Stromnetznutzer kann zu viel gezahltes Geld vom Netzbetreiber zurückfordern

17. November 2010
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Eigener Leitsatz:

Die Netzbetreiber dürfen das Entgelt, das die Netznutzer zu viel bezahlt haben und das die Entgeltmaßstäbe übersteigt, nicht behalten. Vielmehr muss eine Abrechnung periodenübergreifend stattfinden. Die genaue Höhe des Nutzungsentgelts muss im Rahmen einer Billigkeitskontrolle von den Regulierungsbehörden geschätzt werden, wobei jedoch auch der monatstypische Stromverbrauch berücksichtigt werden muss (z.B höherer Stromverbrauch in den Wintermonaten). Nach Festlegung des Nutzungsentgelts müssen zu viel gezahlte Entgelte an den Netznutzer zurückerstattet werden. Eine freiwillige Rückzahlung zuviel gezahlter Entgelte der Netzbetreiber an den Netznutzer ist grundsätzlich aber nicht zulässig, da der Netznutzer hier doppelt profitieren könnte, wenn er zum einen das zu viel entrichtete Entgelt zurückerstattet bekommt, und zum anderen in den Genuss zukünftig geringerer Netzentgelte kommt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 05.10.2010

Az.: 11 U 31/09 (Kart)

Tenor

    Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin wird das am 1. April 2009 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 3/8 O 147/08) wie folgt abgeändert:

    Das billige Netznutzungsentgelt einschließlich der Mess- und Verrechnungsentgelte für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die ehemalige X – … GmbH & Co. KG zur Energieversorgung ihrer Kunden, die sie im Jahre 2005 im Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt hatte, einschließlich der Nutzung der vorgelagerten Netze wird für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 28. Oktober 2005 auf 10.787,42 € festgesetzt.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die X AG 1.903,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2008 zu zahlen.

    Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 68% und die Beklagte 32% zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Zu der Frage, ob § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG für die Zeit ab 29.10.2005 Rückforderungsansprüche von Netznutzern gegen Netzbetreiber ausschließt, wird die Revision zugelassen.

Gründe

    I.

    Die Parteien streiten über die Höhe der für das Jahr 2005 für die Nutzung des Elektrizitätsversorgungsnetzes der Beklagten zu entrichtenden Netznutzungsentgelte.

    Die Klägerin ist im Jahr 2009 durch Firmenänderung aus der X – … GmbH & Co. KG (vormals X – … GmbH), einem Stromhandelsunternehmen, hervorgegangen. Das Stromlieferungsgeschäft ist – ebenfalls im Jahr 2009 – im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung von der X – … GmbH & Co. KG auf die X AG übertragen worden. Seither betreibt die Klägerin den Prozess in Prozessstandschaft für die X AG.

    Die Klägerin verlangt die Bestimmung eines billigen Netznutzungsentgelts für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten im Jahr 2005 sowie die Rückzahlung der Differenz zwischen dem vom Gericht bestimmten billigen Entgelt und den tatsächlichen gezahlten Entgelten.

    Die Klägerin hat unter dem Vorbehalt der energie- und kartellrechtlichen Überprüfung der Entgelte für das Jahr 2005 für die Durchleitung von Strom durch das Netz der Beklagten insgesamt 16.926,58 € (netto) gezahlt.

    Sie ist davon ausgegangen, die von der Beklagten geforderten Netzentgelte seien um mehr als 30 % überhöht.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Klägerin kein Anspruch nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB auf Bestimmung des billigen Entgelts zustehe. Eine Billigkeitsprüfung des für 2005 gezahlten Entgelts scheide aus. Zwar sei

    § 315 Abs. 3 S. 2 BGB analog auch auf die ursprünglichen ab Vertragsschluss geschuldeten Entgelte anwendbar. Die Geltendmachung der Unbilligkeit dieser Entgelte sei jedoch infolge des langen Zeitablaufs präkludiert. Da die Entgelte für 2005 niedriger als die ursprünglichen Entgelte seien, könnten auch diese nicht mehr nach § 315 BGB überprüft werden.

    Für die Zeit ab 29.10.2005 schließe § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG eine Rückabwicklung in der Beziehung zwischen Netzbetreibern und Netznutzern aus.

    Soweit die Klägerin sich auf §§ 19 Abs. 4, 20 Abs. 1 GWB, 6 Abs. 1 S. 1 EnWG a. F. in Verbindung mit § 134 BGB stütze, stehe diese Klagebegründung mit ihrem Klageantrag nicht im Einklang. Eine Leistungsbestimmung durch das Gericht sei nicht Rechtsfolge einer kartellrechtlichen oder energierechtlichen Unwirksamkeit der vereinbarten Entgelte. Zudem habe die Klägerin auch eine Kartellrechtswidrigkeit der gezahlten Entgelte nicht schlüssig dargetan.

    Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe bezüglich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin.

    Sie macht geltend, entgegen der Ansicht des Landgerichts sei keine Vereinbarung über die Höhe des Netznutzungsentgelts getroffen worden. Ihr Recht auf gerichtliche Bestimmung des billigen Entgeltes könne nicht mit der Begründung abgelehnt werden, sie habe das Recht nicht innerhalb angemessener Frist ausgeübt. § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG schließe eine Rückabwicklung in der Beziehung zwischen Netzbetreibern und Netznutzern nicht aus. Auch ein kartellrechtlicher Anspruch sei zu bejahen. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

    Die Klägerin hat die im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 28.10.2005 gezahlten Netznutzungsentgelte auf 13.794,66 € beziffert, wobei sie die insgesamt im Jahr 2005 gezahlten Entgelte linear verteilt hat (GA 722). In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich die Klägerin mit Blick auf Bedenken gegen eine lineare Berechnung mit einem pauschalen Abzug in Höhe von 8 % einverstanden erklärt.

    Die Klägerin beantragt,

    das Gericht möge das billige Netznutzungsentgelt einschließlich der Mess- und Verrechnungsentgelte für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die ehemalige X – … GmbH & Co. KG zur Energieversorgung ihrer Kunden, die sie in dem Jahr 2005 im Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt hat, einschließlich der Nutzung der vorgelagerten Netze, bestimmen,

    sowie die Beklagte zu verurteilen, die Differenz zwischen den ausweislich der Auflistung Anlage K1 tatsächlich gezahlten Entgelten für die Netznutzung für das Jahr 2005 in Höhe von 16.926,58 € (netto) und dem von dem Gericht bestimmten billigen Entgelt für das Jahr 2005 für die Netznutzung zuzüglich Mehrwertsteuer und nebst gesetzlicher Rechtshängigkeitszinsen an die X AG zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

    II.

    Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache teilweise Erfolg.

    1. Soweit die Klägerin sich dagegen wendet, dass ihre auf Bestimmung des billigen Entgelts für den Zeitraum vom 29. Oktober bis zum 31. Dezember 2005 und auf Rückgewähr des in dieser Zeit zuviel gezahlten Entgelts gerichtete Klage abgewiesen wurde, bleibt ihre Berufung ohne Erfolg.

    a) Gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 StromNEV hatten Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen ihre Netzentgelte spätestens ab dem für sie maßgeblichen Zeitpunkt am 29.10.2005 (§ 118 Abs. 1 b S. 1 EnWG a. F.) auf der Grundlage der Stromnetzentgeltverordnung zu bestimmen. Erfolgte die Antragstellung rechtzeitig, so durfte der jeweilige Netzbetreiber die bis zu diesem Zeitpunkt geforderten Entgelte in dem Zeitraum zwischen dem erstmaligen Antrag auf Genehmigung der Entgelte bis zur Entscheidung über die beantragte Genehmigung beibehalten (§ 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG i. V. m. § 118 Abs. 1 b S. 2 EnWG a. F.).

    Eine Rückforderung von Entgelten im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten ist hinsichtlich des Zeitraums vom 29.10.2005 bis zum 31.12.2005 durch die Regelung des § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss v. 14.08.2008 – KVR 39/07 = ZNER 2008, 217 – Vattenfall) schließt § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG in der Beziehung zwischen Netzbetreibern und Netznutzern eine Rückabwicklung bezüglich der angeblich überhöhten Netznutzungsentgelte betreffend den Zeitraum vom 29.10.2005 bis zur tatsächlichen Entgeltgenehmigung durch die Regulierungsbehörde aus. Das gilt gleichermaßen für eine Rückabwicklung auf der Grundlage von Bereicherungsrecht (§ 812 BGB) wie für eine Rückabwicklung auf der Grundlage von § 33 i. V. m. §§ 19, 20 GWB. Davon unberührt bleibt, dass der Netzbetreiber unter dem regulierungsrechtlichen Ordnungsrahmen etwa vereinnahmte Mehrerlöse nicht behalten darf, sondern einer Mehrerlösabschöpfung ausgesetzt ist (BGH, Beschluss v. 14.08.2008, a.a.O.; OLG Celle, Urteil v. 17.06.2010 – 13 U 155/09 (Kart), zitiert nach Juris Rn. 62 ff.).

    Der Ausgleich des entstandenen Mehrerlöses, den der Netzbetreiber nicht behalten darf, hat nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs dadurch stattzufinden, dass er periodenübergreifend abzurechnen und wie sonstige Erlöse in der nächsten Genehmigungsperiode entgeltmindernd in Ansatz zu bringen hat. Ergänzend hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass in der Beziehung zwischen Netzbetreibern und Netznutzern § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG, auch wenn die Vorschrift keinen Rechtsgrund dafür schaffe, dass der Netzbetreiber zuviel erhobene Entgelte endgültig behalten dürfe, eine Rückabwicklung ausschließe. Hierzu heißt es in der zitierten Entscheidung wörtlich (Rn. 21):

    „Theoretisch käme zwar ebenfalls ein Ausgleich in der Weise in Betracht, dass der Netzbetreiber die Leistungsbeziehungen mit seinen Netznutzern auf der Basis der niedrigeren, entsprechend der Stromnetzentgeltverordnung gebildeten Entgelte abrechnen müsste.“

    Wie der Bundesgerichtshof in einer weiteren Entscheidung vom selben Tag näher begründet hat (BGH, Beschluss v. 14.08.2008 – KVR 27/07 – Engen, dort unter III.), scheidet diese Möglichkeit aber letztlich aus:

    „Aufgrund dieser Regelung, die nach § 118 Abs. 1 b S. 2 EnWG schon für den ersten Genehmigungsantrag gilt, soll der Netzbetreiber die (noch unter der Geltung des alten Rechts gebildeten) ursprünglichen Entgelte weiter in Rechnung stellen dürfen. Damit gewährt die Regelung des § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG dem Netzbetreiber ein gewisses Maß an Vertrauensschutz und verhindert so, dass sämtliche Rechtsbeziehungen des Netzbetreibers mit den Stromversorgern auf der Grundlage der später genehmigten Preise korrigiert werden müssen (BT-Drucksache 15/3917 S. 85).“

    Der Zweck dieser Regelung würde verfehlt, wenn später – nach Erteilung der Genehmigung – eine solche rückwirkende Abrechnung erfolgen müsste. Das Tatbestandsmerkmal des Beibehaltens im Sinne des § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG bedeutete nicht, dass der Netzbetreiber die Mehrerlöse, die er gegenüber den genehmigten Tarifen erzielt hat, endgültig behalten darf. Vielmehr hat eine periodenübergreifende Abrechnung stattzufinden. Dies kann zwar im Einzelfall zu Ungleichgewichten führen, weil die Lieferbeziehungen zu den Einzelnetznutzern, den Stromversorgern, nicht in demselben Umfang auch mit der nächsten Planperiode fortbestehen müssen. Diese Unterschiede sind hinzunehmen. Insoweit unterscheidet sich diese Fallgestaltung nicht von anderen Abweichungen, die nach § 11 StromNEV periodenübergreifend auszugleichen sind. Unvermeidliche Defizite in der Deckungsgleichheit von Belasteten und Begünstigten hat der Verordnungsgeber durch die Regelungen in §§ 9, 11 StromNEV in Kauf genommen (BGH, ZNER 2008, 217, 219 – Vattenfall).

    b) In Anbetracht dieser Rechtsprechung scheiden Ansprüche der Klägerin auf Überprüfung der von der Beklagten bestimmten Netznutzungsentgelte nach § 315 Abs. 3 BGB und Herausgabe einer sich hieraus ergebenden ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Altern. 1 BGB ab dem 29.10.2005 aus. In der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen und vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss v. 21.12.2009, 1 BvR 273/08, RdE 2010, 290) bestätigten Auslegung enthält das Energie-Wirtschaftsrecht durch die periodenübergreifende Saldierung nach den §§ 9, 11 StromNEV analog ein spezielles Abwicklungsregime zur Abschöpfung der von dem Netzbetreiber vereinnahmten Mehrerlöse. § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG schafft daher einen modifiziert fortbestehenden Rechtsgrund, der eine Bereicherungskondiktion im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Netznutzer ausschließt (OLG Celle, a.a.O.).

    c) Soweit die Klägerin den Vorrang der individuellen Rückabwicklung in ihrer Leistungsbeziehung zur Beklagten mit einem in § 33 Abs. 2 EnWG zum Ausdruck kommenden verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken begründet, wonach die Vorteilsabschöpfung subsidiär gegenüber dem individuellen Ausgleich sei, verkennt sie die unterschiedlichen Regelungsansätze und -ziele beider Rechtsinstitute. Die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung nach § 33 EnWG soll sicherstellen, dass wirtschaftliche Vorteile aufgrund einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der Abschnitte 2 und 3 des dritten Teils des EnWG, die darauf gestützten Rechtsverordnungen oder eine auf Grundlage dieser Vorschriften ergangene Entscheidung der Regulierungsbehörde nicht bei dem Unternehmen verbleiben, das den Verstoß begangen hat (RegE, BT-Drucksache 15/3917, S. 64). Um eine Doppelbelastung der Unternehmen zu verhindern, sieht § 33 Abs. 2 EnWG die Subsidiarität der Vorteilsabschöpfung gegenüber dem Schadensersatzanspruch (§ 32 EnWG) und der Geldbuße (§ 95 EnWG) vor. Mit dieser Ausgangslage ist die Problematik der von den Netzbetreibern in der Übergangszeit zwischen Genehmigungsantrag und dessen Wirksamwerden vereinnahmten Mehrerlöse indes nicht vergleichbar. Die Netzbetreiber trifft nicht der Vorwurf einer schuldhaften Zuwiderhandlung (vgl. auch Dederer, NVwZ 2008, 149, 151; Jacobs, RdE 2009, 42, 46). § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG eröffnet ihnen vielmehr die Möglichkeit, in der Übergangsphase ihre bisherigen Entgelte beizubehalten, um die Rechtsbeziehungen zu den Netznutzern während dieser Zeit auf eine sichere Grundlage zu stellen, ohne den Netzbetreibern die Entgelte endgültig zu überlassen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass der im Rahmen von § 33 Abs. 1 EnWG abgeschöpfte Betrag der Staatskasse und nicht, wie bei der periodenübergreifenden Saldierung, den Netznutzern in Form von künftig geringeren Netznutzungsentgelten, und damit dem Wettbewerb zugute kommt (vgl. Zeidler, RdE 2010, 122, 123), verfolgt § 33 Abs. 2 EnWG ein Regelungsziel, das auf die Mehrerlösabschöpfung nicht übertragbar ist.

    Der vom Bundesgerichtshof entwickelte Ansatz, nach dem die Abschöpfung der erzielten Mehrerlöse in entsprechender Anwendung der §§ 9, 11 StromNEV durch die Regulierungsbehörde erfolgt, ist dagegen ebenfalls im Energie-Wirtschaftsrecht angelegt. Zwar dient die in § 11 StromNEV und § 10 GasNEV geregelte periodenübergreifende Saldierung zunächst dem Zweck, die Differenzen zwischen prognostizierten und tatsächlichen Absatzmengen nachträglich zu saldieren. Zugleich kommt darin aber ein für die Netzentgeltregulierung maßgeblicher Gedanke zum Ausdruck, nämlich der nachträgliche Ausgleich von Abweichungen zwischen den regulatorisch vorgegebenen Erlösen und den tatsächlich erzielten Einnahmen, der über das nach § 5 ARegV gebildete Regulierungskonto auch in der Anreizregulierung fortgeführt wird. Dieses Konzept zum Ausgleich von Differenzbeträgen in nachfolgenden Kalkulationsperioden ist wegen der vergleichbaren Interessenlage auf den nicht ausdrücklich geregelten Ausgleich der von den Netzbetreibern vereinnahmten Mehrerlöse übertragbar.

    d) Dem Ausschluss etwaiger die Mehrerlöse betreffender Ansprüche der Netznutzer steht auch nicht entgegen, dass die Bundesnetzagentur die Mehrerlöse nicht in der nächsten Genehmigungsperiode, sondern erst im Rahmen der Anreizregulierung ab dem Jahr 2010 über vier oder neun Jahre gestreckt bei der Festlegung der Erlösobergrenze entgeltmindernd berücksichtigt. Den Regelungen der §§ 9, 11 StromNEV ist ein im Netzentgeltregulierungsverfahren verallgemeinerungsfähiger Rechtsgrundsatz zu entnehmen, der über die Einrichtung eines Regulierungskontos nach § 5 ARegV auch in der Anreizregulierung gilt. Zwar kann sich durch die Berücksichtigung der Mehrerlöse erst zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit von Ungleichgewichten erhöhen, weil die Lieferbeziehungen zu den einzelnen Netznutzern nicht im gleichen Umfang während der gesamten zwei Regulierungsperioden fortbestehen müssen. Diese Ungleichgewichte sind angesichts der Systemumstellung auf die Anreizregulierung und den damit verbundenen Schwierigkeiten aber noch als gerechtfertigt anzusehen und damit hinzunehmen. Gerade das von der Klägerin angeführte Gleichbehandlungsgebot des § 20 Abs. 1 EnWG spricht für die von der Bundesnetzagentur vertretene Auffassung, freiwillige Rückzahlungen der Netzbetreiber an den Netznutzer grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Denn erhielte die Klägerin zum einen das von ihr für die Übergangszeit entrichtete Netznutzungsentgelt in der Höhe von der Beklagten zurückerstattet, in der es die materiellen Entgeltmaßstäbe der Stromnetzentgeltforderung übersteigt, und käme sie zum anderen über die entgeltmindernde Berücksichtigung der Mehrerlöse bei der Festsetzung der Erlösobergrenzen in den Genuss geringerer künftiger Netzentgelte, würde sie in ungerechtfertigter Weise doppelt profitieren.

    e) Gegen den Ausschluss ihres auf Rückzahlung des unbillig überhöhten Netznutzungsentgelts gerichteten Anspruchs spricht auch nicht die von der Bundesnetzagentur teilweise gewählte Vorgehensweise der Mehrerlösabschöpfung im sogenannten vereinfachten Verfahren. Hier nimmt die Bundesnetzagentur auf die ermittelten Rohmehrerlöse einen pauschalen Sicherheitsabschlag von einem Drittel vor, um verbleibenden Berechnungsunsicherheiten (z. B. aufgrund zwischenzeitlich ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung) Datenlücken etc. Rechnung zu tragen und damit sicherzustellen, dass der gesamte dem Netzbetreiber entstandene Mehrerlös abgeschöpft wird. Ob diese Vorgehensweise der Bundesnetzagentur noch den Vorgaben des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 14.08.2008 entspricht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls rechtfertigte eine in unzureichendem Umfang vorgenommene Abschöpfung des Mehrerlöses angesichts des vom Bundesgerichtshof betonten Regelungszwecks des § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG, die Rechtsbeziehungen zwischen Netzbetreibern und Netznutzern für die Übergangsphase zwischen erster Antragstellung und erster Genehmigung auf eine sichere Grundlage zu stellen, keine andere zivilrechtliche Beurteilung.

    f) Scheidet wegen der gesetzlichen Regelung des § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG eine Rückabwicklung in der Beziehung zwischen Klägerin und Beklagter für die Übergangsphase zwischen Antragstellung und Genehmigungserteilung aus, kommt für diesen Zeitraum auch eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB nicht in Betracht. Denn die Gestaltungsklage auf richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB dient der Klägerin als der der Leistungsbestimmung durch die Beklagte Unterworfenen dazu, ihr subjektives Recht auf eine vertragserhaltende Regelung geltend zu machen. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass die zivilrechtlich der Beklagten zugewiesene Gestaltungsmacht für die Übergangsphase zwischen Antragstellung und Entscheidung über die beantragte Entgeltgenehmigung durch § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG dahingehend modifiziert wird, dass im Verhältnis zwischen ihr und ihren Netznutzern eine nachträgliche Korrektur nicht erfolgen soll. Die Abschöpfung der von Netzbetreibern rechtsgrundlos vereinnahmten Mehrerlöse findet allein durch die von der Regulierungsbehörde vorgenommene periodenübergreifende Saldierung statt, indem die Mehrerlöse bei der Festlegung der Erlösobergrenze in der Anreizregulierung erlösmindernd in Absatz gebracht werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin verbleibt daneben auch kein Raum für eine weitergehende Billigkeitskontrolle. Denn die entsprechend den Vorgaben des EnWG und der Stromnetzentgeltforderung kalkulierten Netzentgelte entsprechen regelmäßig billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB.

    g) Für den Zeitraum zwischen 29. Oktober und 31. Dezember 2005 steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 33 Abs. 1 und 3 GWB i. V. m. §§ 19 Abs. 4 Nr. 2 und 4, 20 Abs. 1 GWB zu. Unabhängig davon, ob sich die mit den Anträgen konkret begehrte Leistung überhaupt aus einem Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 3 GWB ergeben kann, sind die vorgenannten Vorschriften des GWB gemäß § 111 Abs. 1 EnWG ausgeschlossen. Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 EnWG treffen die Vorschriften über die Netzentgeltregulierung im dritten Teil des EnWG und damit auch § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG eine abschließende Regelung, die insoweit eine Anwendung der §§ 19, 20 und 29 GWB ausschließen. § 111 Abs. 1 EnWG steht nicht im Widerspruch zu Art. 23 Abs. 11 der Richtlinie 2003/54/EG, wonach Beschwerden nach Art. 5 und 6 die nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften möglichen Rechtsbehelfe unberührt lassen. Damit wird lediglich klargestellt, dass die in den Absätzen 5 und 6 angesprochenen Beschwerden keinen Wegfall der bereits bestehenden Rechtsbehelfe nach nationalem Recht zur Folge haben. Diese Regelung bedeutet hingegen nicht, dass der nationale Gesetzgeber seine bislang vorgesehenen Rechtsbehelfe künftig in ihrer Ausgestaltung nicht mehr ändern darf, sofern dies – im Übrigen – dem Gemeinschaftsrecht entspricht. Daran besteht bei der Regelung des § 111 EnWG keinen Zweifel. Mit dieser und der in § 130 Abs. 3 GWB getroffenen Normierung hat der Gesetzgeber das Verhältnis zwischen EnWG und GWB zu Gunsten einer abschließenden Regelung nach dem EnWG für die Kontrolle von Netzanschluss, Netzzugang sowie diskriminierungsfreier Netznutzung und einer Konzentration der Netzentgeltregulierung bei den Regulierungsbehörden ausgestaltet, um eine drohende Doppelzuständigkeit von Regulierungs- und Kartellbehörden zumindest für das nationale Recht zu vermeiden (vgl. OLG Celle, a.a.O., Rn. 72 m.w.N.). Zudem ist die darauf erfolgte Implementierung einer behördlichen und zivilgerichtlichen Missbrauchskontrolle in den §§ 30 ff. EnWG sowohl in ihrem Eingriffsumfang als auch in ihrer Eingriffsintensität weitergehend als die ex-post-Befugnisse der §§ 19, 20, 29 GWB (vgl. OLG Celle, wie vor, m.w.N.). Jedenfalls aber trifft die Beklagte kein Verschuldensvorwurf, wenn sie ihre bis dahin geforderten Entgelte im Hinblick auf die Bedingung des § 23 a Abs. 5 S. 1 EuWG über den 28.10.2005 hinaus beibehalten hat.

    2. Die Berufung ist für die im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 28. Oktober 2005 gezahlten Netznutzungsentgelte teilweise begründet.

    a) Die von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgenommene Umstellung auf Leistung an ihre Rechtsnachfolgerin auf dem Geschäftsfeld, in das der streitgegenständliche Klageanspruch fällt, ist zulässig. Unstreitig ist dieser Geschäftsbereich im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG zur Aufnahme auf die X AG im Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 31. Juli 2009 übertragen worden. Die beantragte Umstellung auf Leistung an den Rechtsnachfolger ist keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung und daher nach § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO auch in der Berufungsinstanz zulässig (ebenso OLG Celle, Urteil v. 17.06.2010 – 13 U 155/09 (Kart), zitiert nach Juris Rn. 41 m.w.N.).

    Der Zahlungsantrag ist trotz fehlender Bezifferung hinreichend bestimmt, weil der Betrag rechtsgestaltend vom Gericht festzusetzen ist (vgl. Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 253 Rz. 12 m. w. N.).

    Es fehlt auch nicht das Rechtschutzinteresse für eine Billigkeitskontrolle der Netznutzungsentgelte wegen Verjährung etwaiger Rückzahlungsansprüche, denn der Ablauf der am 1.1.2006 beginnenden 3-jährigen Verjährungsfrist für Ansprüche der Klägerin aus § 812 BGB wurde rechtzeitig durch Klageerhebung am 12.12.2008 gehemmt (§§ 195, 199 Abs. 1, § 204 Abs. 1 Nr.1 BGB).

    Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 28. Oktober 2005 ist auch nicht durch die Regelung der § 23a Abs. 5, § 118 Abs. 1b EnWG in der Fassung des Gesetzes vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970) ausgeschlossen, denn diesen Vorschriften kommt keine Rückwirkung auf zurückliegende Entgeltperioden zu (BGH, Urteil v. 20.07.2010 – EnZR 23/09 – Stromnetznutzungsentgelt IV, zitiert nach Juris Rn. 11, 17).

    b) Das von der Beklagten für den vorgenannten Zeitraum festgesetzte Netzdurchleitungsentgelt entsprach nicht der Billigkeit nach § 315 Abs. 1 BGB und war daher gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch Urteil auf 10.787,42 € festzusetzen. Die Klägerin kann daher von der Beklagten nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB die Zahlung des von ihr für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 28. Oktober 2005 zuviel geleisteten Netznutzungsentgelts in Höhe von 1.903,66 € an die X AG verlangen.

    aa) Das Landgericht geht im Ausgangspunkt mit Recht davon aus, dass der Beklagten ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt war, von dem sie durch das Schreiben vom 16.11.2004 (Anlage K 3 – Anlagenband), dem ein Preisblatt zum Preisstand 01.01.2005 beigefügt war, für das Jahr 2005 auch Gebrauch gemacht hat.

    Die Anwendung des § 315 BGB wird entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht dadurch ausgeschlossen, dass die von der Beklagten für die Zeit ab dem 01.01.2005 festgesetzten Preise im Verhältnis zu den ursprünglichen Preisen niedriger waren. Denn dies schließt nicht aus, dass für das Jahr 2005 ein noch niedrigerer Preis der Billigkeit entspricht.

    Entgegen der Meinung des Landgerichts ist der ursprüngliche Preis auch nicht als Sockelbetrag einer Billigkeitskontrolle entzogen. Das Landgericht nimmt zu Unrecht eine Vereinbarung dieses ursprünglichen Preises infolge Zeitablaufs an. Die Klägerin hatte sich von Anfang an die Nachprüfung der Entgelthöhe vorbehalten. Schon deswegen erscheint es nicht tragfähig, den ursprünglichen Preis als vereinbart anzusehen. Bei einem Netznutzungsvertrag verbleibt es nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH zudem auch dann bei der vollen Nachprüfung des Entgelts am Maßstab des § 315 BGB, wenn dessen Betrag im Vertrag genannt oder ein früherer erhöhter Preis von dem Netznutzer nicht beanstandet worden ist (BGH Urteil v. 04.03.2008 – KZR 29/06, Stromnetznutzungsentgelt III, zitiert nach Juris Rn. 25). Die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH, wonach Tarife eines Gasversorgers, soweit sie Gegenstand einer vertraglichen Einigung zwischen dem Versorger und dem Kunden geworden sind, nicht einer umfassenden gerichtlichen Billigkeitskontrolle in entsprechender Anwendung von § 315 BGB unterliegen (BGH Urteil v. 19.11.2008 – VIII ZR 138/07, NJW 2009, 502, zitiert nach Juris Rn. 17 ff.), steht dem nicht entgegen. Sie beruht darauf, dass eine umfassende gerichtliche Kontrolle von allgemeinen Tarifen eines Gasversorgungsunternehmens der Intention des Gesetzgebers entgegenlaufe, der eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife wiederholt abgelehnt hat (BGH wie vor).

    bb) Der Anspruch der Klägerin auf Überprüfung der einseitigen Leistungsbestimmung ist auch nicht präkludiert. Zwar ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (NJW-RR 1999, 379), dass die gerichtliche Bestimmung einer durch einen Dritten festzusetzenden Leistung nach § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB binnen angemessener Frist verlangt werden muss. Ebenso hat das Bundesarbeitsgericht für § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB entschieden (BAGE 18, 54, 59 = Bl. 812 – 815 d. A.). Ein über den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verwirkung hinausgehendes besonderes Beschleunigungsgebot kann man jedoch weder aus § 315 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz BGB ableiten (so aber LG Mainz, Urteil vom 14.9.2007 – 12 HKO 93/06, WuW/E DE-R 2130; zitiert nach Juris Rn. 77; so wohl auch BAGE 18, 54, 59) noch besteht Anlass für eine analoge Anwendung der Regelung des § 124 BGB (so aber OLG Jena, Urteil vom 26.9.2007 – 2 U 227/07, ZNER 2008, 82, zitiert nach Juris Rn. 24).

    Maßgeblich bleibt danach, ob die Klägerin ihr Recht aus § 315 Abs. 3 S. 2 BGB verwirkt hat. Dies ist nicht der Fall. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. etwa BGH WM 1982, 101, 102; NJW 1984, 1684 jeweils m.w.N.). Es fehlt hier an den für die Verwirkung erforderlichen Zeit- und Umstandsmomenten.

    Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen der Verwirkung gilt allgemein der Grundsatz, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Aufl. (2010), § 242 Rn. 90 m.w.N.). Das Recht auf gerichtliche Bestimmung des billigen Entgelts unterliegt allerdings nicht der Verjährung. Verjähren kann grundsätzlich nach § 195 BGB nur das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch). Dazu gehören z. B. nicht – allenfalls durch Ausschlussfristen beschränkte – Gestaltungsrechte (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.o. § 194 Rdn. 3), denen das hier streitige Recht auf gerichtliche Bestimmung der Leistung sehr ähnlich ist. Dieses Recht kann nur verwirkt werden (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.o. § 315 Rdn. 17). Der Verjährung unterliegen allerdings etwaige Rückforderungsansprüche der Klägerin, die sich aus der Bestimmung des billigen Entgelts ergeben. Für diese gilt die dreijährige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Vor diesem Hintergrund erscheint schon der Zeitraum von knapp drei Jahren seit Ablauf des abzurechnenden Jahres 2005, das heißt vom Anfang des Jahres 2006 bis zur Klageerhebung nicht ausreichend für die Annahme einer Verwirkung, weil er nicht länger als die für den Rückzahlungsanspruch geltende kurze dreijährige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.4.2007, VI – 2 U (Kart) 9/06, zitiert nach Juris Rz. 10).

    Es fehlt darüber hinaus aber auch an jeglichem Umstandsmoment. Denn die Klägerin hat wiederholt erklärt, dass sie die von der Beklagten verlangten Preise nur unter Vorbehalt zahle (vgl. auch BGH, Urteil v. 20.07.2010 – EnZR 23/09 – Stromnetznutzungsentgelt IV, zitiert nach Juris Rn. 23).

    cc) Eine neue Bestimmung des billigen Entgelts durch Urteil ist erforderlich, weil die von der Beklagten getroffene Bestimmung nicht der Billigkeit entspricht (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).

    Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die getroffene Bestimmung der Billigkeit entspricht, verbleibt auch im Rückforderungsprozess dann bei dem Netzbetreiber, wenn das geforderte Entgelt vom Nutzer nur unter Vorbehalt gezahlt worden ist (BGH, Urt. v. 5.7.2005 – X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2922; BGH, Urteil v. 20.07.2010 – EnZR 23/09 – Stromnetznutzungsentgelt IV, zitiert nach Juris Rn. 27) oder wenn es um die Rückforderung von Abschlags- oder Vorauszahlungen geht. Hier hat die Klägerin nur unter Vorbehalt gezahlt, so dass die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig ist.

    Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe ihre Netzentgelte nach den Preisfindungsprinzipien der Verbändevereinbarung Strom II Plus festgelegt, genügt dies nicht für die Annahme, dass die Entgeltbestimmung durch die Beklagte der Billigkeit entspricht. Soweit nach § 6 Abs. 1 Satz 5 EnWG i. d. F. vom 26. August 1998 bei Einhaltung der Verbändevereinbarung Strom II Plus grundsätzlich die Erfüllung der Bedingungen guter fachlicher Praxis vermutet wurde, galt dies nur bis zum 31. Dezember 2003 (BGHZ 164, 336, 344 – Stromnetznutzungsentgelt I, BGH, Urteil vom 7. Februar 2006 – KZR 8/05, ZNER 2006, 136, 37 – Stromnetznutzungsentgelt II). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die in § 6 Abs. 1 EnWG i. d. F. vom 20. Mai 2003 genannten Preisfindungskriterien, die den allgemeinen Maßstab des „billigen Ermessens“ nach § 315 Abs. 1 BGB konkretisieren (BGHZ a. a. O.; BGH, Urteile vom 7. Februar 2006 – KZR 8/05, a. a. O. und vom 4. März 2008 – KZR 29/06, ZNER 2008, 154, 155 – Stromnetznutzungsentgelt III – Tz. 21.), ihrerseits im Lichte der Zielsetzung des § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG auszulegen und anzuwenden sind, eine möglichst sichere, preisgünstige und umweltverträgliche leitungsgebundene Stromversorgung und darüber hinaus wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten. Wo sie Bewertungsspielräume eröffnen, sind sie daher so zu nutzen, dass dem Gesetzeszweck bestmöglich Rechnung getragen wird (BGHZ 164, 336, 344 f. – Stromnetznutzungsentgelt I).

    Für die Unbilligkeit der von der Beklagten festgelegten Netznutzungsentgelte spricht, dass der für die Zeit vom 1.6.2007 bis 30.6.2008 genehmigte Nettoarbeitspreis für Kleinkunden ohne Leistungsmessung bei 4,8 ct/kWh (GA 79/GA 147) lag und damit gegenüber dem von der Klägerin für 2005 bestimmten Preis (5,65 ct/kWh – GA 72) um rund 15 % niedriger war. Die Festlegungen der Regulierungsbehörden im Rahmen der Entgeltgenehmigungsverfahren sind taugliche Vergleichsparameter. Denn ebenso wie bereits das Energiewirtschaftsgesetz 1998 bezweckt auch das Energiewirtschaftsgesetz 2005 eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas (§ 1 Abs. 1 EnWG 2005). Die Entgelte für den Netzzugang müssen unter anderem angemessen sein (§ 22 Abs. 1 EnWG 2005) und dürfen keine Kosten oder Kostenbestandteile enthalten, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstellen würden (§ 22 Abs. 2 Satz 2 EnWG 2005). Die Ermittlung der Kosten und der Netzentgelte im Rahmen der Genehmigungsverfahren für das Restjahr 2005 und das Jahr 2006 erfolgte auf der Basis der Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres (§ 3 Abs. 1 Satz 5 StromNEV), so dass im Hinblick auf die Antragsfrist des § 118 Abs. 1b Satz 1 EnWG in der Fassung des Gesetzes vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970) die Daten des Jahres 2004 maßgeblich waren. Aufgrund dessen haben die Ergebnisse der unmittelbar nach Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 und der Stromnetzentgeltverordnung durchgeführten Genehmigungsverfahren auch für den sich unmittelbar anschließenden Zeitraum vom 1.1.2005 bis 28.10.2005 Aussagekraft (vgl. BGH, Urteil v. 20.07.2010 – EnZR 23/09 – Stromnetznutzungsentgelt IV, zitiert nach Juris Rn. 41-43 für die Jahre 2003 und 2004).

    Die Beklagte hat in der Klageerwiderung zu den Grundlagen ihrer Kalkulation näher vorgetragen (GA 107 ff.). Dieser Vortrag genügt den Anforderungen an die Darlegungslast zwar noch nicht in allen Einzelheiten. Im Anschluss an ergänzende Darlegungen zu einzelnen Punkte nach einer Auflage des Gerichts käme aber eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht, um festzustellen, in welcher Größenordnung die Kalkulation der Beklagten zu unbilligen Netzentgelten geführt hat.

    Gemäß § 287 Abs. 2 ZPO sind jedoch bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten § 287 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Dabei ist auch der mit der Beweisaufnahme verbundene Kostenaufwand zu berücksichtigen (vgl. BGH, NJW 2005, 2074 m.w.N.). Eine nähere Ermittlung des Maßes der Unbilligkeit durch Einholung Sachverständigengutachten wäre im vorliegenden Fall mit einem Kostenaufwand verbunden, der zu der Höhe des geltend gemachten Rückforderungsanspruchs unter Berücksichtigung der als Schätzgrundlage vorhandenen Orientierungshilfe außer Verhältnis steht.

    Die Klägerin hat die im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 28.10.2005 gezahlten Netznutzungsentgelte auf 13.794,66 € beziffert. Diese Berechnung der Klägerin berücksichtigt jedoch nicht, dass der Stromverbrauch in den Monaten November und Dezember typischerweise höher ist als im Jahresdurchschnitt. Dies rechtfertigt einen pauschalen Abzug von 8 %, mit dem die Klägerin sich einverstanden erklärt hat, so dass für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 28.10.2005 von gezahlten Netznutzungsentgelten in Höhe von 12.691,09 € auszugehen ist. Unabhängig vom Vortrag der Beklagten ist sicher, dass das der Billigkeit entsprechende Entgelt jedenfalls über Null liegt, schon weil die Beklagte ihrerseits Netzentgelte an die Übertragungsnetzbetreiber zu zahlen hatte (ebenso OLG München Urteil v. 14.05.2009 – U (K) 3283/08, zitiert nach Juris Rn. 27 ff.). Die Klägerin selbst hat ihrer Streitwertangabe von 5.900,00 € eine unbillige Überhöhung der Netznutzungsentgelte im Bereich von 30 % zugrunde gelegt. Nach den Erfahrungen des Senats in parallel gelagerten Fällen fallen aber für die Überprüfung der Kalkulation des Netzbetreibers allein Sachverständigenkosten in der Größenordnung von 12.0000,00 € an.

    Wie ausgeführt bilden die Festlegungen der Regulierungsbehörden im Rahmen der Entgeltgenehmigungsverfahren taugliche Vergleichsparameter für die Beurteilung der Billigkeit der Netznutzungsentgelte der Beklagten im hier maßgeblichen Zeitraum. Es ist deshalb auf der Grundlage der erstmals genehmigten Entgelte gerechtfertigt, durch Kürzung der von der Beklagten festgelegten Entgelte um 15% das der Billigkeit entsprechende Entgelt für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 28.10.2005 festzulegen.

    Nach alledem ist das durch die ehemalige X – … GmbH & Co. KG zu zahlende billige Netznutzungsentgelt für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 28.10.2005 auf 10.787,42 € festzusetzen, so dass sich ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 1.903,66 € ergibt.

    Der zuerkannte Zinsanspruch ist begründet aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision wird wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen. Welche Auswirkungen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. August 2008 auf die von Netznutzern erhobenen Klage auf Billigkeitskontrolle der von ihnen geleisteten Netznutzungsentgelte und Rückzahlung etwaig überhöht entrichteter Entgelte zukommt, die den Zeitraum zwischen erster Antragstellung und Genehmigung der Entgelte durch die Regulierungsbehörden betreffen, ist für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung, bislang aber höchstrichterlich noch nicht geklärt.

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