Verdacht auf mögliche Verstöße wecken könnten. Dies zwingt den Beklagten seinerseits aber nur die Abläufe in seiner Praxis – im Rahmen des Zumutbaren – darzulegen.

Dieser Verpflichtung ist er nachgekommen, indem er die Verfahrensweise bei der Rezeptvergabe und Übermittlung geschildert hat. Aus der geschilderten Verfahrensweise ergeben sich keine konkreten Verstöße gegen § 31 Abs. 2 Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt.

Der Senat sieht darin keinen Verstoß gegen die genannte Vorschrift, dass der Beklagte, wenn er von einem immobilen Patienten nach einer Möglichkeit gefragt wird, an die verschriebenen Medikamente zu gelangen, zunächst nach der Wunschapotheke des Patienten fragt und dann auf die Möglichkeit einer Übermittlung des Rezeptes dorthin hinweist.

Der Beklagte ist zu konkreteren Angaben nicht verpflichtet. Eine absolute Grenze bildet insoweit die ärztliche Schweigepflicht. Darüber hinaus gibt es auch für den Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der sekundären Darlegungslast keine Verpflichtung, dem Kläger die Informationen zu verschaffen, die für den Prozesssieg erforderlich wären.

  1. c) Die verhältnismäßig hohe Zahl an Weiterleitung von Rezepten (26 bei 76 Patienten) mag vielleicht geeignet sein, einen Verdacht zu erwecken. Sie ist jedoch weder geeignet, konkrete Verstöße darzulegen noch gar zu beweisen.
  1. aa) Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gebietet, dass das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach voller Überzeugung zu entscheiden hat, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist (BGH NJW RR 2004, 425 f). Ein Richter darf und muss sich dabei mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256). Der Sache nach verlangt § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO damit, dass für die Feststellung objektiv eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, und dass das Gericht deshalb subjektiv von der Wahrheit oder der Unwahrheit der Feststellungen überzeugt ist (vgl. Schellhammer, ZPO, 11. Aufl., 2004, Rn. 551).
  1. bb) Im vorliegenden Fall hat der Kläger einen konkreten Geschehensablauf, der einen Verstoß gegen § 31 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt beinhalten würde, weder konkret vorgetragen noch mit einem Beweismittel unter Beweis gestellt. Die vorgetragenen Indiz-Tatsachen sind nicht geeignet, einen indirekten Beweis zu führen. Aus ihnen ergibt sich noch keine solch hohe Wahrscheinlichkeit, die geeignet wäre, eine richterliche Überzeugung zu tragen.
  1. d) Das Landgericht hat zu Recht auch in der konkreten Gestaltung der Einwilligungserklärung keinen solchen Verstoß gesehen.

Zum einen können die Patienten das Formular auch eine andere Apotheke eintragen. Zum anderen kommt das Einwilligungsformular erst dann zum Tragen, wenn der Beklagte – nach seinem Vortrag – von dem Patienten konkret angesprochen worden ist und er über die Möglichkeit, das Rezept an eine Apotheke nach Wahl des Patienten weiterzuleiten, gesprochen hat.

  1. d) Auch aus dem nunmehr vorgelegten Entwurf eines Sponsoring-Vertrages ergibt sich kein solcher Verstoß. Denn der Beklagte hat den Abschluss dieser Sponsoring-Verträge bestritten. Es wäre daher am Kläger gewesen, den Vertragsabschluss unter Beweis zu stellen. Aber selbst wenn die Sponsoring-Verträge tatsächlich geschlossen worden wären, so wären auch sie nur geeignet, die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten zu beweisen. Konkrete Verstöße leiteten sich aus diesen wirtschaftlichen Interessen noch nicht zwingend ab. Dies gilt umso mehr, da auch die vom Beklagten ins Feld geführten Argumente für die Rezeptübersendung durchaus auch plausibel sind: Keine Apotheke am Ort, überalterter Patientenstamm.

C.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
  1. Die Entscheidung über die Höhe des Gebührenstreitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47, 63 GKG, 3 ZPO.

 

III. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor; denn diese Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Beurteilung des Einzelfalles gebietet auch nicht, die Revision zur Fortbildung des Rechtes zuzulassen, weil die vorliegende Entscheidung nicht von der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht. Der Bundesgerichtshof hat die Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast in mehreren Entscheidungen benannt. Die Anwendung dieser Maßstäbe im vorliegenden Rechtsstreit ist eine Einzelfallentscheidung.

 

  1. Der nichtnachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 22. 04. 2016 enthält nur Rechtsausführungen, die der Senat zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Neues Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht wäre ohnehin gemäß § 296a ZPO inhaltlich nicht zu berücksichtigen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist dementsprechend nicht geboten. Denn die Voraussetzungen des § 156 ZPO liegen nicht vor.

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