Großer Tag des Urheberrechts am BGH
In den drei Verfahren ging es um grundsätzliche Fragen zum Urheberrecht, die der BGH bündelte und im Jahre 2017 dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegte.
„Metall auf Metall“
Das erste Verfahren „Metall auf Metall“ zählt mittlerweile schon zu den Klassikern des Urheberrechts und beschäftigt die Gerichte bereits seit mittlerweile fast 20 Jahren, zwischenzeitlich war der Rechtsstreit beim Bundesverfassungsgericht und beim Europäischen Gerichtshof anhängig. Hintergrund des Streits ist, dass der Musikproduzent Moses Pelham im Jahre 1997 einen zwei Sekunden langen Ausschnitt aus dem Song „Metall auf Metall“ der Band Kraftwerk in den Song „Nur mir“ kopierte und dieser in dem Song in fortlaufender Weise wiederholt wurde. Dies bezeichnet man in der Musikwelt auch als „Sampling“. Im Urteil vom 30.04.2020 unterscheidet der Bundesgerichtshof nun zwischen dem Zeitraum vor Dezember 2002 und dem Zeitraum danach, da im Dezember 2002 das Urheberrecht durch eine europäische Richtlinie harmonisiert wurde. In der Zeit vor Dezember 2002 ist gemäß § 24 UrhG erlaubt, dass ein selbstständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwerten werden kann. Der BGH geht davon aus, dass das Vervielfältigungsrecht der Kläger nicht verletzt sein dürfte, da es sich um eine „freie Benutzung“ handeln könne. Hinsichtlich der Zeit seit Dezember 2002 komme es auf die Wiedererkennbarkeit des Samples an. Die Tonsequenz sei zwar in leicht geänderter Form übernommen worden, könne jedoch vom durchschnittlichen Musikhörer wiedererkannt werden. Damit liege eine Vervielfältigung vor. Der BGH hat das Verfahren nun zurück an das OLG Hamburg verwiesen, da keine Feststellungen getroffen worden sind, ob nach Dezember 2002 überhaupt noch Vervielfältigungen vorgenommen wurden.
„Afghanistan-Papiere“
Im zweiten Verfahren ging es um die Veröffentlichung der sogenannten „Afghanistan-Papiere“ durch die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ). Bei den Afghanistan-Papieren handelt es sich um militärische Lageberichte über die Auslandseinsätze der Bundeswehr, welche wöchentlich vom Bundesministerium der Verteidigung an einzelne Abgeordnete des Bundestags und verschiedene Ministerien verschickt wurden. Die Berichte mit dem Namen „Unterrichtung des Parlaments“ (UdP) sind als Verschlusssache „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und gelten daher als vertraulich. Im Jahr 2012 beantragte die WAZ Einsicht in die circa 5.000 Dokumente, welche nicht genehmigt wurde. Die WAZ gelangte anschließend auf unbekanntem Weg an die Dokumente und veröffentlichte diese im Internet. Daraufhin hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verteidigung Klage erhoben, da die Veröffentlichung der Berichte das Urheberrecht an diesen verletze. Dieses Vorgehen wurde vielfach stark kritisiert, mitunter war die Rede von „Zensurheberrecht“. Nun hat der BGH entschieden, dass offenbleiben kann, ob die Berichte überhaupt urheberrechtlich geschützt sind. Da sich die WAZ journalistisch mit den Dokumenten auseinandergesetzt habe, greife hier der Schutz des § 50 UrhG ein, welcher die Vervielfältigung, Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe von Werken erlaubt, sofern dies der Berichterstattung über Tagesereignisse dient. Darüber hinaus stellte der BGH klar, dass das Urheberrecht nicht das richtige Mittel sei, um staatliche Geheimhaltungsinteressen zu schützen, da diese bereits durch andere Vorschriften geschützt seien.
„Volker Beck“
Auch im dritten Verfahren hatte der BGH die Pressefreiheit gegen das Urheberrecht abzuwägen. Der Grünen-Politiker Volker Beck hatte den „Spiegel“ verklagt, weil die Zeitschrift ein Manuskript des Politikers ohne dessen Zustimmung veröffentlichte. In dem Text sprach sich Beck unter anderem für eine Entkriminalisierung der Pädosexualität aus. Jedoch hat sich Beck seitdem von dem Text distanziert und darauf hingewiesen, dass das Manuskript durch den Herausgeber verfälscht worden sei. Als der „Spiegel“ Volker Beck 2013 mit dem Text konfrontierte und darüber informierte, dass man plane über die Angelegenheit zu berichten, stimmte Beck einer Veröffentlichung der Texte durch die Journalisten nicht zu. Anschließend veröffentlichte er selbst das Manuskript auf seiner Internetseite, wobei auf jeder Seite des Manuskripts der Hinweis „Ich distanziere mich von diesem Beitrag“ angebracht wurde. In der vom „Spiegel“ veröffentlichten Version fehlte dieser Hinweis. Der BGH entschied nun, dass der Spiegel das Manuskript so veröffentlichen durfte. Die Ereignisse seien angesichts der damals kurz bevorstehenden Bundestagswahl von öffentlichem Interesse gewesen. Auch hier greife der Schutz des § 50 UrhG zugunsten der Zeitschrift ein.