Widerrufsfrist bei eBay beträgt einen Monat

12. Juni 2007
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Eigener Leitsatz:

Die Länge der Widerrufsfrist, die gewerbliche Händler Verbrauchern bei eBay-Verkäufen einräumen müssen, beträgt einen Monat.

Landgericht Hanau

Urteil vom 12.06.2007

Az.: 5 O 34/07

In dem Rechtsstreit

gegen

hat die 5. Zivilkammer (1, Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Hanau durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht …. als Vorsitzende im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 30.05.2007

für Recht erkannt:

Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren oder Ordnungshaft es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gegenüber Endverbrauchern mittels Fernabsatzvetrrägen bei www.ebay.de Waren anzubieten und den Verbrauchern hierbei nur ein Widerrufsund Rückgaberecht von zwei Wochen einzuräumen, ohne diese über das dem Verbraucher zustehende Widerrufs- und Rückgaberecht gemäß § 312c I BGB, 355 BGB von 1 Monat zu unterrichten.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert wird auf 3.340,- € festgesetzt.

 

Tatbestand:

Die Parteien betreiben den Internet-Versandhandel mit Münzartikeln. Die Verfügungsklägerin ist u.a. auf ihrer Internetseite www. … tätig und sie verkauft über mehrere accounts auf der Internetplattform eBay. Die Verfügungsbeklagte vertreibt gewerblich Münzen über den Online-Markrtplatz „eBay“ unter dem shop …

Sie hat darin am 13.02.2007 den Artikel Münzen Vatikan PP original KMS mit der Option „Sofort Kaufen“ oder „Preis vorschlagen“ eingestellt und in die Artikelbeschreibung folgende Belehrung aufgenommen:

„Widerrufs- und Rückgaberecht
Sie können die Bestellung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen schriftlich widerrufen. Bereits ausgelieferte Waren können Sie innerhalb von 2 Wochen ab Erhalt der Lieferung ohne Angabe von Gründen an uns zurück senden. Detailierte Informationen zu Ihrem Widerrufs- und Rückgaberecht finden sie hier.

Widerrufsbelehrung – Widerrufsrecht
Sie können die Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung … „

Die Verfügungsbeklagte geht davon aus das die Widerrufsfrist 1 Monat beträgt, weil die Belehrung in Textform erst nach Vertragsschluss zugeht und beanstandet deshalb die AGB der Antragsgegnerin als wettbewerbswidrig, und zwar als Verstoß gegen § 312 c Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 BGB-InfoV und nimmt diese deswegen im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000, 00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren oder Ordnungshaft es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gegenüber Endverbrauchern mittels Fernabsatzverträgen bei www.ebay.de Waren anzubieten und den Verbrauchern hierbei nur ein Widerrufs- und Rückgaberecht
von 2 Wochen einzuräumen, ohne diese über das dem Verbraucher zustehende Widerrufsund Rückgaberecht gemäß § 312c I BGB, 355 BGB von 1 Monat zu unterrichten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Belehrung über eine Widerrufsfrist von 2 Wochen im Rahmen von eBay Angeboten sei vertretbar. Da bei eBay- Angeboten die Möglichkeit bestehe, innerhalb von 90 Tagen nach Kauf die Angebotsseite aufzurufen, entspreche dies den Anforderungen an die Textform. Zudem könne der Verbraucher das Angebot selbst speichern oder ausdrucken.

In neuern Gerichtsentscheidungen (LG Paderborn 28.11.2006, LG Flensburg 23.08.2006) werde diese Ansicht ebenfalls vertreten. Schutzbedürfnissen potentieller Verbraucher werde ausreichend Rechnung getragen, so dass der Verfügungsbeklagten auch kein Wettbewerbsvorteil erwachse.

Da die Verfügungsbeklagte die Widerrufsbelehrung nach dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1, 3 BGBInfoV sei ein Verstoß in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landgerichts Münster vom 02.08.2006 (Az. 24 O 96-06) zu verneinen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagte ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 III Nr. 1, 3, 4, Nr. 11 UWG, § 312 c I 1 BGB, § 1 I Nr. 10 BGB-InfoV zu.

Die von der Verfügungsklägerin beanstandete Belehrung der Verfügungsbeklagten zu den Widerrufsfolgen steht nicht im Einklang mit den vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen und stellt deshalb ein wettbewerbswidriges Verhalten im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar.

Es ist anerkannt, dass die Regelungen des Widerrufs- und Rückgaberechts in § 312 c I BGB, § 1 I Nr. 10 BGB-InfoV und § 355 BGB Bestimmungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG sind, deren Aufgabe es auch ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln. Die Belehrungspflichten sollen es den Kunden ermöglichen, sachgerecht von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Wird unzutreffend über Kundenrechte belehrt, ist davon auszugehen, dass dieser Verkäufer sich Wettbewerbsvorteile gegenüber sich richtig verhaltenden Konkurrenten verschafft.

Der Unternehmer ist gemäß § 312 c I 1 BGB verpflichtet, dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung Informationen zur Verfügung zu stellen; hierzu gehören die in § 1 I Nr. 10 BGB-InfoV aufgeführten Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung. Die Antragstellerin genügt den Informationspflichten gemäß §§ 312c I BGB, 1 I Nr. 10 BGB-InfoV nicht schon dadurch, dass sie im Rahmen der Produktbeschreibung mit dem im Tatbestand wiedergegebenen Text belehrt. Die Belehrung muss nämlich auch richtig sein. Die verwandte Belehrung der Verfügungsbeklagten widerspricht der tatsächlichen Rechtslage zum Widerrufsrecht der Verbraucher beim Kauf bei der Antragsgegnerin über „ebay“. Das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin verstößt demgemäß gegen § 312 c I BGB, § 1 I Nr. 10 BGB-InfoV.

Gemäß § 312 d I 1 BGB steht dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu.

Der Widerruf bei Verbraucherverträgen hat gemäß § 355 I 2 BGB „ innerhalb von zwei Wochen“ zu erfolgen, gemäß § 355 II 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit Erhalt der Widerrufsbelehrung in „Textform“. Erfolgt die erforderliche Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss, so beträgt die Widerrufsfrist einen Monat (§ 355 II 2 BGB). Über diese Widerrufsfrist von einem Monat belehrt die Verfügungsbeklagte die Verbraucher nicht. Diese Belehrung hat aber gemäß § 312 c I BGB bereits rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu erfolgen.

Der Hinweis auf die einmonatige Widerrufsfrist (§ 355 II 2 BGB) ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin gerade im Hinblick auf die Besonderheiten des Verkaufs bei „ebay“ erforderlich und nicht etwa entbehrlich. Gemäß § 355 II 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit dem Erhalt der Widerrufsbelehrung in „Textform“. Die Textform ist in § 126 b BGB bestimmt. Demnach muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneter Weise abgegeben werden. Da § 312 c II BGB eine Mitteilung der entsprechenden Informationen erfordert, handelt es sich um eine in diesem Sinne zugangsbedürftige Information. Der Zugang in Textform erfordert daher zusätzlich, dass die Erklärung in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Form in den Bereich des Empfängers gelangt.

Das bei Aufruf einer Internetseite deren Inhalt für einen gewissen Zeitraum in den Ordner für temporäre Internetdateien zwischengespeichert wird, führt nicht zu einem Empfang dergestalt, dass dem Empfänger die dauerhafte Wiedergabe möglich ist, weil bei Erreichen der Speicherkapazitäten diese Zwischenspeicherungen vom Betriebssystem gelöscht werden und durch erneuten Aufruf der Internetseite eine zwischenzeitlich erfolgte Aktualisierung übernommen wird.

Dass der Empfänger die Internetseite auf seiner Festplatte speichern und damit sich in die Lage versetzen könnte, den Inhalt der Seite dauerhaft wiederherzustellen, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Im Gegensatz zu Brief, Fax oder E-Mail „verflüchtigt“ sich der Inhalt einer aufgerufenen Internetseite automatisch, soweit der Verbraucher keine aktiven Gegenmaßnahmen in Form der manuellen Speicherung einleitet (so überzeugend Bonke/Gellmann in „Widerrufsfrist bei ebay-Auktionen“ NJW 2006, 3169-3232). Da das Gesetz dem Unternehmer die Verpflichtung auferlegt, dem Verbraucher die Informationen zum Widerrufsrecht formgerecht zukommen zu lassen, ist es nicht Aufgabe des Verbrauchers, die Eignung zur dauerhaften Wiedergabe der die Informationen enthaltenden Datei durch eine manuelle Speicherung selbst erst herbeizuführen.

Wer den Zugang im Textform aufgrund der bloßen Möglichkeit der Speicherung bejaht, liegt dem Verbraucher daher die den Unternehmer treffende Verpflichtung auf, den formgerechten Zugang erst herbeizuführen. Eine Angebotsseite bei ebay ist auch nicht deshalb als zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignet anzusehen, weil ebay die jeweilige Angebotsseite für einen gewissen Zeitraum in unveränderter Form zum erneuten Aufruf bereithält. Durch die bloße Möglichkeit des erneuten Onlineabrufs gelangt die Datei nicht einmal in dem Herrschaftsbereich des Verbrauchers, was aber für einen formgerechten Zugang erforderlich wäre.

Soweit das Landgericht Münster mit Urteil vom 02.08.2006, Az.: 24 O 96/06 davon ausgegangen ist, dass die Belehrung ausreichend ist, wenn für die Widerrufsbelehrung das Muster für eine Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 I und 3 BGB-InfoV verwandt werde, weil die BGB-InfoV durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 02.02.2004 Gesetzesrang erhalten habe und deshalb normenhierarchisch mit §§ 355, 312 II BGB auf eine Ebene stehe, ist das im hier zu entscheidenden Fall irrelevant.

Hier geht es nicht um die Belehrung zum Fristbeginn, sondern um die Dauer der Widerrufsfrist. Zur Widerrufsfrist enthält das Muster zur Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 I und 3 BGB-InfoV aber auch nur die Aussage (vgl Gestaltungshinweis 1 im Text des Musters) „Wird die Belehrung erst nach Vertragsschluss mitgeteilt, lautet der Klammerzusatz 1 Monat“. Das Muster sieht mithin auch die 1-Monatsfrist vor. Da die Verfügungsbeklagte unterlegen ist, hat sie die Kosten des Rechtsstreites zu tragen, § 91 ZPO. Wegen der nicht allzu großen Wichtigkeit der Angelegenheit und weil es sich nur um eine einstweilige Regelung handelt, war der Streitwert mit 1/3 der Hauptsache, die sich in der Größenordnung von allenfalls 10.000 € bewegen kann, anzusetzen.

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