Kein genereller Wertersatz für Nutzungen bei Widerruf

04. September 2009
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Eigener Leitsatz:

Übt ein Verbraucher sein Widerrufsrecht für im Fernabsatz gekaufte Ware fristgemäß aus, kann der Verkäufer für die Nutzung der Ware nicht generell Wertersatz verlangen. Jedoch ist der Verbraucher im Gegenzug verpflichtet, für die Benutzung Wertersatz zu leisten, wenn er die Ware u.a. in einer mit den Grundsätzen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbaren Art und Weise benutzt hat.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 03.09.2009

Az.: C-489/07

In der Rechtssache C-489/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Amtsgericht Lahr (Deutschland) mit Entscheidung vom 26. Oktober 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2007, in dem Verfahren

Pia Messner

gegen

Firma Stefan Krüger

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič, A. Tizzano, E. Levits und J.‑J. Kasel,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,

– der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,

– der spanischen Regierung, vertreten durch J. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigten,

– der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,

– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und P. Contreiras als Bevollmächtigte,

– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz, W. Wils und H. Krämer als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 18. Februar 2009

folgendes Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144, S. 19).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Messner, einer Verbraucherin, und der Firma Stefan Krüger (im Folgenden: Stefan Krüger), die Versandhandel im Internet betreibt, wegen Rückzahlung von 278 Euro nach Kündigung eines im Fernabsatz geschlossenen Vertrags.

Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht

Der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/7 lautet:

„Der Verbraucher hat in der Praxis keine Möglichkeit, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Daher sollte ein Widerrufsrecht bestehen, sofern in dieser Richtlinie nicht etwas anderes bestimmt ist. Damit es sich um mehr als ein bloß formales Recht handelt, müssen die Kosten, die, wenn überhaupt, vom Verbraucher im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts getragen werden, auf die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren begrenzt werden. Das Widerrufsrecht berührt nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Rechte des Verbrauchers, insbesondere bei Erhalt von beschädigten Erzeugnissen oder unzulänglichen Dienstleistungen oder Erzeugnissen und Dienstleistungen, die mit der entsprechenden Beschreibung in der Aufforderung nicht übereinstimmen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts festzulegen.“

Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 97/7 bestimmt:

„Widerrufsrecht

(1) Der Verbraucher kann jeden Vertragsabschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ohne Angabe von Gründen und ohne Strafzahlung widerrufen. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.

(2) Übt der Verbraucher das Recht auf Widerruf gemäß diesem Artikel aus, so hat der Lieferer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Die Erstattung hat so bald wie möglich in jedem Fall jedoch binnen 30 Tagen zu erfolgen.“

Art. 14 der Richtlinie 97/7 lautet:

„Mindestklauseln

Die Mitgliedstaaten können in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich mit dem EG-Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. …“

Nationales Recht

§ 312d („Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen“) des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden: BGB) lautet:

„(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 eingeräumt werden.

(2) Die Widerrufsfrist beginnt abweichend von § 355 Abs. 2 Satz 1 nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 2, bei der Lieferung von Waren nicht vor dem Tage ihres Eingangs beim Empfänger, bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor dem Tage des Eingangs der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen nicht vor dem Tage des Vertragsschlusses.“

§ 355 BGB („Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen“) bestimmt:

„(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

(2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Absatzes 1 Satz 2 enthält. Wird die Belehrung nach Vertragsschluss mitgeteilt, beträgt die Frist abweichend von Absatz 1 Satz 2 einen Monat. Ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden. Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer.

(3) Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Bei der Lieferung von Waren beginnt die Frist nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger. Abweichend von Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen ferner nicht, wenn der Unternehmer seine Mitteilungspflichten gemäß § 312 c Abs. 2 Nr. 1 nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.“

§ 357 BGB („Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe“) lautet:

„(1) Auf das Widerrufs- und das Rückgaberecht finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. § 286 Abs. 3 gilt für die Verpflichtung zur Erstattung von Zahlungen nach dieser Vorschrift entsprechend; die dort bestimmte Frist beginnt mit der Widerrufs- oder Rückgabeerklärung des Verbrauchers. Dabei beginnt die Frist im Hinblick auf eine Erstattungsverpflichtung des Verbrauchers mit Abgabe dieser Erklärung, im Hinblick auf eine Erstattungsverpflichtung des Unternehmers mit deren Zugang.

(3) Der Verbraucher hat abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist. § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 findet keine Anwendung, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist oder hiervon anderweitig Kenntnis erlangt hat.

(4) Weiter gehende Ansprüche bestehen nicht.“

§ 346 („Wirkungen des Rücktritts“) Abs. 1 bis 3 BGB bestimmt:

„(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit

1. die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist,

2. er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat,

3. der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.

Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war.

(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,

1. wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat,

2. soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre,

3. wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.

Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

Frau Messner kaufte am 2. Dezember 2005 über das Internet von Stefan Krüger ein gebrauchtes Notebook zum Preis von 278 Euro.

Stefan Krüger hatte zum Zeitpunkt dieses Kaufs Allgemeine Geschäftsbedingungen in das Internet eingestellt, in denen es u. a. hieß, dass der Käufer für die durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretene Verschlechterung der Ware Wertersatz leisten müsse.

Im August 2006 kam es zu einem Defekt des Displays des Computers. Frau Messner teilte Stefan Krüger am 4. August 2006 den Defekt an dem Display mit. Diese lehnte eine kostenlose Beseitigung des Defekts ab.

Am 7. November 2006 widerrief Frau Messner den Kaufvertrag und bot Stefan Krüger das Notebook Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises an. Dieser Widerruf erfolgte innerhalb der im BGB vorgesehenen Fristen, da Frau Messner nicht die nach dessen Bestimmungen für das Inlaufsetzen der Frist erforderliche Widerrufsbelehrung erhalten hatte.

Frau Messner erhob gegen Stefan Krüger vor dem Amtsgericht Lahr Klage auf Zahlung des Betrags von 278 Euro.

Stefan Krüger trägt beim vorlegenden Gericht gegen die Klageforderung vor, dass Frau Messner ihm für ihre Nutzung des Notebooks für etwa acht Monate auf jeden Fall Wertersatz zu leisten habe. Bei einem vergleichbaren Notebook liege der Mietpreis im Marktdurchschnitt bei 118,80 Euro für drei Monate, so dass sich für die Nutzungszeit der Klägerin ein Wertersatz von 316,80 Euro ergebe.

Unter diesen Umständen hat das Amtsgericht Lahr beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 97/7/EG dahin auszulegen, dass diese einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegensteht, die besagt, dass der Verkäufer im Falle des fristgerechten Widerrufes durch den Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des gelieferten Verbrauchsgutes verlangen kann?

Zur Vorlagefrage

Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage wissen, ob Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Verkäufer vom Verbraucher für die Nutzung einer im Fernabsatz gekauften Ware in dem Fall, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht fristgerecht ausübt, Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 sind die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.

In diesem Zusammenhang ergibt sich aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/7, dass dieses Verbot, dem Verbraucher andere Kosten als die der unmittelbaren Rücksendung der Waren aufzuerlegen, gewährleisten soll, dass das in dieser Richtlinie festgelegte Widerrufsrecht „mehr als ein bloß formales Recht“ ist. Wäre dieses Recht nämlich mit negativen Kostenfolgen verbunden, könnte dies den Verbraucher davon abhalten, von diesem Recht Gebrauch zu machen.

Außerdem ergibt sich aus demselben Erwägungsgrund, dass das Widerrufsrecht den Verbraucher in der besonderen Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz schützen soll, in der er „keine Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen“. Das Widerrufsrecht soll also den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt, indem ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren.

Im Licht dieser Ziele ist das in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 genannte Verbot auszulegen.

Insoweit ist festzustellen, dass die generelle Auferlegung eines Wertersatzes für die Nutzung der durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekauften Ware mit den genannten Zielen unvereinbar ist.

Falls nämlich der Verbraucher einen solchen pauschalierten Wertersatz allein deshalb leisten müsste, weil er die Möglichkeit hatte, die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware in der Zeit, in der er sie im Besitz hatte, zu benutzen, könnte er – wie die Generalanwältin in Nr. 74 ihrer Schlussanträge hervorhebt – sein Widerrufsrecht nur gegen Zahlung dieses Wertersatzes ausüben. Eine solche Folge liefe eindeutig dem Wortlaut und der Zielsetzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 zuwider und nähme insbesondere dem Verbraucher die Möglichkeit, die ihm von der Richtlinie eingeräumte Bedenkzeit völlig frei und ohne jeden Druck zu nutzen.

Außerdem würden die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf beeinträchtigt, wenn dem Verbraucher auferlegt würde, allein deshalb Wertersatz zu zahlen, weil er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware geprüft und ausprobiert hat. Da das Widerrufsrecht gerade zum Ziel hat, dem Verbraucher diese Möglichkeit einzuräumen, kann deren Wahrnehmung nicht zur Folge haben, dass er dieses Recht nur gegen Zahlung eines Wertersatzes ausüben kann.

Die Richtlinie 97/7 hat jedoch, auch wenn sie den Verbraucher in der besonderen Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz schützen soll, nicht zum Ziel, ihm Rechte einzuräumen, die über das hinausgehen, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist.

Demzufolge stehen die Zielsetzung der Richtlinie 97/7 und insbesondere das in ihrem Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 festgelegte Verbot grundsätzlich Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegen, wonach der Verbraucher einen angemessenen Wertersatz zu zahlen hat, wenn er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat.

Aus dem letzten Satz des 14. Erwägungsgrundes der Richtlinie 97/7 ergibt sich hierzu, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts festzulegen. Diese Befugnis ist jedoch unter Beachtung der Zielsetzung dieser Richtlinie auszuüben und darf insbesondere nicht die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf beeinträchtigen. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn die Höhe eines Wertersatzes der in der vorstehenden Randnummer genannten Art außer Verhältnis zum Kaufpreis der fraglichen Ware stünde oder wenn die nationale Regelung dem Verbraucher die Beweislast dafür auferlegte, dass er die Ware während der Widerrufsfrist nicht in einer Weise benutzt hat, die über das hinausgeht, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, den Rechtsstreit, mit dem es konkret befasst ist, im Licht dieser Grundsätze unter gebührender Berücksichtigung aller seiner Besonderheiten zu entscheiden, insbesondere der Natur der fraglichen Ware und der Länge des Zeitraums, nach dessen Ablauf der Verbraucher aufgrund der Nichteinhaltung der dem Verkäufer obliegenden Informationspflicht sein Widerrufsrecht ausgeübt hat.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Verkäufer vom Verbraucher für die Nutzung einer durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekauften Ware in dem Fall, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht fristgerecht ausübt, generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann. Diese Bestimmungen stehen jedoch nicht einer Verpflichtung des Verbrauchers entgegen, für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten, wenn er diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat, sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt werden; dies zu beurteilen ist Sache des nationalen Gerichts.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Verkäufer vom Verbraucher für die Nutzung einer durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekauften Ware in dem Fall, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht fristgerecht ausübt, generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann.

Diese Bestimmungen stehen jedoch nicht einer Verpflichtung des Verbrauchers entgegen, für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten, wenn er diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat, sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt werden; dies zu beurteilen ist Sache des nationalen Gerichts.

1 Kommentar

  1. Ken, 18. September 2009

    Wow! Das ist ja super. Das heisst ja, dass ich mir alles kaufen und nach Herzenslust benutzen kann und nichts bezahle, solange ich es fristgerecht zurück sende. Das ist mal sinnvoll :) (Warning! Sarkasm!)

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