Kommentar

nobia.se – schwedische Domain verletzt deutsches Kennzeichenrecht

31. Juli 2003
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Eigener Leitsatz

Der schwedische Domainname nobia.se ist mit der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin „Nobilia“ verwechslungsfähig. Eine schwedische Domain kann deutsches Kennzeichenrecht verletzen, wenn die Webseiten bestimmungsgemäß in Deutschland abgerufen werden sollen. Eine Kennzeichenverletzung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte das schwedische Unternehemnskennzeichen „Nobia“ nicht außerhalb des Internets verwendet.

Sachverhalt

Das OLG Hamm hatte im Fall des schwedischen Konzerns Nobia AB zu entscheiden zu dem eine Reihe von Küchenherstellern aus Skandinavien, Großbrittanien und Deutschland gehört, darunter auch die Poggenpohl-Gruppe. Unter deren schwedischen Domain nobia.se konnten auch deutschsprachige Informationen abgerufen werden. Darin bezeichnete sich Nobia als „Europas führendes Unternehmen für Kücheninterieur“. Dort wurden auch Informationen über die konzernabhängigen Firmen bereitgestellt.

Dagegen hatte der große deutsche Küchenhersteller Nobilia geklagt. Die  Klägerin war 1945 gegründet worden und vertrieb seit diesem Zeitpunkt unter der Bezeichnung „Nobilia“ Küchenmöbel. 1967 wurde die Wort- /Bildmarke „Nobilia“ für die Warenklasse Möbel eingetragen, 1977 und 1979 die Wortmarken „Nobilia“ für Küchenmöbel bzw. Möbel.

Entscheidung

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 31.07.2003, Az. 4 U 40/03, die Beklagte zur Unterlassung verurteilt und das Urteil des LG Bielefeld bestätigt.

Zwischen der geschäftlichen Bezeichnung „Nobilia“ und „Nobia“ bestehe Verwechslungsgefahr.

Einer Kennzeichenrechtsverletzung stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte ihr schwedisches Unternehmenskennzeichen nicht außerhalb des Internet und im Internet nur unter der schwedischen Domain nobia.se benutzt hat. Eine solche Internetnutzung führe zwar zu einem Widerstreit der Interessen des inländischen Schutzrechtsinhabers an der Beachtung seines territorialen Markenschutzes und des ausländischen Zeichennutzers an der Benutzung des grenzüberschreitenden Mediums Internet. Bei der erforderlichen Abwägung der Interessen komme es hier aber entscheidend darauf an, ob die Kennzeichenbenutzung über die Abrufbarkeit der Internetseiten in Deutschland hinaus einen nach Art und Intensität spürbaren Inlandsbezug aufweist.

Mit dem deutschsprachigen Teil ihres Internetauftritts wende sich die Beklagte ganz gezielt an den deutschen Markt, an dem sie nach dem Kauf von mehreren deutschen Unternehmen ein erhebliches Interesse gewonnen habe. Die in deutscher Sprache gehaltenen werbenden Informationen über ihr Unternehmen haben den Sinn, neben den Fachkreisen auch die deutschen Verbraucher anzusprechen. Deutsche Verbraucher, die sich über Küchenhersteller allgemein oder die ihnen bekannt gewordene Beklaten informieren wollen, sollen die eingerichteten Seiten bestimmungsgemäß und nicht nur zufällig in Deutschland über das Internet abrufen können.

Kommentar

Am Urteil des OLG Hamm ist weniger die Frage interessant, ob die geschäftlichen Bezeichnungen „Nobilia“ und „Nobia“ verwechslungsfähig sind.

Tatsächlich beschäftigt sich das Urteil mit der bisher kaum in der Rechtsprechung entschiedenen Frage zum Inlandsbezug einer Domain.

Das OLG hatte hier zwischen dem Interesse der deutschen Klägerin an deren geschützten geschäftlichen Bezeichnung und dem Interesse der Beklagten an der Nutzung derer geschäftlichen schwedischen Bezeichnung im grenzüberschreitenden Medium des Internets abzuwägen. Da die Bezeichnung der Klägerin nur in Deutschland geschützt war, konnte eine Verletzung nur erfolgen, wenn die Beklagte durch deren schwedische Domain „nobia.se“ das deutsche Kennzeichenrecht der Klägerin verletzte.

Das Gericht sah durch die Abrufbarkeit der Informationen in deutscher Sprache unter der schwedischen Domain (.se) den Inlandsbezug gegeben. Hierbei berücksichtigte das Gericht auch, dass die Beklagte auf die herausragende Bedeutung des Internets hinwies und auch deren Töchter unter deren Anschriften vorstellte. Die gewollte Abrufmöglichkeit der deutschsprachigen Informationen sei nicht anders zu beurteilen wie wenn die Beklagte eine gedruckten deutschsprachigen Broschüre und Deutschland verteilen würde.

Zu einem anderen Ergebis war im Fall hotel-maritime.dk das LG Hamburg und das Hanseatische Oberlandesgericht gekommen. Zwar war die Website des dänischen Unternehmen ebenfalls in deutscher Sprache, allerdings sah das Gericht den Leistungsort in Dänemark und verneinte daher trotz ähnlicher geschützter Dienstleistungen eine Verletzung der Marke Maritim zugunsten das dänischen Hotels Maritm.

Der Begründung des OLG Hamm ist zuzustimmen. Die Domainendung allein kann einen Inlandsbezug nicht ausschließen. Tatsächlich ist es leicht möglich jede beliebige Top-Level-Domain eines Landes zu registrieren und hierunter Inhalte zu veröffentlichen.  Viele Internetnutzer registrieren aus Kostengründen oder weil der gewünschte Domainname unter anderen TLDs bereits vergeben ist eine Länderdomain (.z.B. .ws, .cc). Letztlich kommt es darauf an wie die Websites gefunden werden. So werden Suchmaschinen auch die deutsche Website einer ausländischen Top-Level-Domain auffinden, wenn diese die gesuchten Informationen in deutsch enthält.

Ähnlich verhält es sich im vorliegenden Fall nobia.se. Hier war durch die Abrufbarkeit der Informationen in deutscher Sprache ein bestimmungsgemäßer Gebrauch in Deutschland und damit ein Inlandsbezug gegeben. Es kann insofern keinen Unterschied machen, ob die Informationen unter nobia.de eingestellt worden wären oder unter der schwedischen se-Domain. Allenfalls könnte man anführen die Beklagte habe deutschen Kunden in Schweden eine komfortable Informationsmöglichkeit bieten wollen. Doch auch hiergegen spricht, dass die Beklagte die Anschriften deren Konzerntöchter im Ausland auf der Website aufführte. Hierfür spricht auch das Interesse der Beklagten sich mit der deutschsprachigen Internetseite gezielt an Kunden aus Deutschland zu wenden, da die Beklagte durch den Kauf von mehreren deutschen Unternehmen ein erhebliches Interesse am deutschen Markt gewonnen hatte.

Anzumerken ist, dass die Gerichte sowohl im Fall nobia.se, als auch im Fall hotel-maritime.dk nach internationalem deutschen Privatrecht das Schutzlandprinzip angewendet haben. Dabei ist bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten (hierzu gehört auch das Marken- bzw. Kennzeichenrecht) das Recht des Staates anwendbar für dessen Gebiet Schutz in Anspruch genommen wird. Dies war jeweils Deutschland. Nach der Änderung des Teledienstgesetzes (TDG) vom 14.12.2001 gilt nunmehr gemäß § 6 TDG n.F. das Herkunftslandprinzip. In solchen Fällen gilt für Anbieter von Telediensten in der EU das Recht deren Heimatstaats. Unabhängig davon ist jedoch davon auszugehen, dass auch nach schwedischer Rechtslage eine Kennzeichenverletzung vorgelegen hätte.

Tipp

Bei der Verletzung von Rechten Dritter (Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Allgemeines Persönlichkeitsrecht,…) kommt es nicht auf die Top-Level-Domain, sondern auf die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit der Inhalte an. Die Sprache, eine Länderflagge oder der Hinweis auf eine Belieferung ins Ausland können ein Indiz hierfür sein. Probleme treten insbesondere auf, wenn Unternehmen auch ins Ausland liefern. Sofern Rechte Dritter, insbesondere Markenrechte Dritter betroffen sind, muss die Website entsprechend gestaltet werden und empfiehlt es sich einen Disclaimer auf der Website anzubringen, z.B. wir liefern nicht nach Land A, B, C… Dieser Disclaimer ist übrigens der einzig sinnvolle Disclaimer, dem rechtliche Bedeutung beizumessen ist. Eine weitere Möglichkeit ist die Sperrung für bestimmte Länder soweit technisch möglich. Natürlich darf dann auch dorthin keine Ware geliefert werden.

Anwaltskanzlei Hild & Kollegen, Rechtsanwalt Hagen Hild

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