Bekanntheit einer Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Gebiets der EU

02. Dezember 2015
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Schwarze Lupe auf einer Karte von Europa. Urteil des EuGH vom 03.09.2015, Az.: C-125/14

1. Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass, sofern die Bekanntheit einer älteren Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Gebiets der Europäischen Union erwiesen ist, das gegebenenfalls mit dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats zusammenfallen kann, der nicht notwendigerweise der sein muss, in dem eine Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, davon auszugehen ist, dass diese Marke in der Europäischen Union bekannt ist. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien betreffend die ernsthafte Benutzung der Gemeinschaftsmarke sind als solche für den Nachweis des Vorliegens einer „Bekanntheit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 3 dieser Richtlinie nicht maßgebend.

2. Der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke kann, sofern die ältere Gemeinschaftsmarke bereits in einem wesentlichen Teil des Gebiets der Europäischen Union Bekanntheit erlangt hat, nicht aber bei den maßgeblichen Verkehrskreisen des Mitgliedstaats, in dem die Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, gegen die Widerspruch erhoben wurde, nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 Schutz genießen, wenn sich herausstellt, dass ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Teil dieser Verkehrskreise diese Marke kennt, sie mit der jüngeren nationalen Marke gedanklich verbindet und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles entweder eine tatsächliche und gegenwärtige Beeinträchtigung der Gemeinschaftsmarke im Sinne dieser Bestimmung vorliegt oder, wenn es daran fehlt, die ernsthafte Gefahr einer solchen künftigen Beeinträchtigung besteht.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 03.09.2015

Az.: C-125/14

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25).

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Iron & Smith kft (im Folgenden: Iron & Smith) und der Unilever NV (im Folgenden: Unilever) wegen Abänderung der Entscheidung des Szellemi Tulajdon Nemzeti Hivatalá (Nationales Amt für geistiges Eigentum, im Folgenden: Amt), mit der dieses die Anmeldung einer Marke von Iron & Smith zurückgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) bestimmt:

„(1) Die entsprechend den Voraussetzungen und Einzelheiten dieser Verordnung eingetragenen Marken für Waren oder Dienstleistungen werden nachstehend ‚Gemeinschaftsmarken‘ genannt.

(2) Die Gemeinschaftsmarke ist einheitlich. Sie hat einheitliche Wirkung für die gesamte Gemeinschaft: sie kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen oder übertragen werden oder Gegenstand eines Verzichts oder einer Entscheidung über den Verfall der Rechte des Inhabers oder die Nichtigkeit sein, und ihre Benutzung kann nur für die gesamte Gemeinschaft untersagt werden. Dieser Grundsatz gilt, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.“

Art. 9 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung lautet:

„(1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

c) ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.“

Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung schreibt vor:

„Hat der Inhaber die Gemeinschaftsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Gemeinschaft benutzt, oder hat er eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Gemeinschaftsmarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.“

Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung bestimmt:

„Die Gemeinschaftsmarke wird auf Antrag beim [Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)] oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt,

a) wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Gemeinschaft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen; …“

Art. 4 der Richtlinie 2008/95 lautet wie folgt:

„(1) Eine Marke ist von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegt im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:

b) wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

(2) ‚Ältere Marken‘ im Sinne von Absatz 1 sind

a) Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Marke, gegebenenfalls mit der für diese Marken in Anspruch genommenen Priorität, die den nachstehenden Kategorien angehören:

i) Gemeinschaftsmarken;

(3) Eine Marke ist auch dann von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegt im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung, wenn sie mit einer älteren Gemeinschaftsmarke im Sinne des Absatzes 2 identisch ist oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen werden soll oder eingetragen worden ist, die nicht denen ähnlich sind, für die die ältere Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, falls diese ältere Gemeinschaftsmarke in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

…“

Ungarisches Recht

Aus § 4 Abs. 1 Buchst. c des Gesetzes Nr. XI von 1997 über den Schutz von Marken und geografischen Herkunftsangaben (A védjegyek és a földrajzi árujelzők oltalmáról szóló 1997. évi XI. törvény, im Folgenden: Vt.) ergibt sich, dass eine Marke, die mit einer im Inland bekannten älteren Marke identisch oder ihr ähnlich ist, von der Eintragung für andere Waren und Dienstleistungen ausgeschlossen ist, wenn ihre Benutzung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke beeinträchtigen oder in unlauterer Weise ausnutzen würde.

Nach § 76/C Abs. 2 Vt. ist bei der Anwendung von § 4 Abs. 1 Buchst. c Vt. eine in der Europäischen Union „bekannte“ ältere Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 zu berücksichtigen.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Mit Anmeldung vom 13. April 2012 beantragte Iron & Smith beim Amt die Eintragung des farbigen Bildzeichens „be impulsive“ als nationale Marke. Unilever erhob gegen diese Anmeldung Widerspruch. Diesen stützte sie, insbesondere unter Berufung auf § 4 Abs. 1 Buchst. c Vt., auf ihre älteren, Gemeinschafts- und internationalen, Wortmarken Impulse.

Da Unilever nicht nachgewiesen hatte, dass die Marken in Ungarn weithin bekannt sind, war es nicht möglich, ihre Bekanntheit als internationale Marken festzustellen. In Bezug auf die entgegengehaltene Gemeinschaftsmarke stellte das Amt hingegen fest, dass, da Unilever die mit der in Rede stehenden Marke gekennzeichneten Erzeugnisse im Gebiet des Vereinigten Königreichs und Italiens in großen Mengen verkauft und bekannt gemacht habe, die Bekanntheit der Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil der Union erwiesen sei. In Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles stellte das Amt fest, dass die Gefahr bestehe, dass die Benutzung der angemeldeten Marke ohne rechtfertigenden Grund ermögliche, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke in unlauterer Weise auszunutzen. Das Bildzeichen, dessen Eintragung als Marke beantragt worden sei, könne nämlich den durchschnittlich informierten Verbrauchern die Marke von Unilever in Erinnerung rufen.

Iron & Smith erhob daraufhin Klage auf Abänderung der Entscheidung über die Zurückweisung der Markenanmeldung, mit der sie hauptsächlich beanstandete, dass das Amt aufgrund des Marktanteils der Waren von Unilever von 5 % im Vereinigten Königreich sowie von 0,2 % in Italien die Bekanntheit der Marke als erwiesen angesehen habe.

Bei der Prüfung von § 4 Abs. 1 Buchst. c und von § 76/C Abs. 2 Vt. sowie von Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 gelangte das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis, dass diese Bestimmungen keinen Anhaltspunkt dafür enthielten, von welchem relevanten geografischen Gebiet innerhalb der Union für die Feststellung der Bekanntheit der Gemeinschaftsmarke auszugehen sei. Im Übrigen stelle sich die Frage, ob, selbst bei Vorliegen einer solchen Bekanntheit, davon auszugehen sei, dass, wenn eine solche Marke in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht bekannt sei, die Benutzung der jüngeren Marke ohne rechtfertigenden Grund nicht ermögliche, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Gemeinschaftsmarke in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.

Unter diesen Umständen hat das Fövárosi Törvényszék beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Reicht es für den Nachweis der Bekanntheit einer Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 aus, dass sie in einem Mitgliedstaat bekannt ist, auch wenn die nationale Markenanmeldung, gegen die aus diesem Grund Widerspruch erhoben wurde, in einem anderen Land als dem betreffenden Mitgliedstaat erfolgt ist?

2. Gelten im Zusammenhang mit den bei der Prüfung der Bekanntheit einer Gemeinschaftsmarke anzuwendenden gebietsbezogenen Kriterien die Grundsätze, die der Gerichtshof hinsichtlich der ernsthaften Benutzung der Gemeinschaftsmarke aufgestellt hat?

3. Kann vom Inhaber der älteren Gemeinschaftsmarke, wenn er nachweist, dass die Marke in anderen Ländern – die einen wesentlichen Teil des Gebiets der Union darstellen – als dem, in dem die nationale Anmeldung erfolgt ist, bekannt ist, davon unabhängig verlangt werden, dass er einen ausreichenden Nachweis auch im Hinblick auf den betreffenden Mitgliedstaat erbringt?

4. Kann es, wenn die vorstehende Frage verneint wird, in Anbetracht der Besonderheiten des Binnenmarkts auch sein, dass die in einem wesentlichen Teil der Union intensiv benutzte Marke den maßgeblichen inländischen Verbrauchern unbekannt ist und deshalb nicht die für das Vorliegen des Eintragungshindernisses nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 erforderliche andere Voraussetzung erfüllt ist, da nicht die Gefahr einer Beeinträchtigung oder unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung oder Unterscheidungskraft besteht? Welche Umstände muss, wenn dies zu bejahen ist, der Inhaber der Gemeinschaftsmarke nachweisen, damit die genannte Voraussetzung erfüllt ist?

Zu den Vorlagefragen

Zu den ersten drei Fragen

Mit seinen ersten drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Voraussetzungen unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens gegeben sein müssen, damit eine Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 als in der Union bekannt angesehen werden kann.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Ausdruck „in der Gemeinschaft bekannt“ in Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 denselben Sinn hat wie der identische Ausdruck in Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, der Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) entspricht.

Zu Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 hat der Gerichtshof entschieden, dass der Begriff „bekannt“ einen gewissen Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum voraussetzt, der als erreicht anzusehen ist, wenn die Gemeinschaftsmarke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch diese Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist (vgl. Urteil PAGO International, C 301/07, EU:C:2009:611, Rn. 21 und 24).

Bei der Prüfung dieser Voraussetzung hat das nationale Gericht alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen, also insbesondere den Marktanteil der Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie den Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (Urteil PAGO International, C 301/07, EU:C:2009:611, Rn. 25).

In territorialer Hinsicht ist die Voraussetzung der Bekanntheit als erfüllt anzusehen, wenn die Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls u. a. dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil PAGO International, C 301/07, EU:C:2009:611, Rn. 27 und 29).

Sofern die Bekanntheit einer älteren Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets erwiesen ist, das gegebenenfalls dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann, ist daher davon auszugehen, dass diese Marke im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 „in der [Union] bekannt“ ist, und es kann vom Inhaber dieser Marke nicht verlangt werden, dass er diese Bekanntheit in dem Mitgliedstaat nachweist, in dem die Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, gegen die Widerspruch erhoben wurde.

Die Bestimmungen über das Erfordernis einer ernsthaften Benutzung der Gemeinschaftsmarke in der Union wie die Art. 15 Abs. 1 und Art. 51 der Verordnung Nr. 207/2009 verfolgen ein anderes Ziel als die Bestimmungen über den erweiterten Schutz, der Marken verliehen wird, die in der Union Bekanntheit genießen, wie insbesondere Art. 9 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung (vgl. in diesem Sinne Urteil Leno Merken, C 149/11, EU:C:2012:816, Rn. 53). Während die letztgenannte Bestimmung die Voraussetzungen für den Schutz betrifft, der sich über die Kategorien von Waren und Dienstleistungen hinaus erstreckt, für die eine Gemeinschaftsmarke eingetragen wurde, bringt der Begriff „ernsthafte Benutzung“ in Art. 15 Abs. 1 und Art. 51 der Verordnung Nr. 207/2009 die Mindestvoraussetzung für eine Benutzung zum Ausdruck, die alle Marken erfüllen müssen, um geschützt zu werden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es unmöglich ist, im Vorhinein abstrakt festzulegen, auf welche Gebietsgröße bei der Prüfung der Frage, ob die Gemeinschaftsmarke ernsthaft benutzt wird, abzustellen ist (vgl. Urteil Leno Merken, C 149/11, EU:C:2012:816, Rn. 55).

Daraus folgt, dass die Bestimmungen über das Erfordernis einer ernsthaften Benutzung der Gemeinschaftsmarke und insbesondere die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für den Nachweis dieser ernsthaften Benutzung sich von den die Bekanntheit einer solchen Marke in der Union betreffenden Bestimmungen und Kriterien unterscheiden.

Daher sind die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien betreffend die ernsthafte Benutzung der Gemeinschaftsmarke als solche für den Nachweis des Vorliegens einer „Bekanntheit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 nicht maßgebend.

Nach alledem ist auf die ersten drei Fragen zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass, sofern die Bekanntheit einer älteren Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets erwiesen ist, das gegebenenfalls mit dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats zusammenfallen kann, der nicht notwendigerweise der sein muss, in dem eine Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, davon auszugehen ist, dass diese Marke in der Union bekannt ist. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien betreffend die ernsthafte Benutzung der Gemeinschaftsmarke sind als solche für den Nachweis des Vorliegens einer „Bekanntheit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 3 dieser Richtlinie nicht maßgebend.

Zur vierten Frage

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, unter welchen Voraussetzungen Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 anwendbar ist, sofern die ältere Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bereits Bekanntheit erlangt hat, nicht aber bei den maßgeblichen Verkehrskreisen des Mitgliedstaats, in dem die Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, gegen die Widerspruch erhoben wurde.

Gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 ist, falls die ältere Gemeinschaftsmarke „in der Gemeinschaft bekannt“ ist und die Benutzung der jüngeren Marke, die der Gemeinschaftsmarke ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen werden soll, die nicht den durch die Gemeinschaftsmarke erfassten ähnlich sind, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde, diese jüngere Marke von der Eintragung ausgeschlossen.

Wenn die beteiligten Verkehrskreise keinen Zusammenhang zwischen der älteren Gemeinschaftsmarke und der jüngeren nationalen Marke sehen, d. h. die beiden nicht gedanklich miteinander verknüpfen, ermöglicht die Benutzung der jüngeren Marke nicht, gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen (vgl. entsprechend Urteil Intel Corporation, C 252/07, EU:C:2008:655, Rn. 30 und 31).

Selbst wenn die ältere Gemeinschaftsmarke den maßgeblichen Verkehrskreisen des Mitgliedstaats, in dem die Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, unbekannt wäre, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, ermöglicht die Benutzung dieser nationalen Marke grundsätzlich nicht, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.

Hingegen ist es, selbst wenn die ältere Gemeinschaftsmarke einem erheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise des Mitgliedstaats, in dem die Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, unbekannt ist, dennoch nicht ausgeschlossen, dass ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Teil dieser Verkehrskreise diese Marke kennt und sie mit der jüngeren nationalen Marke gedanklich verbindet.

Eine solche gedankliche Verknüpfung ist zwar unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen (vgl. Urteil Intel Corporation, C 252/07, EU:C:2008:655, Rn. 41), kann als solche allein aber nicht genügen, um daraus den Schluss zu ziehen, dass eine der in Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 genannten Beeinträchtigungen gegeben ist (vgl. entsprechend Urteil Intel Corporation, C 252/07, EU:C:2008:655, Rn. 32). Um in den Genuss des Schutzes gemäß dieser Bestimmung zu gelangen, muss der Inhaber der älteren Gemeinschaftsmarke den Nachweis erbringen, dass die Benutzung der jüngeren Marke „die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Gemeinschaftsmarke in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde“, und deshalb entweder das Vorliegen einer tatsächlichen und gegenwärtigen Beeinträchtigung seiner Marke im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 oder, wenn es daran fehlt, das Vorliegen einer ernsthaften Gefahr einer solchen künftigen Beeinträchtigung nachweisen. In diesem Fall obliegt es dem Inhaber der jüngeren Marke, nachzuweisen, dass es für die Benutzung dieser Marke einen rechtfertigenden Grund gibt (vgl. entsprechend Urteil Intel Corporation, C 252/07, EU:C:2008:655, Rn. 37 und 39).

Das Vorliegen einer der in Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 angesprochenen Beeinträchtigungen oder der ernsthaften Gefahr einer künftigen Beeinträchtigung ist in gleicher Weise wie das Bestehen einer gedanklichen Verknüpfung zwischen den einander gegenüberstehenden Marken unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. entsprechend Urteil Intel Corporation, C 252/07, EU:C:2008:655, Rn. 68).

Hierzu ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt, desto größer ist, je unmittelbarer und stärker die ältere Marke von der jüngeren Marke in Erinnerung gerufen wird (vgl. Urteil Intel Corporation, C 252/07, EU:C:2008:655, Rn. 67).

Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke, sofern diese bereits in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets Bekanntheit erlangt hat, nicht aber bei den maßgeblichen Verkehrskreisen des Mitgliedstaats, in dem die Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, gegen die Widerspruch erhoben wurde, nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 Schutz genießen kann, wenn sich herausstellt, dass ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Teil dieser Verkehrskreise diese Marke kennt, sie mit der jüngeren nationalen Marke gedanklich verbindet und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles entweder eine tatsächliche und gegenwärtige Beeinträchtigung der Gemeinschaftsmarke im Sinne dieser Bestimmung vorliegt oder, wenn es daran fehlt, die ernsthafte Gefahr einer solchen künftigen Beeinträchtigung besteht.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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