Prüfverfahren der Prüfer des DPMA

18. Oktober 2006
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Bundespatentgericht

Urteil vom 18.10.2006

Az.: 29 W (pat) 13/06

Sachverhalt:

Die Anmelderin hat am 31.05.2005 einen Antrag auf Eintragung der Wortmarke

„SCHWABENPOST“

für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 16: Aufkleber; Druckereierzeugnisse; Photographien; Schreibwaren; 38: Telekommunikation, insbesondere elektronische Nachrichtenübermittlung, E-Mail-Dienste, und 39: Transportwesen, Nachrichtenüberbringung, Zustellung (Auslieferung) von Druckereierzeugnissen, Briefen und Paketen gestellt.

Die Markenstelle für Klasse 38 des DPMA hat die Anmeldung des Zeichens mit Beschluss vom 25. 7. 2005 teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Dienstleistungen „Telekommunikation, insbesondere elektronische Nachrichtenübermittlung, E-Mail-Dienste; Transportwesen, Nachrichtenüberbringung, Zustellung (Auslieferung) von Druckereierzeugnissen, Briefen und Paketen“. Die dagegen eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss vom 8. 12. 2005 zurückgewiesen, da für alle beanspruchten Dienstleistungen dem angemeldeten Zeichen ein beschreibender Begriffsgehalt zu Grunde gelegt werden könne. Dem Verkehr erschließe sich unmittelbar der Bedeutungsgehalt von „SCHWABENPOST“ im Sinne von „postspezifische Serviceleistungen im Raum Schwaben“.

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Ihre Verfahrensbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vom 11. 10. 2006 darauf hingewiesen, dass die Eintragungspraxis des Amtes für Anmelder nicht mehr nachvollziehbar sei und willkürlich erscheine, da entsprechende, ihrem angemeldeten Zeichen vergleichbare Zeichen in derselben Klasse eingetragen worden seien. Dazu legte sie eine Liste vor. Zudem erklärte sie ergänzend, dass die Gepflogenheiten der Benennung privater Zustelldienste und die Auffassung davon beim Publikum innerhalb der neu entstandenen Branche nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.

Dem Präsidenten des DPMA wurde anheim gegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten.

Entscheidungsgründe:

Auf Grund des Vorbringens der Bf. hält der Senat die Beiladung des Präsidenten des DPMA für angemessen und notwendig; denn es stellt sich hier bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse des DPMA vom 25. 7. 2005 und 8. 12. 2005 eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Rechtsfrage ist darauf gerichtet zu klären, inwieweit die angefochtene Entscheidung gegen Art. 3 I GG verstößt. Dafür besteht auch angesichts des Vorbringens der Bf. anhand der vorgelegten Unterlagen sowie auf Grund der eigenen Recherchen des Senats Anlass.

A.

1. Die Frage nach der grundgesetzlich gebotenen Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte bei Eintragungen von Marken stellt sich auf Grund der Tatsache, dass für dieselben Dienstleistungen der Klasse 39 „Kurier- und Zustelldienste“ das beschwerdegegenständliche Zeichenwort „SCHWABENPOST“ nicht eingetragen wurde, aber die folgenden Wortmarken als originär unterscheidungskräftig eingetragen sind, nämlich

Nr. 30363527 „World Post“ (Inhaberin: Deutsche Post AG = DPAG);

Nr. 39636412 „Deutsche Post“ (DPAG);

Nr. 39979255 „www.post.de“ (DPAG);

Nr. 30314185 „DIE POST“ (DPAG);

Nr. 30065336 „Regio Post Deutschland“;

Nr. 39970994 „Regional Post“

sowie die Wort-/Bildmarken

Nr. 30363528 „POST“ (DPAG);

Nr. 30363529 „POST“ (DPAG);

Nr. 30463149 „NORDSEE-POST“ ;

Nr. 39960177 „City-Post Weiden“ ;

Nr. 2072996 „POST EUROP“  (DPAG);

Nr. 30301652 „OSTSEE-POST Der private Postdienst im Norden“ ;

Nr. 30602296 „CITY-POST“  und

Nr. 30414256 „LOCAL-POST GmbH“  (DPAG),

deren jeweiliger grafischer Bestandteil allein auf Grund seiner werbeüblichen Grafik in ständiger Rechtsprechung nicht eintragungsbegründend sein kann, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass die Anforderungen an die grafische Gestaltung zur Überwindung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft umso höher anzusetzen sind, je deutlicher der beschreibende Sinngehalt des Zeichens zutage tritt (vgl. BGH, GRUR 2001, 1153 – antiKALK; BPatG, GRUR 2007, 324 – Kinder; Fezer, MarkenR, 3. Aufl., § 8 Rdnr. 65; Ströbele/Hacker, MarkenR, 8. Aufl., § 8 Rdnr. 125). Die Bildbestandteile sind lediglich dekorativ oder nehmen nur den Aussagegehalt des Worts auf.

Für die Deutsche Post AG ist „World Post“ als originär unterscheidungskräftige Wortmarke eingetragen, obwohl sich aus dem Markenwort unmittelbar ergibt, für welche geografischen Einsatzgebiete die beanspruchten Dienstleistungen „Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst-, Paketdienst- und Kurierdienstleistungen“ bestimmt sind. Nicht eingetragen wurde dagegen die Wortmarke Nr. 30345792 „Europost“ eines anderen Anmelders für unter anderem die Dienstleistungen „(gesicherte) Transporte; Transport- und Lagerwesen; Post- und Versandwesen, nämlich Zustellung und Auslieferung von Briefen und Paketen; Kurierdienste“. Dies mit einer ähnlichen Begründung wie bei „SCHWABENPOST“, nämlich dass die Anmeldung ohne weiteres darauf hinweise, dass es sich um ein Unternehmen handele, das schwerpunktmäßig im europäischen Raum Postdienstleistungen erbringe. Wiederum für die Deutsche Post AG wurde als Wort-/Bildmarke eingetragen  für „Dienstleistungen auf dem Gebiet des Brief-, Paket-, Postanweisungs-, Postauftrags- und Postzeitungsdienstes; Beförderung von Gütern, Paketen, Postgut, Päckchen, Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, …“. Nicht für schutzfähig hielt das DPMA die Anmeldung der Wortmarken Nr. 305224707 „post-modern-dresden.eu“ und Nr. 30524708 „post-modern-sachsen.eu“ für die beanspruchten Dienstleistungen „Transport und Vermittlung des Transports von Gütern, Paketen und Briefsendungen mit Kraftfahrzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen, …; Auslieferung und Zustellung von Gütern (einschließlich Paketen und Briefsendungen); …“. Insgesamt drängt sich aus diesen Feststellungen für die Bf. – wie sie vorträgt – die Vermutung auf, dass für die aus dem ehemaligen Monopolisten hervorgegangene Deutsche Post AG eher beschreibende Zeichen eingetragen werden als für ihre Konkurrenten. Dadurch sei für sie der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, dass eine willkürliche Ungleichbehandlung vorliegen könnte.

Ein Grund für die Abweichung von dieser Eintragungspraxis des DPMA zu Gunsten der Deutschen Post AG und einiger anderer Unternehmen in Bezug auf die Bf. ergibt sich aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht.

2. Eine ähnliche Problematik besteht im Übrigen im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen der Telekommunikation in Klasse 38, da die Praxis hier ebenfalls uneinheitlich ist. Eingetragen für die Deutsche Post AG sind die Wort-/Bildmarken Nr. 2021979 „E POST“, Nr. 2072996  und die Wortmarke Nr. 39636 412 „Deutsche Post“. Für einen weiteren Anmelder wurde in Klasse 38 die Wort-Bildmarke Nr. 30301652 „. Der private Postdienst im Norden“ eingetragen. Das verfahrensgegenständliche Zeichen „SCHWABENPOST“ wurde dagegen auch für die Dienstleistungen „Telekommunikation“ nicht eingetragen.

3. Für den Senat bleibt demnach ungeklärt, nach welchen für die Markenstellen einheitlich geltenden Vorgaben Wort- bzw. Wort-/Bildmarken für die beanspruchten Dienstleistungen „Nachrichtenüberbringung und Zustellung (Auslieferung) von Druckereierzeugnissen, Briefen und Paketen“ bzw. „Telekommunikation“ eingetragen oder nicht eingetragen werden, die im angemeldeten Zeichen den Zusatz „Post“ bzw. „Post“ und ein weiteres geografisches Merkmal enthalten, um willkürliche Ungleichbehandlung und damit einen möglichen Verstoß gegen Art. 3 I GG zu vermeiden.

B.

1. Die Exekutive ist gem. Art. 20 III GG an Recht und Gesetz gebunden. Dazu gehört auch die Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 I GG beim Erlass von Verwaltungsakten. Eine besondere Rolle spielt dieses Gebot insbesondere dann, wenn es sich um Verwaltungsakte handelt, deren gesetzliche Grundlage durch einen unbestimmten Rechtsbegriff gebildet wird. Dies ist im Verfahren der Gewährung von Markenschutz der Fall bei der Anwendung des Begriffs „Unterscheidungskraft“ nach § 8 II Nr. 1 MarkenG. Die Verwaltung ist im Rahmen und nach Maßgabe gesetzlicher Ermächtigung grundsätzlich, insbesondere zum Zweck rechtssicherer, praktikabler und gleichmäßiger Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, zum typisierenden und pauschalierenden Gesetzesvollzug berechtigt (Osterloh, in: Sachs, GG, 3. Aufl. [2003], Art. 3 Rdnr. 112). Daraus ergeben sich allgemein die Grundsätze der Selbstbindung der Verwaltung, die eine sachlich unbegründete Abweichung von einer bisher geübten Praxis im Einzelfall verbieten, nicht jedoch deren generelle Änderung für die Zukunft (Osterloh, Art. 3 Rdnr. 119).

Dabei bedarf es der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe (Huber, Allg. VerwaltungsR, 2. Aufl. [1997], S. 129), was von der Ausübung des Ermessens zu trennen ist, denn die Entscheidungen des DPMA als Verwaltungsbehörde gewähren auf der Rechtsfolgenseite nach ständiger Rechtsprechung ohnehin keinen Ermessensspielraum (vgl. Ströbele/Hacker, § 8 Rdnr. 25; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 17; BGH, GRUR 1989, 420 [421] – KSÜD; GRUR 1995, 410 [411] – TURBO; GRUR 1997, 527 [529] – Autofelge). Auf der Tatbestandsseite der Normen ist dagegen über die unbestimmten Rechtsbegriffe, wie den Begriff der „Unterscheidungskraft“ oder im Patentrecht die „erfinderische Tätigkeit“ gem. § 4 PatG (Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl. [2003], § 4 Rdnr. 8) zu entscheiden. Die Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs unterliegt nach ständiger Rechtsprechung (BVerfGE 7, 129 [154] = NJW 1957, 1757; BVerfGE 64, 261 [279]; BVerfGE 84, 34 [50] = NJW 1991, 2005) der vollständigen gerichtlichen Überprüfbarkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Damit überprüft das BPatG die Bestimmung des Begriffsinhalts der „Unterscheidungskraft“ durch das DPMA.

2. Von der aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 I GG) und dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG) fließenden Verpflichtung der Verwaltung, unbestimmte Rechtsbegriffe zu konkretisieren, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung nur in bestimmten, eng begrenzten Fallgestaltungen Ausnahmen zugelassen. Es handelt sich dabei vornehmlich um Entscheidungen wertender Art durch weisungsfreie, mit Sachverständigen und/oder Interessenvertretern besetzte Ausschüsse, wie sie etwa in speziellen Prüfungsverfahren gesetzlich vorgesehen sind (BVerwGE 91, 211 [215/216]; BVerwGE 61, 176 [185]; BVerfGE 84, 34 [50] = NJW 1991, 2005; BVerwGE 92, 132ff. = NVwZ 1993, 682). Weitere Ausnahmen betreffen Prognoseentscheidungen oder Risikoabschätzungen im Umwelt- oder Wirtschaftsrecht (BVerwGE 72, 300 [316]). Vorliegend sind solche Entscheidungen aber nicht betroffen.

3. Aufgabe der Verwaltungsbhörde ist es, die Unsicherheiten in der Erkenntnis und der rechtlichen Beurteilung des normativen Rechtsbegriffs zu überwinden und Rechte und Pflichten in einer bestimmten Art und Weise verbindlich festzulegen (Huber, S.129; Maurer, Allg. VerwaltungsR, 14. Aufl. [2002], § 7 Rdnrn. 29f.). Die erforderliche Gewährleistung einer Art. 3 I GG wahrenden Anwendung der Gesetze muss daher durch eine Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen erfolgen, die für die im Zuständigkeitsbereich einer Behörde liegenden Entscheidungen einheitlich ist. Die Prüferinnen und Prüfer des DPMA sind bei der Wahrnehmung der Aufgaben einer Markenstelle nach § 56II 2 und S. 3 MarkenG in der Entscheidung nicht frei, sondern haben sich an diesen Vorgaben zu orientieren. Gleiches gilt für „die Markenstelle“ i.S. von § 56 II MarkenG. Sie ist Teil des DPMA als Ganzes und aus der gesetzlichen Regelung ihrer Einrichtung in § 56 MarkenG folgt lediglich ihre innerbehördliche Zuständigkeit für das Eintragungsverfahren in Abgrenzung zur Markenabteilung, die insoweit die Organisationshoheit des Präsidenten einschränkt, aber keine darüber hinausgehende nach Außen hin wirkende materiell-rechtliche Selbstständigkeit verleiht. Eine solche Unabhängigkeit ergibt sich auch nicht aus der amtlichen Begründung zum MarkenG von 1995 (BIPMZ Sonderheft 1994). Das Handeln des DPMA als einheitliche Behörde anzusehen entspricht daher der Feststellung des Urteils des BVerwG, das Anlass zur Schaffung des BPatG gab (BVerwG, GRUR 1959, 435 – Verfassungsrecht). Im ersten Leitsatz heißt es nämlich: „Die Tätigkeit des DPA in beiden Instanzen ist als Verwaltungstätigkeit anzusehen“ (vgl. auch Grabrucker, Erinnerungen zur Entstehung des Bundespatengerichts, Ein Gespräch mit Prof. Dr. Werner Böhmer, in: Festschr. 50 Jahre VPP, 2005, S. 551ff.).

4. Diese Festlegung der einheitlichen Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs erfolgt grundsätzlich auf zweierlei Weise: nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungshandelns durch den Erlass interner Verwaltungsvorschriften, auch „Richtlinien“, „Erlasse“, „innerdienstliche Anweisungen“, „Verfügungen“ oder „Mitteilungen“ genannt, die als generell-abstrakte Anordnungen von der Leitung der Behörde oder von jeweils im Wege der Delegation dazu befugten Vorgesetzten erlassen werden (Maurer, § 24 Rdnr. 1) oder aber durch ständige gleichbleibende Behandlung gleicher Sachverhalte, woraus sich ebenfalls eine Selbstbindung der Behörde ergeben kann. Mit diesen gesetzesauslegenden oder norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften wird der Bedeutungsgehalt von unbestimmten Rechtsbegriffen in der Gesetzesanwendung bestimmt (Maurer, § 24 Rdnr. 9), und auf diese Weise die Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 I GG garantiert. Die Verwaltung ist daher gehalten, die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs anhand gruppenmäßiger Fallgestaltung klar, einleuchtend und nachvollziehbar zu gestalten, so dass sich daraus für die Anmelder eine nachvollziehbare und vorhersehbare Behördenpraxis erkennen lässt. Dass dies möglich ist, ergibt sich z.B. aus den detaillierten Regelungen des Patentamtes des Vereinigten Königreichs, die auf seiner Internetseite allgemein zugänglich sind (www.patent.gov.uk/tm/t-decision-making/t-law/t-law

C.

1. Zu dieser Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in seiner Entscheidungspraxis hat das DPMA im Wege der Hauptabteilungsleiterverfügung auch bereits eine einheitliche Behandlung hergestellt, wie z.B. in den Verfahren zur Eintragung einer Einzelhandelsdienstleistungsmarke auf Grund der Verfügungen Nr. 31 der Leiterin der Hauptabteilung 3 vom 26. 2. 2003 (3650/15-3.3.1.-Bd.I/5) und Nr. 43 vom 19. 10. 2005 (3650/15-3.3.6-Bd.l/5), zu Markenanmeldungen in Verbindung mit Papst Benedikt XVI (Vfg. LH3 Nr. 41 vom 21. 6. 2005, 3650/15-3.3.6-Bd.l/9), zur Behandlung von Farbmarken (Verfügung LH3 Nr. 22 v. 23. 8. 2002, 3650/13-3.3.1.-Bd.ll/28 bzw. Vfg. LH3 Nr. 33 v. 8. 10. 2003) oder zur Bearbeitung notorisch bekannter Marken (Vfg. LH3 v. 24. 11. 1998, 9330/12-3.2-I/3). Dies entspricht der bis Ende Juni 2005 geltenden Richtlinie für die Prüfung von Markenanmeldungen vom 27. 10. 1995 (BIPMZ 1995, 378 [383]), in der vorgesehen ist, dass eine Harmonisierung der Entscheidungspraxis durch das DPMA herbeigeführt werden soll. Nach dieser Richtlinie galt nach Ziffer 4a unter der Überschrift „Grundsätze der Prüfung auf absolute Schutzhindernisse“ Folgendes: „Die Recherche … bezieht die Rechtsprechung sowie die Amtspraxis ein. … Im Interesse der Rechtssicherheit bedarf es einer einheitlichen Prüfungspraxis, für die alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung zu nutzen sind. … Wenn sich herausstellt, dass dieselben Zeichen für vergleichbare Waren oder Dienstleistungen innerhalb der Markenstellen unterschiedlich beurteilt werden, ist eine einheitliche Beurteilung herbeizuführen, insbesondere durch Mitwirkung der Abteilungsleiter und Gruppenleiter.“

Dem Senat erschließt sich im vorliegenden Verfahren jedoch nicht, ob die angefochtene Entscheidung der Markenstelle auf Grund einer Vereinheitlichung; bezogen auf die Eintragung von aus geografischem Bestandteil und dem Wort „Post“ gebildeten Marken getroffen wurde oder nicht.

2. Der Bezug auf die „einheitliche Prüfungspraxis“, der nach der alten Richtlinie vom 27. 10. 1995 (BlPMZ 1995, 378) noch Geltung hatte, wurde in der neuen Richtlinie vom 13. 6. 2005 (BIPMZ 2005, 245 [252]) ersatzlos gestrichen und ersetzt durch die Regelung: „Jede Anmeldung ist ein für sich gesondert zu beurteilender Einzelfall. … Bestehende Eintragungen nationaler Marken führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz zu einem Anspruch auf Eintragung.“ Die Tatsache, dass die Hinwirkung auf eine einheitliche Amtspraxis gestrichen wurde, ist für das konkrete Verfahren von Bedeutung, da eine der Vergleichsmarken nach In-Kraft-Treten der neuen Richtlinie eingetragen wurde. Angesichts des oben Ausgeführten bestehen erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der neuen Richtlinie. Dem Gebot nach Art. 20 III GG, Verwaltungsakte innerhalb des DPMA im Rahmen einer „Amtspraxis“ in materiell-rechtlicher Hinsicht bei Vorliegen gleicher Umstände einheitlich zu erlassen, ist eine Absage erteilt worden, die nicht den rechtlichen Vorgaben an gebundene Verwaltungsentscheidungen entspricht. Prüferinnen und Prüfer am DPMA sind nicht unabhängig, sondern an Richtlinien gebunden, wie sich aus der vorgenannten Entscheidung des BVerfG (GRUR 2003, 723 – Rechtsprechungstätigkeit) ergibt.

3. Da das Gleichbehandlungsgebot nur gebietet, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln (Osterloh, Art. 3 Rdnr. 83), bleibt jedoch zu prüfen, ob der zu entscheidende Fall von der internen einheitlichen Praxis erfasst wird und nach diesen Vorgaben zu entscheiden ist oder inwieweit der zu entscheidende Fall davon abweicht und es einer Einzelfallentscheidung bedarf. Diese Abweichung muss sich jedoch erkennbar aus den Gründen des zu erlassenden Beschlusses ergeben. Soweit der BGH (GRUR 1997, 527 [529] – Autofelge) feststellte, dass jede Anmeldung einer eigenen Prüfung unterliege, kann dieser Grundsatz in diesem Zusammenhang seine Gültigkeit beanspruchen.

4. Die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs erübrigt sich auch nicht deshalb, weil das einzelne prüfende Mitglied des DPMA eine quasi unabhängige Stellung innehat und daher nicht als Mitglied einer Behörde an deren Art. 3 I GG wahrendes einheitliches Handeln gebunden ist. Das BVerfG (GRUR 2003, 723 – Rechtsprechungstätigkeit) hat insoweit zur Stellung der technischen Mitglieder des DPMA in Patenteintragungsverfahren bereits entschieden, dass sie Angehörige einer Behörde sind. Weder die justizförmige Ausgestaltung des Verfahrens vor dem DPMA noch die sinngemäße Geltung konkret geregelter Einzelfälle der Anwendung gerichtlicher Vorschriften habe zur Folge, „dass den Mitgliedern des DPMA ein richterlicher Status zukäme“ (BVerfG, GRUR 2003, 723 – Rechtsprechungstätigkeit). Ihre Tätigkeit sei keine Rechtsprechung im materiellen Sinn, da Vorschriften für das gerichtliche Verfahren nur in ausdrücklich normierten Fällen anwendbar seien und insbesondere ein Verweis auf die richterliche Selbstverwaltung „als gerichtsverfassungsrechtliches Kernstück der Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit und der Garantie des gesetzlichen Richters“ (BVerfG, GRUR 2003, 723 – Rechtsprechungstätigkeit) fehle. Es ist kein Grund ersichtlich, dass diese Feststellungen für die Behandlung in Markenangelegenheiten nicht ebenso gelten sollen.

D.

1. Eine entsprechende Vereinheitlichung erscheint schon deshalb geboten, weil es seit der Privatisierung der Deutschen Bundespost in die drei Sparten Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG und Deutsche Postbank AG im Jahr 1995 jedermann in Deutschland erlaubt ist, gewerblich Postdienstleistungen anzubieten (Art. 87 II 1 GG; Richtlinie 97/67/EG, ABlEG 1998 Nr. L 15/14; § 51 PostG i.V. mit dem 1., 2. und 3. Gesetz zur Änderung des PostG v. 2. 9. 2001, BGBl 2001, 2271, v. 30. 1. 2002, BGBl 2002, 572 und v. 16. 8. 2002, BGBl 2002, 3218ff.). Die Liberalisierung dieses Marktsegments für Kurier- und Zustelldienste führte inzwischen zu einer eigenen Branche, die der Verkehr als solche erkennt und innerhalb der er möglicherweise gewöhnt ist, in einer gewissen Art der Zeichenbildung einen betrieblichen Herkunftshinweis zu sehen. Dies lässt möglicherweise die Beurteilung neuer Kennzeichnungsgewohnheiten und der Auffassung des Publikums davon notwendig werden. Eine Gewöhnung des Verkehrs an neue Kennzeichnungsgewohnheiten stellt sich nämlich dann ein, wenn der Marktauftritt bestimmter als originär schutzfähig eingetragener Marken, neben solchen auf Grund von Verkehrsdurchsetzung, üblich geworden und unbeanstandet geblieben ist (BGH, GRUR 2004, 683 [685] – Arzneimittelkapsel; GRUR 2004, 329f. – Käse in Blütenform). Eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im entsprechenden Marktsegment auf Grund des Entstehens einer neuen Branche sowie eine geänderte Wahrnehmung durch den Verkehr auf Grund der Umstellung von einem Monopolbetrieb in ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen, das dem Wettbewerb unterliegt und damit andere private Unternehmen als Konkurrenten bekommt, stellt besondere Anforderungen an die Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes.

2. Für diese geänderten Gewohnheiten spricht auch, dass neben dem inzwischen üblichen Farbauftritt einiger privater Zusteller diese ihren Unternehmensnamen mit dem Begriff „-post“ verbinden. Fraglich kann insoweit allenfalls sein, ob diese Unternehmenskennzeichen am Markt für die entsprechenden Dienstleistungen so häufig geworden sind, dass der Verkehr in einem entsprechenden Zeichen in markenrechtlicher Hinsicht zwischenzeitlich keine Inhalts- oder Sachbeschreibung mehr sieht, sondern es nunmehr in Verbindung mit der geografischen Angabe als herkunftshinweisende Bezeichnung für ein Unternehmen wahrnimmt, wie dies z.B. bei der Marke „Deutsche Post“ der Fall ist. Die entsprechenden Dienstleister nennen sich z.B.: „Swiss Post International Germany GmbH & Co.“, „City-Post GmbH“, „Annenpost-Post Kassel GmbH“, „APW Alternative Post Wittenberg GmbH“, „City-Post AL GmbH“, „Regio-Post Rene Kunze“ oder „Turbo P.O.S.T. GmbH“ (http://www.wlw.de „Wer liefert was?“ – die Lieferantensuchmaschine).

3. Weiter ist einzubeziehen, dass zusätzlich zur oben angeführten Eintragungspraxis des DPMA von Zeichenverbindungen zum Wort „Post“ und einer geografischen Angabe „Die Deutsche Post AG“ Markenschutz für „Deutsche Post“ im Wege der Verkehrsdurchsetzung erlangte, d.h. dass eine Gewöhnung des Verkehrs dahingehend eingetreten sein könnte, dass das Zeichen vom Publikum als Hinweis auf einen bestimmten Dienstleister und nicht als sachbeschreibende Angabe für spezifische Postdienstleistungen innerhalb Deutschlands gesehen wird. Eine solche mögliche Änderung der Verkehrsauffassung in diesem neuen Marktsegment ist vergleichbar dem Wandel in der Entscheidungspraxis des DPMA und der Rechtsprechung des BPatG bei Einführung der neuen Markenformen. So ist bei der Farbmarke nicht mehr zweifelhaft, dass es Marktsegmente gibt, in denen Farben eine außerordentliche Rolle spielen und vom Verbraucher als Marke erkannt werden. Dort wird von einer Gewöhnung des Verkehrs an Farben als betrieblichem Herkunftshinweis ausgegangen (vgl. BPatG, GRUR 2004, 870 [871] – Grün/Gelb, m.w. Nachw.; Grabrucker, WRP 2000, 1331 [1337]). Finden sich Anhaltspunkte für eine herkunftshinweisende Verwendung von Farben in einem bestimmten Marktsegment, kann dies ebenso auf bestimmte Kennzeichnungsgewohnheiten durch Wortzeichen zutreffen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft für alle Markenkategorien gleich (EuGH, GRUR 2006, 233 Rdnr. 27 – Standbeutel; MarkenR 2005, 27 Rdnr. 82 – Orangeton).

E.

1. Bei Verwaltungsentscheidungen, die ohne vorgehende verbindliche Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs ergangen sind oder bei denen dies jedenfalls nicht erkennbar ist, kann der Einwand der Ungleichbehandlung nicht in allen Fällen mit dem Argument ausgeräumt werden, es bestehe kein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht“ (BGH, GRUR 1997, 527 [529] – Autofelge). Es besteht selbstverständlich keine Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, aus möglicherweise nicht gerechtfertigten Eintragungen eine entsprechend sachwidrige Behandlung weiterer Anmeldungen herzuleiten (BGH, GRUR 1989, 420 – KSÜD). In diesem Zusammenhang, und nur hier, findet der häufig zitierte und Art. 3 GG immanente Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“ seinen Platz, d.h. es besteht keine sachwidrige Selbstbindung an rechtswidrige Entscheidungen (Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 45. Aufl. [2005], Art. 3 Rdnr. 179; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. [2005], § 40 Rdnr. 25). Das in vielen Entscheidungen des DPMA und des BPatG – unter anderem auch in Entscheidungen des erkennenden Senats – zu lesende Prinzip, der Anmelder habe keinen Anspruch auf Eintragung identischer oder ähnlicher Marken, bedeutet daher lediglich, dass es keine Selbstbindung an sachwidrige Entscheidungen gibt. Es bedeutet jedoch nicht, dass die Verwaltungsbehörde sich an keiner bestimmten Praxis zu orientieren hat und Prüferinnen oder Prüfer in ihrer Entscheidung frei sind. Auch der BGH (GRUR 1995, 410 – TURBO) hat deshalb das grundsätzliche Bestehen einer Amtspraxis nicht in Frage gestellt, als er entschieden hat: „Das BPatG hat … unbeanstandet festgestellt, dass das angeführte ‚Turbo‘-Zeichen vereinzelt geblieben ist, und hat folglich diese Eintragung als einen Verstoß gegen die weitgehend einheitliche Praxis angesehen, Anmeldungen mit dem Wort ‚Turbo‘ die Eintragung zu versagen.“ Der BGH hat damit – wie auch in seiner Entscheidung zu „Autofelge“ – lediglich im konkreten Fall die Abweichung von der Regel konstatiert.

2. Im Übrigen wäre das Argument „Keine Gleichbehandlung im Unrecht“ jedenfalls dann nicht tragfähig, wenn die bisherige Entscheidungspraxis der Behörde eine konsequente Rechtsanwendung nicht erkennen lässt, d.h. wenn in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt worden sind. Eine solche Entscheidungspraxis ist insgesamt durch eine mangelnde Orientierung der Behörde an Art. 3 I GG gekennzeichnet. Damit bliebe im Dunkeln, welche Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs sie als maßgeblich ansieht und an welche Entscheidungen sie sich unter dem Blickwinkel des Art. 3 I GG gebunden betrachtet. Die Vereinbarkeit ihrer Entscheidungen mit Art. 3 I GG, und d.h. ihre Rechtmäßigkeit, wäre damit offen. Lässt sich aber nicht feststellen, welche der vorangehenden Entscheidungen rechtmäßig und welche unrechtmäßig waren, geht die Rechtfertigung, es gebe keine Gleichbehandlung im Unrecht, ins Leere. Die Behörde kann bei einer strukturell ungleichen Entscheidungspraxis und fehlender Selbstbindung durch Richtlinien nicht nach Belieben erklären, welche Entscheidungen sie als maßstäblich ansieht und welche sie als gleichheitswidrig betrachtet mit der Folge, dass man sich auf sie nicht berufen könne. Würde man dies zugestehen, wäre den Gerichten eine Überprüfung ihrer Entscheidungen am Maßstab des Art. 3 I GG gerade in den Fällen prinzipiell verschlossen, in denen die gesamte Entscheidungspraxis eine Orientierung am Gleichbehandlungsgebot vermissen lässt. Das wäre mit der Bindung der Gerichte an die Grundrechte (Art. 1 III GG) unvereinbar. Daraus wird folgen, dass der von einer ablehnenden Entscheidung Betroffene in einer solchen Lage eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes bereits dann geltend machen kann, wenn er nachweist, dass die Behörde vergleichbare Fälle in einer nicht unerheblichen Anzahl positiv beschieden hat. Der Behörde bleibt es unbenommen, in Richtlinien festzuhalten, welche Auslegung sie dem einschlägigen unbestimmten Rechtsbegriff in ihrer künftigen Entscheidungspraxis zu Grunde legen will. Für die Vergangenheit ist eine solche Selbstbindung jedoch nicht möglich.

3. Für den Senat stellt sich auf Grund des bisherigen Vortrags der Bf. und auch auf Grund der Aktenlage die Praxis des DPMA zur Eintragung der beanspruchten Leistungen in Klasse 39 als uneinheitlich dar. Es ist nicht erkennbar, worauf die Uneinheitlichkeit beruht und ob angesichts der sich in den letzten Jahren neu etablierten Branche der privaten Zustelldienste das DPMA Richtlinien zur Vereinheitlichung der Beurteilung der Unterscheidungskraft entsprechender Zeichen erlassen hat oder worauf die Amtspraxis zu den erfolgten Eintragungen beruht, und inwieweit hier im konkreten Fall eine Abweichung im Einzelfall gerechtfertigt ist. Dies erscheint dem Senat aber von Bedeutung in der Fortführung des Verfahrens, um die angefochtene Entscheidung auch anhand von Art. 3 I GG prüfen zu können.

Dem Präsidenten des DPMA ist daher auf Grund der bislang als uneinheitlich erscheinenden Entscheidungspraxis Gelegenheit zu geben, dem Verfahren gem. § 68 II MarkenG beizutreten.

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