Zur Zulässigkeit einer kostenpflichtigen Servicenummer in einer Widerrufsbelehrung

04. Februar 2016
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Handy liegt auf Geldscheinen Urteil des LG Hamburg vom 03.11.2015, Az.: 312 O 21/15

Eine Widerrufsbelehrung, die eine kostenpflichtige Servicenummer enthält, ist zulässig, wenn der Unternehmer dem Verbraucher nicht mehr als die reinen Kosten des elektronischen Kommunikationsdienstes berechnet (Grundtarif), sodass der Unternehmer keinen Gewinn erzielt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Widerrufsbelehrung zudem eine E-Mail Adresse enthält, über welche das Widerrufsrecht kostenlos ausgeübt werden kann.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 03.11.2015

Az.: 312 O 21/15

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist eine gemeinnützige Kontrollinstitution der deutschen Wirtschaft, u.a. mit der Aufgabe, wettbewerbliche Rechtsverletzungen im gewerblichen Bereich auszuräumen.

Die Beklagte ist eine zur O.G. gehörende Versandhändlerin.

Die Beklagte verwendete zunächst AGB, die bezüglich des Ausübens des gesetzlichen Widerrufsrechts folgenden Wortlaut hatte:

„Um ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (b. Handelsgesellschaft mbH), (PLZ)H…, Tel..: (Anrufkosten: Festnetz 14 Cent/Anruf. Mobilfunk max. 42 Cent/Anruf), …, über ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren.“

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anl. K1 Bezug genommen.

Inzwischen verwendet sie in ihren AGB leicht abweichend die nachfolgend wiedergegebene Klausel:

„Um ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (b. Handelsgesellschaft mbH, H… Str. …, (PLLZ)H…) Tel..: (Anrufkosten: Festnetz 14 Cent/Minute inkl. Mehrwertsteuer, Mobilfunk max. 42 Cent/Minute inkl. Mehrwertsteuer), …, über ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren.“

Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf die Anl. B 1 Bezug genommen.

Die Abmahnung des Klägers, der beide Varianten der Klausel für AGB rechtswidrig hält, blieb ohne Erfolg.

Der Kläger trägt vor,

die Klausel verstoße gegen § 312 a Abs. 5 S. 1 BGB. Bei dieser Klausel handele es sich um die Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL 2011/82/EU, VRRL). In Art. 21 sei diesbezüglich geregelt, dass der Verbraucher nicht verpflichtet ist,

„bei einer telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer mehr als den Grundtarif zu zahlen.“

Nach dem Leitfaden der GD JUSTIZ zur VRRL sollten, um dieser Grundtarif – Regelung zu entsprechen, die Unternehmer als Telefonnummern gewöhnliche (geografische) Festnetz- oder Mobiltelefonnummern benutzen, die keinem Sondertarifsystem unterlägen (Anl. K5). Der Grundtarif der Deutschen Telekom betrage bei einem Festnetzanruf 2,9 Cent, sei also deutlich günstiger als das von der Beklagten verlangte Entgelt. Der europäische Gesetzgeber habe mit der Richtlinie erreichen wollen, dass der Verbraucher nur den Grundtarif zahlen solle, bei dem es sich um den möglichst niedrigsten Tarif handeln müsse. Dies sei bei einer 0180-5er Nummer nicht der Fall. Dies gelte erst recht, wenn man hinzunehme, dass ein Großteil der Verbraucher über Mobilfunk verfüge und dementsprechend den weit höheren Betrag von 42 Cent /Minute bzw. Anruf zu zahlen hätte.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen bei der Beklagten an ihrem Geschäftsführer,

es zu unterlassen

a) im geschäftlichen Verkehr im Rahmen der Widerrufsbelehrung auf eine kostenpflichtige Mehrwertdienstnummer zu verweisen, wenn dies geschieht wie folgt:

„Um ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (b. Handelsgesellschaft mbH), (PLZ)H…, Tel.: (Anrufkosten: Festnetz 14 Cent/Anruf. Mobilfunk max. 42 Cent/Anruf), … über ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren.“

oder

b) im geschäftlichen Verkehr im Rahmen der Widerrufsbelehrung auf eine kostenpflichtige Mehrwertdienstnummer zu verweisen, wenn dies geschieht wie folgt:

„Um ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (b. Handelsgesellschaft mbH, H… Str. …, (PLLZ)H…) Tel.: (Anrufkosten: Festnetz 14 Cent/Minute inkl. Mehrwertsteuer, Mobilfunk max. 42 Cent/Minute inkl. Mehrwertsteuer), … über ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren.“
2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 246,10 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagzustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor,
beide angegriffenen AGB seien nicht zu beanstanden. Die Regelung in Anl. K1 sei im Übrigen historisch und werde von ihr schon lange nicht mehr verwendet. Sie sei nur versehentlich und nur für kurze Zeit in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen worden. Etwaige Unterlassungsansprüche insoweit seien auch verjährt.

Weder die ältere noch die neue Reglung bezüglich der telefonischen Ausübung des Widerrufsrechts verstoße gegen § 312 a Abs. 5 S. 1 BGB. Vielmehr halte sich die Regelung wortgenau an die Vorgabe des § 312 a Abs. 5 S. 1 BGB. Diese stelle auf die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes ab. Dieses Entgelt dürfe verlangt werden, unzulässig sei nur derjenige Betrag, der darüber hinausgehe. Die Richtigkeit einer solchen Auslegung zeige auch die Gesetzesbegründung der Bundesregierung (BT-DS 17, 12637, von der Beklagten vorgelegt als Anl. B 2), wonach das Entgelt zu zahlen sei, das der Verbraucher für die Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienstleistung zu zahlen habe. Maßgeblich sei, dass das Unternehmen aus dem Betrieb der Hotline keine Gewinne ziehe. Dementsprechend seien in der Gesetzesbegründung als zulässige Rufnummern auch Rufnummern für Service-Dienste im Sinne von § 3 Nr. 8b TKG genannt, wenn von dem Anbieter des Telekommunikationsdienstes für das Gespräch kein Entgelt an den Unternehmer abgeführt werde. Zu diesen Rufnummern der Servicedienste gehörten auch die 0180er – Nummern, die bundesweit zu einem einheitlichen Tarif angewählt werden könnten. Eine entsprechende Bestätigung ergebe sich ferner aus der schriftlichen Auskunft der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen aus dem Referat 512 für Grundsatzfragen der Verfolgung von Rufnummernmissbrauch, Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen und Spam vom 18. Oktober 2013 (Anl. B3).

Die von dem Kläger und in dem Leitfaden der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission vertretene Auffassung, „Grundtarife“ seien nur gewöhnliche Festnetz- oder Mobilfunknummern, hätte weder in Art. 21 VRRL noch im umgesetzten Gesetzestext eine Grundlage. Der Wortlaut lasse ersichtlich zu, dass ein Entgelt verlangt werden dürfe. Maßgeblicher Richtlinienzweck sei, dass der Unternehmer kein eigenes Entgelt erziele. Mit welcher Art von Telefontarif er das erreiche, sei seine Sache. Zudem lasse sich angesichts der Fülle der angebotenen Telefontarife nicht feststellen, was denn hiervon ein Grundtarif sein solle.

Hinzu komme, dass § 312 a Abs. 5 BGB alle Fälle betreffe, in denen es um Anrufe „wegen Fragen oder Erklärungen zu einem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag“ gehe. Der Anwendungsbereich sei also deutlich weiter als nur die Schaffung einer Möglichkeit zur Ausübung des Widerrufsrechts. § 312 a Abs. 5 BGB gebe hingegen nichts dafür her, dass bezüglich der zulässigen Telefontarife noch weiter ausdifferenziert werden müsste, ob es um einen Widerruf oder etwa um die Geltendmachung von Mängeln oder das Erfragen von Informationen zum Vertragsinhalt gehe. Die schließlich vom Kläger für seine Auffassung angeführte Entscheidung des OLG Frankfurt sei nicht einschlägig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2015 (Bl. 51f d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 312 a Abs. 5 BGB zur Seite, denn die von der Beklagten verwendeten Klauseln befinden sich in Übereinstimmung mit dieser Vorschrift und Art. 21 VRRL. Insoweit bestand nach Auffassung der Kammer auch keine Notwendigkeit, die Sache dem EuGH vorzulegen.
1.

a)
Die jetzige Regelung, wonach die (telefonische) Ausübung des Widerrufsrechts über Mobilfunk Kosten von maximal € 42 Cent/Min. resp. 14 Cent/Min. über Festnetz mit einem 01805er Tarif verursacht, verstößt nicht gegen § 312 a Abs. 5 BGB. Danach ist eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass der Verbraucher den Unternehmer wegen Fragen oder Erklärungen zu einem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag über eine Rufnummer anruft, die der Unternehmer für solche Zwecke bereithält, unwirksam, wenn das vereinbarte Entgelt das Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes übersteigt. Dies ist, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, vorliegend nicht der Fall. Denn die Beklagte berechnet im Falle der Inanspruchnahme der angegebenen 01805er Rufnummer nur das Entgelt, das der Telekommunikationsdienstleister berechnet.

b)
Die Regelung steht auch im Einklang mit Art. 21 VRRL aufgrund dessen Umsetzung § 312 a Abs. 5 BGB eingeführt wurde. Nach Art. 21 Abs. 1 VRRL haben die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass der Verbraucher nicht verpflichtet ist, bei einer telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer mehr als den Grundtarif zu zahlen, wenn der Unternehmer eine Telefonleitung eingerichtet hat, um mit ihm im Zusammenhang mit dem geschlossen Vertrag telefonisch Kontakt aufzunehmen. Bei der von der Beklagten angebotenen 1805er mit den entsprechenden Tarifen von max. 42 bzw. 14 Cent/Min handelt es sich um einen solchen Grundtarif. Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Klägerin, unter Grundtarif sei nur die gewöhnliche (geografische) Festnetz- oder Mobilfunknummer zu verstehen. In diese Richtung hat sich zwar die Generaldirektion Justiz in einem Leitfaden unverbindlich geäußert (Anl. K5). Auch in diesem Leitfaden ist allerdings auch nur davon die Rede, dass die Unternehmer entsprechende Nummern vorhalten sollten. Dass dies etwa die einzige zulässige Form eines richtlinienkonformen Grundtarifs sein soll, lässt sich auch dem Leitfaden nicht entnehmen.

Die Kammer ist vielmehr mit der Beklagten der Auffassung, dass es maßgeblich darauf ankommt, dass der Unternehmer dem Verbraucher nicht mehr als die reinen Kosten des elektronischen Kommunikationsdienstes berechnet. Dies ist bei der hier in Rede stehenden Rufnummer der Fall und es entspricht auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers. Nach der Gesetzesbegründung ist diese Voraussetzung u.a. dann erfüllt, wenn es sich um eine Rufnummer für Service-Dienste im Sinne von § 3 Nr. 8b TKG handelt, bei der von dem Anbieter des Telekommunikationsdienstes für das Gespräch kein Entgelt an den Unternehmer abgeführt wird. Zu den Rufnummern nach § 3 Nr. 8b TKG gehören die Servicenummern und dabei insbesondere diejenigen des Rufnummernbereichs (0)180, die bundesweit zu einem einheitlichen Entgelt zu erreichen sind (ebenso Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 312 a BGB, Rnr. 6). Die Kosten von maximal 42 Cent/Min bzw. 14 Cent/Min. sind im Übrigen für sich genommen nicht so hoch, als dass sie einen Verbraucher von der Ausübung des Widerrufs abhalten könnten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte noch eine E-Mail Adresse vorhält, über die das Widerrufsrecht kostenlos ausgeübt werden kann. Die zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 TKG ergangene Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil vom 2. Oktober 2014, Az. 6 U 219/13, GRUR – RR 2015, S. 50ff) ist nicht einschlägig. Denn dort ging es um die Frage, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 TKG erfüllt sind, wenn neben einer E-Mail – Adresse eine telefonische Kontaktaufnahme angeboten wird, für die der Verbraucher € 2,99 aus dem Mobilfunknetz zu zahlen hat.

Schließlich steht auch nicht der Begriff „Grundtarif“ dieser Auslegung entgegen. Denn darunter lässt sich zwanglos ein Tarif subsumieren, bei dem der Verbraucher nur die für den Kommunikationsdienstleister entstandenen Kosten trägt (Grundtarif) und keinen Aufschlag für den Unternehmer zu zahlen hat. Jedenfalls kann mit dem Begriff „Grundtarif“ nicht der für den Verbraucher günstigste Tarif gemeint sein. Angesichts der unüberschaubaren Tarifvielfalt mit Varianten, die z.B. nach der Dauer des Gesprächs abrechnen oder über eine Flatrate oder über Kombinationen beider, lässt sich ein einheitlich günstiger Tarif für alle Verbraucher nicht festlegen. Im Gegenteil würden auch etwa bei dem Angebot einer gewöhnlichen (geografischen) Festnetz- oder Mobilfunknummer die Kosten für den Verbraucher, je nachdem welchen Anbieter er als Vertragspartner hat, für die Ausübung des Widerrufsrechts höchst unterschiedlich sein. Dies ließe sich nur dadurch umgehen, dass der Unternehmer eine Vielzahl von Rufnummern zur Ausübung des Widerrufsrechts vorhalten müsste. Eine solche Pflicht lässt sich jedoch weder dem Begriff „Grundtarif“ noch sonst der VRRL entnehmen.

Die Klausel erweist sich nach allem als zulässig.

2.
Aus den oben genannten Gründen ist auch die zunächst verwendete Klausel, wonach maximal 42 Cent (Mobil) bzw. 14 Cent (Festnetz) pro Gespräch zu zahlen waren, ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn diese Klausel führt verglichen mit der jetzt bestehenden zu allenfalls weniger Kosten bei Ausübung des Widerrufsrechts.

3.
Aus den vorstehenden Gründen stehen dem Kläger auch keine Ansprüche auf Zahlung der Abmahnkosten zu.

4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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