Zur Zulässigkeit von Zuwendungen für den Bezug von Arzneimitteln
Bundesgerichtshof
Urteil vom 24.11.2016
Az.: I ZR 163/15
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2016 […] für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Beklagten und der Klägerin wird das Teilurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Juli 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Nordrhein. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in den Niederlanden. Sie betreibt dort eine Versandapotheke und beliefert Kunden in Deutschland.
Im April 2013 warb die Beklagte mit einer als Vergütung für die Mitwirkung des Kunden bei einem von ihr durchgeführten Arzneimittel-Check ausgelobten Prämie in Höhe von 2,50 € bis zu 20 € bei der Einlösung von Kassen- oder Privatrezepten. Die Klägerin nahm die Beklagte wegen eines nach ihrer Ansicht darin liegenden Verstoßes gegen das Arzneimittelpreisrecht, das für verschreibungspflichtige und zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen abgegebene Arzneimittel einheitliche Abgabepreise der Apotheken vorsieht, im Wege einstweiligen Rechtsschutzes erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch. Die vorgerichtlichen Abmahnkosten in Höhe von 2.118,44 € nebst Zinsen sowie ein Pauschalbetrag von 30 € an vorgerichtlichen Kosten sind Gegenstand des Klageantrags zu I. Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit hinsichtlich dieses Klageantrags ausgesetzt.
Im April 2014 wurde die Klägerin darauf aufmerksam, dass die Beklagte im Internet unter dem Titel „Freunde werben Freunde“ und „Das lohnt sich jetzt besonders“ eine „10 Euro-Sofort-Prämie“ für den Fall auslobte, dass ein Kunde einen Freund als Kunden für sie warb, der ein Rezept einreichte oder rezeptfreie Produkte im Gesamtwert von mindestens 25 € bestellte. Darüber hinaus versprach die Beklagte dem werbenden Kunden für den Fall der Werbung eines zweiten Freundes – zusätzlich zu der Prämie von 10 € – einen Rabatt von 10% auf jeden Einkauf rezeptfreier Medikamente, Gesundheits- und Pflegeprodukte. Die Klägerin sieht in dieser Werbung einen Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht sowie das Heilmittelwerberecht und damit auch gegen das Wettbewerbsrecht.
Die Klägerin hat – soweit im Revisionsverfahren von Interesse – beantragt,
I. …
II. die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
1. ihren Kunden in Deutschland eine Bankgutschrift von 10 € zu versprechen und/oder zu gewähren für die Werbung eines neuen Kunden, der ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel erwirbt,
und/oder
2. ihren Kunden in Deutschland einen Rabatt von 10% auf ihren nächsten Einkauf zu versprechen und/oder zu gewähren für die Werbung eines neuen Kunden, der ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel erwirbt,
insbesondere wenn dies erfolgt wie nachstehend wiedergegeben:
[Abbildung]
Mit dem Klageantrag zu III beansprucht die Klägerin wegen der mit dem Klageantrag zu II beanstandeten Handlungen der Beklagten die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 2.348,94 € nebst Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage bis auf die von der Klägerin mit dem Klageantrag zu I geltend gemachte Kostenpauschale stattgegeben. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil die Berufung der Beklagten im Hinblick auf die Verurteilung nach dem Klageantrag zu II 1 zurückgewiesen und hinsichtlich ihrer Verurteilung nach dem Klageantrag zu II 2 das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die mit dem Klageantrag zu III beanspruchten Abmahnkosten hat es zur Hälfte als erstattungsfähig angesehen (OLG Köln, Urteil vom 17. Juli 2015 6 U 189/14, juris).
Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen, deren Zurückweisung die jeweils andere Partei beantragt, verfolgen die Parteien ihre im Berufungsverfahren im Hinblick auf die Klageanträge zu II und III gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch nur wegen der Werbung mit der 10 €-Prämie und nicht bezüglich der Werbung mit dem 10%-Rabatt zu. Der Antrag auf Erstattung der Abmahnkosten sei dementsprechend nur zur Hälfte begründet. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Unterlassungsanspruch bezüglich der 10 €-Prämie folge aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG (aF) in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG. Bei der Werbung der Beklagten handele es sich um eine produktbezogene Werbung, die sich auf bestimmte Heilmittel beziehe und deshalb grundsätzlich unzulässig sei. Es liege keine reine Imagewerbung vor, auch wenn die Werbung sich auf das gesamte Sortiment der von der Beklagten betriebenen Versandapotheke beziehe. Der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG sei nicht erfüllt. Die Zuwendung in Form eines bestimmten Geldbetrages sei für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt würden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gälten.
Der Klägerin stehe dagegen wegen der Werbung mit einem 10%igen Rabatt auf vom Werber bezogene rezeptfreie Arzneimittel kein Anspruch gemäß den §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG (aF) in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG zu. Die Arzneimittelpreisvorschriften sähen für rezeptfreie Medikamente keine Preisbindung vor. Der Rabatt werde nicht mittelbar auf ein verschreibungspflichtiges Medikament gewährt.
II. Das angefochtene Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht über die Klageanträge zu II und III nicht durch Teilurteil (§ 301 ZPO) entscheiden durfte. Der Erlass eines unzulässigen Teilurteils stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 – VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 19 und 26 ff.; Urteil vom 13. Juli 2011 – VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 31; Urteil vom 23. September 2015 – I ZR 74/14, GRUR 2015, 1201 Rn. 25 = WRP 2015, 1487 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot, mwN). Er führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse nicht besteht. Ein Teilurteil ist schon dann unzulässig, wenn nicht auszuschließen ist, dass es in demselben Rechtsstreit zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ist gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Dazu reicht die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen aus, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Ein Teilurteil darf deshalb nur ergehen, wenn der weitere Verlauf des Prozesses die zu treffende Entscheidung unter keinen Umständen mehr berühren kann (BGH, GRUR 2015, 1201 Rn. 26 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot, mwN).
2. Nach diesen Maßstäben durfte das Berufungsgericht nicht durch Teilurteil über die Klageanträge zu II und III entscheiden und den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu I aussetzen.
a) Der vom Berufungsgericht als maßgeblich angesehene Umstand, dass der Klageantrag zu I einen anderen Streitgegenstand betrifft als die Klageanträge zu II und III, ist für die Frage der Zulässigkeit eines Teilurteils ohne Belang. Entscheidend ist vielmehr, dass bei allen Klageanträgen dieselbe Rechtsfrage von Bedeutung sein kann, so dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht. Nicht nur beim Klageantrag zu I, sondern auch bei den Klageanträgen zu II und III kann die Frage entscheidungsrelevant werden, ob die deutschen Regelungen des Arzneimittelpreisrechts mit dem Unionsrecht vereinbar sind, soweit sie Geltung für in einem anderen Mitgliedstaat der Union ansässige Versandapotheken beanspruchen, die Arzneimittel an Kunden in Deutschland liefern.
b) Die Revision der Beklagten verweist zu Recht darauf, dass nach der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung diese Frage auch für seine Entscheidung über den Klageantrag zu II 1 und den darauf bezogenen Teil des Klageantrags zu III entscheidungserheblich ist. Ohne Bedeutung ist der Umstand, dass das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten nicht auf einen Verstoß gegen § 78 Abs. 1 AMG, sondern auf einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG gestützt hat.
aa) Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV sind allerdings neben § 7 HWG anwendbar. Die beiden Regelungsbereiche weisen unterschiedliche Zielsetzungen auf. Der Zweck der in § 7 HWG enthaltenen Regelung besteht vor allem darin, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden sollen. Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV sind nach ihrem Zweck dagegen dazu bestimmt, den (Preis-)Wettbewerb unter den Apotheken zu regeln (BGH, Urteil vom 9. September 2010 – I ZR 193/07, GRUR 2010, 1136 Rn. 21 f. = WRP 2010, 1482 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, mwN).
bb) Jedoch sind sowohl geringwertige Kleinigkeiten im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG als auch Rabatte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 und Nr. 2 Halbs. 2 HWG. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 HWG können bei einer Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel deshalb nur bejaht werden, wenn festgestellt wird, dass ein Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht vorliegt.
cc) Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts kommt es bei der Entscheidung über den Klageantrag zu II 1 darauf an, ob den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften das Unionsrecht entgegensteht, soweit sie ausländische Versandapotheken in ihren Anwendungsbereich einbeziehen. Es hat angenommen, der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 HWG sei bei der Werbung der Beklagten mit einer Prämie von 10 € für den Kunden, der einen Freund als Kunden der Beklagten werbe, eröffnet. Es liege kein Ausnahmefall nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG vor, weil Zuwendungen in Form eines bestimmten Geldbetrags für Arzneimittel unzulässig seien, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt würden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gälten.
c) Das gilt für die Entscheidung über den Klageantrag zu II 2 und den darauf bezogenen Teil des Klageantrags zu III entsprechend. Zwar war die Vereinbarkeit der Geltung des deutschen Arzneimittelpreisrechts für ausländische Versandapotheken mit dem Unionsrecht für die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Es ist davon ausgegangen, dass die Werbung mit einem Rabatt von 10% auf rezeptfreie Arzneimittel nicht zu beanstanden sei, weil die deutschen Arzneimittelpreisvorschriften insoweit keine Preisbindung vorsähen. Jedoch ist ein Teilurteil unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Rechtsmittelgericht die in Rede stehende Rechtsfrage abweichend beurteilt. Dies kommt hier in Betracht. Die Revision der Klägerin macht geltend, der von der Beklagten versprochene Rabatt auf den Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch den Altkunden verstoße gegen das Arzneimittelpreisrecht für verschreibungspflichtige Medikamente, weil er mittelbar dem Neukunden zugutekomme, der ein Rezept für verschreibungspflichtige Arzneimittel einlöse. Wenn diese Ansicht zuträfe, setzte die Verurteilung der Beklagten voraus, dass die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente mit dem Unionsrecht in Einklang steht.
III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist bereits wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1 ZPO).
IV. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob das Berufungsgericht die Beklagte zu Recht nach dem Klageantrag zu II 1 und dem hierauf bezogenen Klageantrag zu III verurteilt hat.
a) Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Anspruch der Klägerin gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG nicht bejaht werden.
aa) Da die Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auf Wiederholungsgefahr gestützt hat, ist ihre Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisions-instanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 – I ZR 158/14, GRUR 2015, 1240 Rn. 31 = WRP 2015, 1464 – Der Zauber des Nordens; Urteil vom 4. Februar 2016 – I ZR 181/14, GRUR 2016, 954 Rn. 10 = WRP 2016, 1100 – Energieeffizienzklasse).
In der Zeit zwischen der Veröffentlichung der beanstandeten Werbung im April 2014 und der Verkündung des vorliegenden Revisionsurteils am 24. November 2016 ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I 2015, S. 2158) mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht.
Der seit dem 10. Dezember 2015 geltende § 3a UWG entspricht der bis dahin in § 4 Nr. 11 UWG aF enthaltenen Regelung des wettbewerbsrechtlichen Rechtsbruchtatbestands. Das zuvor in § 3 Abs. 1 UWG aF bestimmte Spürbarkeitserfordernis ist nunmehr im Tatbestand des § 3a UWG unmittelbar enthalten. Damit führt diese Vorschrift die zuvor an unterschiedlichen Stellen im Gesetz geregelten Voraussetzungen des Rechtsbruchtatbestands an einer Stelle zusammen. Dies dient allein der einfacheren Rechtsanwendung (vgl. BGH, Urteil vom 4. Januar 2016 – I ZR 61/14, GRUR 2016, 516 Rn. 11 = WRP 2016, 581 – Wir helfen im Trauerfall, mwN).
bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot von Werbegaben stelle eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) dar, weil es dem Gesundheitsschutz von Verbrauchern diene (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2006 – I ZR 145/03, GRUR 2006, 949 Rn. 25 = WRP 2006, 1370 – Kunden werben Kunden; Urteil vom 26. März 2009 – I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082 Rn. 21 = WRP 2009, 1385 – DeguSmiles & more). Mit der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG soll durch die weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnet werden, dass Verbraucher bei der Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden (BGH, Urteil vom 6. November 2014 – I ZR 26/13, GRUR 2015, 504 Rn. 9 = WRP 2015, 565 – Kostenlose Zweitbrille, mwN; Urteil vom 12. Februar 2015 – I ZR 213/13, GRUR 2015, 813 Rn. 10 = WRP 2015, 966 – Fahrdienst zur Augenklinik).
cc) Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die keinen mit der Bestimmung des § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt, in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat (Art. 4 der Richtlinie; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 – I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 12 = WRP 2012, 1219 – GOOD NEWS I, mwN), steht der Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG im Streitfall nicht entgegen. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Beschränkung der Möglichkeit, mit Werbegaben zu werben, stellt, soweit sie die in § 1 Abs. 1 HWG aufgeführten Produkte betrifft, eine unionsrechtskonforme nationale Regelung in Bezug auf die Gesundheitsaspekte von Produkten dar, die deshalb gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG von dieser unberührt bleibt (BGH, GRUR 2015, 813 Rn. 11 – Fahrdienst zur Augenklinik).
dd) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die in Rede stehende Werbung der Beklagten produktbezogen ist und deshalb hierauf die Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes grundsätzlich anzuwenden sind.
(1) Nicht jede Werbung für Arzneimittel im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG unterfällt den Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes. Einbezogen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ist nur die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung) und nicht die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), durch die ohne Bezugnahme auf bestimmte Arzneimittel für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein geworben wird (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2002 – I ZR 60/00, GRUR 2003, 353, 355 f. = WRP 2003, 505 – Klinik mit Belegärzten). Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt danach maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Diese Grundsätze gelten auch für die in § 7 HWG geregelte Werbung mit Werbegaben. Die Bestimmung des § 7 HWG ist daher nur anwendbar, wenn gewährte Werbegaben sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs als Werbung für konkrete Heilmittel darstellen (BGH, GRUR 2009, 1082 Rn. 15 – DeguSmiles & more).
(2) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der in Rede stehenden Werbung nicht um eine reine Imagewerbung der Beklagten handelt, auch wenn sie sich auf das gesamte Sortiment der Versandapotheke bezieht. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass der erforderliche Produktbezug darin besteht, dass die Beklagte die Zuwendung eines Geldbetrags von 10 €davon abhängig gemacht hat, dass ein Kunde einen Freund als Kunden für sie wirbt, der ein Rezept einreicht oder rezeptfreie Produkte im Gesamtwert von mindestens 25 € bestellt. Der Zweck der Regelung des § 7 HWG besteht vor allem darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen ausgehen kann (vgl. BGH, GRUR 2009, 1082 Rn. 16 – DeguSmiles & more). Es gibt keinen überzeugenden Grund, den vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehenen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln eingesetzt wird. Die Eignung einer Zuwendung, den Absatz eines Heilmittels durch einen unsachlichen Einfluss auf den Kunden zu steigern, hängt nicht davon ab, ob die Zuwendung allein für genau benannte Arzneimittel, eine nicht näher eingegrenzte Vielzahl von Arzneimitteln oder sogar für das gesamte Sortiment angekündigt und gewährt wird (BGH, GRUR 2009, 1082 Rn. 16 – DeguSmiles & more).
(3) Nichts anderes ergibt sich aus den Urteilen des Senats vom 9. September 2010 (GRUR 2010, 1136 Rn. 24 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE; I ZR 37/08, MPR 2010, 201 Rn. 21; I ZR 26/09, MPR 2010, 206 Rn. 22; I ZR 125/08, MPR 2010, 204 Rn. 20). Soweit im Schrifttum die Ansicht vertreten wird, der Senat sei in diesen Entscheidungen von der DeguSmiles & more-Entscheidung abgerückt (Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl., § 7 Rn. 15), trifft dies nicht zu.
Zwar hat der Senat in diesen Entscheidungen eine auf das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer Apotheke bezogene Zuwendung als „Imagewerbung“ bezeichnet. Er hat damit jedoch nicht in Abkehr von den Maßstäben der „DeguSmiles & more“-Entscheidung zum Ausdruck gebracht, eine Werbung mit Zuwendungen oder Werbegaben, die sich auf das gesamte Sortiment erstrecke, stehe ihrer Bewertung als Absatzwerbung stets entgegen.
(4) Der Produktbezug der in Rede stehenden Werbung ist im vorliegenden Fall nicht deshalb zu verneinen, weil die ausgelobte Werbegabe nicht dem Erwerber des Arzneimittels selbst zukommen soll, sondern einem Dritten, der gegen Gewährung einer Werbeprämie einen neuen Kunden der Beklagten für Arzneimittel wirbt. Die Revision der Beklagten erhebt insoweit keine Rügen.
ee) Das Berufungsgericht hat vorbehaltlich der Frage der Übereinstimmung der deutschen arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften mit dem Unionsrecht (dazu sogleich IV 1 ff, Rn. 38 ff.) zu Recht angenommen, dass die Beklagte durch das Versprechen einer Werbeprämie von 10 € gegen § 7 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 HWG verstoßen hat. Die Vorschrift des § 7 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 und Nr. 2 Halbs. 2 HWG verbietet Zuwendungen und Werbegaben für Arzneimittel, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten.
(1) Die Werbung der Beklagten bezieht sich auf rezeptpflichtige Arzneimittel, die nach § 78 Abs. 1 AMG und § 1 Abs. 1 und 4 AMPreisV der in Deutschland geltenden Arzneimittelpreisbindung unterliegen. Die Gewährung der versprochenen Prämie von 10 € wird an die Voraussetzung geknüpft, dass der geworbene Neukunde ein Rezept für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel einreicht.
(2) Die Beklagte hat gegen die Preisvorschriften verstoßen. Zwar wird vom Neukunden für rezeptpflichtige Medikamente der volle Preis verlangt. Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt jedoch nicht nur vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden vielmehr auch verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (BGH, GRUR 2010, 1136 Rn. 17 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE). So verhält es sich im Streitfall. Der Neukunde entrichtet den korrekten Preis für das verschreibungspflichtige Arzneimittel mit der Aussicht, seinem ihn werbenden Freund die ausgelobte Werbeprämie zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2006 – I ZR 145/03, GRUR 2006, 949 Rn. 24 = WRP 2006, 1370 – Kunden werben Kunden; vgl. für die Buchpreisbindung BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 – I ZR 127/15, GRUR 2017, 199 Rn. 18 = WRP 2017, 169 – Förderverein). Dies lässt den Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen als in einer anderen Apotheke, die keine entsprechende Werbeprämie gewährt.
ff) Mit Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten dagegen, dass das Berufungsgericht das an die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel gekoppelte Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG im Verhältnis zur Beklagten angewendet hat. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die es rechtfertigen, die Beklagte als eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige ausländische Versandapotheke dem deutschen Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen, sofern sie solche Arzneimittel an Kunden in Deutschland liefert.
(1) Zwar hat der Gesetzgeber in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG die Geltung der Arzneimittelpreisverordnung auf Arzneimittel erstreckt, die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG von einer Apotheke eines Mitgliedstaats der Europäischen Union nach Deutschland versandt werden. Nach den bislang im vorliegenden Verfahren getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG mit dem Primärrecht der Europäischen Union in Einklang steht.
(2) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist bei der Prüfung, ob die Mitgliedstaaten die Bestimmungen des Unionsrechts über die Warenverkehrsfreiheit im Rahmen der Zuständigkeit nach Art. 168 Abs. 7 AEUV über die Festlegung der Gesundheitspolitik und die Organisation ihres Gesundheitswesens – wie des Apotheken- und Arzneimittelwesens – beachtet haben, zu berücksichtigen, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und die Mitgliedstaaten zu bestimmen haben, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dies erreicht werden soll. Da sich das Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, steht den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zu (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Mai 2009 – C-171 und 172/07, Slg. 2009, I-4171 = NJW 2009, 2112 Rn. 19 – Apotheker-kammer u.a./Saarland).
(3) Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat entschieden, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben, und dass seine Anwendung auf diesen grenzüberschreitenden Versandhandel mit dem Primärrecht der Union in Einklang steht (GmS-OGB, Beschluss vom 22. August 2012 – GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, 354 Rn. 21 ff., 34 ff.). Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat darin keinen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 34 AEUV gesehen. Er ist außerdem davon ausgegangen, dass die Regelung, wonach deutsches Arzneimittelpreisrecht auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte Arzneimittel gilt, jedenfalls nach Art. 36 AEUV (Art. 30 EG) zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt wäre. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt der nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes mit Wirkung vom 26. Oktober 2012 in Kraft getretenen Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG, wonach die aufgrund von § 78 Abs. 1 Satz 1 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung auch für gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbrachte Arzneimittel gilt, allein klar stellende Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I ZR 79/10, GRUR 2014, 593 Rn. 16 = WRP 2014, 692 – Sofort-Bonus).
(4) Die Bedeutung dieser Rechtsprechung ist angesichts des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Oktober 2016 (C148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale) zweifelhaft. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass sich die im deutschen Recht vorgesehene Festlegung einheitlicher Abgabepreise auf in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Apotheken stärker auswirkt als auf im deutschen Hoheitsgebiet ansässige Apotheken und dass dadurch der Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden könnte als für inländische Erzeugnisse. Eine solche Regelung stelle eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV dar (EuGH, GRUR 2016, 1312 Rn. 26 f. – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale). Außerdem hat er angenommen, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht, das für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel einheitliche Apothekenabgabeprei-se festsetzt, nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne von Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden könne, da es nicht geeignet sei, die angestrebten Ziele zu erreichen (EuGH, GRUR 2016, 1312 Rn. 46 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale).
(5) Entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens, dass nationale Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, sind die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats verpflichtet, die allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Beachtung des Unionsrechts in ihrem Hoheitsgebiet zu sichern (EuGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – C-231/06 bis C233/06, Slg. 2007, I5149, NJW 2007, 3625 Rn. 38, 41). Hiervon ausgehend kann die Klägerin mit ihrer Klage nur Erfolg haben, wenn sich im vorliegenden Verfahren Gesichtspunkte ergeben, die ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nahelegen. Ob Veranlassung besteht, im vorliegenden Rechtsstreit ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten, steht noch nicht fest. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen.
(6) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 angenommen, ein nationales Gericht müsse, wenn es eine nationale Regelung darauf prüfe, ob sie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt ist, mit Hilfe statistischer Daten, auf einzelne Punkte beschränkter Daten oder anderer Mittel objektiv prüfen, ob die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr weniger einschränken (EuGH, GRUR 2016, 1312 Rn. 35 f. – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23. Dezember 2015 – C-333/14, NJW 2016, 621 Scotch Whisky Association, mwN). Nach der zuletzt genannten Entscheidung haben die nationalen Behörden darzutun, ob eine Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs gerechtfertigt ist und dass sie erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen, und dass sich das angestrebte Ziel nicht durch Verbote oder Beschränkungen erreichen ließe, die weniger weit gehen oder den Handel innerhalb der Union weniger beeinträchtigen würden. Insoweit müssen die Rechtfertigungsgründe, auf die sich ein Mitgliedstaat berufen kann, von geeigneten Beweisen oder einer Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von diesem Mitgliedstaat erlassenen beschränkenden Maßnahme sowie von genauen Angaben zur Stützung seines Vorbringens begleitet sein (EuGH, NJW 2016, 621 Rn. 54 – Scotch Whisky Association). Diese Beweislast darf allerdings nicht so weit gehen, dass die nationalen Behörden, wenn sie eine nationale Regelung, mit der eine Maßnahme vorgegeben wird, positiv belegen müssten, dass sich dieses Ziel mit keiner anderen vorstellbaren Maßnahme unter den gleichen Bedingungen erreichen ließe (EuGH, NJW 2016, 621 Rn. 55 – Scotch Whisky Association).
In der Entscheidung „Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale“ hat der Gerichtshof der Europäischen Union sich für seinen Standpunkt auf das Urteil „Scotch Whisky Association“ berufen. Der Entscheidung und den weiteren in dieser Entscheidung in Bezug genommenen Urteilen (EuGH, NJW 2016, 621 Rn. 54) lagen Rechtsstreitigkeiten zugrunde, in denen entweder die Mitgliedstaaten – etwa in einem Vertragsverletzungsverfahren – selbst Partei waren oder staatliche Stellen dieser Mitgliedstaaten (EuGH, Urteil vom 13. November 2003 – C-42/02, Slg 2003, I-13519, IStR 2003, 853 Rn. 25 – Lindman; Urteil vom 13. März 2008 – C-227/06, Celex-Nr. 62006CJ0227 – Rn. 63 – Kommission/ Belgien; Urteil vom 26. April 2012 – C-456/10, EuZW 2012, 508 Rn. 50 – ANETT; EuGH, NJW 2016, 621 Rn. 54 – Scotch Whisky Association).
(7) Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich jedoch – ebenso wie bei dem Verfahren, das dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Oktober 2016 (GRUR 2016, 1312 Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale) zugrunde lag – um ein zivilrechtliches Verfahren, bei dem entweder ein Wettbewerber oder wie im Streitfall die Klägerin als rechtsfähiger Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend macht. Die Bundesrepublik Deutschland ist als betroffener Mitgliedstaat an einem solchen Rechtsstreit weder direkt noch mittelbar durch seine Behörden beteiligt.
In dem Urteil „Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale“ zugrunde liegenden Vorabentscheidungsersuchen hatte das vorlegende Gericht die Fragen (Fragen 2 und 3) gestellt, ob die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß Art. 36 AEUV zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt wäre, wenn nur durch sie eine gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in ganz Deutschland, insbesondere in den ländlichen Gebieten, gewährleistet wird, und welche Anforderungen an die gerichtliche Feststellung dieser Rechtfertigungsgründe gestellt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2015 – 20 U 149/13, GRUR Int. 2015, 1054 = WRP 2015, 1018). Feststellungen zu einer gleichmäßigen und flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in Deutschland einschließlich der ländlichen Gebiete und zur Bedeutung der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften in diesem Zusammenhang hat das vorlegende Gericht nicht getroffen.
Dagegen hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Fragen 2 und 3 des Vorabentscheidungsersuchens im Urteil „Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale“ zusammengefasst und angenommen, die Geeignetheit der nationalen Regelung sei nicht in einer Weise untermauert, die den Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs genüge. Im Gegenteil sprächen einige Unterlagen, auf die sich die Kommission stütze, dafür, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln dadurch fördern würde, dass Anreize zur Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten (EuGH, GRUR 2016, 1312 Rn. 33 ff.). Damit beruht die fragliche Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen in jenem Verfahren. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Feststellungen nachgeholt werden können, müssen die Parteien im vorliegenden Verfahren Gelegenheit erhalten, zur Geeignetheit der deutschen Regelung der arzneimittelrechtlichen Preisbindung für eine flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung vorzutragen. Sollte dies in schlüssiger Weise geschehen, wird das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben, ohne die sich die Geeignetheit der deutschen Regelung für das erstrebte Ziel nicht abschließend beurteilen lässt. In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass die Union nach Art. 168 Abs. 7 Satz 1 AEUV bei ihrer Tätigkeit die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie die Organisation des Gesundheitswesens zu wahren hat und diese Aufgabenverteilung von allen Organen der Union zu beachten ist, die Mitgliedstaaten zu bestimmen haben, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit gewährleisten wollen und wie dies erreicht werden soll, und den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zukommt. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese Zuständigkeit der Mitgliedstaaten von der Union nicht nur formal, sondern auch im Geist einer loyalen Zusammenarbeit zu beachten ist.
(8) In der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung war bisher anerkannt, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht dazu dient, die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern (BGHZ 194, 354 Rn. 25). Das Berufungsgericht ist hiervon ausgegangen und hat deshalb keine Veranlassung gesehen, dem streitigen Vortrag der Parteien hierzu nachzugehen. Es hat dementsprechend keine weiteren Feststellungen zu Tatsachen getroffen, die eine Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die von einer im Gebiet der Union ansässigen Versandapotheke an deutsche Kunden geliefert werden, rechtfertigen könnten. Im Rahmen des weiteren Verfahrens kommt in Betracht, gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Frage der Notwendigkeit von einheitlichen Apothekenabgabepreisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel für die Wahrung der Belange der Gesundheit der Bevölkerung eine amtliche Auskunft staatlicher Stellen, insbesondere der Bundesregierung, einzuholen.
(9) Sollte das Berufungsgericht unter Beachtung des Beurteilungs- und Prognosespielraums Deutschlands bei der Gestaltung der Gesundheitspolitik nicht feststellen können, dass einheitliche Apothekenabgabepreise durch den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne von Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden können, verstieße im Streitfall die Erstreckung der Arzneimittelpreisbindung auf die Beklagte gegen die in Art. 34 AEUV garantierte Warenverkehrsfreiheit. Die Gerichte der Mitgliedstaaten sind gehalten, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, indem sie mit der Freiheit des Warenverkehrs unvereinbare Bestimmungen des nationalen Rechts unangewendet lassen (EuGH, Urteil vom 9. März 1978 – 106/77, Slg. 1978, 629 Rn. 21/23 = NJW 1978, 1741 – Simmenthal; Urteil vom 13. März 1997 – C-358/95, Slg. 1997, I-1431 Rn. 18 = EuZW 1997, 574 – Morellato I; Urteil vom 18. September 2003 – C-416/00, Slg. 2003, I-9343 Rn. 43 ff. = LRE 47, 48 – Morellato II). Das deutsche Arzneimittelpreisrecht wäre in diesem Fall auf die Beklagte nicht anzuwenden.
b) Entsprechendes gilt für den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 78 Abs. 1 AMG.
c) Ob ein Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 8, 3, 4a UWG (§ 4 Nr. 1 UWG aF) gegeben ist, auf den sich die Revisionserwiderung beruft, kann ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden.
aa) Das für diesen Anspruch maßgebliche Recht ist nach dem beanstandeten Verhalten im Jahr 2014 und vor der Entscheidung in der Revisionsinstanz am 24. November 2016 mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I 2015, S. 2158) novelliert worden. Dadurch ist der in § 4 Nr. 1 UWG aF geregelte Tatbestand der unlauteren Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers und des sonstigen Marktteilnehmers in die neu geschaffene Bestimmung des § 4a UWG überführt und entsprechend den Regelungen über aggressive Geschäftspraktiken gemäß Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken neu gefasst worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt hieraus jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats war bereits § 4 Nr. 1 UWG aF unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG aF nur dann vorliegt, wenn der Handelnde diese Freiheit gemäß Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG durch Belästigung, Nötigung oder durch unzulässige Beeinflussung im Sinne des Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29/EG erheblich beeinträchtigt (BGH, GRUR 2017, 199 Rn. 32 – Förderverein, mwN).
bb) Zwar ist die Laienwerbung für Waren, für die – wie bei rezeptpflichtigen Medikamenten – besondere Maßstäbe gelten, als wettbewerbswidrig anzusehen, weil sie als unangemessene unsachliche Einflussnahme gemäß § 4 Nr. 1 UWG aF zu qualifizieren ist (vgl. hierzu BGH, GRUR 2006, 949 Rn. 22 – Kunden werben Kunden). Besteht die beanstandete Einflussnahme jedoch in der Gewährung eines preisrechtlich unzulässigen Vorteils, kommt es wiederum darauf an, ob eine Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die von einer im Gebiet der Union ansässigen Versandapotheke an deutsche Kunden geliefert werden, im Sinne von Art. 36 AEUV gerechtfertigt ist.
2. Es kann ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden, ob das Berufungsgericht den Klageantrag zu II 2 und den hierauf bezogenen mit dem Klageantrag zu III geltend gemachten Folgeanspruch im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
a) Die Revision der Klägerin wendet sich allerdings zu Recht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der von der Beklagten beworbene zusätzliche Rabatt von 10% auf rezeptfreie Produkte bei der Werbung eines zweiten Neukunden werde nicht von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG erfasst. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts handelt es sich dabei ebenfalls um eine Zuwendung im Sinne dieser Vorschrift, die in einem auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag besteht. Die Beklagte macht sowohl die Gewährung einer Werbeprämie von 10 € für die Werbung eines ersten Freundes als auch den versprochenen zusätzlichen Rabatt von 10% auf rezeptfreie Produkte für die Werbung eines weiteren Freundes davon abhängig, dass der Neukunde bei der Beklagten ein Rezept einreicht oder rezeptfreie Produkte im Gesamtwert von mindestens 25 € bestellt.
b) Die Begründetheit des Klageantrags zu II 2 hängt jedoch – ebenso wie diejenige des Klageantrags zu II 1 – davon ab, ob das deutsche Arzneimittelpreisrecht mit dem Primärrecht der Union vereinbar ist, soweit es sich auf Arzneimittel erstreckt, die von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheken nach Deutschland geliefert werden.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 19.11.2014 – 84 O 70/14
OLG Köln, Entscheidung vom 17.07.2015 – 6 U 189/14