Getränk mit Sekt und Orangennektar in Anteilen von über 50% darf die Bezeichnung „Aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ tragen
Eigener Leitsatz:
Die Formulierung auf einer Flasche eines Getränks „mit Sekt & Orange“ macht deutlich, dass ein Mischgetränk – und nicht allein ein Sekt – gegeben ist. Deshalb ist auch der zusätzlich auf den Etiketten deutlich sichtbare Begriff „Mousseux“ nicht geeignet, den Verbraucher dahingehend zu täuschen, es liege ein Sekt vor. Zugleich zeigt die Wortwahl „mit Sekt & Orange“ aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsverbrauchers aber auch, dass es sich bei dem Produkt nicht um einen „Sekt-Orange“ im Sinne einer Komposition ausschließlich aus Sekt und Orangenfruchtsaft handelt, sondern um ein aus mehreren Bestandteilen hergestelltes Mischgetränk.<br/><br/>
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 02.07.2008
Az.: 8 A 10310/08.OVG
In dem Verwaltungsrechtsstreit (…)
w e g e n Weinrechts
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2008, an der teilgenommen haben …
für R e c h t erkannt:
Unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Februar 2008 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, das Anbieten, Bewerben und/oder Inverkehrbringen des aromatisierten weinhaltigen Cocktails „Mousseux Orange“ in seiner Ausstattung mit der Begründung zu untersagen, die Angaben „Sekt & Orange“ und/oder „fruchtig elegante Spezialität“ seien als irreführend zu beurteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob ein von der Klägerin produziertes und von ihrer Tochtergesellschaft vertriebenes Getränk, das u.a. aus mehr als 50 % Sekt, Orangennektar und zugesetzter Kohlensäure hergestellt wird, als aromatisierter weinhaltiger Cocktail mit dem Namen „Mousseux Orange“ und den folgenden Angaben auf der Etikettierung in Verkehr gebracht werden darf:
Auf dem Vorderetikett der verwandten 0,75 Liter-Schaumweinflaschen befinden sich die Angaben:
ESPRIT DE CAVE
FRUCHTIG-ELEGANTE-SPEZIALITÄT
Mousseux-Orange
MIT SEKT & ORANGE
Aromatisierter weinhaltiger Cocktail
Das Rücketikett enthält u.a. folgende Eintragungen:
Mousseux-Orange, MIT SEKT UND ORANGE AUS ORANGENNEKTAR, ENTHÄLT SULFITE, AROMATISIERTER WEINHALTIGER COCKTAIL
Mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 29. Mai 2007 machte der Beklagte im Kern geltend, die Angabe der Verkehrsbezeichnung „Sekt“ zur Beschreibung einer Mischungskomponente eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails sei unzulässig. Ein Produkt dürfe nicht durch einander ausschließende Verkehrsbezeichnungen gekennzeichnet sein. Der Begriff „Sekt“ sei ausschließlich Qualitätsschaumweinen vorbehalten und dürfe auch deshalb nicht verwandt werden, weil hier Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure vorliege. Auch sei die Vermarktung eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails in Schaumweinflaschen bei hervorgehobener Angabe „Sekt“ irreführend. Eine Verwechslungsgefahr liege auch deshalb vor, weil „Mousseux Orange“ der deutschen Bezeichnung „Sekt Orange“ entspreche, unter der sich ein Verbraucher ein Mischgetränk ausschließlich aus Sekt und Orangensaft vorstelle. Bei der Verkehrsbezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ sei auch nur ein Hinweis auf das wichtigste verwendete Aroma (hier: Orangensaftkonzentrat) statthaft. Würden über das Aroma hinaus weitere Zutaten genannt, müsse das Zutatenverzeichnis vollständig sein. Des Weiteren sei die Angabe „Fruchtig-Elegante-Spezialität“ geeignet, fälschlich den Eindruck einer besonderen Qualität des Produkts zu erwecken. Es werde gebeten, die Etikettierung zu ändern, anderenfalls ein strafbares Verhalten gegeben und der Beklagte gehalten sei, die Vermarktung des Produkts zu untersagen.
Die Klägerin erklärte gegenüber dem Beklagten, bei Mischgetränken, die aus Sekt und anderen geschmacksgebenden Getränken hergestellt würden, sei die Angabe des Grundbestandteils „Sekt“ nicht verboten. Der Hinweis auf Orangennektar sei nicht irreführend, weil der Verbraucher ihn lediglich als Hinweis auf die Geschmacksrichtung verstehe und ihm bekannt sei, dass Fruchtnektar aus Fruchtsaftkonzentrat hergestellt werde. Der Begriff „Spezialität“ sei nicht mehr besonderen Produkten vorbehalten. Weil der Flaschenkorken nicht mit Folie umkleidet sei, schließe der Verbraucher einen Schaumwein aus.
Am 13. November 2007 hat die Klägerin Feststellungsklage erhoben. Sie beruft sich darauf, dass das nunmehr geltende Missbrauchsprinzip alle Angaben auf der Etikettierung erlaube, die nicht irreführend seien. Das aus „Sekt“ hergestellte Getränk sei als aromatisierter weinhaltiger Cocktail zu qualifizieren, da Schaumwein auch zu den Weinen im Sinne des Art. 2 Abs. 1c) der Verordnung (EWG) 1601/91 zähle. Hätte der Normgeber dies anders regeln wollen, wäre es naheliegend gewesen, insoweit auf Anhang I Nr. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 zu verweisen und nicht die allgemeinen Begriffe „Wein, Traubensaft“ zu verwenden. Auch von einer Irreführung der Verbraucher durch die Angabe „mit Sekt & Orange“ könne vorliegend keine Rede sein. Der Begriff „Sekt“ bei der Etikettierung werde nicht als Verkehrsbezeichnung, sondern lediglich als Hinweis auf einen Mischungsbestandteil des weinhaltigen Cocktails erwähnt; der Beklagte habe in der Vergangenheit mit „Buck`s Fizz“ ein ähnliches Produkt unbeanstandet gelassen. Es liege insoweit auch kein „Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure“ vor, weil die Kohlensäure dem Orangennektar zugesetzt werde. Im Übrigen wecke auch die Angabe „Mousseux“ bei einem durchschnittlichen Verbraucher nicht den Irrtum, Sekt zu kaufen; der Begriff bedeute nicht „Sekt“, sondern „stark schäumend, moussierend“.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Zulassung der Berufung als unzulässig abgewiesen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung bestehe nicht, denn das Getränk sei schon aus anderem Grund nicht verkehrsfähig. Es handele sich bei dem Produkt nicht um einen „aromatisierten weinhaltigen Cocktail“, weil er entgegen der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 nicht aus Wein und/oder Traubenmost hergestellt werde. Schaumwein oder Sekt seien kein Grundmaterial für aromatisierte weinhaltige Cocktails. Es sei aber darauf hinzuweisen, dass im Falle der Zulässigkeit der Klage diese Erfolg gehabt hätte, weil die Etikettierung des Getränks nicht irreführend sei. Insbesondere die Angabe „Sekt“, die vorliegend nicht als Verkehrsbezeichnung des Produkts verwendet werde, sei zulässig.
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin insbesondere geltend, Sekt könne Ausgangsstoff für einen aromatisierten weinhaltigen Cocktail sein. Die einschlägige Verordnungsregelung verwende den Begriff „Wein“ als Oberbegriff; ausgeschlossene Weinkategorien wären – der Systematik der übrigen Absätze der Vorschrift folgend – zu benennen gewesen. Auch der mit der Regelung bezweckten Qualitätssicherung entspreche es, aromatisierte weinhaltige Cocktails auch aus Schaumwein herstellen zu dürfen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 13. Februar 2008 abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, das Anbieten, Bewerben und/oder Inverkehrbringen des weinhaltigen Cocktails in der genannten Ausstattung mit der Begründung zu untersagen, die Angaben „Sekt & Orange“ und/oder „fruchtig elegante Spezialität“ seien als irreführend zu beurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass Gesamtaufmachung und Etikettierung des Getränks irreführend seien. Es dürfe nicht als Cocktail bezeichnet werden, weil es nicht aus Wein und/oder Traubenmost gewonnen werde. Unzulässig sei auch die Doppelung der Verkehrsbezeichnung. Irreführend sei weiterhin die Angabe Mousseux, die beim Verbraucher den Eindruck erwecke, es sei ein Sekt/Schaumwein gegeben. Die Angabe „Sekt & Orange“ rufe den irrigen Eindruck hervor, es handele sich um ein Produkt ausschließlich aus Sekt und Orangensaft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorgelegte Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der (zulässigen) Feststellungsklage stattgeben müssen. Das Getränk mit dem Namen „Mousseux Orange“ verstößt in der von der Klägerin gewählten Bezeichnung und Aufmachung nicht gegen das Verbot zum Schutz vor Täuschung nach § 25 Abs. 1 des Weingesetzes vom 8. Juli 1994 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 985 – WeinG -).
Für die Annahme einer Irreführung im Sinne des § 25 Abs. 1 WeinG genügt die Eignung zur Täuschung. Erforderlich ist die objektive Feststellung einer konkreten Gefahr der Irreführung. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 16.7.1998, NJW 1998, 3183; OVG RP, Urteil vom 4.11.2003, ZLR 2004, 631 und juris, Rn. 36). Auf das Vorliegen einer Irreführung kommt es nicht an, wenn die Bezeichnung falsch ist, weil das Erzeugnis nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht (§ 25 Abs. 2 Nr. 1 WeinG).
Hieran gemessen unterliegt das in Rede stehende Getränk keiner Beanstandung.
1. Die für das Produkt gewählte Verkehrsbezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ ist gemäß Art. 2 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 6 Abs. 1, Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Begriffsbestimmung, Bezeichnung und Aufmachung aromatierten Weines, aromatisierter weinhaltiger Getränke und aromatisierter weinhaltiger Cocktails auch unter Verwendung des Grundbestandteils Sekt zulässig und deshalb nicht irreführend im Sinne von § 25 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 WeinG.
Schon der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 c) der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91, der die zulässige Zusammensetzung eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails regelt, erweist sich hinsichtlich der Angabe des (fakultativ) notwendigen Grundbestandteils „Wein“ als eher offen.
Eine systematische Betrachtung des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 über die Zusammensetzung der einzelnen aromatischen Getränke gebietet – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – indes nicht eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Wein“ dahin, dass Schaumwein (Sekt) kein Grundmaterial für einen aromatisierten weinhaltigen Cocktail sein kann.
Art. 2 Abs. 1 a) und b) der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 benennen durch Verweis auf die frühere Weinmarktordnung produktgenau die Weinerzeugnisse bzw. Weine, die Bestandteil des aromatisierten Weins und des aromatisierten weinhaltigen Getränks sein dürfen. Bei der Herstellung beider Getränke ist Schaumwein (Sekt) zulässig (vgl. den von der Verordnung in Bezug genommenen Anhang I Nr. 15 der Verordnung (EWG) Nr. 822/87). Wenn eine Beschränkung auf Wein (in einem engen Sinne) in Art. 2 Abs. 1 c) der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 beabsichtigt gewesen sein sollte, hätte – der Darstellungslogik der vorhergehenden Absätze des Art. 2 der Verordnung folgend – eine Zitierung von Anhang I Nr. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 nahe gelegen. Daraus hätte dann der Ausschluss von Schaumwein (Sekt) bei der Herstellung von weinhaltigen Cocktails hergeleitet werden können. Eine solche konkrete Bezugnahme hätte sich auch vor dem Hintergrund als sinnvoll erweisen können, dass Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 Definitionen enthält, die einerseits allgemeine Begrifflichkeiten des Weinrechts betreffen (darunter auch Wein, vgl. Art. 1 Abs. 4 a), 1. Spiegelstrich der Verordnung (EWG) Nr. 822/87), andererseits aber auch bestimmte Erzeugnisse erläutern (u.a. Schaumwein, vgl. Art. 1 Abs. 4 b), 2. Spiegelstrich der Verordnung (EWG) Nr. 822/87). Dies zeigt aber, dass selbst der Begriffskatalog des Anhang I (hier in seiner Nr. 10) weitgefasste Begriffsdefinitionen enthält.
Dass die Benennung von „Wein“ als Grundbestandteil des weinhaltigen Cocktails nicht eng auf die Bestimmung in Anhang I Nr. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 bezogen verstanden werden muss, hat der Beklagte selbst in der mündlichen Verhandlung insoweit nahe gelegt, als er bei einem aromatisierten weinhaltigen Cocktail als „Wein“ auch Drittlandswein, Qualitätswein b.A. sowie Tafelwein akzeptiert. Obgleich Tafelwein unter eigener Ziffer in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 erfasst (vgl. Nr. 13) und als zulässiger Bestandteil für das aromatisierte weinhaltige Getränk vorgesehen ist (vgl. Art. 1 b) der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91), lässt also auch der Beklagte ein weiteres Verständnis von „Wein“ erkennen. Eine Grenze der zulässigen Bestandteile von weinhaltigen Cocktails erst bei Likör- und Schaumwein (bei Letzterem wegen der bei der Herstellung häufig erfolgenden zweiten Gärung) ziehen zu wollen, wie dies der Beklagte vorgetragen hat, erweist sich jedoch nicht als überzeugend.
Denn der Ausschluss von Schaumwein (Sekt) als Bestandteil eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails überzeugt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer abnehmenden Wertigkeit der in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 geregelten Endprodukte, ausgehend vom aromatisierten Wein über das aromatisierte weinhaltige Getränk hin zum aromatisierten weinhaltigen Cocktail. Zwar ist in der begriffsbestimmenden Vorschrift eine Abstufung nach Weinanteil und Alkoholgehalt der Endprodukte vorgenommen worden (vgl. dazu die Einleitung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91). Eine beabsichtigte Abstufung nach der Qualität der erlaubten Weingrundstoffe lässt sich jedoch nicht ohne weiteres feststellen (vgl. auch insoweit die Einleitung der Verordnung, 2. Absatz am Ende). So sind die Grundbestandteile für die Herstellung von aromatisiertem Wein und aromatisiertem weinhaltigen Getränk in weiten Teilen identisch: Für die Herstellung eines weinhaltigen Getränks ist lediglich Likörwein und mit Alkohol stummgemachter Most aus frischen Weintrauben als Basis unzulässig, während zusätzlich als Grundbestandteil Tafelwein erlaubt ist. Eine besondere Qualifizierung eines mit Alkohol stummgemachten Mostes anzunehmen, liegt ebenfalls nicht auf der Hand. Darüber hinaus streitet der verordnungstechnische Ausschluss von Wein im Sinne der Anlage I Nr. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 bei der Gewinnung von aromatisiertem Wein und aromatisiertem weinhaltigem Getränk (Art. 2 Abs. 1 a) und b) der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91) nicht zwangsläufig für eine Beschränkung des Ausgangsmaterials auf Wein gerade bei der Herstellung eines weinhaltigen Cocktails. Der Systematik der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 mit ihrer differenzierenden Normierung der zulässigen Bestandteile der aromatisierten Getränke lässt sich nämlich kein relevanter Anhalt dafür entnehmen, dass dem weinhaltigen Cocktail als weniger qualitativem Produkt in der Reihe der aromatisierten Getränke nicht auch ein in der Regel höherwertiges Grundmaterial (als Wein) beigefügt werden darf.
Der Zulassung von Schaumwein (Sekt) als Bestandteil des aromatisierten weinhaltigen Cocktails stehen auch nicht Sinn und Zweck der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 entgegen. Ausweislich der Einleitung zur Verordnung soll mit ihr die Sicherung des Qualitätsniveaus der aromatisierten Getränke erreicht werden. Indes ist nichts dafür ersichtlich, dass mit der Grundlage „Schaumwein (Sekt)“ in weinhaltigen Cocktails der Verordnungszweck in Gefahr gerät. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Qualität der mit der Verordnung geschützten aromatisierten Getränke untereinander, hier einmal unterstellt, dass der Zweck der Verordnung auch soweit reicht. Denn die Eigenschaften und die Bestandteile des aromatisierten weinhaltigen Cocktails im Übrigen unterscheiden sich deutlich von den Merkmalen der beiden anderen aromatisierten Getränke im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91, so dass der Verordnungszweck durch die Verwendung von Schaumwein (Sekt) als Ausgangselement keineswegs vernachlässigt wird.
Bei der in Rede stehenden Auslegung kommt nicht zuletzt auch der Stellungnahme des Generaldirektors für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der EU-Kommission aus dem Jahr 2008 (Bl. 172 GA) ein beachtliches Gewicht zu, die ebenfalls – konkret bezogen auf die Vorschrift in Art. 2 Abs. 1 c) der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 – ein umfassendes Verständnis von „Wein“ annimmt und die Zulässigkeit von aromatisierten weinhaltigen Cocktails unter Verwendung von Sekt bejaht. In diesem Sinne hat sich auch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz im Jahr 1999 für die Zulässigkeit des vergleichen Produkts „Buck`s Fizz“ ausgesprochen.
Ist demnach ein beschränktes Verständnis von „Wein“ bei der Auslegung der Vorschrift des Art. 2 Abs. 1 c) der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 nicht zwingend, so fehlt es zugleich an Gründen, die einen Ausschluss von Schaumwein (Sekt) bei der Herstellung eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails rechtfertigen könnten. Damit bleibt es bei der unternehmerischen Freiheit der Klägerin, ihr Mischgetränk als Cocktail der vorgenannten Art auf den Markt zu bringen.
2. Auch die Etikettierung im Übrigen und die (Gesamt)Aufmachung des Produkts erweisen sich nicht als irreführend im Sinne des § 25 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 WeinG. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt.
Insbesondere die Angabe „mit Sekt & Orange“ auf der Vorderseite der Glasflasche ist erlaubt und auch nicht irreführend.
Dabei wird auf der Grundlage des jüngsten Vorbringens der Beteiligten davon ausgegangen, dass Sekt im Sinne von Anhang VIII D Nr. 2 b) der Verordnung (EG) Nr. 1493/99 und nicht mit Kohlensäure versetzter Schaumwein (Anhang I Nr. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1493/99) als Grundmaterial verwendet wird, die entsprechende Angabe auf den Etiketten also fehlerfrei ist. Erlaubt ist hingegen die Zuführung von Kohlensäure zu dem Endprodukt „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ (§ 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 b), Satz 2 i.V.m. Anlage 2 der Weinverordnung vom 9. Mai 1995 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 2002, BGBl. I S. 1583).
Ein Verbot, die Verkehrsbezeichnung „Sekt“ zur Benennung eines Bestandteils eines Mischgetränks und hier eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails heranzuziehen, besteht weder normativ noch lässt es sich aus systematischen Erwägungen herleiten. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1493/99 eingeführte neue Weinmarktordnung von dem bisher im Weinbezeichnungsrecht geltenden Verbotsprinzip auf das Missbrauchsprinzip übergeht. Dies bedeutet, dass lediglich unentbehrliche Mindestinformationen auf den Etiketten vorgeschrieben sind. Im Übrigen sind sämtliche sonstigen Angaben erlaubt, wobei der Inhalt besonders wichtiger, allerdings nicht obligatorischer Angaben reglementiert ist. Die danach größere Freiheit im Weinbezeichnungsrecht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.3.2003, ZLR 2003, 448 und juris, Rn. 4), die auch für die der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 unterliegenden aromatisierten Getränke Geltung beanspruchen kann, lässt auch die gleichzeitige Benennung zweier Begriffe von Verkehrsbezeichnungen auf einem Etikett zu. Dies setzt jedoch voraus, dass die Angaben deutlich werden lassen, welches Verkehrsprodukt gegeben ist, und durch die Benennung einer zweiten Verkehrsbezeichnung keine Irreführung im Sinne des § 25 WeinG eintritt. Dies ist hier der Fall. Trotz des kleineren Schriftzugs „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ auf den Flaschenetiketten wird vorliegend deutlich, dass es sich insoweit um die Verkehrsbezeichnung des Produkts handelt und „Sekt und Orange“ allein Mischbestandteile kennzeichnen. Die Formulierung „mit Sekt & Orange“ macht zugleich deutlich, dass ein Mischgetränk – und nicht allein ein Sekt – gegeben ist. Deshalb ist auch der zusätzlich auf den Etiketten deutlich sichtbare Begriff „Mousseux“ nicht geeignet, den Verbraucher dahingehend zu täuschen, es liege ein Sekt vor. Zugleich zeigt die Wortwahl „mit Sekt & Orange“ aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsverbrauchers aber auch, dass es sich bei dem Produkt nicht um einen „Sekt-Orange“ im Sinne einer Komposition ausschließlich aus Sekt und Orangenfruchtsaft handelt, sondern um ein aus mehreren Bestandteilen hergestelltes Mischgetränk.
Auch durch die Bezeichnung „Orange“ besteht nicht die objektive Gefahr einer Irreführung. Sie beschreibt den Orangengeschmack des Getränks und weist auf das im weinhaltigen Cocktail zulässige Aroma hin, das hier überwiegend mittels eines geschmackgebenden Nahrungsmittels – nämlich als Orangennektar – zugesetzt wird (vgl. Art. 2 Abs. 1 c, 2. Spiegelstrich der Verordnung (EGW) Nr. 1601/91). Orangenfruchtsaft ist mit dem Begriff „Orange“ aus Sicht des Verbrauchers nicht zwangsläufig verbunden. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 ist vorliegend nicht einschlägig. (Orangen)Fruchtnektar ist als mit Wasser versetztes Fruchtsaftkonzentrat zulässig (vgl. Anlage 1 der Verordnung über Fruchtsaft, einige ähnliche Erzeugnisse und Fruchtnektar – Fruchtsaftverord-
nung -).
Es besteht für aromatisierte weinhaltige Cocktails auch keine normative Vorgabe dahingehend, dass die Nennung einer Zutat die Auflistung sämtlicher in dem Erzeugnis verwendeter Zutaten erfordert. Zwingend zu benennen sind lediglich Zutaten, die zu Allergien oder anderen Überempfindlichkeiten führen (hier Sulfite, vgl. § 46 b Weinverordnung i.V.m. Anlage 12). Eine Irreführung der Verbraucher ist insoweit nicht erkennbar.
Auch die Angabe „fruchtig elegante Spezialität“ ist nicht geeignet, fälschlich den Eindruck besonderer Qualität zu erwecken und deshalb irreführend zu wirken. Es handelt sich insoweit um eine allgemein werbliche Anpreisung ohne spezifischen Inhalt (vgl. BPatG, Beschluss vom 22.11.1997 – 26 W (pat) 179/78 -, juris, Rn. 12 zu „elegant“).
Ferner bestehen keine Bedenken gegen die Aufmachung des aromatisierten weinhaltigen Cocktails in einer schaumweinähnlichen Glasflasche. Die Abgrenzung von einem Schaumwein (Sekt) erfolgt hier dadurch, dass Stopfen und Flaschenhals nicht mit einer Folie umkleidet sind (Anhang VIII G Nr. 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1493/99). Der Verordnungsgeber hat mit seiner Regelung deutlich gemacht, dass die Vermarktung in der von der Klägerin gewählten Aufmachung zulässig und die Gefahr einer Irreführung, für die auch vorliegend keine besonderen Anhaltspunkte bestehen, gering ist.
Schließlich birgt auch die Gesamtaufmachung des Produkts nicht die Gefahr einer Irreführung des Verbrauchers. Trotz einer nicht zu verkennenden Nähe der Aufmachung des Produkts zu einem Sekt bzw. Sekt/Orange ist doch wegen der hervorgehobenen Angabe „mit Sekt & Orange“ und der zusätzlichen Bezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ allein schon nach dem Vorderseitenetikett auf der Glasflasche erkennbar, dass es sich um ein aus mehreren Komponenten bestehendes Weinmischgetränk handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf §§ 167, 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
…
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).