„Übergabe an Paketdienst in der Regel 1-2 Tage nach Zahlungseingang“

31. Juli 2009
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Amtliche Leitsätze:

1. Die Lieferfristangabe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen "in der Regel…" ist nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 308 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

2. Gesetzliche Regelungen zur AGB-Kontrolle sind zumindest dann Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, wenn sie eine hinreichende Transparenz gewährleisten sollen.

 

Kammergericht Berlin

Beschluss vom 03.04.2007

Az.: 5 W 73/07

 

Normen:    § 4 Nr 11 UWG, § 308 Abs 1 Nr 1 BGB, § 14 UStG, § 14a UStG

Tenor

    I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 23. Januar 2007 – 16 O 1008/06 – teilweise abgeändert:

    Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,

    weiterhin untersagt,

    im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über die Online-Plattform des Internethauses eBay im Zusammenhang mit dem Angebot von Hochzeitsartikeln an Letztverbraucher zum Kauf wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klausel zu verwenden oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese zu berufen:

    „Eine Übergabe an den Paketdienst erfolgt in der Regel 1 – 2 Tage nach Zahlungseingang, bei kundenspezifischen Anfertigungen ca. 7 Tage – 10 Tagen nach Zahlungseingang“ im Zusammenhang mit folgenden Angaben: „Bitte beachten sie bei der Bestellung, dass die Lieferzeiten der Post meist bis zu 10 Tagen dauern kann. Bei H… ca. 4 – 6 Tage.“

    II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

    III. Von den Kosten des Verfahrens haben zu tragen:

    I. Instanz:

    die Antragstellerin 1/10,

    die Antragsgegnerin 9/10,

    II. Instanz:

    die Antragstellerin 4/5,

    die Antragsgegnerin 1/5.

    IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.000,00 EUR.

Gründe

    A.

    Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist teilweise begründet.

    I.

    Hinsichtlich der Klausel zu Lieferfristen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin (wie oben in der Beschlussformel genannt) folgt der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin – im zugesprochenen Umfang – aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 308 Nr. 1, 2. Alternative BGB.

    1.

    Mit der sofortigen Beschwerde wird insoweit allein noch geltend gemacht, aus den Formulierungen „in der Regel …“ und „… Lieferzeiten der Post meist bis zu 10 Tagen dauern kann“ folge eine Unwirksamkeit der Klausel. Dies beschränkt den Streitgegenstand und damit die Befugnis des Senats zur Prüfung der beanstandeten AGB-Regelung.

    2.

    Der Verfügungsantrag ist hinsichtlich der Wendung „in der Regel …“ begründet. Denn insoweit ist die von der Antragsgegnerin bestimmte Lieferfrist nicht hinreichend bestimmt, § 308 Nr. 1, 2. Alternative BGB.

    a.

    Ein Durchschnittskunde muss ohne Schwierigkeiten und ohne rechtliche Beratung in der Lage sein, das Ende einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegebenen Lieferfrist selbst zu erkennen und zu berechnen (BGH, NJW 1985, 855, juris Rdn. 14; Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 308 Rdn. 8). Nicht hinreichend bestimmte Leistungszeitangaben führen dazu, dass die Leistungszeit mehr oder weniger in das Belieben des Verwenders gestellt wird. Das will § 308 Nr. 1 BGB verhindern (Staudinger/Coester-Waltjen, BGB, 2006, § 308 Nr. 1 Rdn. 17).

    b.

    Mit der Bestimmung, die Übergabe an den Paketdienst erfolge „in der Regel 1 – 2 Tage nach Zahlungseingang“, gibt der Kunden nicht nur sein Einverständnis für die Zeitdauer des Regelfalles. Ihm könnte zudem vorgehalten werden, in „Ausnahmefällen“ auch einer späteren Übergabe zugestimmt zu haben. Die Antragsgegnerin vermeidet gerade eine Festlegung der Lieferzeit für alle in Betracht kommenden Fälle und sie will sich offensichtlich in besonderen Fällen eine spätere Übergabe vorbehalten. Ein Ende des vereinbarten Lieferzeitraums ist dann aber für den Kunden nicht zu erkennen, zumal er nicht absehen kann, wann ein „Regelfall“ und wann ein „Ausnahmefall“ vorliegt.

    c.

    Dem steht auch nicht entgegen, dass Leistungszeitangaben im Rahmen kalendermäßiger Begriffe nach verbreiteter Auffassung nur ungefähr angegeben werden müssen, etwa „ca. 4 Wochen“ zulässig sein soll (Staudinger/Coester-Waltjen, a.a.O.; Palandt/Grüneberg, a.a.O.).

    Es ist schon fraglich, weshalb die Unschärfe von „ca.“-Angaben überhaupt toleriert werden soll. Selbst wenn der Kunde die Größenordnung insgesamt noch annähernd ermitteln könnte, so verblieben doch immer Unklarheiten für eine taggenaue Bestimmung des Endes der Lieferzeit. Ist eine (annähernd) taggenaue Fristberechnung möglich, dann besteht schon für den Klauselverwender kein hinreichender Grund, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Lieferzeit mit einer „ca.“-Angabe zu relativieren.

    Vorliegend kann dies aber auf sich beruhen. Denn selbst wenn man eine „ca.“-Angabe als der Größenordnung nach hinreichend bestimmbar ansähe, gilt dies für eine Angabe „in der Regel“ – wie vorliegend – gerade nicht, weil für den Ausnahmefall – wie erörtert – jeder Anhaltspunkt für ein Fristende fehlt.

    d.

    § 308 Abs. 1 Nr. 1 BGB enthält – jedenfalls soweit er nicht hinreichend bestimmte Fristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen untersagt – eine Regelung, die dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

    aa)

    Bei den Bestimmungen des BGB betreffend die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann es sich um Vorschriften zum Schutz der Verbraucher handeln, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG zu den vom UWG geschützten Marktteilnehmern gehören.

    bb)

    § 308 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist (hinsichtlich der hinreichenden Bekanntheit der Fristen) auch dazu bestimmt, das Marktverhalten zu regeln (vgl. allgemein zu AGB-Regelungen: Senat, KGR 2005, 284, juris Rdn. 11; zustimmend wohl Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 UWG Rdn. 11.56, 11.17, § 1 UKlaG Rdn. 14).

    (1)

    Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob Regelungen schon dann eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion haben, wenn sie „als Verbraucherschutzvorschrift“ zu qualifizieren sind (vgl. BGH, GRUR 2007, 159, Tz./-Anbieterkennzeichnung im Internet; dahingehend Senat, a.a.O. ; ablehnend in dieser Allgemeinheit: OLG Hamburg, OLGR 2007, 149, juris Rdn. 23). Immerhin sollen Verbraucherschutzvorschriften die Privatperson bei der Markteilnahme typisierend schützen, so dass sie in der Regel einen Marktverhaltensbezug haben können.

    (2)

    Richtig ist, dass der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 11 UWG (grundsätzlich) nicht eröffnet ist, wenn die Verbotsnorm nur den Schutz von Individualinteressen eines anderen Wettbewerbsteilnehmers bezweckt (einschränkungslos OLG Hamburg a.a.O. ).

    Dies kommt zum einen für alle zivilrechtlichen Normen in Betracht, die – wie etwa §§ 138, 242 BGB – darauf gerichtet sind, das individuelle Rechtsverhältnis der Vertragsparteien zueinander zu regeln (OLG Hamburg, a.a.O.). Die Regelung in § 308 Nr. 1 BGB bezieht sich aber (wie § 308 BGB insgesamt) gerade nicht auf einen individual vertraglich ausgehandelten Inhalt, sondern erfasst übergreifend Bedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (§ 305 Abs. 1 BGB). Damit soll eben nicht nur ein individualvertraglicher Schutz gewährleistet werden, sondern auch ein weitergehender, typisierter Interessenschutz der Marktgegenseite.

    Auch der Hinweis auf den individualschützenden Charakter von Marken- und Urheberrechten (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.) führt deshalb nicht weiter. Denn die Verfolgung von Verletzungen dieser Rechtsgüter soll – nach ihrem Schutzzweck – gerade dem verletzten Rechtsinhaber überlassen bleiben (BGH, GRUR 1999, 325, 326 – elektronische Pressearchive; Köhler, a. a.O., § 4 UWG Rdn. 11.40); dann kann schon deshalb über § 4 Nr. 11 UWG eine allgemeine Klagebefugnis aller Mitbewerber nicht eingeräumt werden. Dass aber auch § 308 Nr. 1 BGB nur dem jeweils verletzten Verbraucher die Verfolgung eines Rechtsverstoßes einräumen wollte, ist fernliegend.

    (3)

    Die Verbandsklagebefugnis nach § 1 UKlaG für die Verfolgung von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht abschließend (Senat, a.a.O., m. w. N.; OLG Jena OLGR 2006, 497, juris Rdn. 27; a. A. OLG Hamburg, a.a.O., juris Rdn. 25). Es ist nicht ersichtlich, warum gerade bei unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf das wirksamste Instrument ihrer Verfolgung – die Unterlassungsklage des Mitbewerbers – verzichtet werden sollte (vgl. auch zur Verfolgung von Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nach § 23 AGG, §§ 1, 2 UKlaG und §§ 3, 4 Nr. 11 UWG: BT-Drucks 16/1780 vom 08.06.2006; Köhler, a.a.O., § 4 UWG Rdn. 11.17 a). Die neben dem UKlaG auch nach dem UWG gegebene Klagebefugnis der Verbände ist nicht überflüssig, weil sich Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Anspruchsverfolgung nach beiden gesetzlichen Regelungen erheblich unterscheiden können (etwa bei der Verjährung, einer Gewinnabschöpfung, der Rechtskraft einer Entscheidung auch zugunsten von Verbrauchern usw.).

    (4)

    Eine Differenzierung dahin, wann sich die beanstandete AGB-Regelung auswirkt (so OLG Hamburg, a.a.O., juris Rdn. 26: § 4 Nr. 11 UWG soll nur in Betracht kommen, wenn die Kundenakquise zu Lasten der Marktteilnehmer gefördert werde, nicht aber, wenn die AGB-Regelung sich erst bei der Vertragsabwicklung zu Lasten der Verbraucher auswirke), erscheint wenig sachgerecht. Auch das OLG Hamburg will über § 4 Nr. 11 UWG etwa unzulässige Beschränkungen von Widerrufsrechten in Allgemeine Geschäftsbedingungen erfassen (OLG Hamburg, a.a.O., juris Rdn. 26), obwohl sich diese AGB-Regelungen ebenfalls erst nach dem Vertragsabschluss zu Lasten der Verbraucher auswirken. Denn die Einschränkung des Widerrufsrechts ist für den Vertragsabschluss jedenfalls nicht förderlich. Ob eine Norm eine (bloße) Informationspflicht (ein Verhaltensgebot) aufstellt oder (sogar) zivilrechtliche Unwirksamkeitsfolgen ausspricht, ist für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 4 Nr. 11 UWG wenig aussagekräftig.

    Jedenfalls enthält schon die BGB-InfoV eine Vielzahl von Informationspflichten bei Verbraucherverträgen, die der Unternehmer vor Vertragsschluss zu erfüllen hat und die häufig zugleich Gegenstand einer Regelung in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind. So sind etwa gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 9 BGB-InfoV „Einzelheiten hinsichtlich … der Lieferung“ mitzuteilen. Zwar verbleibt dem Unternehmer bei der Regelung dieser Angelegenheiten in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht selten ein gewisser Gestaltungsspielraum zu seinen Gunsten (anders etwa bei Widerrufsbelehrungen nach § 312 f. BGB). Führt aber eine Überschreitung der insbesondere nach §§ 307 ff. BGB gesetzten Grenzen zur Unwirksamkeit der AGB-Regelung, dann liegt die Annahme nahe, auch die entsprechende Information nach § 1 BGB-InfoV sei unzureichend. Der Information über eine unwirksame Regelung kann der Verbraucher ebensowenig entnehmen, in wie weit er sich mit Vertragsschluss wirksam bindet.

    (5)

    Letztlich kann vorliegend aber dahingestellt bleiben, inwieweit Regelungen des BGB zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Allgemeinen einen hinreichenden Marktverhaltensbezug haben. Denn jedenfalls vorliegend geht es um die Transparenz einer AGB-Klausel. Verschleierungen wirken sich aber grundsätzlich schon bei Vertragsabschluss zu Lasten des Verbrauchers aus, weil er die mögliche Tragweite der Rechtseinschränkungen nicht ohne weiteres erkennen kann. Die vorliegende Klausel suggeriert eine Lieferung innerhalb weniger Tage. Tatsächlich will sich die Antragsgegnerin aber – wenn auch nur in Ausnahmefällen – die Lieferung auch noch nach vielen Wochen offen halten. Hätte der Verbraucher diesen möglichen Inhalt erkannt, hätte er unter Umständen gänzlich von einem Vertragsabschluss mit der Antragsgegnerin abgesehen. Damit ist er – jedenfalls vorliegend – an einer informierten und rationalen Entscheidung über die Angebote der Wettbewerber gehindert worden (vgl. hierzu Köhler, a.a.O. , § 1 UWG Rdn. 14 ff.). § 1 Abs. 1 Nr. 9 BGB-InfoV sieht insoweit auch – wie erörtert – eine vorvertragliche Informationspflicht des Unternehmers vor.

    e.

    Der Unterlassungsantrag bezüglich der Wendung „in der Regel …“ ist aber nur begründet, soweit sich das Verbot auf Geschäfte der Antragsgegnerin mit Hochzeitsartikeln bezieht. Nur insoweit stehen die Parteien miteinander im Wettbewerb (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) und nur insoweit ist auch eine Begehungsgefahr gegeben.

    3.

    Der Unterlassungsantrag greift auch nicht durch, soweit die Antragstellerin beanstandet, mit dem Hinweis auf Postlaufzeiten von bis zu 10 Tagen verschaffe sich die Antragsgegnerin „ein Zeitfenster für das Vorbereiten der Ware für den Versand“.

    Selbst wenn die regelmäßige Postlaufzeit nur 1 – 2 Werktage dauern sollte, so bezieht sich die streitige AGB-Regelung doch schon nicht auf Werktage, sondern ganz allgemein auf alle Wochentage, also auch das Wochenende und Feiertage. Darüber hinaus kann bei Lieferfristen von 10 Tagen (oder etwa 12 Tagen unter Hinzurechnung von 1 – 2 Tagen bis zur Übergabe an die Post) noch nicht von einer „unangemessen langen“ Lieferzeit im Sinne des § 308 Nr. 1 BGB ausgegangen werden. Denn der Klauselverwender (das Versandunternehmen) darf bei der Bemessung der Lieferzeit in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur einen tatsächlichen Regelzeitraum von Postauslieferungen zugrunde legen, sondern es kann angemessen Risiken einer ausnahmsweise verlängerten Postlaufzeit einbeziehen. So wird selbst für die Frist zur Annahme eines Vertragsangebotes bei Alltagsgeschäften ein Zeitraum von 14 Tagen noch nicht als unangemessen lange erachtet (OLG Naumburg, MDR 1998, 854; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 308 Rdn. 4).

    II.

    Ebenso wenig besteht ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Klausel zur Rechnungsausstellung, § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 14, 14a UStG.

    1.

    Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Rechnungsausstellungsvorschriften der §§ 14, 14 a UStG den Zweck haben, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, § 4 Nr. 11 UWG.

    a.

    Steuervorschriften, die die Erhebung von Steuern gebieten und sichern sollen, haben grundsätzlich keine auch nur sekundäre, auf die Lauterkeit des Marktverhaltens bezogene Schutzfunktion (OLG München, GRUR 2004, 169, juris Rdn. 30; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 25. Aufl., § 4 Rdn. 11.39; Link in: Ullmann, juris PK-UWG, § 4 Nr. 11 Rdn. 79). Ein Unternehmer, der Steuern hinterzieht und sich dadurch einen Wettbewerbsvorsprung vor seinen ehrlichen Mitbewerbern verschafft, handelt daher nicht zugleich unlauter (Köhler, a.a.O.).

    b.

    §§ 14, 14 a UStG schreiben aus Kontroll-, Beweis- und Sicherungszwecken eine Rechnungsausstellung in bestimmten Fällen vor. Dienen diese Vorschriften damit nur im Vorfeld der Abwehr einer Steuerhinterziehung oder der Abwehr von unberechtigt geltend gemachten Steuererstattungsansprüchen, dann fehlt es – ebenso wie der Steuerhinterziehung selbst – an einem Lauterkeitsbezug im Sinne des UWG.

    c.

    Aus § 14 Abs. 1 UStG kann sich auch – als ausdrückliche Normierung einer aus Treu und Glauben folgenden vertraglichen Nebenpflicht – ein vertraglicher Anspruch auf eine Rechnungsausstellung ergeben (BGH, NJW-RR 2002, 141, juris Rdn. 7; NJW 1988, 2042, juris Rdn. 9). Dies setzt aber voraus, dass die Rechnung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zur Durchsetzung eines – berechtigten – Vorsteuererstattungsanspruchs notwendig ist (BGH, NJW-RR 2002, 141, juris Rdn. 7).

    Daran fehlt es vorliegend schon deshalb, weil die Antragsgegnerin als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht der Umsatzbesteuerung unterliegt, mithin auch ein Vorsteuerabzug ihrer Kunden nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, NJW 1988, 2042, juris Rdn. 12).

    d.

    Ebenso fehlt ein hinreichender Lauterkeitsbezug unter Berücksichtigung des Klauselverbotes gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn dieses Klauselverbot greift vorliegend nicht ein.

    Wesentliche Grundgedanken der Rechnungsausstellungsvorschriften der § 14, 14 a UStG zugunsten eines Käufers werden nicht verletzt, wenn – wie hier – eine Vorsteuererstattung nicht in Betracht kommt. Auch weitergehende Rechnungsausstellungsansprüche nach Treu und Glauben aus einer nebenvertraglichen Pflicht werden vorliegend nicht wesentlich beeinträchtigt. Zur Berechnung des Zahlungsbetrages ist die Rechnung vorliegend nicht notwendig, da hier Vorkasse vereinbart ist und die Antragstellerin auch nicht vorgetragen hat, Kaufpreise und Nebenkosten seien nicht hinreichend erkennbar. Soweit ein Kunde die Rechnung für eigene Abrechnungszwecke (etwa gegenüber Dritten) verwenden will, werden ebenfalls keine wesentlichen Rechte beeinträchtigt. Denn den Auftragsumfang und die Zahlung kann er auch anderweitig belegen (Ausdruck des Angebots der Antragsgegnerin, Bankkontounterlagen) und diese Belege sollte er – zudem bei Vorkasse – auch im eigenen Interesse sichergestellt haben.

    2.

    Darüber hinaus bedeutet die Klausel „eine Rechnung liegt meist der Lieferung bei“ auch keinen Ausschluss eines Rechnungsausstellungsanspruchs des Kunden. Die Klausel besagt nur etwas zu Weg und Zeitpunkt einer Rechnungszusendung, und sie lässt offen, in Ausnahmefällen die Rechnung auch gesondert per Post oder auf Nachfrage gesondert zu übersenden.

    B.

    Die Nebenentscheidung zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 92 Abs. 1, § 3 ZPO.

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