EU-Generalanwalt: Internetplattformen haften nicht unmittelbar für Urheberrechtsverstöße von Nutzern

10. August 2020
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Sind Internetplattformen wie YouTube dazu verpflichtet, zu ermitteln, ob hochgeladene Videos gegen Verwertungsrechte verstoßen? Mit dieser spannenden Frage muss sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) aktuell auseinandersetzen. Nach Auffassung von EuGH-Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe haften Betreiber von Online-Plattformen nach dem aktuellen Stand des Unionsrechts nicht unmittelbar für das rechtswidrige Hochladen geschützter Werke durch die Nutzer solcher Plattformen. Die umstrittene EU-Urheberrechtsreform könnte dies jedoch ändern.

Ausgangsverfahren gegen YouTube und Uploaded

Anlass für die Beschäftigung mit dieser Thematik gaben zwei Gerichtsverfahren aus Deutschland: Die Schlussanträge von EuGH-Generalanwalt Saugmandsgaard Øe nehmen Bezug auf zwei Verfahren, die der Bundesgerichtshof (BGH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte. In einem dieser Fälle ging der Musikproduzent Frank Peterson gegen YouTube und deren Muttergesellschaft Google wegen des unerlaubten Hochladens mehrerer Werke der Künstlerin Sarah Brightman auf YouTube im Jahr 2008 vor. Der Produzent gibt an, Inhaber der ausschließlichen Rechte an den betroffenen Tonträgern zu sein.

Im anderen Fall klagte die Wissenschaftsverlagsgruppe Elsevier gegen die Sharehosting-Plattform Uploaded von Cyando, auf der mehrere Werke eingestellt wurden, an denen der Verlag die ausschließlichen Rechte hält. Beide Fälle wurden schließlich am Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt. Der BGH rief daraufhin den EuGH um eine Vorabentscheidung zu Grundsatzfragen an – etwa ob ein Sharehoster für Urheberrechtsverletzungen haftet, wenn er mit dem Sharehosting-Dienst Einnahmen erzielt.

Noch haften YouTube & Co. nicht direkt 

Der EuGH-Generalanwalt Saugmandsgaard Øe plädiert in seinen Schlussanträgen dafür, dass Plattformbetreiber jedenfalls nach aktuell geltendem Unionsrecht nicht direkt für Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer haften. Wenn Nutzer auf Plattformen wie YouTube oder Uploaded geschützte Inhalte widerrechtlich hochladen, so treffe die Primärhaftung in der Regel allein die Nutzer und nicht die Plattformbetreiber. Dies ergebe sich daraus, dass die Plattformbetreiber die hochgeladenen Inhalte normalerweise nicht selbst auswählen.

Sobald den Plattformbetreibern allerdings eine Rechtsverletzung bekannt wird, so müssen sie diese Inhalte sofort entfernen oder unzugänglich machen. Dieses Haftungsprinzip ist als „Notice and Takedown“ in der e-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union verankert. Rechteinhaber sollen aber auch unabhängig von der Haftungsfrage gerichtliche Anordnungen erwirken können, die Plattformbetreiber zur Handlung verpflichten, wenn Dritte über den Dienst des Plattformbetreibers ihre Rechte verletzen.

Bedeutung für die Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform

Diese Einschätzungen des Generalanwalts orientieren sich an den bisherigen Urheberrechtsrichtlinien der EU. Diese wurden im letzten Jahr durch die umstrittene EU-Urheberrechtsreform der Richtlinie 2019/790 überholt. Diese verpflichtet die Betreiber von Internetplattformen unter anderem dazu, für die von den Nutzern ihrer Plattform online gestellten Werke die Zustimmung von deren Rechtsinhabern einzuholen, etwa indem sie eine Lizenzvereinbarung abschließen.

Diese Richtlinie muss von jedem Mitgliedstaat der EU spätestens bis zum 7. Juni 2021 in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. In den jetzigen Rechtsfällen ist diese Richtlinie nach Aussage von Generalanwalt Saugmandsgaard Øe jedoch noch nicht anwendbar. Deshalb müssen Plattformbetreiber derzeit noch nicht unmittelbar für das rechtswidrige Hochladen geschützter Werke durch ihre Nutzer haften. Ein Betreiber nehme selbst nämlich keine „öffentliche Wiedergabe“ der Werke vor, sondern habe grundsätzlich eher die Rolle eines Vermittlers.

Einschätzung von Generalanwälten unverbindlich

Auf Basis der Empfehlung von Generalanwalt Saugmandsgaard Øe werden die Richter des Europäischen Gerichtshofs nun über die Angelegenheit beraten. Die Schlussanträge der Generalanwälte sind für die Richter zwar nicht bindend, allerdings folgen sie ihnen oftmals zumindest in Teilen. Somit könnte das zu erwartende Urteil des Europäischen Gerichtshofs in dieser Sache eine unmittelbare Haftung von Plattformbetreibern für durch ihre Nutzer begangene Urheberrechtsverstöße jedenfalls nach der aktuellen Rechtslage ablehnen.

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