Verstoß gegen Datenschutz durch Nutzung von Kontaktdaten zur Kundenakquise

17. August 2018
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Hand wählt Telefonnummer Urteil des VG Saarlouis vom 09.03.2018, Az.: 1 K 257/17

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von allgemein zugänglichen personenbezogenen Daten von inhabergeführten Einzelarztzahnarztpraxen verstößt gegen Datenschutz- und Wettbewerbsrecht, wenn diese Daten zur telefonischen Werbeansprache verwendet werden und weder eine tatsächliche, noch eine mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen in die Telefonwerbung vorliegt oder ein sonstiges Geschäftsverhältnis zu dem Betroffenen besteht. Ein im Bereich des Ankaufs von Edelmetallresten von Zahnarztpraxen und Dentallaboren tätiges Unternehmen hatte zum Zwecke der Kundenakquise Kontaktdaten potentieller Kunden aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen entnommen, in einer Datenbank zu eigenen geschäftlichen Zwecken gespeichert und die so erlangten Telefonnummern für Werbeanrufe genutzt, was gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG und - soweit Einzelzahnärzte betroffen seien - auch gegen §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 3 BDSG a. F. (heute §§ 22 ff. BDSG) verstößt.

Verwaltungsgericht des Saarlandes

Urteil vom 09.03.2018

Az.: 1 K 257/17

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist europaweit im Bereich des Ankaufs von Edelmetallresten von Zahnarztpraxen und Dentallaboren tätig.

Hierzu betreibt sie dergestalt Kundenakquise, dass sie die Kontaktdaten von Zahnarztpraxen und Zahnlaboren, d.h. Name und Vorname des Praxisinhabers sowie die Praxisanschrift nebst Telefonnummer aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen, wie z.B. den Gelben Seiten, ausfindig macht und in einer Datenbank zu eigenen geschäftlichen Zwecken speichert. Danach erfolgt anhand dieser Daten eine telefonische Ansprache der Zahnarztpraxen und Dentallabore, um in Erfahrung zu bringen, ob diese Edelmetalle an die Klägerin verkaufen möchten, wobei nach Angaben der Klägerin in dem ersten Telefonanruf deren Dienstleistung und bei Interesse auch das mögliche weitere Prozedere erläutert werden.

Aufgrund der Eingabe eines Zahnarztes vom 19.10.2015 wurde die Beklagte auf die Geschäftspraxis der Klägerin aufmerksam gemacht. In der Folge forderte die Beklagte die Klägerin zur Darstellung des Prozesses der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für Werbezwecke auf.

Nach entsprechender Korrespondenz sowie wiederholter Erörterung, im Rahmen derer die Beteiligten ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen zum Ausdruck brachten, ordnete die Beklagte mit Bescheid vom 10.1.2017 auf der Grundlage von § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG gegenüber der Klägerin an, die für den Zweck einer telefonischen Werbeansprache erfolgende Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten von Inhabern von Zahnarztpraxen einzustellen, sofern keine Einwilligung des Betroffenen im Sinne des § 4 Abs. 1 i. V. m. § 28 Abs. 3 Satz 1 BDSG vorliegt oder bereits ein Geschäftsverhältnis mit dem Betroffenen besteht. Darüber hinaus wurde die Löschung der für o.g. Zweck erhobenen und gespeicherten Daten angeordnet und der Klägerin aufgegeben, die angeordneten Maßnahmen innerhalb von 2 Wochen nach Eintritt der „Rechtskraft“ des Bescheids umzusetzen und dies der Beklagten gegenüber anzuzeigen. Für den Fall, dass die Klägerin den Anordnungen nicht, nicht vollständig oder nicht innerhalb der genannten Frist nachkommt, wurde unabhängig voneinander jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 2500 EUR angedroht und zugleich aufschiebend bedingt festgesetzt.

Zur Begründung ist in dem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin im Rahmen der Geschäftstätigkeit ihres Unternehmens als verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG in unzulässiger Weise personenbezogene Daten betroffener Zahnärzte mit dem Ziel einer telefonischen Werbeansprache erhebe, verarbeite und nutze. Der von der Klägerin betriebene Datenumgang verstoße in dem im Bescheid näher bezeichneten Umfang gegen § 4 Abs. 1 BDSG, wonach die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig sei, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaube oder anordne oder der Betroffene eingewilligt habe. Eine explizite Einwilligung im Sinne des § 4a Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 3 Satz 1 BDSG der von der Werbeansprache Betroffenen liege nicht vor und komme vorliegend auch nicht in Betracht, so dass die Nutzung der personenbezogenen Daten für Werbezwecke nur zulässig erfolgen könne, wenn die Voraussetzungen des § 28 Absatz 3 Satz 3 BDSG in Verbindung mit § 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BDSG vorlägen. Daran fehle es jedoch. Der institutionalisierte und rechtsgrundlose Umgang mit personenbezogenen Daten der Zahnärzte beeinträchtige diese in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so dass dieser zu untersagen sei. Der Anordnungsgegenstand umfasse ausdrücklich nur telefonische Werbeansprachen von Zahnärzten, für die keine explizite Einwilligung vorliege bzw. zu denen bisher keine Geschäftsbeziehung bestanden habe. Eine Nutzung der Kontaktdaten der Praxisinhaber mit dem Ziel einer schriftlichen Kontaktaufnahme bleibe von der Anordnung unberührt.

Der Bescheid ist der Klägerin zu Händen ihrer Bevollmächtigten am 11.1.2017 zugestellt worden. Am 13.2.2017, einem Montag, hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, in A-Stadt ein Call-Center mit mehr als 60 Mitarbeitern zu betreiben und europaweit einen Kundenstamm von ca. 10.000 Zahnarztpraxen und Dentallaboren zu besitzen. Sie biete Zahnarztpraxen und Dentallaboren an, die in den Praxen bzw. Laboren angefallenen Edelmetallreste durch einen Außendienstmitarbeiter mit einem mobilen Spektrometer kostenfrei und unverbindlich zu analysieren sowie zu bewerten und diese ggf. zu einem marktgerechten Preis anzukaufen. Viele tausend Kunden schätzten diesen Service der Klägerin. Die erste Kontaktaufnahme erfolge ausschließlich per Telefon über die zentrale Telefonnummer der Praxis und dauere im Schnitt ca. eine Minute. Der telefonische Erstkontakt gewährleiste eine schnelle und unkomplizierte Abwicklung des Geschäfts. Werde von dem jeweiligen Zahnlabor bzw. der Zahnarztpraxis ein Interesse an dem Service der Klägerin bekundet, vereinbare die Klägerin einen Vor-Ort-Termin bei dem Zahnlabor bzw. der Zahnarztpraxis, der dann von einem Außendienstler der Klägerin wahrgenommen werde. Der Geschäftskontakt mit der Klägerin stelle für die Angerufenen in aller Regel eine willkommene Gelegenheit dar, Edelmetallreste, die ansonsten ungenutzt in den Zahnarztpraxen lagern würden, zu veräußern und damit zu Geld zu machen. Ausgehend davon sei der angefochtene Untersagungsbescheid rechtswidrig.

Das BDSG sei im vorliegenden Fall bereits nicht anwendbar, denn es beinhalte nur Regelungen für Daten mit Personenbezug. Das BDSG diene nur dem Schutz natürlicher Personen. Juristische Personen und sonstige Personengesellschaften seien vom BDSG nicht geschützt. Da ein Großteil der Ärzte in Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften organisiert seien, finde das BDSG auf sie keine Anwendung. Aber auch im Falle von inhabergeführten Einzelpraxen handele es sich bei den von der Klägerin verwendeten Telefonnummern um rein geschäftliche Daten, die keinen Personenbezug aufwiesen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin Praxisgemeinschaften, „zahnmedizinische Zentren“ und dergleichen weiter telefonisch kontaktieren dürfe, Einzelzahnärzte aber nicht. Dentallabore habe die Beklagte nunmehr – entgegen ihrer ursprünglichen Absicht – unabhängig von der Organisationsform im Bescheid offensichtlich generell ausgenommen. Weshalb die Rechtslage aber bei rein inhabergeführten Zahnlaboren anders zu beurteilen sein solle als bei inhabergeführten Zahnarztpraxen, erschließe sich ebenfalls nicht. In diesem Punkt sei der angegriffene Verwaltungsakt in sich nicht stimmig.

Selbst wenn man das BDSG für anwendbar halte, finde der angefochtene Bescheid hierin keine Grundlage. Gehe man von der Anwendbarkeit des BDSG aus, bestimme sich die Zulässigkeit der Vorgehensweise der Klägerin nach § 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 2.Alt. i.V.m. § 28 Abs. 3 Satz 3 BDSG. Dabei sei nach § 28 Abs. 3 Satz 6 BDSG entscheidend, ob schutzwürdige Interessen der Betroffenen einem Anruf entgegenstünden. Das sei aber dann nicht der Fall, wenn die Telefonwerbung wettbewerbsrechtlich zulässig sei. Bei einer datenschutzrechtlichen Bewertung seien im Rahmen der gemäß § 28 Abs. 3 Satz 6 BDSG vorzunehmenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen die Wertungen des § 7 UWG zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei die Telefonwerbung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. UWG wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, da von einer mutmaßlichen Einwilligung der Betroffenen ausgegangen werden könne. Denn es bestehe ein sachliches Interesse der Anzurufenden an einer telefonischen Kontaktaufnahme durch die Klägerin. Eine telefonische Kontaktaufnahme sei vorliegend vorzugswürdig, da in dem Telefonat bereits Einzelheiten zum organisatorischen Ablauf geklärt, ein konkreter Termin für die Anfahrt des Technikers vereinbart werden und auch Nachfragen nach dem aktuellen Goldpreis und den bei der Klägerin geltenden Konditionen beantwortet werden könnten. Derartiges sei nur über das Telefon optimal möglich, da der Goldpreis regelmäßigen Schwankungen unterliege. Darüber hinaus seien die Belästigungen für die Angerufenen äußerst gering. Wegen der kurzen Anrufdauer seien die Anrufe nicht dazu geeignet, den Betriebs- und Geschäftsablauf in den Praxen ernsthaft zu stören. Wünsche der Angerufene keine Anrufe mehr, werde er in der Telefonanlage der Klägerin dauerhaft gesperrt und nicht mehr angerufen. Dies sei auch bei dem Petenten geschehen. Die vom Petenten vorgetragenen Belästigungen stammten nicht von der Klägerin. Setze man die Vorzüge der Flexibilität einer telefonischen Ansprache in Relation zum geringen Maß der Belästigung, seien die Anrufe der Klägerin mehr als hinnehmbar. Zur Annahme eines mutmaßlichen Einverständnisses i.S.d. § 7 UWG bedürfe es keiner „Dringlichkeit“. Eine Dringlichkeit könne lediglich ein Indiz für das Vorliegen eines sachlichen Interesses und damit eines mutmaßlichen Einverständnisses sein.

Die Beklagte habe verkannt, dass seitens potentieller Neukunden der Klägerin zumindest von einer mutmaßlichen Einwilligung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG in die Speicherung und Nutzung der Telefonnummern auch von inhabergeführten Zahnarztpraxen auszugehen sei.

Im Übrigen entspreche die Nutzung der zentralen Telefonnummer von Zahnarztpraxen zur Anbahnung von Metallankäufen den üblichen Gepflogenheiten in der Branche.

Zudem sei die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens von falschen Erwägungen ausgegangen. So habe sie im Rahmen der Ermessensentscheidung die Besonderheiten der Nachfragewerbung im Vergleich zur Absatzwerbung nicht beachtet. Auch sei die Beklagte hinsichtlich der Frage, in wessen Eigentum die in Zahnarztpraxen vorhandenen Edelmetallreste stehen, von unzutreffenden Erwägungen ausgegangen. Darüber hinaus benachteilige der angefochtene Bescheid die Klägerin dadurch unangemessen, dass nur in Fällen, in denen eine Einwilligung des Betroffenen in Speicherung und Nutzung vorliege oder eine Geschäftsverbindung zu dem Betroffenen bestehe, die entsprechenden Daten von der Löschpflicht ausgenommen seien. Es seien aber auch Fälle denkbar, in denen im Einzelfall auch ohne bestehende Geschäftsverbindung von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgegangen werden könne und von daher eine Speicherung und Nutzung zwecks telefonischer Werbeansprache zulässig sei.

Auch sei nicht klar, was unter einem von der Regelung ausgenommenen „zahnmedizinischen Zentrum“ zu verstehen sei bzw. in welchen Fällen die zentrale Rufnummer ein personenbezogenes Merkmal im Sinne der Regelung sei. Der Verwaltungsakt genüge weder hinsichtlich der Definition des Begriffes „Zahnarztpraxis“ noch hinsichtlich des Merkmals „Bestehen eines Geschäftsverhältnisses“ dem Bestimmtheitserfordernis des § 37 VwVfG.

Die Anordnung der Beklagten sei schließlich insgesamt unangemessen. Denn durch deren Vollziehung würde der Klägerin die gesamte Grundlage für ihre gewerbliche Tätigkeit entzogen. Das Unterlassen der Speicherung und Nutzung von aus allgemeinen Verzeichnissen gewonnenen Telefonnummern zwecks initialer telefonischer Werbeansprache würde zu einem Erliegen des Neukundengeschäfts in Deutschland führen. Reine Werbung per Briefpost – worauf die Beklagte als Alternative verweise – stelle kein gleich gut geeignetes, milderes Mittel dar, da die Antwortquoten bei der Briefwerbung verschwindend gering seien.

Selbst wenn die Datensätze der Klägerin als solche mit Personenbezug zu qualifizieren wären und man ausgehend von der derzeitigen Regelung im BDSG der Argumentation der Beklagten folgen würde, wäre das Verhalten der Klägerin zumindest durch die Rechtslage de lege ferenda als rechtmäßig zu bewerten. Durch die unmittelbare Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung ab dem 25.5.2018 werde den bislang von der Beklagten vorgetragenen Rechtsansichten der Boden entzogen. Da es sich bei dem angegriffenen Verwaltungsakt um einen in die Zukunft wirkenden Verwaltungsakt handele, sei dies bereits jetzt zu berücksichtigen. Die Rechtmäßigkeit von Direktwerbung richte sich ab dem 25.5.2018 allein nach Art. 6 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Die Klägerin könne sich nach dem 25.5.2018 auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO als Rechtsgrundlage für ihre Datenerhebung und -verarbeitung berufen. Zwar entfalte die DS-GVO erst mit ihrer Anwendbarkeit zum 25.5.2018 unmittelbare und allgemeine Rechtswirkung, jedoch sei bereits im Vorfeld eine „verordnungskonforme“ Auslegung des BDSG vorzunehmen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.1.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte zunächst auf Ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Teils wiederholend, teils vertiefend vertritt sie weiterhin die Auffassung, dass der Anwendungsbereich des BDSG vorliegend eröffnet sei. Im Falle von Zahnarztpraxen, die von einem Einzelzahnarzt geführt werden, seien die Bezeichnung der Zahnarztpraxis sowie deren Anschrift und Telefonnummer als sachliche Verhältnisse im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung einer natürlichen Person und somit als personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG anzusehen. Von daher sei die Zulässigkeit des Umgangs der Klägerin mit diesen Daten dem Regelungsrahmen des BDSG unterworfen.

Die von der Klägerin mit dem Ziel einer telefonischen Werbeansprache vorgenommene Erhebung und Nutzung der vorgenannten Daten erfolge ohne Einwilligung der Betroffenen. Die Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit des klägerischen Umgangs mit Kontaktdaten von Zahnärzten hänge demnach von der wettbewerbsrechtlichen Fragestellung ab, ob eine mutmaßliche Einwilligung der Betroffenen im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. UWG angenommen werden könne. Die von der Klägerin vorgenommene Differenzierung zwischen sog. „Absatz-“ und „Nachfragewerbung“ sei hierbei unerheblich. Abzustellen sei vielmehr auf eine objektive Bewertung der Erwartungshaltung der Werbeadressaten. Für die Fragestellung, ob ein sachliches Interesse der Werbeadressaten an der telefonischen Werbeansprache vermutet werden könne, sei nicht ausreichend, dass der Werbende von einem aktuellen Bedarf für die angebotene oder nachgefragte Ware oder Dienstleistung ausgehen dürfe; vielmehr müsse hinzu kommen, dass der Angerufene mutmaßlich auch gerade mit einer telefonischen Werbeansprache einverstanden sein werde.

Vorliegend könne mit Blick auf die Gesamtumstände eine solche mutmaßliche Einwilligung nicht angenommen werden. Gegen die Annahme einer solchen spreche insbesondere die von der Beklagten eingeholte Stellungnahme der Ärztekammer – Abteilung Zahnärzte – vom 29.8.2016. Auch wenn ein einzelner Werbeanruf – wie die Klägerin behaupte – nur kurze Zeit in Anspruch nehme, sei dennoch insbesondere im Hinblick auf die Vielzahl im entsprechenden Marktsegment tätiger Mitbewerber von einem erheblichen Belästigungspotenzial solcher Anrufe auszugehen. Der von der Klägerin angeführte Grad der Zufriedenheit ihrer Kunden sei für die Frage, ob eine mutmaßliche Einwilligung in einen Werbeanruf angenommen werden könne, ebenso unerheblich wie eine etwaige Annahme eines von der Klägerin unterbreiteten telefonischen Angebots.

Da nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung der angerufenen Zahnärzte ausgegangen werden könne, verstoße die telefonische Werbeansprache der Klägerin gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG und – soweit Einzelzahnärzte betroffen seien – damit auch gegen § 28 Abs. 3 BDSG. Von daher sei der Klägerin unter Ziff. 1.1. des Bescheides zu Recht die Einstellung der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Inhabern von Zahnarztpraxen aufgegeben worden, sofern keine Einwilligung vorliege oder bereits ein Geschäftsverhältnis mit dem Betroffenen bestehe. Die unter Ziff. 1.2. verfügte Datenlöschung finde ihre Rechtsgrundlage in § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG.

Die angefochtene Verfügung sei auch hinreichend bestimmt. Es sei darin insbesondere klargestellt worden, dass die Verfügung nur für solche Praxisdaten Geltung beanspruche, die auf konkrete natürliche Personen beziehbar seien. Auch der Begriff „Geschäftsverhältnis“ erschließe sich aus der Gesamtschau der angegriffenen Verfügung, da konkreter Gegenstand des Verwaltungsakts die Untersagung der Nutzung von aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen erhobenen Daten sei und somit Fälle betreffe, in denen bisher mit dem Betroffenen der Ansprache keinerlei Kontakt bestanden habe. Eine graduelle Differenzierung nach der Intensität der Geschäftsbeziehung sei mittels der ausgesprochenen Verfügung erkennbar nicht intendiert gewesen.

Auch der Hinweis der Klägerin auf die zum 25.5.2018 in Kraft tretende DS-GVO biete keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Wie die künftige Rechtslage für Fallkonstellationen der vorliegenden Art konkret ausgestaltet werde, stehe derzeit noch nicht fest. Nach jetzigem Kenntnisstand solle dies in der – bisher aber nur als Entwurf vorliegenden – sog. ePrivacy-Verordnung geregelt werden. Nach derzeitiger Erkenntnislage könne nicht davon ausgegangen werden, dass für den Bereich der Direktwerbung, insbesondere für telefonische Werbeansprachen, eine entscheidungserhebliche Änderung der Rechtslage zu erwarten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10.1.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Da es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, ist maßgeblich auf die Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen.

Zunächst begegnet der Bescheid keinen formellen Bedenken. Auch ist er – entgegen der Auffassung der Klägerin – hinreichend bestimmt. Hinreichende Bestimmtheit i.S.v. § 37 Abs. 1 (S)VwVfG bedeutet, dass der Inhalt der in einem Verwaltungsakt getroffenen Regelung, d.h. der Entscheidungssatz ggfs. im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen, für die Beteiligten, insbesondere für die Adressaten des Verwaltungsakts so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach richten können, und dass auch die mit dem Vollzug betrauten Behörden den Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen können

vgl. Kopp/Ramsauer VwVfG, § 37 RZ. 5 m.w.N..

Dies ist hier der Fall. Aus dem Bescheid geht klar hervor, dass der Klägerin die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbeziehbarer Daten von Inhabern von Zahnarztpraxen für den Zweck einer telefonischen Werbeansprache – d.h. der Sache nach – untersagt wird, im Falle von inhabergeführten Einzelzahnarztpraxen die im Tatbestand genannten Daten, insbesondere die Telefonnummer der Praxis zum Zwecke initialer Werbeanrufe zu speichern bzw. zu nutzen, es sei denn, der entsprechende Zahnarzt hat zuvor in derartige Werbeanrufe eingewilligt oder es besteht bereits eine – wie auch immer geartete – Geschäftsverbindung zu dem Zahnarzt. Eine graduelle Differenzierung nach der Intensität der Geschäftsbeziehung ist von der Verfügung erkennbar nicht intendiert. Vielmehr geht es im angefochtenen Bescheid erkennbar darum, dass der Klägerin untersagt wird, zum Zweck einer telefonischen Werbeansprache aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen Daten zu erheben, die sich auf die Person eines konkreten Zahnarztes beziehen, zu dem bisher noch kein Kontakt bestanden hat.

Der hinreichend bestimmte Bescheid ist auch sonst materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG i.V.m. § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG. Nach der erstgenannten Vorschrift kann die Beklagte im Falle von Verstößen gegen das BDSG die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Verstöße anordnen und zwar bis hin zur Untersagung der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung bestimmter Daten. Gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist.

Die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid beanstandete Geschäftspraxis der Klägerin, zwecks telefonischer Werbeansprachen die vorgenannten, aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen erhobenen Praxisdaten zu speichern und zu nutzen, verstößt im Falle inhabergeführter Einzelzahnarztpraxen gegen das BDSG.

Entgegen der Auffassung der Klägerin unterfällt der vorgenannte Sachverhalt dem Anwendungsbereich des BDSG. Denn in Fällen inhabergeführter Einzelzahnarztpraxen erhebt, verarbeitet und nutzt die Klägerin als verantwortliche Stelle i.S.d. § 3 Abs. 7 BDSG im Rahmen ihrer Kundenakquise personenbezogene Daten im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BDSG.

Nach § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Diese Definition umfasst alle Angaben über den Betroffenen selbst oder einen auf ihn beziehbaren Sachverhalt; dazu gehören innerhalb eines sehr weiten Begriffsverständnisses auch die rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Beziehungen des Betroffenen zur Umwelt. Erfasst werden nicht nur Angaben über private Tätigkeiten, sondern auch Daten über geschäftliche bzw. berufliche Tätigkeiten

vgl. Gola/Schomerus BDSG § 3 Rz. 3 ff; Dammann in Simitis, Kommentar zum BDSG § 3 Rz. 7, 11; Däubler/ Klebe/Wedde/Weichert, BDSG § 3 Rz. 2.

Auch Unternehmensdaten, die sich auf eine natürliche Person beziehen lassen, wie dies bei einem inhabergeführten Einzelunternehmen der Fall sein kann, sind datenschutzrechtlich relevant

vgl. Däubler/ Klebe/Wedde/Weichert, BDSG § 3 Rz. 9.

Ausgehend davon geht es vorliegend um die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, und zwar konkret von Name und Vorname des Praxisinhabers, der Praxisanschrift und der Telefonnummer der Praxis von Einzelzahnärzten. Dass es sich bei Name und Vorname des jeweiligen Praxisinhabers um personenbezogene Daten handelt, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Aber auch bei der Praxisanschrift und insbesondere der Telefonnummer handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG. Denn diese lassen sich bei Einzelzahnarztpraxen regelmäßig ohne weiteres auf den Praxisinhaber, und damit auf eine bestimmte natürliche Person beziehen. In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass die Telefonnummer ein personenbezogenes Merkmal des betreffenden Anschlussinhabers darstellt und zwar nicht nur bei privaten, sondern auch bei betrieblichen bzw. dienstlichen Telefonnummern

vgl. zu betrieblichen Telefonnummern: Gola/Schomerus, BDSG § 3 Rz. 3; BAG NJW 1987, 674 (Juris Rz. 40); Bay VGH B.v. 25.3.2015 – 5 B 14.2164 -, juris; OVG NRW, Urt. v. 6.5.2015 – 8 A 1943/13-, juris Rz. 93; VG Aachen, Urt. v. 17.7.2013 – 8 K 532/11-, juris Rz. 40 ff

Soweit die Klägerin einwendet, dass ein Großteil der Ärzte in Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften organisiert seien, ist zwar zutreffend, dass das BDSG auf letztere keine Anwendung findet, Derartige Praxen bzw. Praxisgemeinschaften sind aber nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides. Vielmehr bezieht dieser sich eindeutig lediglich auf inhabergeführte Einzelpraxen, die wie ausgeführt – Soweit hier relevant – dem Anwendungsbereich des BDSG unterfallen.

Der hier in Rede stehende Umgang der Klägerin mit personenbezogenen Daten von inhabergeführten Einzelzahnarztpraxen verstößt gegen § 4 Abs. 1 BDSG, wonach die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig ist, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat.

Eine explizite Einwilligung im Sinne des § 4a Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 3 Satz 1 BDSG der von der Werbeansprache Betroffenen liegt in den hier in Rede stehenden Fällen, in denen die Klägerin die Praxisdaten aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen gewonnen hat, unstreitig nicht vor. Als Rechtsgrundlage für die von der Klägerin praktizierte Nutzung personenbezogener Daten zu Werbezwecken kommt demnach allein § 28 Abs. 3 BDSG in Betracht, der eine abschließende Spezialregelung für die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke der Werbung beinhaltet. Konkret könnte die Vorgehensweise der Klägerin im Falle inhabergeführte Einzelzahnarztpraxen nur dann zulässig sein, wenn die Voraussetzungen des § 28 Absatz 3 Satz 3 BDSG in Verbindung mit § 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BDSG vorliegen würden. Daran fehlt es jedoch.

Nach § 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BDSG ist die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zulässig, soweit es sich um listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Personengruppe, seine Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, seinen Namen, Titel, akademischen Grad, seine Anschrift und sein Geburtsjahr beschränken, und die Verarbeitung oder Nutzung erforderlich ist für Zwecke der Werbung für eigene Angebote der verantwortlichen Stelle, die diese Daten mit Ausnahme der Angaben zur Gruppenzugehörigkeit aus allgemein zugänglichen Adress-, Rufnummern-, Branchen- oder vergleichbaren Verzeichnissen erhoben hat.

Mit Ausnahme der Telefonnummern handelt es sich bei den von der Klägerin gespeicherten und genutzten Daten um sog. „Listendaten“ im vorgenannten Sinne, die die Klägerin aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen erhebt bzw. erhoben hat.

Als Rechtsgrundlage für die Speicherung und Nutzung der Telefonnummer kommt nur § 28 Abs. 3 Satz 3 BDSG in Betracht, wonach die verantwortliche Stelle für Zwecke nach Satz 2 Nr. 1 zu den dort genannten Daten weitere Daten hinzuspeichern darf, sofern hierdurch nicht schutzwürdige Interessen verletzt werden (§ 28 Abs. 3 Satz 6 BDSG). Die rechtlichen Voraussetzungen für ein Hinzuspeichern der Telefonnummer sind vorliegend nicht gegeben.

Dabei kann dahinstehen, ob – wie dies gestützt auf die Entstehungsgeschichte und insbesondere die Gesetzesmaterialien der Vorschrift (insbesondere BT-DRS 16/12011 S. 32) in Teilen der Literatur vertreten wird – ein Hinzuspeichern weiterer Informationen zu Listendaten i.S.v. § 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BDSG nur dann zulässig ist, wenn diese im Wege einer Direkterhebung, d.h. im Wege einer Erhebung beim Betroffenen selbst gewonnen wurden. Die Erhebung weiterer Daten aus allgemein zugänglichen Quellen und deren anschließende Speicherung gemäß Abs. 3 Satz 3 der Vorschrift ist nach dieser Auffassung unzulässig, eine ergänzende Speicherung vielmehr an die Voraussetzung gebunden, dass die verantwortliche Stelle hierfür einen eigenen Rechtsgrund gemäß § 4 Absatz 1 BDSG vorweisen kann

so etwa Däubler/ Klebe/Wedde/Weichert, BDSG § 28 Rz. 101; Plath, BDSG/DSGVO 2. Aufl. 2016 § 28 Rz. 123.

Folgt man dem, so verstößt das Speichern und Nutzen der Telefonnummern inhabergeführter Einzelpraxen schon deshalb gegen das BGSG, weil die Klägerin auch die Telefonnummern allgemein zugänglichen Verzeichnissen entnommen und nicht auf sonstige Weise rechtmäßig erhoben hat.

Dies kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn unabhängig davon fehlt es vorliegend jedenfalls am Erfordernis des § 28 Abs. 3 Satz 6 BDSG, wonach ein „Hinzuspeichern“ von Daten gemäß Abs. 3 Satz 3 zu sog. Listendaten nur zulässig ist, sofern hierdurch nicht schutzwürdige Interessen verletzt werden. Eine Verletzung schutzwürdiger Interessen ist insbesondere anzunehmen, wenn das UWG eine bestimmte Werbeform als unzumutbare Belästigung bewertet

vgl. Gola/Schomerus, § 28 BDSG Rz. 50a; Anwendungshinweise des Düsseldorfer Kreises zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten für werbliche Zwecke Ziff 1.1 und 3.10.

Von Letzterem ist hier auszugehen. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung.

Da es sich hier um Werbung im sog. „B2B“-Bereich handelt und eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen nicht vorliegt, ist für die Zulässigkeit der telefonischen Werbeansprache entscheidend, ob zumindest von einer mutmaßlichen Einwilligung der betroffenen Zahnärzte in telefonische Werbeansprachen der von der Klägerin praktizierten Art ausgegangen werden kann. Dies ist vorliegend zu verneinen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob bei einer Telefonwerbung im gewerblichen Bereich von einer mutmaßlichen Einwilligung des Anzurufenden ausgegangen werden kann, ist auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen

vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2006 – I ZR 191/03, m.w.N., juris.

Maßgebend ist, ob der Werbende bei verständiger Würdigung der Umstände davon ausgehen kann, der Anzurufende erwarte einen solchen Anruf oder werde ihm jedenfalls positiv gegenüberstehen

vgl. BGH Urt. v. 24.1.1991 – I ZR 133/89 -, BGHZ 113, 282, 286 sowie juris.

Dabei muss sich die mutmaßliche Einwilligung des anzurufenden Gewerbetreibenden nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Art der Werbung erstrecken. Der anzurufende Gewerbetreibende muss dementsprechend mutmaßlich (gerade) auch mit einer telefonischen Werbung einverstanden sein

vgl. BGH Urt. v. 24.1.1991 – I ZR 133/89 –; Urt. v. 5.2.2004 –I ZR 87/02; Urt. v. 20.9.2007 – I ZR 88/05 -,; Urt. v. 16.11.2006 – I ZR 191/03 – m.w.N.; Urt. v. 11.3. 2010 – I ZR 27/08 -; jeweils juris.

Ein (bloß) allgemeiner Sachbezug zu den Dienstleistungen des Anzurufenden reicht zur Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung nicht aus. Auch ist unerheblich, ob der Angerufene später Interesse an dem Angebot zeigt und es in der Folge möglicherweise sogar zu einem Abschluss kommt,

vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2006 – I ZR 191/03 – m.w.N.; Urt. v. 11.3. 2010 – I ZR 27/08 -; juris.

Ausgehend davon ist vorliegend eine mutmaßliche Einwilligung zu verneinen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich vorliegend im Sinne der von der Klägerin geltend gemachten Differenzierung um „Angebots“- oder „Nachfragewerbung“ handelt und inwiefern eine solche Unterscheidung überhaupt von rechtlicher Relevanz ist. Jedenfalls ist die von der Klägerin vorgenommene Differenzierung vorliegend nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist vielmehr eine Bewertung der Erwartungshaltung des Werbeadressaten unter Berücksichtigung der Gesamtumstände.

Zwar mag es sein, dass – wie die Klägerin vorträgt – es durchaus Zahnärzte gibt, die die telefonischen Werbeansprachen der Klägerin als willkommene Gelegenheit wahrnehmen, Edelmetallreste, die sonst ungenutzt in ihrer Praxis lagern würden, gewinnbringend zu veräußern. Auch ist der Klägerin zuzugestehen, dass eine telefonische Kontaktaufnahme durchaus Vorteile bieten kann etwa der Gestalt, dass in einem Telefonat Einzelheiten zum organisatorischen Ablauf geklärt, ein konkreter Termin für die Anfahrt eines Technikers vereinbart oder auch Nachfragen beantwortet werden können. Daraus kann aber noch nicht generell auf eine mutmaßliche Einwilligung betroffener Zahnärzte in telefonische Werbeansprachen der vorliegenden Art geschlossen werden.

Vielmehr ist andererseits zu berücksichtigen, dass der Verkauf von Edelmetallresten nicht zum eigentlichen Tätigkeitsbereich eines Zahnarztes gehört, sondern sich Zahnärzten hier allenfalls die Möglichkeit einer zusätzlichen Einnahmequelle bietet. Die Telefonnummer der Praxis dient in erster Linie der Wahrnehmung der eigentlichen zahnärztlichen Tätigkeit, unter anderem insbesondere dazu, Patienten eine Kontaktaufnahme zu ermöglichen.

Auch haben Werbeanrufe der vorliegenden Art, selbst wenn ein einzelner Anruf – wie die Klägerin behauptet – nur kurze Zeit in Anspruch nimmt, durchaus das Potenzial, den Praxisbetrieb zu stören. Dabei ist zunächst zu sehen, dass es in dem in Rede stehenden Marktsegment der Klägerin zahlreiche Mitbewerber gibt, die vergleichbare Leistungen anbieten. Die große Zahl von Mitbewerbern ist bereits bei einer entsprechenden Recherche im Internet ohne weiteres erkennbar. Wenn ein Zahnarzt Edelmetallreste veräußern will, so ist ihm dies problemlos möglich. Es gibt zahlreiche Ankäufer am Markt, die – ebenso wie die Klägerin – kostenlose Analysen anbieten und eine Abwicklung entsprechender Geschäfte z. B. auch im Versandweg ermöglichen. Dass die Leistungen der Klägerin im Vergleich zu anderen Anbietern für Zahnärzte deutlich vorteilhafter sein sollten, ist nicht erkennbar.

Angesichts der großen Zahl vergleichbarer Anbieter besteht eine durchaus erhebliche Gefahr, dass auch zahlreiche Konkurrenten dasselbe Recht wie die Klägerin zu einem unaufgeforderten Werbeanruf für sich in Anspruch nehmen. Zudem könnten in gleicher Weise auch Anbieter sonstiger Leistungen, die für Zahnärzte in irgendeiner Art von Interesse sein könnten,. z.B. Vertreiber von Praxisbedarfsartikeln usw., in gleicher Weise für ihre Produkte bzw. Dienstleistungen werben.

Selbst wenn jeder einzelne Werbeanruf für sich betrachtet nicht lange dauert, so birgt dies doch die Gefahr, dass der übliche Praxisbetrieb durch eine Vielzahl ähnlicher Telefonanrufe empfindlich gestört werden kann. Wird die zentrale Telefonnummer einer Zahnarztpraxis immer wieder für Werbeanrufe in Anspruch genommen und dadurch jedenfalls vorübergehend blockiert, kann dies dazu führen, dass sie für ihren originären Zweck, nämlich dem eigentlichen Praxisbetrieb zu dienen und insbesondere Patienten eine Kontaktaufnahme sowie eine Terminvereinbarung zu ermöglichen, nicht mehr in hinreichendem Maße zur Verfügung steht. Entsprechende Werbemaßnahmen sind deshalb, auch wenn die Beeinträchtigung im Einzelfall gering sein kann, als unzumutbare Belästigung und damit als wettbewerbswidrig zu beurteilen

vgl. BGH, Urt.v. 20.9.2007 – I ZR 88/05 -, Juris Rz. 22 m.w.N..

Dass – wie die Klägerin behauptet – Werbeanrufe der hier in Rede stehenden Art „branchenüblich“ seien, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Macht eine Vielzahl von werbenden Unternehmen in einer bestimmten Branche von wettbewerbswidriger Telefonwerbung Gebrauch, so besagt dieser Umstand nichts darüber, ob der Durchschnittsmarktteilnehmer mit dieser Werbemethode einverstanden ist. Vielmehr dürfte in solchen Fällen eher das Gegenteil anzunehmen sein und geht es in diesen Fällen gerade darum, ein weiteres Umsichgreifen wettbewerbswidriger Telefonwerbung zu verhindern

vgl. BGH, Urt.v. 11.3.2010 – I ZR 27/08 -, juris Rz. 24 m.w.N.

Diese Erwägungen finden Bestätigung in der Stellungnahme der Saarländischen Ärztekammer – Abteilung Zahnärzte – vom 29.8.2016, die die Beklagte im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Danach besteht in der Regel kein sachliches Interesse der Zahnärztin/des Zahnarztes an Werbeansprachen der vorliegenden Art. Zwar möge es sein, dass diese Art der Werbeansprache von vielen gewerblichen Unternehmen genutzt werde. Dies führe allerdings nicht dazu, dass telefonische Werbeansprachen als nicht belästigend empfunden würden. Von einer mutmaßlichen Einwilligung könne nicht ausgegangen werden. Die Stellungnahme der Ärztekammer spricht ebenfalls entscheidend gegen die Annahme eines mutmaßlichen Einverständnisses in die hier in Rede stehenden Werbeanrufe.

Dass die von den Beteiligten jeweils zum Beleg ihrer Auffassung herangezogene Entscheidung des BGH vom 20.2.2018 – VI ZR 30/17 -, welche bisher nicht einmal im Volltext veröffentlicht ist und die Frage der Zulässigkeit einer Datennutzung zum Zweck telefonischer Werbeansprachen nicht zum Gegenstand hat, eine andere Sichtweise nahelegen könnte, ist nicht erkennbar.

Entgegen der Auffassung der Klägerin bietet auch eine Berücksichtigung der Rechtslage „de lege ferenda“ keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Maßgeblich für die hier zu treffende Entscheidung ist – wie bereits dargelegt – die Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe – bei dem Begriff der „berechtigten Interessen“ i.S.v. § 28 Abs. 3 Satz 6 BDSG handelt es sich um einen solchen – auch eine künftige Änderung der Rechtslage mit in den Blick genommen werden kann und unter Umständen sogar muss. Dies setzt aber voraus, dass eine entscheidungserhebliche Änderung der materiellen Rechtslage bereits hinreichend konkret absehbar ist. Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar steht fest, dass am 25.5.2018 die neue Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) in Kraft tritt und ab diesem Zeitpunkt für den Datenschutz maßgeblich ist. Es ist aber nicht erkennbar, dass sich die materielle Rechtslage im hier streitgegenständlichen Bereich dadurch entscheidungserheblich ändern wird. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Verhalten der Klägerin nach der DS-GVO künftig als rechtmäßig zu bewerten ist. Dies lässt sich – entgegen der Auffassung der Klägerin – insbesondere Art. 6 Abs. 1 Lit. f DS-GVO nicht ohne weiteres entnehmen. Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin geben im Wesentlichen deren eigene Auslegung wieder. Es bleibt zunächst abzuwarten, wie die Vorschrift von Rechtsprechung und Literatur ausgelegt wird. Derzeit ist noch nicht absehbar, ob und ggf. welche Auswirkungen die DS-GVO für die Frage der Zulässigkeit einer Datennutzung zu Werbezwecken hat, zumal – worauf die Beklagte hingewiesen hat – die entsprechende Materie in der bisher lediglich im Entwurf vorliegenden e-Privacy-Verordnung gesondert geregelt werden soll. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann nicht angenommen werden, dass das umstrittene Verhalten der Klägerin jedenfalls nach der künftigen Rechtslage als rechtmäßig zu bewerten sein wird. Zeichnet sich demnach aber noch nicht hinreichend ab, ob die künftigen Regelungen die vorliegenden Fragestellungen betreffende, entscheidungserhebliche Änderungen mit sich bringen, besteht auch kein Anlass mit Blick auf die „Rechtslage de lege ferenda“ von der oben dargelegten Bewertung abzuweichen.

Da die hier in Rede stehende Werbepraxis der Klägerin somit als unzumutbare Belästigung i.S.v. § 7 Abs. 2 UWG anzusehen ist und demzufolge schutzwürdige Interessen der betroffenen Zahnärzte verletzt, fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Speicherung und Nutzung der Telefonnummern inhabergeführter Einzelzahnarztpraxen und verstößt die Klägerin mit ihrer Form der Kundenakquise gegen das BDSG. Da eine weniger einschneidende, zur Beseitigung des Verstoßes ebenfalls geeignete Maßnahme nicht ersichtlich ist, ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte der Klägerin aufgegeben hat, die für den Zweck einer telefonischen Werbeansprache erfolgende Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten von Inhabern von Zahnarztpraxen einzustellen sowie dafür bereits erhobene und gespeicherte Daten zu löschen, sofern keine Einwilligung des Betroffenen vorliegt oder bereits geschäftliche Kontakte mit dem Betroffenen bestehen. Da der Rechtsverstoß der Klägerin auf andere Art und Weise nicht beseitigt werden kann, begegnet die angefochtene Anordnung auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen rechtlichen Bedenken, zumal der Klägerin hinreichende andere Formen der Werbung – etwa in Gestalt von Briefpostsendungen oder Anzeigen usw.- zur Verfügung stehen. Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie ohne die ihr in Bezug auf inhabergeführte Einzelpraxen untersagten telefonischen Werbeansprachen in ihrer Existenz gefährdet sei, ist dies schon kaum nachvollziehbar. Selbst wenn dies aber so wäre, würde dies die Beklagte nicht daran hindern, eine Beseitigung der in der Werbepraxis der Klägerin liegenden Rechtsverstöße zu verlangen.

Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in sich unstimmig; insbesondere ist kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkennbar. Dass sich der Bescheid lediglich auf inhabergeführte Einzelzahnarztpraxen erstreckt, nicht jedoch auf als juristische Person organisierte Praxen bzw. sonstige Praxisgemeinschaften, hat seinen Grund darin, dass bei den letztgenannten Praxen keine Nutzung personenbezogener Daten i.S.d. BDSG in Rede steht und von daher der Anwendungsbereich des BDSG diesbezüglich nicht eröffnet ist. Soweit die Beklagte den angefochtenen Bescheid nur auf Zahnärzte, nicht aber auf Inhaber von Dentallaboren ausgerichtet hat, hat sie dies in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar damit begründet, dass die Dentallabore in ihrem Zuständigkeitsbereich regelmäßig als juristische Personen organisiert sind bzw. es bei diesen i.d.R. nicht um eine Verwendung auf eine konkrete natürliche Person bezogener Daten geht. Im Übrigen wäre die Klägerin dadurch, dass sich der angefochtene Bescheid nicht auch auf Inhaber von Dentallaboren erstreckt, jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil – wie die Klägerin meint – ihm im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten zu den Eigentumsverhältnissen an in Zahnarztpraxen anfallenden Altmetallen fehlerhafte Ermessenserwägungen zu Grunde gelegen hätten. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren zutreffend sind. Dabei handelt es sich nämlich lediglich um ergänzende Erwägungen, auf die der angefochtene Bescheid jedenfalls nicht maßgeblich gestützt ist.

Die der Klägerin gesetzte Frist zur Umsetzung der angeordneten Maßnahmen sowie die angeordnete Anzeigepflicht begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die für den Fall der Nichtbefolgung erfolgte Androhung und aufschiebend bedingte Festsetzung von Zwangsgeldern. Da die Klägerin hierzu keine gesonderten, über ihre Darlegungen zur Hauptsache hinausgehenden Einwendungen erhoben hat, bedarf es hierzu keiner weiteren Ausführungen.

Die Klage ist damit insgesamt mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO besteht kein Anlass.

Beschluss

Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 2 und 63 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.

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