9. GWB-Novelle: „Wurstlücke“ geschlossen, bußgeldrechtliche Konzernhaftung erweitert

17. August 2016
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fett gedruckter Schriftzug "Kartellgesetz"

Der Referentenentwurf zur 9. GWB-Novelle setzt die EU-Kartellschadensersatzrichtlinie in deutsches Recht um, reformiert das Kartellordnungswidrigkeitenrecht und die Fusionskontrolle, ebnet den Weg für Schadensersatzklagen gegen kartellierende Unternehmen und schließt die sogenannte „Wurstlücke“. Dies verschärft die Haftung von Unternehmen für Kartellrechtsverstöße erheblich. Potentiell Kartellgeschädigten soll die Durchsetzung etwaiger Schadensersatzansprüche erleichtert werden.

Verschärfte Haftung im Kartellordnungswidrigkeitenrecht

Im Kartellordnungswidrigkeitenrecht herrscht das Rechtsträgerprinzip. Für einen Kartellrechtsverstoß haftet der Rechtsträger des handelnden Unternehmens, nicht das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit selbst. Wird daher gegen die juristische Person, die das Unternehmen betreibt, ein Bußgeld verhängt, so kann sie der Sanktion durch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung entkommen. Der staatliche Anspruch bleibt nur im Falle der Quasi-Identität der beiden Rechtssubjekte (Unternehmen vor und nach Umstrukturierung) bestehen. Diese Regelungslücke wird als Wurstlücke bezeichnet, benannt nach dem Fall, in dem ein Wurstfabrikant durch Änderung der Unternehmensstruktur einer Geldbuße in Höhe von 120 Mio. € entkommen konnte.

Im Zuge der 9. GWB-Novelle soll diese Gesetzeslücke nun geschlossen werden. Vorgesehen ist die Erweiterung des § 81 GWB um Abs. 3a, Abs. 3b und Abs. 3c. Die neuen Regelungen sorgen dafür, dass ein Bußgeld auch von dem rechtlichen Nachfolger des kartellbeteiligten Unternehmens verlangt werden kann. Dabei ist die Haftung des Rechtsnachfolgers nicht auf die Höhe des übernommenen Vermögens beschränkt. Auch die konzernexterne Umstrukturierung erfasst der neue Gesetzesentwurf. So soll die Geldbuße auch gegenüber juristische Personen oder Personenvereinigungen durchgesetzt werden können, die das Unternehmen in wirtschaftlicher Kontinuität fortführen. Problematisch ist insofern, dass die Novelle damit neben der gezielten Umstrukturierung auch normale Mergers & Acquisitions betrifft. Der Erwerber eines fremden Unternehmens muss damit immer fürchten, für vor Erwerb verhängte Geldbußen einstehen zu müssen.

Darüber hinaus wird die Haftung für einen Kartellrechtsverstoß auch auf Konzernmuttergesellschaften erweitert. Damit ist grundsätzlich nicht mehr nur diejenige Einheit bußgeldpflichtig, die die kartellrechtswidrige Handlung zu vertreten hat, sondern auch unbeteiligte Muttergesellschaften.

Förderung von Schadensersatzklagen

Der Referentenentwurf enthält darüber hinaus eine Erleichterung und Förderung von kartellbedingten Schadensersatzklagen. Zum einen gewährt das GWB potentiell Kartellgeschädigten umfangreiche Informationsansprüche. Mithilfe dieser soll den Klägern die Prüfung eines etwaigen Anspruchs ermöglicht und erleichtert werden. Darüber hinaus wird künftig vermutet, dass das streitige Kartell zu dem entstandenen kartellbedingten Schaden geführt hat. Dann ist es an dem Unternehmen, diese Vermutung zu widerlegen.

Anknüpfen der Fusionskontrolle an Transaktionswert

Schließlich wird es dem Bundeskartellamt künftig möglich sein, Zusammenschlüsse einer Prüfung zu unterziehen, wenn deren Transaktionswert mehr als 350 Mio. € beträgt. Der Referentenentwurf reagiert damit auf den Erwerb von WhatsApp durch Facebook. Bisher kann das BKA sein Einschreiten nur an bestimmte Unternehmensumsätze anknüpfen, in diesem bestimmten Fall musste das BKA daher untätig bleiben.

Der Referentenentwurf wird in den kommenden Monaten das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Bereits zum 27.12.2016 soll das reformierte deutsche Kartellrecht in Kraft treten.

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