Keine Pflicht zur Anbieterkennzeichnung für ausländische Unternehmen

09. Oktober 2013
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Eigener Leitsatz:

Ein ausländischer Diensteanbieter ist nicht verpflichtet, die Anforderungen an allgemeine Informationspflichten nach §5 TMG einzuhalten. Dies ergibt sich aus dem Herkunftslandsprinzip.

Landgericht Siegen

Urteil vom 09.07.2013

Az.: 2 O 36/13

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung und Schadensersatz wegen angeblich behaupteter Verstöße gegen Verbraucherinformationsvorschriften auf der Webseite www.kreuzfahrtausfluege.com in Anspruch.

Die Klägerin veranstaltet Kreuzfahrten und bietet im Rahmen dessen unter anderem auch individuell buchbare Ausflüge nach und in Ägypten an. Auf der Internetseite www.kreuzfahrtausfluege.com werden u. a. ebenfalls Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtreisen in Ägypten angeboten. Auf der vorgenannten Webseite fanden sich im April 2012 im Impressum folgende Angaben:

„Kreuzfahrtausflüge

Hurghada/Egypt

Tel.:

E-Mail: „

Am 25.06.2012 erwirkte die Klägerin gegen den Beklagten beim Landgericht Hamburg unter dem Az. 315 O 264/12 eine einstweilige Verfügung, durch die dem Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, als Domaininhaber der Domain kreuzfahrtausfluege.com einem Dritten die Nutzung der Domain für Wettbewerbszwecke zu gestatten, wenn dort Reisedienstleistungen angeboten werden, ohne dass der Webseitenbetreiber die Pflichtangaben nach § 5 TMG leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar auf der Webseite angibt, nämlich

a) den Namen und die Anschrift, unter der der Diensteanbieter niedergelassen ist, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform,

b) das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das der Diensteanbieter eingetragen ist, und die entsprechende Registernummer,

c) die Umsatzsteueridentifikationsnummer, wie aus der Anlage Ast.4 vom Tenor der einstweiligen Verfügung ersichtlich.

Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung sperrte der Beklagte die Internetpräsenz hinsichtlich der streitgegenständlichen Webseite. Jedenfalls seit dem 06.08.2012 ist als Inhaber der streitgegenständlichen Webseite www.kreuzfahrtausfluege.com der im Impressum genannte Herr als Domaininhaber eingetragen. Zuvor hatte Herr hinsichtlich der streitgegenständlichen Internetpräsenz den Provider gewechselt. Auf den Widerspruch des Klägers hob das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 14.09.2012 die einstweilige Verfügung vom 25.06.2012 auf, wies den Antrag auf ihren Erlass zurück und erlegte der Klägerin die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf.

Mit der Klage begehrt die Klägerin nunmehr in der Hauptsache dem beim Landgericht Hamburg im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch sowie die auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts Hamburg durch Beschluss festgesetzten Kosten vom Beklagten im Wege des Schadensersatzes unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei ausweislich des WHOIS-Auszuges (Anl. K5, Bl. 65 ff. der Akten) im April 2012 Inhaber der Webseite www.kreuzfahrtausfluege.com gewesen. Sie, die Klägerin, habe den Beklagten mit Schreiben vom 16.04.2012 (Anl. K7, Bl. 68 ff. der Akte) auf den Verstoß gegen § 5 TMG hingewiesen und ihn aufgefordert das Impressum bis zum 23.04.2012 an die gesetzlichen Anforderungen anzupassen. Als hierauf keine Reaktion des Beklagten erfolgt sei, habe sie dem Beklagten mit Schreiben vom 22.05.2012 (Anl. K8, Bl. 70 ff. der Akte) abgemahnt. Die Schreiben vom 22.05.2012 und vom 16.04.2012 seien dem Beklagten ausweislich der Fax Sendeberichte vom 18.04.2012 (Anlage K 21, Bl. 148 der Akte) und 22.05.2012 (Anlage K 22, Bl. 149 der Akte) auch per Fax zugegangen. Der Beklagte und Herr hätten im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens beim Landgericht Hamburg falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben. Der Beklagte sei Domaininhaber gewesen. Den vom Beklagten behaupteten Datenbankfehler habe es nicht gegeben. Letzeres habe sie nach der Entscheidung des Landgerichts Hamburg durch eine Nachfrage bei der Firma aus Regensburg in Erfahrung gebracht. Ihr sei deshalb hinsichtlich der auf das Urteil des Landgerichts Hamburg festgesetzten Kosten i.H.v. 3222,20 € ein Schaden entstanden. Sie meint, der Beklagte sei deswegen nach wie vor zu Unterlassung verpflichtet und habe ihr den Schaden aus unerlaubter Handlung zu ersetzen. Der Unterlassungsanspruch beruhe auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 TMG. Die fehlende Angabe der Anschrift, der Handels- oder Gewerberegisternummer sowie der Umsatzsteueridentifikationsnummer im Impressum verstoße gegen § 5 TMG. Der Antragsgegner hafte als Störer für den Verstoß, da auch der Domaininhaber (neben dem Webseiteninhaber) hafte, wenn er seiner Prüfungs- und Verhinderungs-/Beseitigungspflicht nicht nachkomme, obwohl er – wie hier durch das Schreiben vom 16.04.2012 – von einem Verstoß Kenntnis erhalten habe.

Die Klägerin beantragt,

1. dem Beklagten aufzugeben, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet unter der Domain kreuzfahrtausfluege.com Reisedienstleistungen anzubieten oder anbieten zu lassen, ohne sicherzustellen, dass die Pflichtangaben für Diensteanbieter, namentlich

a. Den Namen und die Anschrift, unter der der Diensteanbieter niedergelassen ist, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform,

b. Das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das der Diensteanbieter eingetragen ist, und die entsprechende Registernummer, und

c. Die Umsatzsteueridentifikationsnummer

leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar auf der Webseite gehalten werden,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3222,20 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er sei nicht Inhaber der Webseite www.kreuzfahrtausfluege.com gewesen und habe auch das Schreiben vom 16.04.2012 nicht erhalten. Es läge, soweit er als Domaininhaber in dem Whois-Auszug auftauche, ein Datenbankfehler vor. Er sei lediglich der Serviceprovider des Herrn gewesen. Außerdem seien die Angaben im Impressum nicht unvollständig, da es am Wohnsitz des Herrn keine Straßennamen und Postleitzahlen gebe. Ferner würden für Herrn auch keine Handelsregistereintragung oder andere Registerangaben existieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages und der Rechtsansichten der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen gegen den Beklagten weder ein Unterlassungs- noch ein Schadensersatzanspruch zu.

Ein entsprechender Unterlassungsanspruch analog § 1004 BGB würde voraussetzen, dass ein Diensteanbieter, der seinen Sitz in Ägypten hat und von dort aus, bestellbar über das Internet, Kreuzfahrtausflüge in Ägypten anbietet, verpflichtet ist, die Verbraucherinformationsvorschriften des § 5 TMG einzuhalten. Ausländische Diensteanbieter sind allerdings aufgrund des in den §§ 2a, 3 TMG manifestierten Herkunftslandsprinzips nicht verpflichtet, die Anforderungen des § 5 TMG einzuhalten. Der in der Überschrift von § 3 TMG gebrauchte Begriff des Herkunftslandes meint die Maßgeblichkeit des Rechts des Niederlassungsortes des Diensteanbieters (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19). Wirkt sich eine wirtschaftliche Aktivität auf das Gebiet mehrerer Staaten aus, so besteht die Gefahr, dass sie dort jeweils unterschiedlich beurteilt und damit der Wirtschaftsverkehr durch Anforderungen verschiedenster Art behindert wird (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19). Das gemeinschaftsrechtliche Herkunftslandprinzip erlaubt dagegen eine einheitliche Beurteilung (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19). Danach soll jeder Mitgliedstaat dafür sorgen, dass die von seinem Gebiet ausgehende Aktivität den gemeinschaftsrechtlichen Regeln entspricht; er übernimmt also die Aufsicht (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19). Aus anderen Mitgliedstaaten stammende Aktivitäten dürfen nicht aus Gründen behindert werden, die in den durch Gemeinschaftsrecht, insbesondere durch eine Richtlinie koordinierten Bereich fallen (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19). Daher ist für inländische Aktivitäten ein einheitlicher Mindeststandard einzuhalten, in ausländische Aktivitäten darf grundsätzlich nicht eingegriffen werden (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19). Das Herkunftslandsprinzip erstreckt sich hierbei auch auf das Internationale Wettbewerbsrecht (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 54). Es modifiziert daher das Marktortprinzip mit der Folge, dass es für die Rechtmäßigkeit einer Werbung genügt, wenn diese den Vorschriften des ausländischen Niederlassungsortes entspricht (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 54). Das Herkunftslandprinzip bewirkt mithin, dass keine weiteren Beschränkungen auf das Wettbewerbsrecht anderer Mitgliedstaaten gestützt werden können (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 54). Das in § 3 TMG manifestierte Herkunftslandprinzip gilt zwar nicht für Anbieter aus Drittstaaten (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 71). Dies führt aber nicht automatisch zur Anwendbarkeit des TMG. Das anwendbare Recht richtet sich in diesem Fall vielmehr nach den Regeln des internationalen Privatrechts (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 71). Insoweit ist entscheidend, dass das Vertragsstatut im Falle des Vertragsschlusses eines deutschen Verbrauchers mit einem Diensteanbieter, der seinen Sitz in Ägypten hat und Ausflüge für Touristen von Kreuzfahrten in Ägypten über das Internet anbietet, gem. Art. 29 Abs. 4 EGBGB i. V. m. § 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB bzw. Art. 6 Abs. 4 lit. a) i. V. m. Art. 4 Abs. 1 lit. a) Rom-I-VO ägyptischem Recht unterfällt. Denn nach Art. 29 Abs. 4 EGBGB bzw. Art. 6 Abs. 4 lit. a) Rom-I-VO sind die Art. 29 Abs. 1 bis 3 bzw. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Rom-I-VO auf Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen nicht anwendbar, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Dienstleistung der Organisation und Durchführung des Ausfluges wird ausschließlich im Reiseland erbracht und stellt auch keine Reise i. S. d. § 29 Abs. 4 S. 2 EGBGB dar. Unterfällt mithin der gewünschte Vertragsabschluss des deutschen Verbrauchers ägyptischem Recht, gilt bezüglich der insoweit geforderten Verbraucherinformationsvorschriften nichts anderes. Ein Rückgriff auf Art. 6 Rom-II-VO mag zur Anwendung des UWG führen, bedingt aufgrund der vorgenannten Erwägungen zum Herkunftslandprinzip aber nicht die Anwendung des TMG. Schließlich ist zu beachten, dass die in § 5 Nr. 1 TMG geforderten Informationen auf deutsche Dienstanbieter zugeschnitten sind und es – wie vom Beklagten eingewandt – in Ägypten entsprechende Informationen unter Umständen gar nicht gibt.

Eine Haftung des Beklagten als Mitstörer scheidet aber auch deshalb aus, weil die Klägerin nicht mit einem hinreichenden Grad der Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, dargelegt hat, dass der Beklagte Inhaber der streitgegenständlichen Domain war. Die Eintragung des Beklagten in der WHOIS-Datenbank hat lediglich deklaratorische Bedeutung (BGH GRUR 2012, 417, 418). Der vorgelegte WHOIS-Datenbankauszug ist insoweit auch kein geeignetes Beweismittel. Die im Hinblick auf den Inhalt der Eintragungen benannten Zeugen können zwar eventuell über den jeweiligen Stand der deklaratorischen Eintragungen Auskunft geben. Das allein genügt allerdings nicht, um zu beweisen, dass es nicht doch so war, dass entgegen der deklaratorischen Registerlage nicht der Beklagte, sondern Herr Domaininhaber war. Für Letzteres spricht insbesondere der Umstand, dass im Impressum der streitgegenständlichen Webseite Herr aufgeführt war und der Beklagte unstreitig eine Computerfirma betreibt.

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