Art. 17 der DSM-Richtlinie rechtmäßig
Europäischer Gerichtshof
Urteil vom 26.04.2022
Az.: C-401/19
In der Rechtssache C‑401/19
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 24. Mai 2019,
Republik Polen, vertreten durch […], […] und […] als Bevollmächtigte im Beistand von […] als Sachverständigem,
Klägerin,
gegen
Europäisches Parlament, vertreten durch […], […] und […] als Bevollmächtigte,
Rat der Europäischen Union, vertreten durch […], […] und […] als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Spanien, zunächst vertreten durch […] und […], dann durch […] als Bevollmächtigte,
Französische Republik, vertreten durch […] und […] als Bevollmächtigte,
Portugiesische Republik, zunächst vertreten durch […], […], […] und […], dann durch […], […] und […] als Bevollmächtigte,
Europäische Kommission, vertreten durch […], […], […] und […]a als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten […], des Kammerpräsidenten […], der Kammerpräsidentin […], der Kammerpräsidenten […], […] und […] sowie der Richter […] (Berichterstatter), […], […], […] und […],
Generalanwalt: […],
Kanzler: […], Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2020,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juli 2021
folgendes
Urteil
Mit ihrer Klage beantragt die Republik Polen, Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (ABl. 2019, L 130, S. 92) für nichtig zu erklären und, hilfsweise, für den Fall, dass sich diese Bestimmungen nach Ansicht des Gerichtshofs nicht von den anderen Bestimmungen von Art. 17 der Richtlinie 2019/790 trennen lassen, ohne dass dessen Wesensgehalt verändert würde, Art. 17 der Richtlinie 2019/790 insgesamt für nichtig zu erklären.
Rechtlicher Rahmen
Charta
Art. 11 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) lautet:
„Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.“
Art. 17 Abs. 2 der Charta sieht vor, dass „[g]eistiges Eigentum … geschützt [wird]“.
In Art. 52 Abs. 1 und 3 der Charta heißt es:
„(1) Jede Einschränkung der Ausübung der in [der] Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
…
(3) Soweit [die] Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten [(EMRK)] garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.“
Nach Art. 53 der Charta ist „[k]eine Bestimmung [der] Charta … als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen, die in dem jeweiligen Anwendungsbereich durch das Recht der Union und das Völkerrecht sowie durch die internationalen Übereinkünfte, bei denen die Union oder alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind, darunter insbesondere die [EMRK], sowie durch die Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden“.
Richtlinie 2000/31/EG
Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1) sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in Bezug auf Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder
b) der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.“
Richtlinie 2001/29/EG
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10) bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“
Richtlinie 2019/790
In den Erwägungsgründen 2, 3, 61, 65, 66, 70 und 84 der Richtlinie 2019/790 heißt es:
„(2) Die bestehenden Richtlinien über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte tragen zum Funktionieren des Binnenmarktes bei, gewähren Rechteinhabern ein hohes Maß an Schutz, erleichtern die Rechteklärung und bieten einen Regelungsrahmen, in dem Werke und sonstige Schutzgegenstände verwertet werden können. Dieser harmonisierte Rechtsrahmen trägt dazu bei, dass der Binnenmarkt ordnungsgemäß funktioniert, und schafft Anreize für Innovation, Kreativität, Investitionen und die Produktion neuer Inhalte, auch im digitalen Umfeld, damit die Fragmentierung des Binnenmarktes verhindert wird. Der von diesem Rechtsrahmen gebotene Schutz leistet zudem einen Beitrag zu dem Ziel der Union, die kulturelle Vielfalt zu wahren und zu fördern und gleichzeitig das gemeinsame kulturelle Erbe Europas hervorzuheben. …
(3) Die rasanten technologischen Entwicklungen führen zu einem ständigen Wandel in der Art und Weise, wie Werke und sonstige Schutzgegenstände geschaffen, erzeugt, vertrieben und verwertet werden. Es entstehen laufend neue Geschäftsmodelle, und neue Akteure treten auf den Plan. Die einschlägigen Rechtsvorschriften müssen zukunftstauglich sein, damit die technologische Entwicklung nicht behindert wird. Die im Urheberrechtsrahmen der Union festgelegten Ziele und Grundsätze gelten zwar nach wie vor, doch … ist es in einigen Bereichen notwendig, den geltenden Urheberrechtsrahmen der Union anzupassen und zu ergänzen und gleichzeitig ein hohes Maß an Schutz des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte aufrechtzuerhalten. …
…
(61) In den letzten Jahren wurde der Markt für Online-Inhalte immer komplexer. Dienste für das Teilen von Online-Inhalten, die Zugang zu einer großen Menge von urheberrechtlich geschützten Inhalten bieten, die von ihren Nutzern hochgeladen wurden, sind zu einer Hauptquelle für den Zugriff auf Online-Inhalte geworden. Online-Dienste dienen dazu, einen breiteren Zugang zu kulturellen und kreativen Werken zu schaffen, und bieten der Kultur- und Kreativwirtschaft umfangreiche Möglichkeiten, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dennoch, auch wenn sie Vielfältigkeit und einen leichten Zugang zu Inhalten ermöglichen, bringen sie auch Herausforderungen mit sich, wenn urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne vorherige Erlaubnis der Rechteinhaber hochgeladen werden. Es besteht Rechtsunsicherheit bei der Frage, ob derartige Dienstleister urheberrechtlich relevante Handlungen vornehmen und für das Hochladen von Inhalten durch ihre Nutzer, die nicht Inhaber der einschlägigen Rechte an den hochgeladenen Inhalten sind, unbeschadet der Anwendung der Ausnahmen und Einschränkungen gemäß dem Unionsrecht die Erlaubnis der Rechteinhaber einholen müssen. Diese Unsicherheit schränkt die Möglichkeit der Rechteinhaber ein, festzustellen, ob und unter welchen Umständen ihre Werke oder sonstigen Schutzgegenstände verwendet werden, sowie ihre Möglichkeit, eine angemessene Vergütung … für eine derartige Nutzung zu erhalten. Daher muss die Entwicklung des Markts für die Vergabe von Lizenzen zwischen Rechteinhabern und Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten gefördert werden. Diese Lizenzvereinbarungen sollten gerechte Lösungen und ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen beiden Parteien vorsehen. Die Rechteinhaber sollten eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke und sonstigen Schutzgegenstände erhalten. Da aber die Vertragsfreiheit von den vorliegenden Bestimmungen nicht eingeschränkt werden sollte, sollten Rechteinhaber nicht verpflichtet sein, eine Erlaubnis zu erteilen oder eine Lizenzvereinbarung abzuschließen.
…
(65) Ist ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten für Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der öffentlichen Zugänglichmachung unter den in der vorliegenden Richtlinie festgelegten Bedingungen verantwortlich, so sollte Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie [2000/31] auf die Verantwortlichkeit gemäß der Bestimmung der vorliegenden Richtlinie über die Nutzung geschützter Inhalte durch Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten keine Anwendung finden. Die Anwendung von Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie [2000/31] auf solche Diensteanbieter für Zwecke außerhalb des Geltungsbereichs der vorliegenden Richtlinie wird hiervon nicht eingeschränkt.
(66) Da [Diensteanbieter] für das Teilen von Online-Inhalten Inhalte zugänglich machen, die nicht sie selbst, sondern ihre Nutzer hochladen, sollte für die Zwecke dieser Richtlinie ein spezielles Haftungsverfahren für Fälle eingerichtet werden, in denen keine Genehmigung erteilt wurde. … Wurde Diensteanbietern keine Genehmigung erteilt, so sollten sie nach Maßgabe hoher branchenüblicher Vorschriften für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternehmen, um zu verhindern, dass über ihre Dienste nicht genehmigte und sonstige von den jeweiligen Rechteinhabern erkannte Schutzgegenstände verfügbar sind. Hierfür sollten die Rechteinhaber den Diensteanbietern unter Berücksichtigung der Größe der Rechteinhaber, der Art ihrer Werke und sonstigen Schutzgegenstände sowie anderer Faktoren die einschlägigen und notwendigen Informationen bereitstellen. Die Maßnahmen, die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten in Zusammenarbeit mit Rechteinhabern ergreifen, sollten nicht dazu führen, dass Inhalte, bei denen kein Verstoß gegen das Urheberrecht vorliegt, einschließlich Werke oder andere Schutzgegenstände, deren Nutzung durch Lizenzvereinbarungen abgedeckt ist, oder eine Ausnahme vom Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten oder [eine entsprechende] Beschränkung dieser Rechte vorliegt, nicht verfügbar sind. Die von solchen Diensteanbietern vorgenommenen Maßnahmen sollten daher Nutzer, welche die Dienste für das Teilen von Online-Inhalten nutzen, um Informationen über diese Dienste rechtmäßig hochzuladen, nicht beeinträchtigen.
Außerdem sollten mit den in dieser Richtlinie festgelegten Verpflichtungen die Mitgliedstaaten nicht dazu veranlasst werden, eine allgemeine Pflicht zur Überwachung einzuführen. Wenn beurteilt wird, ob ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternommen hat, sollte berücksichtigt werden, ob der Diensteanbieter alle Maßnahmen ergriffen hat, die ein sorgfältiger Betreiber ergreifen würde, um sicherzustellen, dass auf seiner Website keine nicht genehmigten Werke oder sonstige Schutzgegenstände verfügbar sind, wobei auch bewährte Verfahren in der Branche, die Wirksamkeit der unternommenen Schritte vor dem Hintergrund aller einschlägigen Faktoren und Entwicklungen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden sollten. Für die Zwecke dieser Bewertung sollten mehrere Faktoren beachtet werden, etwa die Größe des Diensts, der sich entwickelnde Stand der Technik bei den bestehenden Mitteln, einschließlich möglicher künftiger Entwicklungen, um verschiedenartige Inhalte und die für die Dienste anfallenden Kosten dieser Mittel zu verhindern. Je nach Art der Inhalte können unterschiedliche Mittel angemessen und verhältnismäßig sein, um zu verhindern, dass nicht genehmigte urheberrechtlich geschützte Inhalte verfügbar sind, weshalb es nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verfügbarkeit nicht genehmigter Inhalte in manchen Fällen nur vermieden werden kann, wenn die Rechteinhaber den Anbieter benachrichtigt haben. Die Maßnahmen, die Diensteanbieter ergreifen, sollten im Hinblick auf die angestrebten Ziele wirksam sein; sie sollten jedoch nicht über das hinausgehen, was nötig ist, um sicherzustellen, dass nicht genehmigte Werke und sonstige Schutzgegenstände nicht bzw. nicht mehr verfügbar sind.
…
…
(70) Maßnahmen, die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten in Zusammenarbeit mit Rechteinhabern ergreifen, sollten die Anwendung der Ausnahmen und Beschränkungen des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte, insbesondere derjenigen, die das Recht der Nutzer auf freie Meinungsäußerung gewährleisten, nicht beeinträchtigen. Nutzer sollten Inhalte, die von Nutzern generiert wurden, zu Zwecken des Zitierens, der Kritik, Rezension, Karikatur, Parodie oder Pastiche hochladen dürfen. Das ist besonders wichtig, um ein Gleichgewicht zwischen den in der Charta … verankerten Grundrechten …, insbesondere dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Freiheit der Kunst, und dem Eigentumsrecht, auch betreffend das geistige Eigentum, zu schaffen. Diese Ausnahmen und Beschränkungen sollten deshalb verpflichtend gelten, um sicherzustellen, dass Nutzer in der gesamten Union einheitlichen Schutz erhalten. Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten wirksame Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren anwenden, um Nutzungen zu diesen speziellen Zwecken zu unterstützen.
Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten sollten auch wirksame und zügig funktionierende Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren einrichten, damit Nutzer sich über Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den von ihnen hochgeladenen Inhalten [ergriffen] wurden, beschweren können, insbesondere wenn sie im Hinblick auf hochgeladene Inhalte, zu denen der Zugang gesperrt oder die entfernt wurden, Nutzen aus einer Ausnahme oder Beschränkung des Urheberrechts ziehen könnten. Im Rahmen dieser Verfahren eingereichte Beschwerden sollten unverzüglich bearbeitet werden und sollten einer von Menschen durchgeführten Überprüfung unterzogen werden. Wenn Rechteinhaber die Diensteanbieter auffordern, im Zusammenhang mit von Nutzern hochgeladenen Inhalten Maßnahmen zu ergreifen, etwa diese Inhalte zu sperren oder zu entfernen, sollten diese Rechteinhaber ihre Ersuchen gebührend begründen. … Die Mitgliedstaaten sollten zudem gewährleisten, dass die Nutzer Zugang zu außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten haben. Derartige Verfahren sollten die unparteiische Beilegung von Streitigkeiten ermöglichen. Die Nutzer sollten auch Zugang zu einem Gericht oder einem anderen einschlägigen Organ der Rechtspflege haben, um die Inanspruchnahme einer Ausnahme oder Beschränkung des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte geltend machen zu können.
…
(84) Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta anerkannt wurden. Diese Richtlinie sollte folglich in Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen ausgelegt und angewandt werden.“
Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2019/790 sieht in seinem Abs. 1 vor, dass mit dieser Richtlinie Vorschriften mit dem Ziel der weiteren Harmonisierung des Unionsrechts auf dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte im Rahmen des Binnenmarkts unter besonderer Berücksichtigung der digitalen und grenzüberschreitenden Nutzung geschützter Inhalte festgelegt werden und dass sie zudem Vorschriften zu Ausnahmen und Beschränkungen des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte und zur Erleichterung der Lizenzvergabe sowie Vorschriften enthält, mit denen das Ziel verfolgt wird, das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes für die Verwertung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen sicherzustellen. Nach Abs. 2 dieses Artikels lässt diese Richtlinie die bereits bestehenden Vorschriften, die in den einschlägigen geltenden Richtlinien, insbesondere in den Richtlinien 2000/31 und 2001/29, festgelegt sind, grundsätzlich unberührt.
In Art. 2 Nr. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2019/790 wird der Begriff „Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“ für die Zwecke dieser Richtlinie definiert als „Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, bei dem der Hauptzweck bzw. einer der Hauptzwecke darin besteht, eine große Menge an von seinen Nutzern hochgeladenen, urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu speichern und der Öffentlichkeit Zugang hierzu zu verschaffen, wobei dieser Anbieter diese Inhalte organisiert und zum Zwecke der Gewinnerzielung bewirbt“. Abs. 2 dieser Bestimmung nimmt „Anbieter von Diensten, etwa nicht gewinnorientierte Online-Enzyklopädien, nicht gewinnorientierte bildungsbezogene und wissenschaftliche Repositorien, Entwicklungs- und Weitergabeplattformen für quelloffene Software, Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste …, Online-Marktplätze, zwischen Unternehmen erbrachte Cloud-Dienste sowie Cloud-Dienste, die ihren Nutzern das Hochladen von Inhalten für den Eigengebrauch ermöglichen“, von diesem Begriff aus.
Art. 17 („Nutzung geschützter Inhalte durch Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“) der Richtlinie 2019/790 ist die einzige Vorschrift in Kapitel 2 („Bestimmte Nutzungen geschützter Inhalte durch Online-Dienste“) des Titels IV („Maßnahmen zur Schaffung eines funktionsfähigen Marktes für den Urheberrechtsschutz“) dieser Richtlinie. Art. 17 lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe oder eine Handlung der öffentlichen Zugänglichmachung für die Zwecke dieser Richtlinie vornimmt, wenn er der Öffentlichkeit Zugang zu von seinen Nutzern hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen verschafft.
Ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten muss deshalb die Erlaubnis von den in Artikel 3 Absatz 1 und 2 der Richtlinie [2001/29] genannten Rechteinhabern einholen, etwa durch den Abschluss einer Lizenzvereinbarung, damit er Werke oder sonstige Schutzgegenstände öffentlich wiedergeben oder öffentlich zugänglich machen darf.
(2) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine von einem Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten – zum Beispiel durch Abschluss einer Lizenzvereinbarung – eingeholte Erlaubnis auch für Handlungen gilt, die von Nutzern von Diensten ausgeführt werden und die in den Geltungsbereich des Artikels 3 der Richtlinie [2001/29] fallen, sofern diese Nutzer nicht auf der Grundlage einer gewerblichen Tätigkeit handeln oder mit ihrer Tätigkeit keine erheblichen Einnahmen erzielen.
(3) Nimmt ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe oder der öffentlichen Zugänglichmachung unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen vor, so findet die Beschränkung der Verantwortlichkeit nach Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie [2000/31] auf die in diesem Artikel beschriebenen Situationen keine Anwendung.
Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes lässt die mögliche Anwendung von Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie [2000/31] auf die Anbieter derartiger Dienste für Zwecke außerhalb des Geltungsbereichs dieser Richtlinie unberührt.
(4) Wird die Erlaubnis nicht erteilt, so ist der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten für nicht erlaubte Handlungen der öffentlichen Wiedergabe, einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung, urheberrechtlich geschützter Werke oder sonstiger Schutzgegenstände verantwortlich, es sei denn, der Anbieter dieser Dienste erbringt den Nachweis, dass er
a) alle Anstrengungen unternommen hat, um die Erlaubnis einzuholen; und
b) nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternommen hat, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke und sonstige Schutzgegenstände, zu denen die Rechteinhaber den Anbietern dieser Dienste einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, nicht verfügbar sind; und in jedem Fall
c) nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von den Rechteinhabern unverzüglich gehandelt hat, um den Zugang zu den entsprechenden Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu sperren bzw. die entsprechenden Werke oder sonstigen Schutzgegenstände von seinen Internetseiten zu entfernen, und alle Anstrengungen unternommen hat, um gemäß Buchstabe b das künftige Hochladen dieser Werke oder sonstigen Schutzgegenstände zu verhindern.
(5) Bei der Feststellung, ob der Diensteanbieter den in Absatz 4 festgelegten Verpflichtungen nachgekommen ist, wird im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unter anderem Folgendes berücksichtigt:
a) die Art, das Publikum und der Umfang der Dienste sowie die Art der von den Nutzern des Dienstes hochgeladenen Werke oder sonstigen Schutzgegenstände; und
b) die Verfügbarkeit geeigneter und wirksamer Mittel und die Kosten, die den Anbietern dieser Dienste hierfür entstehen.
(6) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Geltung der in Absatz 4 festgelegten Verantwortung für neue Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, deren Dienste der Öffentlichkeit in der Union seit weniger als drei Jahren zur Verfügung stehen und deren Jahresumsatz, berechnet nach der Empfehlung der Kommission 2003/361/EG [vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. 2003, L 124, S. 36)], 10 Mio. EUR nicht übersteigt, darauf beschränkt ist, Absatz 4 Buchstabe a einzuhalten und nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von den Rechteinhabern unverzüglich zu handeln, um den Zugang zu den entsprechenden Werken und sonstigen Schutzgegenständen zu sperren bzw. die entsprechenden Werke und sonstigen Schutzgegenstände von ihren Internetseiten zu entfernen.
Übersteigt – berechnet auf der Grundlage des vorausgegangenen Kalenderjahrs – die durchschnittliche monatliche Anzahl unterschiedlicher Besucher der Internetseiten derartiger Diensteanbieter 5 Mio., so müssen die Anbieter derartiger Dienste außerdem den Nachweis erbringen, dass sie alle Anstrengungen unternommen haben, um das künftige Hochladen der gemeldeten Werke und sonstigen Schutzgegenstände, zu denen die Rechteinhaber einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, zu verhindern.
(7) Die Zusammenarbeit zwischen den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten und den Rechteinhabern darf nicht bewirken, dass von Nutzern hochgeladene Werke oder sonstige Schutzgegenstände, bei denen kein Verstoß gegen das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte vorliegt, nicht verfügbar sind, und zwar auch dann, wenn die Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes im Rahmen einer Ausnahme oder Beschränkung erlaubt ist.
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass sich alle Nutzer, die nutzergenerierte Inhalte auf Diensten für das Teilen von Online-Inhalten hochladen oder auf Diensten für das Teilen von Online-Inhalten zugänglich machen, in jedem Mitgliedstaat auf jede der folgenden Ausnahmen oder Beschränkungen stützen können:
a) Zitate, Kritik und Rezensionen;
b) Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches.
(8) Die Anwendung dieses Artikels darf nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen.
Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten den Rechteinhabern auf deren Ersuchen angemessene Informationen über die Funktionsweise ihrer Verfahren im Hinblick auf die Zusammenarbeit nach Absatz 4 und – im Fall von Lizenzvereinbarungen zwischen den Anbietern dieser Dienste und den Rechteinhabern – Informationen über die Nutzung der unter diese Vereinbarungen fallenden Inhalte bereitstellen.
(9) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten den Nutzern ihrer Dienste im Fall von Streitigkeiten über die Sperrung des Zugangs zu den von diesen hochgeladenen Werken oder sonstigen Schutzgegenständen bzw. über die Entfernung der von diesen hochgeladenen Werke oder sonstigen Schutzgegenstände wirksame und zügige Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung stellen.
Verlangen Rechteinhaber die Sperrung des Zugangs zu ihren Werken oder sonstigen Schutzgegenständen oder die Entfernung dieser Werke oder sonstigen Schutzgegenstände, so begründen sie ihr Ersuchen in angemessener Weise. Im Rahmen des in Unterabsatz 1 vorgesehenen Verfahrens eingereichte Beschwerden sind unverzüglich zu bearbeiten, und Entscheidungen über die Sperrung des Zugangs zu hochgeladenen Inhalten bzw. über die Entfernung hochgeladener Inhalte sind einer von Menschen durchgeführten Überprüfung zu unterziehen. Die Mitgliedstaaten gewährleisten zudem, dass zur Beilegung von Streitigkeiten außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung stehen. Unbeschadet der Rechte der Nutzer auf [einen] wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf müssen derartige Verfahren die unparteiische Beilegung von Streitigkeiten ermöglichen und dürfen den Nutzern den Rechtsschutz nach nationalem Recht nicht vorenthalten. Insbesondere müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Nutzer Zugang zu einem Gericht oder einem anderen einschlägigen Organ der Rechtspflege haben, um die Inanspruchnahme einer Ausnahme oder Beschränkung für das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte geltend machen zu können.
Diese Richtlinie beeinträchtigt in keiner Weise die berechtigte Nutzung, etwa die Nutzung im Rahmen der im Unionsrecht festgelegten Ausnahmen oder Beschränkungen, und darf weder zur Identifizierung einzelner Nutzer führen noch als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten dienen, außer dies erfolgt im Einklang mit der Richtlinie 2002/58/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. 2002, L 201, S. 37)] und der Verordnung (EU) 2016/679 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1)].
Die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten informieren ihre Nutzer in ihren Geschäftsbedingungen, dass sie Werke und sonstige Schutzgegenstände im Rahmen der im Unionsrecht festgelegten Ausnahmen und Beschränkungen für das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte nutzen können.
(10) Ab dem 6. Juni 2019 veranstaltet die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Dialoge zwischen den Interessenträgern, in deren Rahmen bewährte Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten und Rechteinhabern erörtert werden. Die Kommission gibt in Absprache mit den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten, Rechteinhabern, Nutzerorganisationen und anderen einschlägigen Interessenträgern und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Dialoge zwischen den Interessenträgern Leitlinien zur Anwendung dieses Artikels heraus, insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit nach Absatz 4. Bei der Erörterung bewährter Verfahren wird unter anderem die notwendige Ausgewogenheit zwischen den Grundrechten und die Inanspruchnahme von Ausnahmen und Beschränkungen besonders berücksichtigt. Für die Zwecke des Dialogs zwischen den Interessenträgern haben die Nutzerorganisationen Zugang zu angemessenen, von den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten bereitgestellten Informationen über die Funktionsweise ihrer Verfahren im Hinblick auf Absatz 4.“
Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof
Die Republik Polen beantragt,
– Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil, d. h. den Teil mit der Wendung „und alle Anstrengungen unternommen hat, um gemäß Buchstabe b das künftige Hochladen dieser Werke oder sonstigen Schutzgegenstände zu verhindern“, der Richtlinie 2019/790 für nichtig zu erklären;
– hilfsweise, für den Fall, dass sich die im vorstehenden Gedankenstrich angeführten Bestimmungen nach Ansicht des Gerichtshofs nicht von den anderen Bestimmungen von Art. 17 dieser Richtlinie trennen lassen, ohne dass dessen Wesensgehalt verändert würde, diesen Art. 17 insgesamt für nichtig zu erklären;
– dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union die Kosten aufzuerlegen.
Das Parlament beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen und der Republik Polen die Kosten aufzuerlegen.
Der Rat beantragt, den Hauptantrag als unzulässig abzuweisen oder die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen und der Republik Polen die Kosten aufzuerlegen.
Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Oktober 2019 sind das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Portugiesische Republik und die Europäische Kommission gemäß Art. 131 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates zugelassen worden.
Zur Klage
Zur Zulässigkeit
Das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Französische Republik und die Kommission, machen geltend, der Hauptantrag sei unzulässig, da sich Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil von Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 nicht vom Rest dieses Artikels trennen ließen.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die teilweise Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts nur möglich ist, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts trennen lassen. Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass dieses Erfordernis nicht erfüllt ist, wenn die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts zur Folge hätte, dass sein Wesensgehalt verändert würde (Urteil vom 8. Dezember 2020, Polen/Parlament und Rat, C‑626/18, EU:C:2020:1000, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Daher ist es für die Prüfung der Abtrennbarkeit von Teilen eines Unionsrechtsakts erforderlich, die Bedeutung dieser Teile zu prüfen, um beurteilen zu können, ob ihre Nichtigerklärung den Sinn und den Wesensgehalt dieses Rechtsakts verändern würde (Urteil vom 8. Dezember 2020, Polen/Parlament und Rat, C‑626/18, EU:C:2020:1000, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Außerdem stellt die Frage, ob eine teilweise Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts dessen Wesensgehalt verändern würde, ein objektives, nicht aber ein subjektives Kriterium dar, das vom politischen Willen des Organs abhängig wäre, das den betreffenden Rechtsakt erlassen hat (Urteil vom 8. Dezember 2020, Polen/Parlament und Rat, C‑626/18, EU:C:2020:1000, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie der Generalanwalt in Nr. 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat und wie das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Französische Republik und die Kommission, geltend machen, führt Art. 17 der Richtlinie 2019/790 für die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eine neue Haftungsregelung ein, deren verschiedene Bestimmungen ein Ganzes bilden und die, wie sich aus den Erwägungsgründen 61 und 66 dieser Richtlinie ergibt, darauf abzielen, ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und Interessen dieser Anbieter, denen der Nutzer ihrer Dienste und denen der Rechteinhaber herzustellen. Insbesondere hätte die Nichtigerklärung allein von Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil dieser Richtlinie zur Folge, dass diese Haftungsregelung durch eine sowohl wesentlich andere als auch für diese Anbieter deutlich günstigere Regelung ersetzt würde. Eine solche teilweise Nichtigerklärung würde daher den Wesensgehalt von Art. 17 verändern.
Daraus folgt, dass sich Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie 2019/790 nicht vom Rest dieses Art. 17 trennen lässt und dass der auf die alleinige Nichtigerklärung dieser Bestimmungen gerichtete Hauptantrag demzufolge unzulässig ist.
Dagegen ist unstreitig, dass sich Art. 17 der Richtlinie 2019/790, der sich in einem gesonderten Kapitel ihres Titels IV befindet, der Maßnahmen zur Schaffung eines funktionsfähigen Marktes für den Urheberrechtsschutz betrifft, vom Rest dieser Richtlinie trennen lässt und dass der Hilfsantrag der Republik Polen auf Nichtigerklärung von Art. 17 insgesamt demzufolge zulässig ist.
Zur Begründetheit
Die Republik Polen stützt ihre Anträge auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen das in Art. 11 der Charta verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit rügt.
Dieser Klagegrund ist im Wesentlichen auf das Vorbringen gestützt, dass Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, um von jeder Haftung dafür befreit zu sein, dass sie der Öffentlichkeit den Zugang zu von ihren Nutzern unter Verletzung des Urheberrechts hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen gewährten, gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie 2019/790 verpflichtet seien, sämtliche Inhalte, die ihre Nutzer online stellen wollten, vorbeugend zu überwachen. Zu diesem Zweck müssten sie EDV‑Instrumente verwenden, die eine vorherige automatische Filterung dieser Inhalte ermöglichten. Indem sie den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten de facto derartige Maßnahmen einer vorbeugenden Überwachung auferlegten, ohne Garantien zur Gewährleistung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit vorzusehen, bewirkten die streitigen Bestimmungen eine Einschränkung der Ausübung dieses Grundrechts, die weder dessen Wesensgehalt noch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachte und daher nicht als gerechtfertigt angesehen werden könne.
Das Parlament und der Rat, unterstützt durch das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Kommission, halten diesen einzigen Klagegrund für unbegründet.
Zur mit Art. 17 der Richtlinie 2019/790 eingeführten Haftungsregelung
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bis zum Inkrafttreten von Art. 17 der Richtlinie 2019/790 die Haftung der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten dafür, dass sie der Öffentlichkeit Zugang zu geschützten Inhalten gewähren, die von Nutzern ihrer Plattformen unter Verstoß gegen das Urheberrecht auf ihre Plattformen hochgeladen werden, durch Art. 3 der Richtlinie 2001/29 und durch Art. 14 der Richtlinie 2000/31 geregelt war.
Dazu hat der Gerichtshof zum einen entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass seitens des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform, auf der Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen können, keine „öffentliche Wiedergabe“ dieser Inhalte im Sinne dieser Bestimmung erfolgt, es sei denn, er trägt über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Betreiber von der rechtsverletzenden Zugänglichmachung eines geschützten Inhalts auf seiner Plattform konkret Kenntnis hat und diesen Inhalt nicht unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihm sperrt oder wenn er, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, oder auch, wenn er an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu verleitet, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen (Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 102).
Zum anderen hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Tätigkeit des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 fällt, sofern dieser Betreiber keine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den auf seine Plattform hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft. Außerdem ist ein solcher Betreiber nur dann gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 von der in Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Haftungsbefreiung ausgeschlossen, wenn er Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer hat, die damit zusammenhängen, dass geschützte Inhalte auf seine Plattform hochgeladen wurden (Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 117 und 118).
Wie sich u. a. aus den Erwägungsgründen 61 und 66 der Richtlinie 2019/790 ergibt, war der Unionsgesetzgeber jedoch der Ansicht, dass es in Anbetracht des Umstands, dass der Markt für Online‑Inhalte in den letzten Jahren immer komplexer geworden sei und dass die Dienste für das Teilen dieser Inhalte, die Zugang zu einer großen Menge von geschützten Inhalten böten, zu einer Hauptquelle für den Zugriff auf Online-Inhalte geworden seien, erforderlich sei, für die Anbieter dieser Dienste ein spezielles Haftungsverfahren vorzusehen, um die Entwicklung des Markts für die Vergabe von fairen Lizenzen zwischen den Rechteinhabern und diesen Diensteanbietern zu fördern.
Für dieses neue spezielle Haftungsverfahren hat der Unionsgesetzgeber einen begrenzten Anwendungsbereich vorgesehen, indem in Art. 2 Nr. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2019/790 ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten definiert wird als Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, bei dem der Hauptzweck bzw. einer der Hauptzwecke darin besteht, eine große Menge an von seinen Nutzern hochgeladenen, urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu speichern und der Öffentlichkeit Zugang hierzu zu verschaffen, wobei dieser Anbieter diese Inhalte organisiert und zum Zwecke der Gewinnerzielung bewirbt. Dieses Verfahren betrifft somit nicht die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft, die eines oder mehrere der in dieser Bestimmung genannten Kriterien nicht erfüllen und damit gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2019/790 weiterhin der allgemeinen Haftungsregelung nach Art. 14 der Richtlinie 2000/31 als „Hosting“-Dienst und gegebenenfalls der nach Art. 3 der Richtlinie 2001/29 unterliegen.
Darüber hinaus hat der Unionsgesetzgeber zum einen durch Art. 2 Nr. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2019/790 den Anwendungsbereich des mit ihr eingeführten neuen speziellen Haftungsverfahrens reduziert und zum anderen die Bedeutung dieses Verfahrens durch Art. 17 Abs. 6 dieser Richtlinie eingeschränkt, der für bestimmte neue Anbieter die Anwendung der von der Nichtigkeitsklage betroffenen Bestimmungen dieser Richtlinie grundsätzlich ausschließt.
Hinsichtlich dieses neuen speziellen Haftungsverfahrens sieht Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2019/790 vor, dass ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe oder eine Handlung der öffentlichen Zugänglichmachung vornimmt, wenn er der Öffentlichkeit Zugang zu von seinen Nutzern hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen verschafft, und deshalb die Erlaubnis dafür von den Rechteinhabern einholen muss, etwa durch den Abschluss einer Lizenzvereinbarung.
Gleichzeitig schließt Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 2019/790 in Bezug auf solche Handlungen den Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten von der Haftungsbefreiung nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 aus.
Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 führt eine spezielle Haftungsregelung für den Fall ein, dass keine Erlaubnis erteilt wird. In diesem Fall können sich die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten daher nur unter bestimmten kumulativen Voraussetzungen, die in den Buchst. a bis c dieser Bestimmung aufgezählt sind, von ihrer Haftung für solche das Urheberrecht verletzende Handlungen der Wiedergabe und der Zugänglichmachung von Inhalten befreien. Danach müssen diese Diensteanbieter den Nachweis erbringen, dass
– sie alle Anstrengungen unternommen haben, um die Erlaubnis einzuholen (Buchst. a), und
– nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternommen haben, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke und sonstige Schutzgegenstände, zu denen die Rechteinhaber den Anbietern dieser Dienste einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, nicht verfügbar sind (Buchst. b), und in jedem Fall
– nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von den Rechteinhabern unverzüglich gehandelt haben, um den Zugang zu den entsprechenden Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu sperren bzw. die entsprechenden Werke oder sonstigen Schutzgegenstände von ihren Internetseiten zu entfernen, und alle Anstrengungen unternommen haben, um gemäß Buchst. b das künftige Hochladen dieser Werke oder sonstigen Schutzgegenstände zu verhindern (Buchst. c).
Diese mit Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 eingeführte spezielle Haftungsregelung wird in Art. 17 Abs. 5 bis 10 dieser Richtlinie präzisiert und ergänzt.
So werden zunächst in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 2019/790 Gesichtspunkte aufgeführt, die zu berücksichtigen sind, um im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzustellen, ob der Diensteanbieter seinen Verpflichtungen aus Art. 17 Abs. 4 dieser Richtlinie nachgekommen ist.
Sodann heißt es in Art. 17 Abs. 7 der Richtlinie 2019/790, dass die Zusammenarbeit zwischen den Diensteanbietern für das Teilen von Online‑Inhalten und den Rechteinhabern nicht bewirken darf, dass von Nutzern hochgeladene Werke oder sonstige Schutzgegenstände, bei denen kein Verstoß gegen das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte vorliegt, nicht verfügbar sind, und zwar auch dann, wenn die Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands im Rahmen einer Ausnahme oder Beschränkung erlaubt ist. Diese Bestimmung zählt diejenigen Ausnahmen und Beschränkungen auf, auf die sich die Nutzer in jedem Mitgliedstaat stützen können müssen. Art. 17 Abs. 8 dieser Richtlinie sieht u. a. vor, dass die Anwendung dieses Artikels nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen darf, und ihr Art. 17 Abs. 9 sieht u. a. vor, dass den Nutzern wirksame und zügige Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung gestellt werden und dass der gerichtliche Rechtsschutz durch außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren ergänzt wird.
Schließlich überträgt Art. 17 Abs. 10 der Richtlinie 2019/790 der Kommission die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Dialoge zwischen den Interessenträgern zu veranstalten, um bewährte Verfahren zu erörtern, wobei die notwendige Ausgewogenheit zwischen den Grundrechten und die Inanspruchnahme von Ausnahmen und Beschränkungen besonders berücksichtigt wird, und in Absprache mit den Interessenträgern Leitlinien für die Anwendung u. a. der Zusammenarbeit zwischen den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten und den Rechteinhabern nach Art. 17 Abs. 4 dieser Richtlinie herauszugeben.
Zum Vorliegen einer sich aus der mit Art. 17 der Richtlinie 2019/790 eingeführten Haftungsregelung ergebenden Einschränkung der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit
Die Republik Polen macht geltend, Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie 2019/790 beschränke die Ausübung des in Art. 11 der Charta gewährleisteten Rechts der Nutzer der Dienste für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, indem den Anbietern dieser Dienste die Verpflichtung auferlegt werde, alle Anstrengungen zu unternehmen, um zum einen sicherzustellen, dass bestimmte geschützte Inhalte, zu denen die Rechteinhaber einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt hätten, nicht verfügbar seien, und um zum anderen das künftige Hochladen geschützter Inhalte, zu denen die Rechteinhaber hinreichend begründete Hinweise gegeben hätten, zu verhindern.
Um diesen Verpflichtungen nachzukommen und somit in den Genuss der in Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 vorgesehenen Haftungsbefreiung zu kommen, seien die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten nämlich gezwungen, sämtliche von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte vor ihrer öffentlichen Verbreitung zu kontrollieren. Mangels anderer praktikabler Lösungen würden diese Diensteanbieter veranlasst, hierfür Instrumente zur automatischen Filterung zu verwenden.
Eine solche vorbeugende Kontrolle würde aber einen besonders schweren Eingriff in das Recht der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit darstellen, da sie zum einen die Gefahr berge, dass rechtmäßige Inhalte blockiert würden, und zum anderen die Rechtswidrigkeit und damit die Sperrung der Inhalte automatisch durch Algorithmen bestimmt werde, und zwar noch vor jeder Verbreitung der fraglichen Inhalte.
Die Republik Polen macht außerdem geltend, der Unionsgesetzgeber könne seine Haftung für diesen Eingriff in das in Art. 11 der Charta garantierte Recht nicht verneinen, da dieser Eingriff die unvermeidbare, ja sogar von den Organen der Union vorausgesehene Folge der mit Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 eingeführten Haftungsregelung sei.
Das Parlament und der Rat, unterstützt durch das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Kommission, bestreiten, dass diese Haftungsregelung eine Einschränkung des Rechts der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit zur Folge habe. Jedenfalls sei eine sich aus der Durchführung dieser Regelung ergebende etwaige Einschränkung dieses Rechts nicht dem Unionsgesetzgeber zuzurechnen.
Nach Art. 11 der Charta hat jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung, was die Meinungsfreiheit und die Freiheit einschließt, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Wie sich aus den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17) und Art. 52 Abs. 3 der Charta ergibt, haben die in Art. 11 der Charta garantierten Rechte die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die in Art. 10 EMRK garantierten.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Austausch von Informationen über das Internet mittels Plattformen für das Teilen von Online-Inhalten unter Art. 10 EMRK und Art. 11 der Charta fällt.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte garantiert Art. 10 EMRK nämlich jedermann die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit und betrifft nicht nur den Inhalt der Informationen, sondern auch die Mittel zu ihrer Verbreitung, wobei jede Einschränkung dieser Mittel das Recht auf Empfang und Weitergabe von Informationen berührt. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgeführt hat, ist das Internet heute zu einem der wichtigsten Mittel geworden, mit dem die Einzelnen von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit Gebrauch machen. Internetseiten und insbesondere Plattformen für das Teilen von Online-Inhalten tragen dank ihrer Zugänglichkeit und ihrer Eigenschaft, große Mengen von Daten speichern und verbreiten zu können, in hohem Maße dazu bei, den Zugang der Allgemeinheit zu aktuellen Informationen zu verbessern und allgemein die Übermittlung von Informationen zu erleichtern, wobei die den Einzelnen gegebene Möglichkeit, sich im Internet zu äußern, ein ganz neues Mittel für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung darstellt (vgl. in diesem Sinne Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 1. Dezember 2015, Cengiz u. a./Türkei, CE:ECHR:2015:1201JUD004822610, § 52, und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 23. Juni 2020, Vladimir Kharitonov/Russland, CE:ECHR:2020:0623JUD001079514, § 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Der Gerichtshof hat daher bei seiner Auslegung der Haftungsregelung nach Art. 3 der Richtlinie 2001/29 und Art. 14 der Richtlinie 2000/31, die bis zum Inkrafttreten von Art. 17 der Richtlinie 2019/790 auf die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten anwendbar war, die Notwendigkeit hervorgehoben, der besonderen Bedeutung des Internets für die in Art. 11 der Charta gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit gebührend zu berücksichtigen, um so die Wahrung dieses Grundrechts bei der Umsetzung dieser Regelung sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 64, 65 und 113).
Um zu klären, ob die mit Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 eingeführte spezielle Haftungsregelung für Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eine Einschränkung der Ausübung des Rechts der Nutzer der entsprechenden Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit bewirkt, ist zunächst festzustellen, dass diese Bestimmung auf der Prämisse beruht, dass diese Anbieter nicht unbedingt in der Lage sind, eine Erlaubnis für alle geschützten Inhalte zu erhalten, die auf ihre Plattformen von deren Nutzern hochgeladen werden können. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Rechteinhaber frei darin sind, zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ihre Werke und sonstigen Schutzgegenstände genutzt werden. Wie nämlich in ihrem 61. Erwägungsgrund hervorgehoben wird, greift diese Richtlinie nicht in die Vertragsfreiheit ein, und die Rechteinhaber sind daher keineswegs verpflichtet, Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten Erlaubnisse oder Lizenzen für die Nutzung ihrer Werke zu erteilen.
Unter diesen Umständen müssen die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, um nicht zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn Nutzer rechtswidrige Inhalte auf ihre Plattformen hochladen, für die diese Anbieter von den Rechteinhabern keine Erlaubnis erhalten haben, den Nachweis erbringen, dass sie im Sinne von Art. 17 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2019/790 alle Anstrengungen unternommen haben, um eine solche Erlaubnis einzuholen, und dass sie alle anderen, in Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und c dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllen.
Was diese anderen Voraussetzungen betrifft, so beschränken sich die Verpflichtungen der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten nicht auf die in Art. 17 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2019/790 am Anfang genannte Verpflichtung, die derjenigen entspricht, die ihnen bereits nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 oblag und die darin besteht, nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von den Rechteinhabern unverzüglich zu handeln, um den Zugang zu den geschützten Inhalten, die Gegenstand des Hinweises sind, zu sperren oder sie von ihren Internetseiten zu entfernen (vgl. auch Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 116).
Über diese Verpflichtung hinaus sind diese Anbieter nämlich zum einen verpflichtet, in Bezug auf bestimmte geschützte Inhalte, für die die Rechteinhaber ihnen einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2019/790 „nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen [zu unternehmen], um sicherzustellen, dass [diese Inhalte] nicht verfügbar sind“.
Zum anderen müssen die Anbieter, was geschützte Inhalte betrifft, zu denen Rechteinhaber nach ihrer öffentlichen Zugänglichmachung einen hinreichend begründeten Hinweis gegeben haben, nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie 2019/790 „alle Anstrengungen [unternehmen], um gemäß Buchstabe b das künftige Hochladen dieser [Inhalte] zu verhindern“.
Aus dem Wortlaut und der Systematik von Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und c der Richtlinie 2019/790 ergibt sich somit, dass die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, um in den Genuss der Haftungsbefreiung zu kommen – und vorbehaltlich der Ausnahme für neue Anbieter im Sinne von Art. 17 Abs. 6 dieser Richtlinie –, nicht nur verpflichtet sind, dann, wenn es auf ihren Plattformen zu konkreten Verletzungen von Urheberrechten gekommen ist und sie von den Rechteinhabern einen hinreichend begründeten Hinweis erhalten haben, unverzüglich tätig zu werden, um diese Verletzungen abzustellen, sondern zusätzlich, nach dem Erhalt eines solchen Hinweises oder wenn die Rechteinhaber ihnen vor einer Verletzung des Urheberrechts die einschlägigen und notwendigen Informationen bereitgestellt haben, „nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen“ unternehmen müssen, um sicherzustellen dass es nicht oder nicht wieder zu solchen Verletzungen kommt. Mit den letztgenannten Verpflichtungen wird diesen Anbietern somit, wie die Republik Polen geltend macht, de facto eine vorherige Kontrolle der Inhalte auferlegt, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen möchten, sofern sie von den Rechteinhabern die in Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und c vorgesehenen Informationen oder Hinweise erhalten haben.
Im Übrigen sind, wie der Generalanwalt in den Nrn. 57 bis 69 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, um eine solche vorherige Kontrolle durchführen zu können, in Abhängigkeit von der Zahl der hochgeladenen Dateien und der Art des fraglichen Schutzgegenstands innerhalb der in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 2019/790 genannten Grenzen gezwungen, auf Instrumente zur automatischen Erkennung und Filterung zurückzugreifen. Insbesondere waren weder die beklagten Organe noch die Streithelfer in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof in der Lage, mögliche Alternativen zu solchen Instrumenten aufzuzeigen.
Eine solche vorherige Kontrolle und eine solche vorherige Filterung sind jedoch dazu angetan, ein wichtiges Mittel zur Verbreitung von Inhalten im Internet einzuschränken, und können somit eine Einschränkung des in Art. 11 der Charta garantierten Rechts darstellen.
Außerdem ist diese Einschränkung entgegen dem Vorbringen der beklagten Organe dem Unionsgesetzgeber zuzurechnen, da sie die unmittelbare Folge der speziellen Haftungsregelung ist, die in Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 für Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eingeführt wurde.
Im Übrigen nimmt Art. 17 Abs. 5 dieser Richtlinie ausdrücklich auf die „in [Art. 17] Absatz 4 festgelegten Verpflichtungen“ dieser Anbieter Bezug und führt die Gesichtspunkte auf, die bei der Feststellung, ob ein solcher Anbieter diesen Verpflichtungen „nachgekommen ist“, im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind.
Folglich ist festzustellen, dass die in Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 für die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eingeführte spezielle Haftungsregelung eine Einschränkung der Ausübung des in Art. 11 der Charta garantierten Rechts der Nutzer der entsprechenden Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit bewirkt.
Zur Rechtfertigung der sich aus der mit Art. 17 der Richtlinie 2019/790 eingeführten Haftungsregelung ergebenden Einschränkung der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit
Die Republik Polen macht geltend, dass die Einschränkung der Ausübung dieses Grundrechts der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten, die sich aus der mit Art. 17 der Richtlinie 2019/790 eingeführten Haftungsregelung ergebe, nicht den in Art. 52 Abs. 1 der Charta aufgestellten Anforderungen entspreche.
Art. 17 der Richtlinie 2019/790 enthalte nämlich keine Garantien, die es ermöglichten, die Beachtung des Wesensgehalts dieses Grundrechts und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Umsetzung der in Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie 2019/790 vorgesehenen Verpflichtungen zu gewährleisten. Insbesondere sähen die letztgenannten Bestimmungen keine klare und präzise Regelung für die Art und Weise vor, in der die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten diesen Verpflichtungen nachkommen müssten, was ihnen „freie Hand“ lasse, um Mechanismen der vorherigen Kontrolle und Filterung einzuführen, mit denen das Recht der Nutzer der entsprechenden Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit missachtet werde. Außerdem erlaube es Art. 17 Abs. 7 bis 9 dieser Richtlinie nicht, zu verhindern, dass bei der Umsetzung dieser Verpflichtungen auch zulässige Inhalte automatisch gesperrt würden und dass ihre Verbreitung an die Öffentlichkeit zumindest erheblich verzögert werde, mit der Gefahr, dass diese Inhalte vor ihrer Verbreitung jedes Interesse und ihren gesamten Informationswert verlören.
Mit dem Erlass der mit Art. 17 der Richtlinie 2019/790 eingeführten Haftungsregelung habe der Unionsgesetzgeber das angemessene Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Rechteinhaber und dem Schutz der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten verkannt, zumal die mit dieser Haftungsregelung verfolgten Ziele durch die übrigen in Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen bereits hinreichend erreicht werden könnten.
Das Parlament und der Rat, unterstützt durch das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Kommission, treten dem Vorbringen der Republik Polen entgegen und machen u. a. geltend, dass Art. 17 der Richtlinie 2019/790 ein vollständiges System von Garantien enthalte, das das Recht der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und das angemessene Gleichgewicht zwischen den in Rede stehenden Rechten und Interessen wahre.
Nach Art. 52 Abs. 1 der Charta muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
Dazu hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für jede Einschränkung der Ausübung der Grundrechte bedeutet, dass der Rechtsakt, der den Eingriff in die Grundrechte ermöglicht, den Umfang der Einschränkung der Ausübung des betreffenden Rechts selbst festlegen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, Facebook Ireland und Schrems, C‑311/18, EU:C:2020:559, Rn. 175 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anbelangt, so verlangt dieser Grundsatz, dass die Einschränkungen, die insbesondere durch Unionsrechtsakte an den in der Charta niedergelegten Rechten und Freiheiten vorgenommen werden können, nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung der verfolgten legitimen Ziele oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat, C‑128/17, EU:C:2019:194‚ Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 17. Dezember 2020, Centraal Israëlitisch Consistorie van België u. a., C‑336/19, EU:C:2020:1031‚ Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Sind mehrere in den Verträgen verankerte Grundrechte und Grundsätze betroffen, so ist bei der Beurteilung der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Übrigen darauf zu achten, dass die mit dem Schutz der verschiedenen Rechte und Grundsätze verbundenen Erfordernisse miteinander in Einklang gebracht werden und dass zwischen ihnen ein angemessenes Gleichgewicht besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, Centraal Israëlitisch Consistorie van België u. a., C‑336/19, EU:C:2020:1031‚ Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Um dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit zu genügen, muss die Regelung, die einen Eingriff in Grundrechte enthält, außerdem klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme vorsehen und Mindesterfordernisse aufstellen, so dass die Personen, die in der Ausübung der genannten Rechte eingeschränkt werden, über ausreichende Garantien verfügen, die ihren wirksamen Schutz vor Missbrauchsrisiken ermöglichen. Diese Regelung muss insbesondere angeben, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen eine solche Maßnahme getroffen werden darf, damit gewährleistet ist, dass der Eingriff auf das absolut Notwendige beschränkt wird. Das Erfordernis, über solche Garantien zu verfügen, ist umso bedeutsamer, wenn sich der Eingriff aus einem automatisierten Verfahren ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, Facebook Ireland und Schrems, C‑311/18, EU:C:2020:559, Rn. 176 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was insbesondere eine Einschränkung der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit wie die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende angeht, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass Art. 10 EMRK zwar nicht jede vorherige Einschränkung eines Verbreitungsmittels als solche verbietet, dass solche Einschränkungen aber so große Gefahren für die Wahrung dieses Grundrechts darstellen, dass sie in einem besonders strikten rechtlichen Rahmen erfolgen müssen (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 18. Dezember 2012, Ahmet Yildirim/Türkei, CE:ECHR:2012:1218JUD000311110, §§ 47 und 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beschränkung der Ausübung des in Art. 11 der Charta verankerten Rechts der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, die sich aus der mit Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 für die Anbieter dieser Dienste eingeführten Haftungsregelung ergibt, den in Art. 52 Abs. 1 der Charta aufgestellten Anforderungen genügt. Bei dieser Prüfung ist nicht nur Art. 17 Abs. 4 isoliert zu berücksichtigen, vielmehr sind auch die Bestimmungen heranzuziehen, die diese Regelung präzisieren und ergänzen, insbesondere Art. 17 Abs. 7 bis 10 dieser Richtlinie. Außerdem ist das legitime Ziel zu berücksichtigen, das mit der Einführung dieser Regelung verfolgt wird, nämlich der Schutz der Personen, die Inhaber von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten sind, die als Rechte des geistigen Eigentums in Art. 17 Abs. 2 der Charta garantiert sind.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz ein Unionsrechtsakt so weit wie möglich in einer seine Gültigkeit nicht in Frage stellenden Weise und im Einklang mit dem gesamten Primärrecht und insbesondere mit den Bestimmungen der Charta auszulegen ist. Lässt eine Vorschrift des abgeleiteten Unionsrechts mehr als eine Auslegung zu, ist daher die Auslegung, bei der die Bestimmung mit dem Primärrecht vereinbar ist, derjenigen vorzuziehen, die zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit diesem führt (Urteil vom 14. Mai 2019, M u. a. [Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft], C‑391/16, C‑77/17 und C‑78/17, EU:C:2019:403, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Außerdem bezieht sich die vorliegende Prüfung im Hinblick auf die in Art. 52 Abs. 1 der Charta aufgestellten Anforderungen auf die mit Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 eingeführte spezielle Haftungsregelung für Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, was nicht jeder Prüfung vorgreift, die sich später auf die Analyse der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften oder der Maßnahmen erstrecken kann, die von den Anbietern festgelegt wurden, um dieser Regelung nachzukommen.
Im Rahmen der vorliegenden Prüfung ist erstens festzustellen, dass die Einschränkung der Ausübung des Rechts der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit gesetzlich vorgesehen ist, da sie sich aus den Verpflichtungen ergibt, die den Anbietern dieser Dienste durch eine Bestimmung eines Unionsrechtsakts auferlegt werden, nämlich, wie in Rn. 53 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie 2019/790.
Zwar enthält diese Bestimmung keine näheren Angaben zu den konkreten Maßnahmen, die diese Diensteanbieter ergreifen müssen, um sicherzustellen, dass bestimmte geschützte Inhalte, für die die Rechteinhaber einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, nicht verfügbar sind, oder um das künftige Hochladen geschützter Inhalte, die Gegenstand eines hinreichend begründeten Hinweises der Rechteinhaber waren, zu verhindern. Mit der genannten Bestimmung wird von den Diensteanbietern nur verlangt, insoweit „alle Anstrengungen“ zu unternehmen, und zwar „nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt“. Nach den Erläuterungen des Parlaments und des Rates soll mit dem Wortlaut dieser Bestimmung sichergestellt werden, dass sich die damit auferlegten Verpflichtungen den bei den verschiedenen Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten konkret vorliegenden Umständen und der Entwicklung der Praktiken der Branche und der verfügbaren Technologien anpassen können.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schließt indessen das Erfordernis, dass jede Einschränkung der Ausübung eines Grundrechts gesetzlich vorgesehen sein muss, es nicht aus, dass die Regelung, mit der die entsprechende Einschränkung vorgesehen wird, hinreichend offen formuliert ist, um Anpassungen an Änderungen der Lage zu erlauben (vgl. in diesem Sinne Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 16. Juni 2015, Delfi AS/Estland, CE:ECHR:2015:0616JUD006456909, § 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Da es sich um eine Anbietern von Internetdiensten auferlegte Verpflichtung handelt, Maßnahmen zu ergreifen, um die Beachtung des Urheberrechts bei der Nutzung ihrer Dienste sicherzustellen, kann es sich zudem je nach Fall, um die in Art. 16 der Charta gewährleistete unternehmerische Freiheit dieser Diensteanbieter und das angemessene Gleichgewicht zwischen ihr, dem in Art. 11 der Charta niedergelegten Recht der Nutzer der betreffenden Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und dem mit Art. 17 Abs. 2 der Charta geschützten Recht des geistigen Eigentums der Rechteinhaber zu wahren, sogar als notwendig erweisen, es den Diensteanbietern zu überlassen, die konkreten Maßnahmen festzulegen, die zur Erreichung des angestrebten Ergebnisses zu ergreifen sind, so dass sie sich für die Einführung derjenigen Maßnahmen entscheiden können, die den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und Möglichkeiten am besten entsprechen und mit den übrigen Pflichten und Herausforderungen, denen sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gegenüberstehen, vereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C‑314/12, EU:C:2014:192, Rn. 52).
Zweitens ist festzustellen, dass die Einschränkung der Ausübung des Rechts der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit im Einklang mit Art. 52 Abs. 1 der Charta den Wesensgehalt des in Art. 11 der Charta garantierten Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit wahrt.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 der Richtlinie 2019/790 ausdrücklich klarstellt, dass „[d]ie Zusammenarbeit zwischen den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten und den Rechteinhabern … nicht bewirken [darf], dass von Nutzern hochgeladene Werke oder sonstige Schutzgegenstände, bei denen kein Verstoß gegen das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte vorliegt, nicht verfügbar sind, und zwar auch dann, wenn die Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes im Rahmen einer Ausnahme oder Beschränkung [in Bezug auf diese Rechte] erlaubt ist“.
Nach seinem eindeutigen Wortlaut beschränkt sich Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 der Richtlinie 2019/790, anders als Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil dieser Richtlinie, nicht darauf, von den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten zu verlangen, dass sie zu diesem Zweck „alle Anstrengungen“ unternehmen, sondern schreibt ein bestimmtes zu erreichendes Ergebnis vor.
Außerdem wird in Art. 17 Abs. 9 Unterabs. 3 der Richtlinie 2019/790 hervorgehoben, dass diese Richtlinie „in keiner Weise die berechtigte Nutzung, etwa die Nutzung im Rahmen der im Unionsrecht festgelegten Ausnahmen oder Beschränkungen, [beeinträchtigt]“.
Somit geht aus Art. 17 Abs. 7 und 9 der Richtlinie 2019/790 und aus ihren Erwägungsgründen 66 und 70 klar hervor, dass der Unionsgesetzgeber zum Schutz des in Art. 11 der Charta verankerten Rechts der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und des angemessenen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen in Rede stehenden Rechten und Interessen vorgesehen hat, dass die Umsetzung der den Anbietern dieser Dienste mit Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil dieser Richtlinie auferlegten Verpflichtungen insbesondere nicht dazu führen darf, dass diese Anbieter Maßnahmen ergreifen, die den Wesensgehalt dieses Grundrechts der Nutzer, die auf ihren Plattformen Inhalte teilen, die das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte nicht verletzen, beeinträchtigen.
Die Richtlinie 2019/790 spiegelt damit im Übrigen die Rechtsprechung des Gerichtshofs wider, wonach die von Anbietern wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ergriffenen Maßnahmen das Recht der Internetnutzer auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit beachten müssen und insbesondere streng zielorientiert sein müssen, um einen wirksamen Schutz des Urheberrechts zu ermöglichen, ohne dass Internetnutzer, die die Dienste dieser Anbieter rechtmäßig in Anspruch nehmen, dadurch beeinträchtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C‑314/12, EU:C:2014:192, Rn. 55 und 56).
Drittens ist im Rahmen der Kontrolle der Verhältnismäßigkeit im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta zunächst festzustellen, dass die in Rn. 69 des vorliegenden Urteils genannte Einschränkung der Ausübung des Rechts der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta entspricht, d. h. im vorliegenden Fall dem Erfordernis des Schutzes des in Art. 17 Abs. 2 der Charta gewährleisteten geistigen Eigentums. Die den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten mit Art. 17 der Richtlinie 2019/790 auferlegten Verpflichtungen, aus denen sich diese Einschränkung ergibt, sollen nämlich, wie sich u. a. aus den Erwägungsgründen 2, 3 und 61 der Richtlinie 2019/790 ergibt, den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums gewährleisten, um zur Schaffung eines gut funktionierenden und fairen Urheberrechtsmarkts beizutragen. Im Rahmen der Dienste für das Teilen von Online-Inhalten muss der Schutz der Urheberrechte aber notwendigerweise in gewissem Umfang mit einer Einschränkung der Ausübung des Rechts der Nutzer auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit einhergehen.
Sodann ist das Haftungsverfahren nach Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 nicht nur geeignet, sondern erscheint auch erforderlich, um dem Erfordernis eines Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums gerecht zu werden. Insbesondere wäre das von der Republik Polen vorgeschlagene alternative Verfahren, nach dem Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten nur die in Art. 17 Abs. 4 Buchst. a und Buchst. c am Anfang vorgesehenen Verpflichtungen auferlegt würden, zwar eine für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit weniger belastende Maßnahme, doch wäre dieses alternative Verfahren im Hinblick auf den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums nicht ebenso wirksam wie das vom Unionsgesetzgeber gewählte.
Schließlich ist festzustellen, dass die den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten durch Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 auferlegten Verpflichtungen das Recht der Nutzer dieser Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit nicht unverhältnismäßig einschränken.
Erstens ergibt sich nämlich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 164, 165 und 191 bis 193 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, aus Art. 17 Abs. 7 und 9 der Richtlinie 2019/790 sowie aus den Erwägungsgründen 66 und 70 dieser Richtlinie, dass der Unionsgesetzgeber, um der Gefahr vorzubeugen, die u. a. die Nutzung von Instrumenten zur automatischen Erkennung und Filterung für das Recht der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit darstellt, eine klare und präzise Grenze im Sinne der in Rn. 67 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung für die Maßnahmen aufgestellt hat, die in Umsetzung der in Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie 2019/790 vorgesehenen Verpflichtungen getroffen oder verlangt werden können, indem er insbesondere Maßnahmen ausgeschlossen hat, die rechtmäßige Inhalte beim Hochladen filtern oder sperren.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits festgestellt hat, dass ein Filtersystem, bei dem die Gefahr bestünde, dass es nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheidet, so dass sein Einsatz zur Sperrung von Kommunikationen mit zulässigem Inhalt führen könnte, mit dem in Art. 11 der Charta verbürgten Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit unvereinbar wäre und das angemessene Gleichgewicht zwischen ihm und dem Recht des geistigen Eigentums nicht beachten würde. Dazu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Antwort auf die Frage der Zulässigkeit einer Übertragung auch von der Anwendung gesetzlicher Ausnahmen vom Urheberrecht abhängt, die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren. Ferner können bestimmte Werke in bestimmten Mitgliedstaaten gemeinfrei sein, oder sie können von den fraglichen Urhebern kostenlos ins Internet gestellt worden sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2012, SABAM, C‑360/10, EU:C:2012:85, Rn. 50 und 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zweitens ist hinsichtlich der für das Urheberrecht geltenden Ausnahmen oder Beschränkungen, die Rechte zugunsten der Nutzer von Werken oder anderen Schutzgegenständen begründen und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Grundrechten dieser Nutzer und denen der Rechteinhaber gewährleisten sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Funke Medien NRW, C‑469/17, EU:C:2019:623, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung), festzustellen, dass Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 2 der Richtlinie 2019/790 den Mitgliedstaaten aufgibt, sicherzustellen, dass die Nutzer in jedem Mitgliedstaat von ihnen generierte Inhalte für die speziellen Zwecke von Zitaten, Kritik, Rezensionen, Karikaturen, Parodien oder Pastiches hochladen und zugänglich machen dürfen. Wie sich aus dem 70. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, war der Unionsgesetzgeber nämlich der Ansicht, dass es angesichts ihrer besonderen Bedeutung für die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst und damit für dieses angemessene Gleichgewicht erforderlich sei, diese Ausnahmen und Beschränkungen, die zu denen gehören, die in Art. 5 der Richtlinie 2001/29 fakultativ vorgesehen sind, verbindlich vorzuschreiben, um zu gewährleisten, dass die Nutzer insoweit in der gesamten Union einen einheitlichen Schutz genießen.
Außerdem verpflichtet Art. 17 Abs. 9 Unterabs. 4 der Richtlinie 2019/790 – mit demselben Ziel der Gewährleistung der Rechte der Nutzer – Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, ihre Nutzer in ihren Geschäftsbedingungen zu informieren, dass sie Werke und sonstige Schutzgegenstände im Rahmen der im Unionsrecht vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte nutzen können.
Drittens wird die Ausübung des Rechts der Nutzer, die diese Dienste rechtmäßig nutzen, auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit durch den Umstand geschützt, dass die Haftung der Diensteanbieter für die Sicherstellung der Nichtverfügbarkeit bestimmter Inhalte nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie 2019/790 nur unter der Voraussetzung ausgelöst werden kann, dass die betreffenden Rechteinhaber ihnen die einschlägigen und notwendigen Informationen über diese Inhalte übermitteln. Da die Übermittlung der Informationen ohne jeden Zweifel die Voraussetzung für die eventuelle Feststellung der Haftung in Bezug auf die Diensteanbieter darstellt, werden diese nämlich ohne diese Informationen nicht dazu veranlasst, dafür zu sorgen, dass die betreffenden Inhalte nicht verfügbar sind.
Viertens stellt Art. 17 Abs. 8 der Richtlinie 2019/790, indem er – wie Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 – vorsieht, dass die Anwendung von Art. 17 nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen darf, eine zusätzliche Garantie für die Wahrung des Rechts der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit auf. Diese Klarstellung bedeutet nämlich, dass die Anbieter dieser Dienste nicht verpflichtet sein können, das Hochladen und die öffentliche Zugänglichmachung von Inhalten zu verhindern, die sie im Hinblick auf die von den Rechteinhabern bereitgestellten Informationen sowie etwaige Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht eigenständig inhaltlich beurteilen müssten, um ihre Rechtswidrigkeit festzustellen (vgl. entsprechend Urteil vom 3. Oktober 2019, Glawischnig-Piesczek, C‑18/18, EU:C:2019:821, Rn. 41 bis 46).
Insbesondere kann, wie im 66. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/790 hervorgehoben wird, nicht ausgeschlossen werden, dass die Verfügbarkeit nicht genehmigter urheberrechtlich geschützter Inhalte in manchen Fällen nur nach einem Hinweis der Rechteinhaber vermieden werden kann. Außerdem hat der Gerichtshof in Bezug auf einen solchen Hinweis festgestellt, dass er ausreichende Angaben enthalten muss, um es dem Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten zu ermöglichen, sich ohne eingehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass die Mitteilung des betreffenden Inhalts rechtswidrig ist und seine etwaige Löschung mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit vereinbar wäre (Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 116).
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Schutz des Rechts des geistigen Eigentums zwar in Art. 17 Abs. 2 der Charta verankert ist, sich aber weder aus dieser Bestimmung noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, dass dieses Recht schrankenlos und sein Schutz daher bedingungslos zu gewährleisten wäre (Urteil vom 29. Juli 2019, Funke Medien NRW, C‑469/17, EU:C:2019:623, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Fünftens führt Art. 17 Abs. 9 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie 2019/790 mehrere verfahrensrechtliche Garantien ein, die zu den in Art. 17 Abs. 7 und 8 dieser Richtlinie vorgesehenen Garantien hinzukommen und das Recht der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in den Fällen schützen, in denen die Anbieter dieser Dienste trotz der Garantien, die in diesen Bestimmungen vorgesehen sind, dennoch irrtümlich oder ohne Grundlage zulässige Inhalte sperren sollten.
So geht aus Art. 17 Abs. 9 Unterabs. 1 und 2 sowie aus dem 70. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/790 hervor, dass der Unionsgesetzgeber es für wichtig erachtet hat, dafür Sorge zu tragen, dass Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten wirksame und zügige Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung stellen, um rechtmäßige Nutzungen von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu unterstützen, insbesondere solche, die von Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht zum Schutz der Freiheit der Meinungsäußerung und der Kunstfreiheit erfasst werden. Nach diesen Bestimmungen müssen die Nutzer eine Beschwerde erheben können, wenn sie der Auffassung sind, dass der Zugang zu einem von ihnen hochgeladenen Inhalt zu Unrecht gesperrt oder ein solcher Inhalt zu Unrecht entfernt worden ist. Beschwerden sind unverzüglich zu prüfen, und die entsprechende Kontrolle ist von einer natürlichen Person auszuüben. Außerdem müssen Rechteinhaber, wenn sie die Diensteanbieter auffordern, im Zusammenhang mit von Nutzern hochgeladenen Inhalten Maßnahmen zu ergreifen, etwa diese Inhalte zu sperren oder zu entfernen, ihre Ersuchen in angemessener Weise begründen.
Im Übrigen müssen die Mitgliedstaaten nach diesen Bestimmungen sicherstellen, dass die Nutzer Zugang zu außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren, die eine unparteiische Beilegung von Streitigkeiten ermöglichen, sowie zu wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelfen haben. Insbesondere müssen die Nutzer Zugang zu einem Gericht oder einem anderen einschlägigen Organ der Rechtspflege haben, um die Inanspruchnahme einer Ausnahme oder Beschränkung für das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte geltend machen zu können.
Sechstens ergänzt Art. 17 Abs. 10 der Richtlinie 2019/790 das in ihrem Art. 17 Abs. 7 bis 9 vorgesehene Schutzsystem, indem er die Kommission beauftragt, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Dialoge zwischen den Interessenträgern zu veranstalten, um bewährte Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten und den Rechteinhabern zu erörtern, und unter Berücksichtigung des Ergebnisses dieser Dialoge und in Absprache mit den Interessenträgern, darunter Nutzerorganisationen, Leitlinien zur Anwendung von Art. 17 dieser Richtlinie und insbesondere ihres Art. 17 Abs. 4 herauszugeben.
In Art. 17 Abs. 10 der Richtlinie 2019/790 wird insoweit ausdrücklich hervorgehoben, dass bei der Erörterung der bewährten Verfahren die notwendige Ausgewogenheit zwischen den Grundrechten und die Inanspruchnahme von Ausnahmen und Beschränkungen besonders zu berücksichtigen ist. Für die Zwecke des Dialogs zwischen den Interessenträgern haben die Nutzerorganisationen zudem Zugang zu angemessenen, von den Diensteanbietern für das Teilen von Online‑Inhalten bereitgestellten Informationen über die Funktionsweise ihrer Verfahren im Hinblick auf Art. 17 Abs. 4 dieser Richtlinie.
Aus den Feststellungen in den Rn. 72 bis 97 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass entgegen dem Vorbringen der Republik Polen die Verpflichtung der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, die Inhalte, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen möchten, vor ihrer öffentlichen Verbreitung zu kontrollieren, die sich aus der mit Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 eingeführten speziellen Haftungsregelung und insbesondere den in Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für Befreiungen ergibt, vom Unionsgesetzgeber mit angemessenen Garantien versehen wurde, um im Einklang mit Art. 52 Abs. 1 der Charta die Wahrung des in Art. 11 der Charta gewährleisteten Rechts der Nutzer dieser Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und das angemessene Gleichgewicht zwischen diesem Recht und dem mit Art. 17 Abs. 2 der Charta geschützten Recht des geistigen Eigentums sicherzustellen.
Es ist Sache der Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung von Art. 17 der Richtlinie 2019/790 in ihr innerstaatliches Recht darauf zu achten, dass sie sich auf eine Auslegung dieser Bestimmung stützen, die es erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Charta geschützten Grundrechten sicherzustellen. Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Bestimmung haben die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten sodann nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit ihr auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Bestimmung stützen, die mit diesen Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, kollidiert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C‑275/06, EU:C:2008:54, Rn. 68).
Nach alledem ist der einzige Klagegrund, auf den die Republik Polen ihre Klage stützt, zurückzuweisen und die Klage demzufolge abzuweisen.
Kosten
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Parlament und der Rat beantragt haben, die Republik Polen zur Tragung der Kosten zu verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Portugiesische Republik und die Kommission ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Republik Polen trägt die Kosten.
3. Das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Portugiesische Republik und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.