Anonyme Tauschbörse

13. September 2006
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Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Beschluss vom 13.09.2006

Az.: 5 U 161/05

Entscheidungsgründe:

Nachdem die Parteien im Anschluss an die von der Antragsgegnerin im Senatstermin abgegebene Unterlassungserklärung den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Senat gem. § 91 a ZPO nach dem bisherigem Sach- und Streitstand über die entstandenen Kosten zu entscheiden. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits in voller Höhe der Antragsgegnerin aufzuerlegen, denn diese wäre ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich in vollem Umfang unterlegen. Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch aus § 97 UrhG wegen der Verletzung der Urheberrechte des Antragstellers lagen vor.

1. Die Antragsgegnerin ist in diesem Rechtsstreit passiv prozessfähig. Der Antragsteller konnte die Antragsgegnerin auch gegen deren ausdrücklichen Willen (bzw. gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern) wegen einer Urheberrechtsverletzung gerichtlich in Anspruch nehmen. Die beschränkt geschäftsfähige Antragsgegnerin wird hierbei von ihren Eltern als gesetzlichen Vertretern vertreten. Dies folgt aus § 51 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 1629 Abs. 1 BGB. Die Passivvertretung der Antragsgegnerin ist nicht von dem Willen ihrer gesetzlichen Vertreter abhängig. Diese haben ihr minderjähriges Kind auch dann in einem Rechtsverhältnis zu Dritten, die Rechtsansprüche gegen die Minderjährige geltend machen, prozessual zu vertreten, wenn eine Prozessführung nach ihrer Auffassung inhaltlich nicht dem „Kindeswohl“ entspricht, was in der Regel der Fall sein wird, wenn das Kind die beklagte Partei ist und gerichtlich zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden soll. Eine derartige Entscheidungsbefugnis steht den gesetzlichen Vertretern indes ausschließlich bei Aktivprozessen zu. Passivprozesse haben sie in der Lage hinzunehmen, wie sie gegen die Minderjährige geltend gemacht werden. Eine Entscheidungsfreiheit, derartige Prozesse zu führen oder nicht gegen das minderjährige Kind gelten zulassen, besteht nicht. Eine solche prozessuale Entscheidungsfreiheit ist dem deutschen Prozessrecht auch im Übrigen fremd. Sie würde dazu führen, dass Privatpersonen autonom darüber entscheiden könnten, ob sie sich einem Prozess aussetzen wollen oder nicht. Eine Entscheidungsfreiheit dieser Art besteht nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen. Dies ist z.B. der Fall für die Frage, ob ein Insolvenzverwalter einen gegen den Gemeinschuldner geführten und durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Prozess aufnehmen und fortführen will (§ 240 ZPO i.V.m. § 86 InsO). Bei der Inanspruchnahme einer durch ihre gesetzlichen Vertreter vertretenen Minderjährigen ist eine derartige Wahlmöglichkeit hingegen nicht eröffnet. Die Eltern als gesetzliche Vertreter sind insoweit – notfalls auch gegen ihren Willen – zur Prozessführung verpflichtet. Nehmen Sie diese Verpflichtung nicht wahr, hat ihr minderjähriges Kind – vertreten durch die Eltern – die hieraus erwachsenen prozessualen Folgen hinzunehmen.

2. Der Antragsteller hat durch Vorlage der Anlage ASt1 bereits in erster Instanz hinreichend glaubhaft gemacht dass er selbst Urheber der streitgegenständlichen Lichtbilder ist und diese von ihm angefertigt worden sind. Rechtlich relevante Einwände hat die Antragsgegnerin hiergegen nicht erhoben. Soweit sie in zweiter Instanz bestreitet, dass der Antragsteller das Recht erworben habe, die abgebildete Person zu fotografieren, ist dies im Streitverhältnis der Parteien ohne Relevanz. Hiervon hängen die Urheberrechte des Antragstellers nicht ab. Ebenso wenig davon, ob er für die Abbildung ein Entgelt gezahlt hat oder die erstellten Lichtbilder auf ein breites Interesse stoßen. Angesichts der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers hätte es der Antragsgegnerin oblegen, durch konkrete Tatsachen glaubhaft zu machen, dass der Antragsteller nicht der Urheber der Lichtbilder ist. Dies ist nicht geschehen. Insbesondere kommt es auch nicht darauf an, ob die Schauspielerin Jeanette Biedermann den vorliegenden Rechtsstreit billigt oder nicht. Der Antragsteller hatte bereits in erster Instanz unmissverständlich darauf hingewiesen, dass er keine Persönlichkeitsrechte der Künstlerin, sondern ausschließlich eigene Urheberrechte geltend macht. Hierfür ist eine Zustimmung bzw. Billigung der abgebildeten Personen ebenso unerheblich wie deren Missbilligung der Prozessführung.

3. Die Antragsgegnerin war gemäß § 97 Abs. 1 UrhG zur Unterlassung ihres rechtswidrigen Verhaltens verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist sie erst im Verlauf dieses Rechtsstreits nachgekommen, indem sie im Senatstermin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat. Hierzu wäre sie auch schon zuvor in der Lage und verpflichtet gewesen. Der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch setzt kein Verschulden voraus. Es ist insoweit noch nicht einmal eine Verschuldensfähigkeit notwendig (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Auflage, § 5f Rdn. 20). Deshalb ist für den Unterlassungsanspruch auch nicht erforderlich, dass die Antragsgegnerin in dem Bewusstsein gehandelt hat, ihre Tätigkeit sei verboten. Nachdem sie spätestens durch die Abmahnung des Antragstellers erfahren hat, dass ihr Verhalten unrechtmäßig ist, war sie nicht nur verpflichtet, dieses Verhalten einzustellen. Sie hatte auch eine dementsprechende Verpflichtungserklärung abzugeben.

4. Es entspricht im Übrigen allgemeiner Kenntnis – auch einer Fünfzehnjährigen -, dass über fremde Rechtsgüter nur dann verfügt werden darf, wenn einem hierzu die Erlaubnis erteilt worden ist. Es mag sein, dass insbesondere im Internet vielfältige – geistige – Leistungen zur Nutzung bereit stehen, ohne dass hierfür ein Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung verlangt wird. Dies mag in manchen Fällen – ohne dass der Senat dies aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits zu entscheiden hat – als konkludentes Einverständnis in eine kostenfreie Nutzung interpretiert werden, die im privaten Bereich hingenommen wird. Eine solche Situation lag hier jedoch nicht vor, denn es wird der Antragsgegnerin nicht vorgeworfen, die Lichtbilder nur für eigene, private Nutzungszwecke verwendet zu haben. Das urheberrechtsverletzende Verhalten der Antragsgegnerin bestand vielmehr darin, dass sie das geschützte geistige Eigentum eines Dritten – des Antragstellers – unrechtmäßig dazu benutzt hat, für sich selbst daraus einen Gewinn zu erzielen. Auch minderjährigen Internet-Teilnehmer ist bewusst, dass dieses Medium – bzw. der Internet-Marktplatz eBay – nicht dazu berechtigt, sich unerlaubt und gegen den Willen des Berechtigten fremde Güter anzueignen und daraus unbefugt Gewinn zu erzielen. Dies gilt selbst dann, wenn sie die Lichtbilder aus einer „anonymen Tauschbörse“ herunter geladen hat. Denn ein derartiges Forum mag Gelegenheiten bieten für Tauschvorgänge zum privaten Gebrauch. Es erschließt sich jedoch jedem (auch jugendlichem) Nutzer ohne große Mühe, dass mit den dort erhaltenen Gütern ohne Zustimmung des Eigentümers bzw. Urhebers keine Geschäfte gemacht bzw. versucht werden dürfen. Darauf, ob der Urheber in diesem Zusammenhang sein „copyright“ ausdrücklich beansprucht hat, kommt es nicht maßgeblich an. Hierzu ist er – jedenfalls nach deutschem Urheberrecht – weder verpflichtet noch gehalten, um seine Rechte zu wahren. Ein fehlender Copyright-Hinweis ist kein Indiz dafür, dass Werke gemeinfrei sind. Vielmehr obliegt es jedem Nutzer in eigener Verantwortung, sich darüber zu informieren, ob bzw. zu welchen Konditionen ihm der Urheber eine Nutzung seines Werks gestatten will. Schließlich weist der Internet-Marktplatzes eBay selbst in seinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei dem Verkauf von Lichtbildern ohne Genehmigung des Urhebers um eine Rechtsverletzung handelt (Anlage ASt2). Soweit die Antragsgegnerin in zweiter Instanz nunmehr behauptet, sie habe die streitgegenständlichen Lichtbilder nicht selbst aus einer „anonymen Tauschbörse“ herunter geladen, sondern von dritter Seite zugespielt bekommen, ändert sich nichts an der rechtlichen Beurteilung des Streitfalls.

5. Auch unabhängig von den Besonderheiten des vorliegenden Falls entspricht es allgemeiner Erkenntnis, dass gerade und insbesondere der „Tausch“ urheberrechtlich geschützter Werke über das Internet unzulässig ist. Hierfür ist die von praktisch allen relevanten Nutzerkreisen – insbesondere auch Jugendlichen – zur Kenntnis genommene Diskussion über die Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Musiktauschbörse „Napster“ nur ein Beispiel. Die Tatsache, dass sich die interessierten Kreise in erheblichem Umfang gleichwohl nicht ein derartiges Verbote halten, sondern sie in der Hoffnung schlicht ignorieren, mit ihrem rechtswidrigen Verhalten nicht aufzufallen, ändert nichts daran, dass derartige Verbote bestehen. Durch kollektive Verstöße wird ein unrechtmäßiges Verhalten nicht rechtmäßig.

6. Das Landgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin urheberrechtliche Wiederholungsgefahr gesetzt hat. Hierfür ist es ohne Bedeutung, ob der Gegenstand der Urheberrechtsverletzung geringfügig gewesen ist oder die Rechtsverletzerin ihr urheberrechtswidriges Verhalten tatsächlich eingestellt hat. Die bloße Einstellung des urheberrechtswidrigen Verhaltens reicht für den Wegfall einer nach einem Urheberrechtsverstoß vermuteten Wiederholungsgefahr insbesondere dann nicht, wenn das beanstandete Verhalten jederzeit ohne größeren Aufwand wieder aufgenommen werden kann (zu der vergleichbaren Situation im Wettbewerbsrecht: BGH GRUR 04, 162, 163 – Mindestverzinsung; BGH GRUR 01, 453, 455 – TCM-Zentrum; BGH GRUR 92, 318, 320 – Jubiläumsverkauf). So verhält es sich hier. Verhältnismäßigkeitserwägungen sind in diesem Zusammenhang nicht anzustellen. Denn es geht vorliegend nicht darum, ob bzw. dass die Antragsgegnerin Schadensersatzleistungen erbringen soll oder sich gar strafbar gemacht hat. Vielmehr zielt der Verfügungsantrag allein darauf ab, dass die Antragsgegnerin das rechtsverletzende Verhalten in Zukunft unterlässt. Hierzu war und ist sie ohne Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitserwägungen auch dann verpflichtet, wenn sie durch den urheberrechtswidrigen Verkauf der Lichtbilder ihr Taschengeld nur um „Pfennigbeträge“ aufbessern wollte. Die Antragsgegnerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass sie selbst die beanspruchte Unterwerfungserklärung nicht wirksam hätte abgeben können. Deshalb hat der Antragsteller seine Abmahnung auch zu Recht an ihre Eltern als gesetzliche Vertreter gerichtet. Wollten die Eltern – im richtig verstandenen Kindeswohl – eine gerichtliche Inanspruchnahme ihrer Tochter vermeiden, hätte es ihnen oblegen, im eigenen Interesse die verlangte Unterwerfungserklärung (in dieser oder modifizierter Form) abzugeben, wobei sie nicht gehindert gewesen wären, diejenigen Teile zu streichen, die aus ihrer Sicht unbegründet waren.

7. Die von der Antragsgegnerin zunächst in der Form eines Hilfsantrags formulierte, gem. § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde gegen die Höhe des von dem Landgericht angenommenen Streitwerts ist zum Teil auch begründet.

Zwar ist der von dem Landgericht festgesetzte Streitwert für den Regelfall nicht zu beanstanden. Er entspricht auch der Rechtsprechung des Senats bei aktuellen Lichtbildern bekannter Künstlern und deren Verwendung zu geschäftlichen Zwecken. Hervorzuheben ist auch, dass die abgebildete Schauspielerin zumindest in der unmittelbar vor der Verletzungshandlung liegenden Zeit eine hohe Popularität hatte und ihre Lichtbilder deshalb von erheblichem Interesse waren. Aus dem mit Schriftsatz vom 17.07.06 von der Antragsgegnerin überreichten Artikel der BILD-Zeitung vom 15.97.06 ergibt sich, dass die Leser des Magazins „FHM“ die Künstlerin Jeanette Biedermann gerade zur „sexiesten Frau der Welt“ gekürt haben.

Angesichts der Besonderheiten der vorliegenden Sachverhaltskonstellation, insbesondere der Minderjährigkeit der Antragsgegnerin und ihres untauglich gebliebenen Versuchs, mit den Lichtbildern des Antragstellers ohne wirklich kommerziellen Hintergrund (nur) ihr Taschengeld aufzubessern, erscheint es dem Senat aber gleichwohl angemessen, den Streitwert im vorliegenden Fall deutlich niedriger, nämlich bei € 10.000.- festzusetzen. Auch ein Streitwert in dieser Höhe trägt den berechtigten Interessen des Antragstellers hinreichend Rechnung.

Die Entscheidung über die Streitwertbeschwerde ergeht gerichtskostenfrei, Auslagen werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

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