Aktuelle Entwicklungen des Internetstrafrechts 1/2011 – Teil 1/3
Laut der kürzlich veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2010 ist die Zahl der registrierten Straftaten im Bereich der Computer- und Internetkriminalität weiter stark angewachsen. 60.000 bekannt gewordene Fälle sollen es demnach im letzten Jahr gewesen sein, ganze 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Nicht zu unterschätzen ist dabei die hohe Dunkelziffer an nicht bekannt gewordenen bzw. angezeigten Straftaten. Die stetig zunehmende Täterzahl fühlt sich im vermeintlich anonymen „rechtsfreien Raum“ Internet – vor den Strafverfolgungsbehörden sicher. Der nachfolgende Artikel möchte anhand ausgewählter, aktueller Beispiele aus der Rechtsprechung die jüngste Entwicklung im Bereich des Internetstrafrechts aufzeigen.
Entfernung des SIM- oder Net-Locks am Handy
Die SIM-Lock-Sperre eines Handys dient grundsätzlich dazu, ein Handy so einzustellen, dass dieses nur in Verbindung mit den SIM-Karten bestimmter Anbieter funktioniert. Daneben verhindert der sog. Net-Lock, dass das Handy in anderen Mobilfunknetzen als ursprünglich zugelassen verwendet werden kann.
Erst Anfang Mai hatte sich das Amtsgericht Göttingen mit der Frage auseinanderzusetzen (Urteil vom 04.05.2011 – Az.: 62 DS 106/11), ob ein strafbares Verhalten darin zu sehen ist, wenn die SIM-Lock-Sperre mehrerer hundert Handys entfernt wird. Das Gericht sah in einem solchen Entfernen der Sperre eine Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß § 269 StGB und eine Datenveränderung gem. § 303a StGB. Ähnlich hatte das Amtsgericht Nürtingen in einem Urteil von Mitte September 2010 entschieden (Urteil vom 20.09.2010 – Az.: 13 Ls 171 Js 13423/08). Hier hatte ein Mann in 614 Fällen die SIM-Lock-Sperre mittels eines sog. „Flasher“ entfernt. Er nahm nach Ansicht des Gerichts billigend in Kauf, zur Beseitigung des SIM-Locks nicht berechtigt gewesen zu sein.
Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Webcam-Hack
In einem Fall vor dem Amtsgericht Düren (Urteil vom 13.12.2010 – Az.: 10 Ls-806 Js 644/10-275/10) ging es um die Strafbarkeit eines Mannes, der unberechtigterweise Webcam-Aufnahmen seiner Opfer im höchst persönlichen Lebensbereich vornahm. Der Mann gelangte über eine Software namens „ICQ Password Hasher“ an die Anmeldedaten mehrerer Nutzer des Instant-Messaging-Services. Mit diesen Daten meldete sich der Täter unter falscher Identität an und forderte die Kontakte des jeweiligen Nutzers auf, den Dateiempfang von als Fotografien getarnten Trojanern anzunehmen und schließlich die empfangenen Dateien zu öffnen. Durch das Öffnen der Datei wurde auf den jeweiligen Computern der Opfer eine „Backdoor“-Software installiert, mit Hilfe welcher der Täter Zugriff auf die Computer erhielt. Dadurch war es ihm möglich, die an den Computern angeschlossene Webcam zu starten und entsprechende Aufnahmen an sich zu übersenden.
Der Angeklagte fertigte auf diese Weise über drei Millionen Bilddateien an, welche die Geschädigten in allen möglichen Lebenssituationen zeigten. Das AG Düren verurteilte den Mann wegen Ausspähens von Daten gem. § 202a StGB in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gem. § 201a StGB in 98 Fällen. Da der Angeklagte unter anderem in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis ablegte und sonst bisher ebenfalls nicht wegen einschlägiger Delikte in Erscheinung getreten war, wurde die Gesamtstrafe auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten erkannt und die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.
Die Veröffentlichung des zweiten Teils des Artikels folgt in 14 Tagen im Rahmen unseres Newsletters am 19.07.2011.