Vervielfältigung durch Abspeicherung von Webradiosendungen

28. Februar 2007
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Eigener Leitsatz:

Das Aufzeichnen von Radiosendungen auf dem Server eines Diensteanbieters stellt eine Vervielfältigung dar. Dies ist urheberrechtswidrig, wenn nicht die gesamte Dienstleistung unentgeltlich erfolgt.

Landgericht Köln

Urteil vom 28.02.2007

Az.: 28 0 16/07

Sachverhalt:

Die Verfügungskl. sind Tonträgerherstellerinnen. Die Verfügungsbekl. bietet einen Dienst an, bei dem Nutzer aus mehreren von der Verfügungsbekl. vorgegebenen Webradiosendern auswählen und deren Programme in dem von dem Nutzer bestimmten Zeitraum mitschneiden lassen können. Hierzu muss sich der Nutzer zunächst auf der Seite www.m.com anmelden, indem er in eine vorgegebene Eingabemaske einen Benutzernamen und ein Passwort einträgt. Erforderlich ist weiterhin die Eingabe der Adressdaten und einer E-Mail-Adresse. Nach Eingabe dieser Daten wird dem Nutzer die Anmeldung bestätigt und er erhält per E-Mail einen Link, über den er seinen Account aktivieren kann. Über diesen Account kann der Nutzer nunmehr nach Eingabe des Benutzernamens und des Passworts aus einer von der Verfügungsbekl. vorgegebenen Auswahl von Webradiosendern bestimmen, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten das Programm des jeweiligen Webradiosenders mitgeschnitten werden soll. Das Mitschneiden erfolgt sodann durch die Verfügungsbekl. Die mitgeschnittenen Radiosendungen werden sodann durch die Verfügungsbekl. komprimiert, in mp3-Format umgewandelt und auf dem Server der Verfügungsbekl. abgelegt. Dabei wird–von den Verfügungskl. bestritten–für jeden Nutzer ein individuelles Verzeichnis angelegt, auf das jeweils nur der Nutzer Zugriff hat. Er kann sodann von jedem beliebigen Ort und jedem beliebigen Computer zu jedem beliebigen Zeitpunkt, allerdings mind. 2 Stunden nach Beendigung der mitgeschnittenen Radiosendung, auf den Mitschnitt Zugriff nehmen.

Die Verfügungskl. sehen in dem Angebot der Verfügungsbekl. eine Verletzung ihrer Verwertungsrechte und sind der Auffassung, es liege eine Verletzung ihres Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung und ihres Vervielfältigungsrechts vor. Die Verfügungskl. meinen, die Verfügungsbekl. könnten sich nicht auf § 53 UrhG berufen, weil sie im Hinblick auf § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG Hersteller der Vervielfältigungsstücke seien und es im Hinblick auf § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG an einer konkreten Anweisung zur Herstellung eines bestimmten Vervielfältigungsstücks fehle.

Aus den Gründen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet, §§ 940, 935, 938 ZPO.

III.

Die Verfügungskl. haben einen Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbekl. aus § 97 UrhG.

1. Deutsches Urheberrecht ist anwendbar. Denn seitens der Verfügungsbekl. liegt eine im Inland begangene Rechtsverletzung vor. Die Internetseite www.m.com ist bestimmungsgemäß im Inland abrufbar. Ist die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet, dann gilt das deutsche IPR, vorliegend die Art. 27 ff. EGBGB. Nach dem Schutzlandprinzip wird insoweit angeknüpft an das Recht des Schutzlands, also desjenigen Lands, für das Schutz beansprucht wird (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, vor §§ 120 ff. Rdnr. 26. ff.). Nach diesem Recht bemisst sich die Einräumung von Nutzungsrechten und die Rechtsfolgen einer Urheberrechtsverletzung (Dreier/Schulze, UrhG, vor §§ 120 ff. Rdnr. 30). Erforderlich, aber auch ausreichend ist daher, dass die betreffende Verletzungshandlung im Inland erfolgt (Dreier/Schulze, UrhG, vor §§ 120 ff. Rdnr. 31; BGH GRUR 2004, 421 [= MMR 2004, 355]). Dies ergibt sich aus dem Territorialitätsprinzip. Die auf das Inland beschränkte Wirkung nationaler Regelungen bedingt, dass nur durch eine im Inland begangene Handlung ein deutsches Urheberrecht verletzt werden kann, nicht durch eine Verwertungshandlung, die ausschließlich im Ausland erfolgt (Dreier/Schulze, UrhG, vor §§ 120 ff. Rdnr. 32; BGH GRUR 2004, 421 [= MMR 2004, 355]).

2. Die Verfügungskl. sind als Tonträgerherstellerinnen aktivlegitimiert, § 85 UrhG. Sie haben glaubhaft gemacht, dass ihnen die ausschließlichen Verwertungsrechte an den aus dem Tenor ersichtlichen Musikaufnahmen für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zustehen.

4. Das von der Verfügungsbekl. ihren Nutzern zur Verfügung gestellte Dienstleistungsangebot verletzt die Verfügungskl. in ihren Rechten als Tonträgerherstellerinnen, § 97 UrhG. Insoweit kann dahinstehen, ob die Verfügungsbekl. auf ihrer lnternetseite Musiktitel, an denen den Verfügungskl. die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen, öffentlich zugänglich macht i.S.d. § 19a UrhG, weil ihr Angebot, die auf dem persönlichen Account gespeicherten Radiosendungen abzurufen, jedermann offensteht (so OLG Köln GRUR-RR 2006, 5 [= MMR 2006, 35]; a.A. OLG Dresden, U. v. 28.11.2006 – 14 U 1071/06, BeckRS 2006 Nr. 14729). Jedenfalls erfolgt i.R.d. Dienstleistungsangebots der Verfügungsbekl. eine Vervielfältigung von Musikaufnahmen, an denen den Verfügungskl. Rechte zustehen, i.S.d. § 16 UrhG. Durch das Aufzeichnen der Radioprogramme und das Speichern auf dem Server der Verfügungsbekl. werden die Radiosendungen und mit ihnen die streitgegenständlichen Musiktitel vervielfältigt (vgl. dazu im Einzelnen OLG Köln GRUR 2006, 5 [= MMR 2006, 35]; OLG Dresden, a.a.O.). Der Begriff der Vervielfältigung ist in einem weiten und umfassenden Sinn zu verstehen. Vervielfältigung ist jede körperliche Festlegung eines Werks, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen. Unerheblich ist dabei die Vervielfältigungstechnik sowie die Art und Anzahl der Zwischenschritte, die zur letztendlichen Wahrnehmung notwendig sind (OLG Dresden, a.a.O., m.w.Nw.). Die Fixierung der Sendungen auf den Speichermedien des Servers der Verfügungsbekl. stellt eine körperliche Festlegung dar. Diese wird dem einzelnen Kunden dadurch sinnlich wahrnehmbar, dass er sie auf seinen PC herunterladen und sie sich dort auf Grund ihrer Umsetzung in eine Folge von Musiktönen anhören kann (OLG Dresden, a.a.O., m.w.Nw.).

Die Vervielfältigung ist auch nicht erlaubt. Eine Einwilligung der Verfügungskl. liegt unstreitig nicht vor. Auch die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestands des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG sind nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift sind einzelne Vervielfältigungen eines Werks durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dient und soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird, § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG. Dem Eingreifen dieses Privilegierungstatbestands steht entgegen, dass die Vervielfältigung vorliegend nicht durch den privaten Nutzer selbst, sondern durch die Verfügungsbekl. vorgenommen wird. Allein die Verfügungsbekl. kann bei der gegebenen Sachlage als Hersteller der Mitschnitte der Radiosendungen angesehen werden. Hersteller ist derjenige, der tatsächlich die Vervielfältigung vornimmt. Das Herstellen bezieht sich hierbei auf den technisch maschinellen Vorgang der Vervielfältigung, wobei Hersteller nicht derjenige ist, der die Nutzung technisch bewerkstelligt, sondern derjenige, der sich des technischen Vorgangs zum Zweck der Werknutzung bedient (vgl. OLG Köln GRUR 2006, 5 [= MMR 2006, 35]). § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist als Schrankenregelung eng auszulegen (OLG Köln, a.a.O.). Anders als bei dem Aufsteller eines mit Geldmünzen zu bedienenden CD-Kopierautomaten weist die vorliegende Fallgestaltung die Besonderheit auf, dass zwar die grundsätzliche Entscheidung, ob und welche Sendun- gen die Verfügungsbekl. vervielfältigt und dem Kunden sodann digital zugänglich macht, von dem privaten Kunden ausgeht. Sodann wird aber schon die Kopiervorlage nicht von dem Kunden zur Verfügung gestellt, sondern von der Verfügungsbekl. selbst beschafft, indem die Radiosendungen von ihr mittels eigener Vorrichtungen empfangen werden. Auch in seinen nachfolgenden Schritten ist der technische Kopiervorgang als solcher dem Einfluss und der Sachherrschaft des Kunden entzogen. Die Signale werden allein von der Verfügungsbekl. empfangen, durch ihren Server geleitet und dort in mp3-Format umgewandelt. Der gesamte Vervielfältigungsprozess unterliegt ausschließlich der Steuerung der Verfügungsbekl. Erst wenn der fertiggestellte Mitschnitt der Radiosendungen in mp3-Format auf dem dem einzelnen Kunden zugewiesenen virtuellen Speicherplatz abgespeichert ist, kann der Kunde aktiv werden und den interaktiven Abruf auslösen (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2006, 5 [= MMR 2006, 35]; OLG Dresden, a.a.O.).
Die Vervielfältigung ist auch nicht nach § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG zulässig. Danach darf der zur Vervielfältigung Befugte die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt, § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Insoweit ist zu sehen, dass auch § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG als Schrankenregelung eng auszulegen ist (vgl. KG GRUR 2000, 49).

Die Verfügungsbekl. [beschränkt sich] mit ihrem Dienstleistungsangebot nicht darauf …, die Radiosendungen in dem ihr von dem Kunden im Einzelnen vorgegebenen Umfang mitzuschneiden und diesen Mitschnitt dem Kunden zum Abruf zugänglich zu machen. Vielmehr stellt sie dem Kunden zugleich als weiterführendes Angebot den „Trackfinder“ zur Verfügung und ermöglicht es ihm dadurch, die aufgenommenen Sendungen auf die einzelnen gespielten Musiktitel hin zu analysieren. Ober den „Track-finder“ ermöglicht sie es dem Kunden weiterhin, einzelne Musiktitel herunterzuladen anstelle der gesamten mitgeschnittenen Radiosendung. Dieses Dienstleistungsangebot, das nur einheitlich beurteilt werden kann, geht weit über den bloßen Akt der Herstellung von Vervielfältigungsstücken, der allein von § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG privilegiert werden soll, hinaus. Im Rahmen einer engen Auslegung scheidet daher eine Berufung der Verfügungsbekl. auf den Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG aus. Insoweit verbietet sich aus Sicht der Kammer auch die von den Verfügungsbekl. vorgenommene Aufspaltung und getrennte Bewertung der … angebotenen Dienstleistungen. Denn beide Leistungen sind als Teil der einen von der Verfügungsbekl. angebotenen Gesamtdienstleistung anzusehen. Sie stehen auch nicht selbstständig und unabhängig nebeneinander, sondern sind untrennbar verbunden. Denn der „Trackfinder“ baut gerade auf dem vorangegangenen Kopiervorgang auf und verwendet diesen als (notwendige) Vorlage für weitere Dienstleistungen. Damit aber beschränkt die Verfügungsbekl. ihre Tätigkeit gerade nicht auf den reinen technisch-maschinellen Vorgang der Vervielfältigung und tritt nicht als bloßer mit der Herstellung des Vervielfältigungsstücks beauftragter Dritter praktisch nur an die Stelle des Vervielfältigungsgeräts des privilegierten Nutzers. Vielmehr steht die Kopiertätigkeit der Verfügungsbekl. in einem untrennbaren Zusammenhang mit ihrer weiteren unter dem Namen „Track-finder“ angebotenen Dienstleistung (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall OLG Köln GRUR 2000, 414 — GRUR/GRUR Int). Ob die weitergehende Tätigkeit dem eigentlichen Kopiervorgang vor- oder nachgelagert ist, kann insoweit in der rechtlichen Bewertung keinen Unterschied machen.

Aus Sicht der Kammer fehlt es weiterhin an der Unentgeltlichkeit des Dienstleistungsangebots der Verfügungsbekl. i.S.d. § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Auch insoweit ist aus Sicht der Kammer das Dienstleistungsangebot der Verfügungsbekl. aus den genannten Gründen wiederum als Einheit zu sehen und zu bewerten. Soweit die Verfügungsbekl. das Herunterladen von einzelnen Musiktiteln gegen Entgelt ermöglicht — 0,99 €/Tag bei Herunterladen von mehr als 5 einzelnen Musiktiteln pro Tag bzw. 2,99 €/Monat bei unbegrenztem Herunterladen einzelner Musiktitel für den Zeitraum eines Monats—, kann an der Entgeltlichkeit nicht gezweifelt werden. Aber auch, soweit das Dienstleistungsangebot der Verfügungsbekl. für den Kunden nicht mit der Zahlung einer unmittelbaren Vergütung verbunden ist, ist nicht von einer Unentgeltlichkeit i.S.d. § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG auszugehen. Dies betrifft das Angebot zum Mitschnitt und Herunterladen von gesamten Radiosendungen sowie zum Herunterladen von bis zu 5 einzelnen Musiktiteln über den „Trackfinder“. Insoweit ist zu sehen, dass § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG nur bei gänzlich unentgeltlichem Tätigwerden eines Dritten diesen an der Privilegierung des privaten Vervielfältigenden teilnehmen lässt. Letzteres trifft aber auf das Dienstleistungsangebot der Verfügungsbekl. nicht zu, denn es wird ersichtlich von Gewinnerzielungsabsicht getragen. Die Verfügungsbekl. wird in diesem Zusammenhang gewerblich tätig. Von einer Unentgeltlichkeit i.S.d. § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG kann aber bereits dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Vervielfältigungstätigkeit, d.h. das Dienstleistungsangebot insgesamt, auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist und sich nicht bloß auf die Erstattung der Unkosten beschränkt (OLG Dresden, a.a.O.). Eine unmittelbare Entgeltlichkeit der einzelnen Vervielfältigung ist nach Sinn und Zweck des Privilegierungstatbestandes nicht erforderlich (OLG Dresden, mit zustimmender Anm. von Ratiz, in: BeckRS 2006).

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