Auch Filesharing von Kinderhörbüchern kann zu hohem Schadensersatz führen

01. August 2016
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
1856 mal gelesen
0 Shares
Hörbücher gestapelt mit Kopfhörer Urteil des LG Köln vom 06.08.2015, Az.: 14 S 2/15

Aufgrund von illegaler Verbreitung eines Kinder-Hörbuches über eine Online-Tauschbörse, kann ein Schadensersatzanspruch von 450 Euro auch dann angemessen sein, wenn der Täter (hier: ein 60 Jähriger) an der maßgeblichen Datei selbst kein Interesse hat und der Upload des Hörbuches zur Nachtzeit vorgenommen wurde. Maßgeblich für die Höhe des Schadensersatzes ist dabei nicht die Anzahl der Downloads, sondern die Möglichkeit, dass durch den Upload das Werk in tausenden Fällen von Dritten genutzt werden kann.

Landgericht Köln

Urteil vom 06.08.2015

Az.: 14 S 2/15

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17.12.2014, Aktenzeichen: 125 C 645/14, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 956,– € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2013 zu zahlen.Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Köln, soweit es nicht abgeändert wurde, sind vorläufig vollstreckbar.Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten urheberrechtliche Ansprüche auf Zahlung von Lizenzschadensersatz in Höhe von 450,– € und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 506,– € geltend.

Die Klägerin produziert und vermarktet unter anderem Hörbücher. Sie ist Tonträgerherstellerin und Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Hörbuch „A und die B“ (Folge 143).

Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses in seiner Wohnung, die er allein bewohnt. Der Beklagte nutzt einen Computer. Die Verbindung zum Internet für diesen Computer erfolgte (auch) über ein WLAN, das zur Zeit der von der Klägerin vorgetragenen Rechtsverletzung im Januar 2011 über eine WPA 2-Verschlüsselung und einem Dritten nicht bekanntes Kennwort abgesichert war.

Der Internetprovider des Beklagten erteilte im Rahmen eines von der Klägerin betriebenen Ermittlungs- und Auskunftsverfahrens die Auskunft, dass die am 02.01.2011 zwischen 01:13.41 und 03:33.06 erfasste IP-Adresse ##### sowie die am 02.01.2011 zwischen 03:34.13 und 08:29.34 erfasste IP-Adresse 91.54.180.42, über welche das streitgegenständliche Werk im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse jeweils öffentlich zugänglich gemacht wurde, zur jeweiligen Tatzeit dem Anschluss des Beklagten zugewiesen waren.

Die Klägerin ließ den Beklagten dieserhalb mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 25.03.2011 (Anlage K 4 – 1, Bl. 45 ff. GA) abmahnen und unter Fristsetzung bis zum 11.04.2011 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 450,– € sowie Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 506,– € auffordern. Die Rechtsanwaltsgebühren berechnete die Klägerin in Höhe einer 1,0 Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 10.000,– € zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,– €.

Im Verfahren vor dem Amtsgericht hat die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 450,– € betragen soll, sowie 506,– €, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2013 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, er sei altersbedingt bereits nicht an dem streitgegenständlichen Hörbuch interessiert, auch könne er mangels ausreichender Kenntnisse ein Kopiernetzwerk nicht betreiben. Seine 35-jährige Tochter lebe im Ausland (Wien) und habe keinen Zugriff auf sein Internet.

Mit Urteil vom 17.12.2014, der Klägerin zugestellt am 22.12.2014, hat das Amtsgericht Köln den Beklagten zur Zahlung von Lizenzschadensersatz in Höhe von 25,– € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 130,50 €, berechnet nach einem Gegenstandswert von 1.000,– €, verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, in Ausübung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welche eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft gegen den Inhaber des Internetanschlusses postuliert habe und den Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen nach dem Täter verpflichte, sei von einem Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Lizenzschadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren dem Grunde nach auszugehen, da der Beklagte nicht dargelegt habe, dass er die Rechtsverletzung nicht selbst begangen habe, auch wenn es unwahrscheinlich sei, dass ein 60-jähriger allein lebender Mann als Täter für den Upload eines Hörbuchs für Kinder in Betracht komme und die Vorstellung, der Beklagte habe während der tiefsten Nachtzeit Filesharing betrieben, abenteuerlich erscheine.

Der Höhe nach stehe der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von Lizenzschadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG nur in Höhe von 25,– € zu, da die Teilnahme des Einzelnen an einer Filesharing-Tauschbörse keine nennenswerten Folgen zeitige, weshalb das Lizenzentgelt sich an dem Preis für den Erwerb des Trägers des entsprechenden Werkes, etwa einer CD/DVD zu orientieren habe. Gebühren für die vorgerichtliche Abmahnung seien in Anlehnung an § 97 a UrhG n.F. nur nach einem Gegenstandswert von 1.000,– € zu erstatten.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Mit Schriftsatz vom 12.01.2015, bei Gericht eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.02.2015, bei Gericht eingegangen am 20.02.2015, begründet.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Amtsgericht sei bei der Bemessung des Lizenzschadensersatzes von falschen Grundlagen und in Verkennung der streitgegenständlichen Verletzungshandlung ausgegangen. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt insbesondere die Auffassung, dass der Beklagte die gegen ihn als Anschlussinhaber sprechende tatsächliche Vermutung, die Rechtsverletzung selbst begangen zu haben, nicht widerlegt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17.12.2014, Aktenzeichen 125 C 645/14, teilweise abzuändern, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist und den Beklagten zur Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 425,– € und weiteren Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 375,50 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2013 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 02.06.2015, bei Gericht eingegangen innerhalb der bis 02.06.2015 verlängerten Frist zur Berufungserwiderung, hat der Beklagte Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Beklagte beantragt im Wege der Anschlussberufung,

das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17.12.2014, Aktenzeichen 125 C 645/14, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Ansicht, das angefochtene Urteil sei fehlerhaft. Das Amtsgericht habe die Klage abweisen müssen, da das Amtsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe davon ausgegangen sei, dass er bereits aufgrund seines Alters nicht als Täter in Betracht komme.

Der Beklagte ist weiter der Ansicht, das Amtsgericht hätte in erster Instanz Beweis dazu erheben müssen, dass sein WLAN-Anschluss ausreichend über eine WPA 2-Verschlüsselung und sonstige Sicherungsmaßnahmen gesichert gewesen sei. Der Beklagte meint schließlich, er habe ausreichend die gegen ihn sprechende Vermutung der Täterschaft widerlegt. Hilfsweise verteidigt der Beklagte das amtsgerichtliche Urteil und vertritt die Auffassung, weitergehende Ansprüche stünden der Klägerin in keinem Fall zu.

II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

Die  Anschlussberufung des Beklagten ist gleichfalls zulässig, jedoch nicht begründet.

1.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4, 517, 519, 522 ZPO.

2.
Die Berufung ist auch begründet.
a)   Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen der unberechtigten Nutzung des Hörbuchs „A und die B“ in Form der öffentlichen Zugänglichmachung aus §§ 97 Abs. 2, 15 Abs. 2 in Verbindung mit § 19 a UrhG sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 97 a Abs. 1 UrhG a.F. in Höhe von insgesamt 956,– € (450,– € + 506,– €) zu.Die Klägerin ist als Tonträgerherstellerin und Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Hörbuch aktivlegitimiert, § 85 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 UrhG. Das streitgegenständliche Hörbuch ist bereits als Sprachwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt.Der Beklagte ist passivlegitimiert, da über seinen Internetanschluss am 02.01.2011 das streitgegenständliche Hörbuch mehrfach im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse zum Download angeboten wurde. Dies stellt ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19 a UrhG dar.Im Hinblick auf die Mehrfacherfassungen des Internetanschlusses des Beklagten über unterschiedliche IP-Adressen im Rahmen der Ermittlung der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen am 02.01.2011 bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit des von der Klägerin vorgetragenen Ermittlungsergebnisses. Zutreffend weist das Amtsgericht darauf hin, dass es extrem unwahrscheinlich ist, dass mehrere unrichtige Ermittlungen zu dem Internetanschluss derselben Person führen könnten, weshalb in Fällen der Mehrfachermittlungen unter unterschiedlichen IP-Adressen der Anschlussinhaber substantiiert dazu vortragen muss, weshalb dennoch Zweifel an der Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses begründet sein könnten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 – 6 U 239/11, NJW-RR 2012, 1327). Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen; der Beklagte trägt insoweit nur vor, er habe kein Interesse an dem streitgegenständlichen Hörbuch.Zweifel an der Plausibilität des vorgetragenen Ermittlungsergebnisses sind hierdurch jedoch nicht begründet. Vor der für Urheberrechtsstreitigkeiten zuständigen Kammer sind eine Reihe von Fällen verhandelt worden, in denen der von Seiten des Rechteinhabers in Anspruch genommene Teilnehmer einer Filesharing-Tauschbörse einen Download (und nachfolgenden Upload) von Werken vorgenommen hatte, die, so der Vortrag, nicht dem persönlichen Geschmack des Nutzers entsprachen, aber zu sonstigen Zwecken, nämlich der Weitergabe an Dritte, z.B. als Geschenk, heruntergeladen worden waren. Allein der Umstand, dass vorliegend ein Hörbuch für Kinder Gegenstand der Ermittlungen war, bietet aus diesem Grund keinen Anlass, an der Richtigkeit der Ermittlungen zu zweifeln. Dies gilt ebenso für den Tatzeitpunkt. Anders als das Amtsgericht erachtet die Kammer es nicht für „abenteuerlich“, sondern vielmehr für naheliegend, dass während der Nachtzeit der Upload von Dateien im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse vorgenommen wird, da bekanntlich, wenn der Computer nicht gleichzeitig zu sonstigen Zwecken eingesetzt wird, die volle Kapazität des Computers zur Verfügung steht und deshalb in besonders effektiver Weise ein Up- und Download von Dateien möglich ist. Der Anwesenheit des Nutzers bedarf es derweil, wenn das Programm einmal gestartet wurde, nicht.Steht somit fest, dass ein geschütztes Werk von dem Internetanschluss einer bestimmten Person öffentlich zugänglich gemacht wurde, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens, GRUR 2010, 633 ff.; BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 – Bearshare, GRUR 2014, 657). Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzungen begangen. Diese tatsächliche Vermutung ist erst dann nicht mehr begründet, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt, also die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329 (330); OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015 – 6 UR 209/13). Dabei kommt der Anschlussinhaber seiner Darlegungslast zur Alleintäterschaft eines Dritten nur dann ausreichend nach, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Täterschaft eines Dritten vorgetragen werden und nicht nur ein allenfalls theoretisch mögliches, wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen aber unwahrscheinliches Geschehen behauptet wird (OLG Köln, Urteil vom 20.12.2013 – 6 U 205/12; BGH, Pressemittelung Nr. 92/2015 vom 11.06.2015 – Tauschbörse I bis III).Solche Umstände hat der Beklagte indes nicht vorgetragen. Vielmehr kommt auf Grundlage des Vorbringens des Beklagten kein anderer als der Beklagte selbst als Täter in Betracht, da der Beklagte allein Zugriff auf seinen durch ausreichende Sicherheitsvorkehrungen, die nunmehr zwischen den Parteien unstreitig ist, geschützten WLAN-Anschluss hatte. Dritte, wie die Tochter des Beklagten oder unbefugte Nutzer (Hacker) können nach dem Vorbringen des Beklagten die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht vorgenommen haben. Die Tochter des Beklagten war nach dessen Vorbringen zur Tatzeit ortsabwesend; ein Zugriff Dritter war wegen der Sicherheitsvorkehrungen (WPA 2-Verschlüsselung des WLAN-Anschlusses) nicht möglich.Aus diesen Gründen ist für die zweite Instanz davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Hörbuch von dem Internetanschluss des Beklagten am 02.01.2011 im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse öffentlich zugänglich gemacht worden ist und der Beklagte als Inhaber des Internetanschlusses für die Rechtsverletzung verantwortlich war.Entgegen der Ansicht des Beklagten bedurfte es keiner Beweisaufnahme zu der WPA 2-Verschlüsselung des WLAN-Routers des Beklagten, da zumindest in zweiter Instanz die von dem Beklagten vorgetragene – ausreichende – Verschlüsselung unstreitig ist.Der Beklagte handelte auch widerrechtlich, da er von der Klägerin keine Lizenz zur Nutzung des streitgegenständlichen Hörbuches erworben hatte.Das dem Beklagten zur Last fallende Verschulden im Sinne von § 276 BGB liegt darin, dass der Beklagte zumindest fahrlässig verkannt hat, zum Upload von Hörbüchern, an denen er keine Lizenzrechte erworben hatte, im Rahmen von Filesharing-Tauschbörsen nicht berechtigt zu sein.

Der Höhe nach steht der Klägerin wegen der rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung ihrer Leistungsschutzrechte durch den Beklagten nach der von ihr gewählten Schadensberechnungsart der sogenannten Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 Satz 2 UrhG über den von dem Amtsgericht zuerkannten Anspruch von 25,– € hinaus ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 425,– € zu.Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 68/08 – Restwertbörse I). Zu Recht rügt die Klägerin insoweit, dass das Amtsgericht die Grenzen der Ermessenausübung nicht eingehalten und nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt habe.Bereits der Annahme des Amtsgerichts, der Beitrag des einzelnen Teilnehmers an Filesharing-Tauschbörsen, zeitige keine nennenswerten Folgen, da zu einem späteren Zeitpunkt die Nachfrage von dritter Seite jedenfalls befriedigt werde, vermag die Kammer nicht zu folgen. Das Amtsgericht hat nicht berücksichtigt, dass kausal für die streitgegenständliche Rechtsverletzung das Download-Angebot hier des Beklagten war und zu einem späteren Zeitpunkt von dem Amtsgericht für möglich gehaltene Rechtsverletzungen von dritter Seite die Ursächlichkeit der hier streitgegenständlichen Rechtsverletzung nicht rückwirkend entfallen lassen. Auch lässt die Annahme des Amtsgerichts, der Beitrag des einzelnen Rechtsverletzers sei wegen des Umfang des Angebotes in Filesharing-Tauschbörsen zu vernachlässigen, außer Acht, dass die Streuung von Werken, wie hier dem Hörbuch in Filesharing-Tauschbörsen, voraussetzt, dass diese von einem oder (zeitgleich) mehreren Rechtsverletzern erstmals überhaupt zum Download angeboten wurden. Aufgrund welcher Anhaltspunkte das Amtsgericht davon ausgeht, dass der Beklagte jedenfalls nicht zum Kreis der Erstverletzer gehören könne, ist nicht nachvollziehbar. Feststellungen dazu, von wem und zu welchem Zeitpunkt das streitgegenständliche Hörbuch im Rahmen der Filesharing-Tauschbörse (erstmals) angeboten wurde, konnte das Amtsgericht nicht treffen. Dann verbietet sich aber auch die – grundlagenlose – Annahme, der Beitrag des Beklagten im Rahmen des Filesharings sei ohne nennenswerte Relevanz und deshalb ohne wesentlichen (Lizenz-)Wert. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Beklagte das streitgegenständliche Hörbuch im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse am 02.01.2012 angeboten hat, das streitgegenständliche Hörbuch ausweislich der Anlage K 1 (Bl. 39 GA) erstmals 2010 als Tonträger auf CD erschienen ist.

b)  Die Bemessung des Lizenzschadensersatzes anhand des Betrages, der in etwa für den Preis eines entsprechenden Werkträgers (CD) zu zahlen gewesen wäre, wie es das Amtsgericht vorgenommen hat, ist vom Ansatz her auch deshalb nicht sachgerecht, da streitgegenständlich eine gänzlich andere Nutzungsart ist, worauf die Klägerin zu Recht hinweist.Die Rechtsverletzung, deretwegen die Klägerin Schadensersatz begehrt, ist nicht der einmalige Download eines Hörbuches zum Zwecke der Eigennutzung, sondern der Upload dieses Werkes in ein Filesharing-Netzwerk mit der Möglichkeit, dass dieses, wie das Amtsgericht ausführt, in tausenden (oder mehr) Fällen von Dritten genutzt wird. Aus diesem Grund ist für die Bemessung des Lizenzschadensersatzes maßgeblich und im Rahmen der Ermessenausübung zu berücksichtigen, was ein vernünftiger Lizenzgeber und ein vernünftiger Lizenznehmer anstelle der Parteien für die Übertragung des Rechts, welches der Beklagte durch Teilnahme an der Filesharing-Tauschbörse in Anspruch genommen hat, vereinbart hätten (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG). Dabei handelt es sich aber gerade nicht um eine einmalige Kopie des streitgegenständlichen Hörbuches, sondern um das Recht, dieses im Internet weder zeitlich noch mengenmäßig beschränkt im Rahmen eines Netzwerkes für eine Vielzahl von Teilnehmern zum Download bereithalten zu dürfen.Da das Amtsgericht von unzutreffenden Annahmen ausgegangen ist, ist auch die darauf gestützte Ermessensausübung gemäß § 287 ZPO ermessensfehlerhaft.Der der Klägerin zustehende Schadensersatzanspruch kann aus obigen Gründen nicht auf den Kaufpreis einer Kopie des Hörbuches beschränkt oder daran orientiert werden, da das von den Beklagten in Anspruch genommene Nutzungsrecht zum weltweiten Upload des streitgegenständlichen Hörbuches einen wesentlich größeren Umfang hatte als den (einmaligen) Erwerb einer Privatkopie. Demzufolge hätten vernünftige Vertragspartner anstelle der Parteien eine an den Umfang der Lizenz orientierte, wesentlich höhere Lizenzgebühr als die für den Erwerb einer Privatkopie vereinbart. Die Begrenzung des der Klägerin zustehenden Lizenzschadensersatzes auf den Preis einer einzelnen, auf CD oder DVD fixierten Werkkopie ist auch nicht mit der Argumentation zu begründen, bei einer Teilnahme an einer Filesharing-Tauschbörse erfolge der Upload zwangsläufig zeitgleich mit dem Download des Werkes, auf den es dem Teilnehmer (Rechtsverletzer) eigentlich nur ankomme.Zum einen ist nicht entscheidend für die Bemessung des Lizenzschadensersatzanspruchs, ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Benutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1320, 1321). Zum anderen ist der Kammer aus einer Vielzahl gleichgelagerter Verfahren bekannt, dass ein Upload von Werken seitens der Teilnehmer von Filesharing-Tauschbörsen häufig über die eigentlich erforderliche Download-Zeit hinaus erfolgt, da systembedingt der Download der Datei, auf den es dem Rechtsverletzer im konkreten Fall ankommt, desto schneller erfolgt, je mehr Werke er seinerseits zum Upload bereithält.Genauso liegt der Fall auch hier. Der Beklagte hat, auf Veranlassung der Klägerseite erfasst, das streitgegenständliche Hörbuch am 02.01.2011 über die Dauer von mehr als 7,5 Stunden im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse zum Upload angeboten. Dieser Zeitraum übersteigt bei weitem den, der zum einfachen Download des Hörbuches als Datei erforderlich gewesen wäre. Dies legt nahe, dass es dem Beklagten vorliegend nicht um den Download des Hörbuches, sondern um ein möglichst umfangreiches Upload-Angebot ging. Der Vortrag des Beklagten, er habe an dem streitgegenständlichen Hörbuch kein Interesse, kann deshalb als zutreffend unterstellt werden. Das Ziel, ein umfangreiches Upload-Angebot vorzuhalten, kann naturgemäß auch mittels Dateien erreicht werden, an denen der Teilnehmer der Tauschbörse kein persönliches Interesse hat.Sachgerecht erscheint es aus diesen Gründen vielmehr, als Anhaltspunkt für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO auf die Beträge abzustellen, die für vergleichbare Nutzungsarten vereinbart werden. Der im Schwerpunkt für Urheberrechtsstreitigkeiten zuständigen Kammer ist aus mehreren Fällen gerichtsbekannt, dass bereits für die zeitlich und räumlich beschränkte Lizenz zum Upload einer Single im Internet Lizenzgebühren im vierstelligen Bereich vereinbart werden. Auch aus diesem Grund setzt die Kammer in ständiger Rechtsprechung für das Angebot von Musikaufnahmen über Filesharing-Netzwerke im Internet jeweils 200,– € pro Musiktitel als angemessenen Schadensersatz für den Regelfall an. Dies entspricht der obergerichtlichen (vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015 – 6 U 209/13; OLG Hamburg, Urteil vom 05.11.2013 – 5 U 222/10; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014 – 11 U 115/13; Urteil vom 16.12.2014 – 11 U 27/14) und auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Pressemitteilung Nr. 92/2015 vom 11.06.2015 zu I ZR 19/14, I ZR 21/14, I ZR 75/14 – Tauschbörse I bis III).Vor diesem Hintergrund hält die Kammer ebenfalls in ständiger Rechtsprechung Schadensersatzverlangen im Bereich von 400,– € bis 600,– € für das rechtswidrige Download-Angebot eines Filmwerkes im Rahmen eines Filesharing-Netzwerkes für angemessen (vgl. Urteil der Kammer vom 07.05.2015 – 14 S 44/14 und Urteil vom 06.08.2014 – 14 S 5/14).Die Lizenzgebühr für ein Hörbuch, das einen umfangreicheren Erstellungsaufwand erfordert als eine Single, ist mit mehr als 200,– € zu bemessen und dürfte sich eher der Lizenzgebühr annähern, die auch für ein Filmwerk zu leisten ist. Auf Grundlage dieser Erwägungen erachtet die Kammer einen Betrag von 450,– €, wie ihn die Klägerin geltend macht, gemäß § 287 ZPO als angemessene, aber auch ausreichende Schadensersatzleistung, da vorliegend keine besonderen Umstände, wie etwa ein besonderer Verkaufserfolg des Hörbuches im Tatzeitpunkt vorgetragen wurden, die eine höhere Schadensersatzleistung rechtfertigen könnten. Über den von dem Amtsgericht zuerkannten Betrag von 25,– € hinaus steht der Klägerin aus diesem Grund ein weiterer Anspruch auf Zahlung von Lizenzschadensersatz in Höhe von 425,– € gegenüber dem Beklagten zu.

c)    Auch der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung vom 25.03.2011 ist in vollem Umfang begründet.Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Rechtsanwaltsgebühren über den von dem Amtsgericht zuerkannten Betrag von 130,50 € hinaus in Höhe weiterer 375,50 € (insgesamt 506,– €) gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F.Bei der Ermittlung der Rechtsverletzung in sogenannten Internet-Tauschbörsen wegen eines zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Hörbuches und der Durchsetzung der daraus folgenden Ansprüche, handelt es sich nicht um einen einfach gelagerten Fall im Sinne von § 97 a UrhG in der bis zum 08.10.2013 geltenden Fassung für Filmwerke ständige Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil vom 28.05.2015 – 14 S 33/14; so auch OLG Köln, Beschluss vom 13.09.2013 – 6 W 152/13), weshalb eine Begrenzung des Anspruchs der Klägerin auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche Abmahnung gemäß § 97 a Abs. 2 UrhG a.F. nicht in Betracht kommt.Die Klägerin berechnet die Rechtsanwaltsgebühren anhand einer 1,0 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG auf der Grundlage eines Gegenstandeswertes von 10.000,– € (486,– €) zuzüglich einer Post- und Telekommunikationspauschale nach nunmehr 7300 VV RVG in Höhe von 20,– € zutreffend mit 506,– € unter Zugrundelegung der bis 31.07.2013 geltenden Gebührensätzen des RVG. Der Ansatz eines Gegenstandswertes von 10.000,– € für den Unterlassungsanspruch wegen der öffentlichen Zugänglichmachung eines Hörbuches entspricht dem Wert, den die Kammer in ständiger Rechtsprechung für die öffentliche Zugänglichmachung eines Musikalbums annimmt. Unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der nutzungsberechtigten Klägerin an der Unterbindung der Rechtsverletzung und der erheblichen Angriffsintensität des Rechtsverletzers, die mit der Beteiligung an illegalen Filesharing-Tauschbörsen verbunden ist, ist der Wert des Unterlassungsanspruchs mit 10.000,– € in jedem Fall gerechtfertigt. Die Kammer vermag dem Amtsgericht nicht darin zu folgen, die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren nach einem Unterlassungswert von lediglich 1.000,– € unter Rückgriff auf § 97 a UrhG n.F. vorzunehmen. Dies ist bereits deshalb nicht möglich, weil der Gebührenanspruch und der Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten auf Zahlung der von ihr aufgewendeten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 506,– € bereits im Jahr 2011 gemäß § 97 a Abs. 1 UrhG a.F. entstanden war und die mit Wirkung vom 09.10.2013 eingeführte Regelung des § 97 a UrhG n.F. keine Handhabe bietet, bereits entstandene Ansprüche rückwirkend zu kürzen.Der Ansatz einer 1,0 Geschäftsgebühr, den die Klägerin bei Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren vorgenommen hat, ist gleichfalls gerechtfertigt, da dieser noch unter Mittelgebühr von 1,3 (Nr. 2300 VV RVG) bleibt.

d)   Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB. Verzug des Beklagten ist mit Ablauf der mit Schreiben vom 25.03.2011 bis 11.04.2011 gesetzten Zahlungsfrist eingetreten.

III.
Die Anschlussberufung des Beklagten ist gemäß §§ 524, 519, 520 ZPO zulässig. Die Anschlussberufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet, da der Klägerin der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Lizenzschadensersatz und Rechtsanwaltsgebühren aus den obigen Gründen in vollem Umfang zusteht.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713  ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EG ZPO.

V.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Die Kammer weicht mit dieser Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung oder ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Entscheidung beruht auf der tatrichterlichen Anwendung gesetzlicher und höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze in einem Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des konkreten Sachverhaltes.

Die Beschwer im Berufungsverfahren wird auf 956,– € festgesetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a