schulenberg.de – Errare Humanum Est

30. September 2003
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Beschluss des OLG Oldenburg vom 30.09.2003, Az.: 13 U 73/03 (rechtskräftig)

1. Eine Nutzungsunterlassung zwischen Gleichnamigen ist bei einer Internetdomain gerechtfertigt, wenn der Anspruchsteller eine deutlich höhere Bekanntheit vorweisen kann.

2. Ein Freigabeanspruch um eine Internetdomain zwischen Gleichnamigen besteht nur, wenn sich der Anspruchsteller auf eine überragende Bekanntheit berufen kann.

3. Im Streit zwischen Gleichnamigen um eine Internetdomain wird die Rechtsposition desjenigen geschwächt, der im Rahmen des sog. Domain-Sharing weitere Gleichnamige durch einen Link auf der Webseite an der Nutzung des Domainnamens beteiligt.

Der Fall:

Geklagt hatte die Gemeinde Schulenberg, ein Ferienort mit 430 Einwohnern im Harz, gegen eine Privatperson mit Namen Schulenberg. Dieser Herr Schulenberg unterhielt unter der Domain eine Webseite und hatte dort neben Links auf weitere Gleichnamige auch einen Link auf den Ortsteil Schulenberg der Gemeinde angebracht. Die Klägerin verklagte den Beklagten auf Freigabe der Domain und auf Unterlassung unter der Domain schulenberg.de nach außen aufzutreten.

Das LG Oldenburg hatte mit Urteil vom 14.05.2003 den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen die Domain schulenburg.de zu benutzen. Der Anspruch auf Freigabe der Domain wurde abgewiesen.

Urteil:

Das OLG Oldenburg hat die Berufung des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen und das Urteil des LG Oldenburg bestätigt.

Das Gericht ließ hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gegenüber dem Beklagten genügen, dass diese jedenfalls gegenüber dem Beklagten bekannter sei. Hier bestehe nach Namensalter, Bekanntheitsgrad und wirtschaftlicher Bedeutung wie auch Verschiedenheit des Inhalts (Gemeinde bzw. Privatperson) der Parteien eine so starke und überragende Position der Klägerin gegenüber dem Beklagten.

Schließlich habe der Beklagte seine Rechtsposition dadurch geschwächt und sein eigenes Rechtsschutzinteresse abgewertet, indem er anderen Gleichnamigen auf der Webseite einen Link ermöglicht hat.

Den Freigabeanspruch der Domain hat das OLG Oldenburg mit der Begründung abgelehnt, dass es hierbei auf eine überragende Bekanntheit der Klägerin angekommen wäre. Hierbei hätte ausgeschlossen werden müssen, dass aus Gründen der Klarheit, Beständigkeit und Rechtssicherheit nicht noch ein weiterer noch bekannterer Namensträger gegen die inzwischen eingetragene Klägerin vorgeht.

Nach Ansicht des OLG hatte daher die Berufung des Beklagten nicht nur keine Aussicht auf Erfolg, sondern wegen der Atypizität habe die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und erfordere auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

Kommentar:

Das OLG Oldenburg hat nicht nur ein krasses Fehlurteil erlassen, sondern gleichzeitig dem Beklagten und Berufungskläger die Möglichkeit genommen rechtlich gegen den Beschluss vorzugehen. Das Urteil des LG Oldenburg ist damit rechtskräftig.

Dies ist nicht nur für den Beklagten höchst ärgerlich und unerfreulich, sondern bedeutet auch, dass ein vor Rechtsfehlern strotzendes Urteil Eingang in die Domain-Rechtsprechung findet und bestehen bleibt.

Das Urteil des LG Oldenburg hätte jedoch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der Entscheidung des Berufungsgerichts bedurft, denn das Urteil steht im Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung zwischen Gleichnamigen, insbesondere Gemeinden und Privatpersonen sowie zu Entscheidungen des BGH.

Schon allein das Resultat des LG bzw. OLG Oldenburg hätte zu denken geben müssen. Eine Privatperson muss gegenüber der gleichnamigen Gemeinde zwar nicht die Domain freigeben, also löschen, darf diese aber gleichwohl nicht mehr benutzen. Damit ist im Ergebnis die Domain für beide Parteien nutzlos und wertlos. Als Konsequenz des Urteils erscheint somit bei Aufruf der Domain schulenberg.de nur eine Fehlermeldung.

Die Rechtsprechung war bisher bei Gleichnamigen vom Prioritätsprinzip „first come, first serve“ ausgegangen, d.h. dass bei Gleichnamigen derjenige die Domain beanspruchen konnte, der diese zuerst registriert hatte. Dementsprechend wurde in solchen Fällen die Klage ganz abgewiesen. In den Fällen „boos.de“ (Urteil des OLG München vom 11.07.2001), „vallendar.de“ (Urteil des OLG Koblenz vom 25.01.2002), „tschirn.de“ (Urteil des LG Coburg vom 13.06.2001) und „waldheim.de“ (Urteil des LG Leipzig vom 08.02.2001) konnten daher die Privatpersonen oder Unternehmen jeweils die Unterlassungsansprüche der Gemeinde abwehren. Selbst im Fall „suhl.de“ (LG Erfurt, Urteil vom 22.01.2002) konnte sich die 45.000 Einwohner-Gemeinde nicht gegen einen Privatmann durchsetzen. Im Fall Schulenberg sind keine Aspekte ersichtlich, die hier eine Abweichung rechtfertigen könnten, insbesondere nicht, dass die Gemeinde älter, grundsätzlich bekannter oder schlichtweg wirtschaftlich bedeutender ist.

Die Geltung des Prioritätsgrundsatz hatte der BGH in der Ausnahmeentscheidung „shell.de“ (BGH Urteil vom 22.11.2002) ausdrücklich betont. Eine Abweichung zugunsten des Shell-Konzerns erfolgte nur aufgrund der überragenden Bekanntheit. Indem das LG und OLG Oldenburg vorliegend auf Namensalter, Bekanntheitsgrad und wirtschaftliche Bedeutung abstellen, stehen diese im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. Allein eine Hervorstellung der Namensrechte einer Gemeinde gegenüber einer Privatperson lässt sich nicht mit der bisherigen Rechtsprechung vereinbaren.

Weiter irrt das OLG Oldenburg, wenn es einen Freigabeanspruch deshalb verneint, dass ein noch bekannterer Namensträger Freigabeansprüche geltend machen könnte. Auch hierzu hat sich der BGH in der Shell-Entscheidung geäußert und zur Freigabe verurteilt, unter dem Hinweis, dass es durchaus möglich ist, dass noch bekanntere Namensträger existieren. Es wäre dann deren Aufgabe gewesen ihrerseits Freigabeansprüche gegenüber dem Shell-Konzern geltend zu machen. Dies ist auch interessengerecht, denn ein Zivilprozess findet nur zwischen den beteiligten Parteien, nicht zwischen weiteren Dritten statt. Soweit das LG /OLG Oldenburg grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch gesehen hat, hätte folgerichtig auch eine Verurteilung zur Freigabe erfolgen müssen.

Auch hinsichtlich des Domain-Sharing vertritt das OLG Oldenburg eine Argumentation, die nicht nachvollziehbar ist. Danach schwäche der Domaininhaber seine eigene Rechtsposition und werte sein eigenes Rechtsschutzinteresse ab, wenn er gleichnamige Dritte durch Domain-Sharing an der Domain teilhaben lässt. Insgesamt waren Links auf zwölf weitere Namensträger angebracht, darunter ein Architektenbüro, ein Softwareunternehmen, eine Buchhandlung und eine heilpädagogische Einrichtung. Vorliegend könnte man genauso argumentieren, dass eine Bündelung von Namensrechten Gleichnamiger eingetreten ist, so dass man naheliegender auch eine Stärkung der Rechtposition des Beklagten hätte annehmen können.

Anders hat insofern auch das LG Düsseldorf im Fall „hudson.de“ (Urteil vom 27.08.2003) entschieden und für einen Fall des Domain-Sharings dem Privatmann Hudson den Vortritt vor dem Strumpfhersteller Hudson gelassen.

Der Beschluss des OLG Oldenburg ist auf ein fehlerhaftes Verständnis des „Domainrechts“, insbesondere der höchstrichterlichen Rechtsprechung zurückzuführen. Leider hat das OLG durch eine Nichtzulassung der Berufung auch noch für eine Zementierung der falschen Ansichten gesorgt. Es bleibt zu hoffen, dass andere Gerichte nicht vorschnell auf die Rechtsprechung des OLG Oldenburg verweisen, sondern sich weiter an der bisherigen Domain-Rechtsprechung orientieren.

Tipp:

Das Urteil zeigt auch die Problematik der anwaltlichen Beratung, wenn es um eine Chanceneinschätzung geht. Hier muss selbst die beste Beratung passen, wenn das Gericht das Recht fehlerhaft anwendet. Dies hängt auch damit zusammen, dass sich Gerichte und Richter die Fälle nicht aussuchen können, anders als die Mandanten, die spezialisierte Rechtsanwälte mit ihrem Fall beauftragen können.

Berechtigte Namensinhaber sollten sich durch das Urteil des LG Oldenburg nicht einschüchtern lassen. Die bisherige Rechtsprechung hat mit dem Prinzip „first come, first serve“ hierzu gute Lösungswege entwickelt. Hinsichtlich des Domain-Sharing bleibt abzuwarten, ob sich dies zu Gunsten oder zu Lasten des Namensträgers auswirkt.

Anwaltskanzlei Hild & Kollegen, Rechtsanwalt Hagen Hild

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