Kommerzielle documenta-Kunstführungen Dritter untersagt

19. August 2009
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Eigener Leitsatz:

Die Veranstalterin der weltbekannten documenta-Kunstausstellung hat einem Reiseveranstalter für Studienreisen verboten kommerzielle Kunstführungen durchzuführen. Soweit ein rechtlich geschütztes Interesse dieses Vorgehen rechtfertigt stellt es weder unlauteren Wettbewerb noch Diskriminierung oder Marktmissbrauch dar. Zur Wissensvermittlung erarbeitete die Veranstalterin der documenta ein künstlerisch eigenständiges Konzept, wodurch die Ausstellung zu einem eigenständigen Werk wurde. Als Urheberin steht ihr zudem ein ausschließliches Verbreitungs- und Ausstellungsrecht zu.

Landgericht Kassel

Urteil vom 07.11.2008

Az.: 12 O 4157/07

    Das Rechtsmittelverfahren wird beim OLG Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 25 U 149/08 geführt.

Tenor

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

    Die Beklagte ist Trägerin und Veranstalterin der im 5-Jahresturnus stattfindenden documenta, die als weltgrößte Ausstellung moderner Kunst gilt. Gesellschafterin der Beklagten sind die Stadt Kassel und das Land Hessen.

    Die Klägerin ist Europas größte Studienreisen Veranstalterin. Die Klägerin bietet in ihrem Programm auch spezielle Reisen zu in- und ausländischen Kulturereignissen, wie zum Beispiel Ausstellungen oder Opernaufführungen mit begleitenden Führungen und Rahmenprogrammen an. Die Klägerin hat für die Dauer der documenta 12, die in der Zeit vom 16.06. bis 23.09.2007 in Kassel stattfand, an 6 verschiedenen Terminen Reisen angeboten, die neben Unterbringung und Verpflegung an mehreren Tagen des Aufenthalts ausgedehnte Besuche auf dem Ausstellungsgelände der documenta vorsahen. Die Klägerin beabsichtigte, die Führungen durch eigene und mit den Bedürfnissen der Kunden der Klägerin vertrauten Reiseleitern, die auch auf dem Gebiet der modernen Kunst qualifiziert sind, durchführen zu lassen.

    Als die Klägerin mit dem Ansinnen eigener Führungen an die Beklagte herantrat, teilte diese mit, dass Führungen durch kommerzielle Veranstalter auf der documenta nicht möglich seien. Lediglich nicht kommerzielle externe Anbieter könnten Genehmigungen für Eigenführungen erhalten, sonst müssten Besucher, die eine Führung wünschten, entweder auf die von der Beklagten selbst angebotenen Führungen für Einzelbesucher oder angemeldete Gruppen zurückgreifen. Die Beklagte selbst bot für Vorausbucher, insbesondere Gruppen, Führungen in der Zeitdauer von 2, 3, 4, 5 und 6 Stunden an, die mit maximal 15 Personen durchgeführt werden sollten. Entsprechend trat die Beklagte auch werbend im Internet auf.

    Nachdem keine Einigung zwischen den Parteien möglich war, wurde vor der Industrie- und Handelskammer in Kassel ein Einigungsverfahren durchgeführt, dass jedoch zu keinem Ergebnis führte. Während der documenta 12 führte die Klägerin ihre Reisen durch, jedoch hat sie für jede ihrer Gruppen eine der von der Beklagten selbst veranstalteten Führungen gebucht, die ausgedehnten Aufenthaltszeiten auf dem Gelände der documenta verbrachten die Gruppen der Klägerin überwiegend in Begleitung ihrer Reiseleiter, die aber nach dem Willen der Beklagten keine Führungsleistungen erbrachten.

    Die Konzeption der documenta ist grundsätzlich so angelegt, dass ein künstlerischer Leiter bestimmt wird, der in seiner Entscheidung, wie die documenta ausgestaltet wird, frei ist. Lediglich die Höhe des verabschiedeten Budgets bindet ihn in finanzieller Hinsicht. An der Entscheidungsfindung sind keine wirtschaftlich interessierten Vertreter beteiligt. Es obliegt einer internationalen Findungskommission, die aus Museumsleitern weltweit besteht, die Wahl des jeweiligen künstlerischen Leiters unabhängig von der Beklagten durchzuführen. Die Beklagte schließt, vertreten durch ihren jeweiligen Geschäftsführer, einen Vertrag mit dem dann ausgewählten künstlerischen Leiter. In diesem ist im Wesentlichen das finanzielle Budget angeführt, indem sich der künstlerische Rahmen halten muss und das Eröffnungsdatum. Im Übrigen ist weder die Beklagte noch der Aufsichtsrat mit der Auswahl im Sinne einer Vorauswahl des künstlerischen Leiters befasst. Vielmehr ist die internationale Findungskommission berechtigt, aus ihren Reihen heraus Vorschläge für einen künstlerischen Leiter zu erarbeiten. Die so Vorgeschlagenen haben sich dann mit einem Ausstellungskonzept wiederum bei der internationalen Findungskommission zu bewerben. Aufgrund der unterbreiteten Ausstellungskonzepte wird von der internationalen Findungskommission der künstlerische Leiter ausgewählt. In der Folge kann er sein künstlerisches Konzept frei umsetzten. Dies umfasst insbesondere die Auswahl der jeweiligen Künstler, die auf der documenta vertreten seien sollen. Auch betrifft es die Auswahl der Ausstellungsorte und auch die jeweilige Raumkonzeption.

    Im Rahmen der Vorbereitung der documenta 12 wurden rund 80 Personen auf die Tätigkeit als Kunstvermittler in Zusammenarbeit mit dem künstlerischen Leiter durch die Beklagte vorbereitet. Dadurch sollte für die jeweiligen Führer die Möglichkeit geschaffen werden, sich auf die von der künstlerischen Leitung ausgewählten Künstler und deren Werke sowie den konzeptionellen Ansatz der Kunstvermittlung vorzubereiten. In die Konzeption der documenta eingebunden befanden sich in der Ausstellungsarchitektur sogenannte Palmenhaine. Hierbei handelt es sich um Orte, an denen die Aktivitäten des Publikums in Abgrenzung zur kontemplativen Betrachtung der Werke durch entsprechende Diskussionen zwischen der Führung und dem jeweiligen Publikum gefördert werden sollte. Dabei orientierte sich die documenta an 3 Leitmotiven, die als Fragen formuliert der Konzeptionen zugrunde gelegt wurden. Neben den Fragestellungen „Ist die Moderne unserer Antike?“, „Was ist das bloße Leben?“ lautete das dritte Leitmotiv „Was tun?“. Hinter diesen von dem künstlerischen Leiter der documenta 12 formulierten Leitmotivfragen stand die Konzeption, dass das Publikum die Möglichkeit haben sollte, Kunst sich selbst zu erarbeiten. Kunstvermittlung i.S.e. „Wissenstransfers“ zwischen Führung und Publikum wurde als wesentlicher Bestandteil des Ausstellungskonzeptes angelegt. Die so gestaltete Kunstvermittlung sollte als ein in die documenta eingebundenes Projekt der organisierten Auseinandersetzung mit der Kunst durch Besuchergruppen den Bildungsauftrag dergestalt umsetzen, dass durch die angestellten „Führer“ als Kunstvermittler der „Wissenstransfer“ begleitet werden sollte.

    Im Laufe der documenta ist zudem durch die Beklagte „nicht kommerziellen“ Gruppen ein Kontingent an Führungen freigegeben worden. Dies betraf insbesondere Bildungsinstitutionen wie zum Beispiel die Volkshochschule.

    Die Klägerin ist in der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, externen Anbietern die Möglichkeit zum Zugang zur documenta nebst Führungen zu eröffnen. Auch soweit sie privatrechtlich organisiert ist, unterliege sie besonderen Verpflichtungen als Unternehmen der öffentlichen Hand. Soweit sie kommerzielle Führungen auf der documenta untersage, nutze sie ihre Stellung als Monopolistin in wettbewerbswidriger Weise aus. Bei der Beklagten handelte es sich um eine Mitbewerberin im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziffer 3 UWG. Deren Wettbewerbsabsicht trete auch nicht völlig zurück, soweit die Beklagte nicht nur Führungen gegen Entgelt anbiete, sondern darüber hinaus, wie ihr Internetauftritt belege, auch individuell gestaltete Aufenthalte zur documenta über deren eigenen Besuchsdienst anbiete. Der Ausschluss kommerzieller Anbieter diene damit der Förderung und dem Absatz der eigenen Führungen. Es liege eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern im Sinne des § 4 Ziffer 10 UWG vor. Soweit zugleich die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher hinsichtlich der Wahl einer Führung beeinträchtigt werde, sei zugleich ein Verstoß gegen § 4 Ziffer 1 UWG festzustellen. Zudem liege eine Marktstörung im Sinne von § 3 UWG vor. Die Beklagte berücksichtige bei ihren Entscheidungen auch nicht ausreichend, dass sie, soweit sie anderen Gruppen eine eigene Führung ermögliche, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Zudem seien ihre Reiseleiter in ihrer Berufsausübung beeinträchtigt, ihre Reiseteilnehmer im Grundrechte auf freie Meinungsbildung.

    Ferner ist die Klägerin der Ansicht, die Beklagte verstoße durch Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung zugleich gegen § 19 Abs. 2 GWB. Die unbillige Behinderung des Zugangs stelle zugleich eine Diskriminierung im Sinne des § 20 GWB dar. Die Beklagte könne den Ausschluss auch nicht auf ihr Hausrecht oder aber Urheberrechte stützen. Auch das Hausrecht gewähre ihr kein absolutes Recht, zudem sei auch insoweit zu berücksichtigen, dass es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen der öffentlichen Hand handele. Vorliegend sei auch nicht zu beurteilten, ob die Beklagte für die Gestattung von Führungen auf ihrem Gelände ein besonderes Entgelt verlangen könne, es gehe vielmehr darum, das die Beklagte den aus ihrer Sicht „kommerziellen“ Anbieter die Durchführung von Führungen nicht gestatte und nur aus deren Sicht „nicht kommerzielle“ Anbieter zulasse.

    Die Beklagte könne sich auch nicht auf Urheberrechte stützen. Zwar sei selbstverständlich die documenta ein schutzfähiges Werk im Sinne des Urheberrechts. Die daraus folgenden Verwertungsrechte seien durch die von der Klägerin gewünschten Handlungen jedoch nicht tangiert, zumal das urheberrechtliche Werk documenta nur die schutzfähigen Komponenten der Ausstellungskonzeption, nicht aber jedes Detail der Organisation umfasse. Eine Beschreibung des Werkes sei ab Veröffentlichung des Werkes zulässig. Die Führung durch ihre Reiseleiter würde das Werk documenta nicht in ihrem Bestand verändern, sei insbesondere keine Bearbeitung, die der Einwilligung des Urhebers bedürfte. Durch die Veröffentlichung trete das Werk documenta in den kulturellen Kommunikationskreislauf ein, der Urheber setzte sich ab dann der öffentlichen Kenntnisnahme und Kritik aus und müsse eine Minderung seiner Rechtsposition hinnehmen. Soweit die Beklagte sich eine Deutungshoheit anmaße, werde diese vom Urheberrecht nicht gedeckt. Die geplante Tätigkeit ihrer Reiseleiter stelle sich nicht als Verwertung dar, vielmehr sei eine Führung auf dem Gelände der documenta eine bloße Beschreibung des jeweiligen Werkes. Soweit darüber hinaus den vorgesehenen eigenen Führungen eine eigenständige Gestaltungshöhe zuzumessen sei, verwirkliche sich insoweit ein eigenes Werk, nämlich das Sprachwerk der Führung. Durch Auswahl und Kommentierung würden die Werke gedanklich in einer besonderen Form verknüpft, sodass, ebenso wie bei der Zusammenstellung einzelner Werke zu einer Ausstellung, Werksschutz für das entstandene „Führungswerk“ entstehe. Zudem könne sich die Klägerin auf Artikel 5 sowie Artikel 12 GG berufen.

    Soweit – unstreitig – die Klägerin bei den 6 durchgeführten Reisen zur documenta 12 Führungen bei der Beklagten im Gesamtwert von insgesamt 3.150,00 Euro gebucht hat, ist die Klägerin ferner der Ansicht, dass diese Kosten kausal durch das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten veranlasst seien.

    Die Klägerin beantragt,

    1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer, zu unterlassen, der Klägerin im Rahmen der allgemeinen Öffnungs- und Zugangszeiten der jeweiligen Ausstellung in Einzelbesuchern zugänglichen Bereichen der Ausstellungsflächen der documenta Führungen für deren Pauschalreisegruppen durch eigene Reiseleiter/Ausstellungsführer zu untersagen, soweit eine allgemeingültig festgelegte Höchstteilnehmerzahl für Gruppenführungen nicht überschritten wird, die Teilnehmer über gültige Eintrittskarten verfügen und die Führungen zuvor angemeldet werden,
    2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Schadenersatz € 3.150,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit und vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 895,20 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie ist der Ansicht, dass bereits kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestehe. Die Beschränkung des Zugangs auf Führungen „nicht kommerzieller“ Art und der Ausschluss kommerzieller Führungen diene nicht der Förderung eines wirtschaftlich orientierten Absatzes der eigenständig organisierten Führungen. Vielmehr beruhe dies auf dem konzeptionellen Verständnis und dem allein auf Kunstförderung beziehungsweise Vermittlung beruhenden Ansatzes, der zudem im Rahmen der documenta 12 zugleich getragen sei von dem künstlerischen Konzept, die Kritik an der allgemeinen Kommerzialisierung durch die Kunst darzustellen. In diesem Kontext eingebunden sei die Entscheidung des künstlerischen Leiters, dem Publikum die Möglichkeit zu geben, Kunst selbst zu erarbeiten. Hieraus folge zwangsläufig die Notwendigkeit eines eigenen Vermittlungsangebotes, dass nur von der Beklagten dargestellt werden könne. Insoweit bestehe bereits ein wesentlicher Unterschied im konzeptionellen Ansatz der Führung. Eine Eröffnung des Zugangs kommerzieller Führungen würde einen Eingriff in die von der Kunstfreiheit getragene Veranstaltungsautonomie der Beklagten bedeuten, deren Bildungsauftrag würde dadurch tangiert. Es sei gerade nicht Wille der Beklagten, den Absatz einer eigenen Dienstleistung „Führung“ zu fördern, vielmehr diene der Ausschluss kommerzieller Führungen gerade und ausschließlich der Erhaltung und Durchsetzung ihres Ausstellungskonzeptes in möglichst unbeschadeter Form. Eine derartige Kunstvermittlung seitens der Beklagten stelle jedoch keine Wettbewerbshandlung dar.

Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig. Auch soweit die Klage ausdrücklich nicht auf die documenta 12 beschränkt, sondern auf künftige Handlungen der Beklagten ausgerichtet ist, besteht das gemäß § 259 ZPO notwendige Feststellungsinteresse. Insoweit kann dahinstehen, ob, wie von Seiten der Klägerin vertreten, auf gesetzliche Unterlassungsansprüche § 259 ZPO keine Anwendung findet. Maßgebend ist allein, ob bereits eine Wiederholungsgefahr zu bejahen ist. Dies ist, wie die zur Akte gereichten Schreiben der Beklagten und ihr Vorbringen zum konzeptionell bedingten Ausschluss kommerzieller Führungen auf der documenta belegen, ohne weiters zu bejahen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine vorfristig erhobene Klage besteht schon dann, wenn Besorgnis der Leistungsverweigerung in der Zukunft besteht. Die Beklagte hat einen Anspruch der Klägerin auf Zugang nicht nur während der documenta 12 in Abrede gestellt, sondern auch bereits für die Zukunft.

    Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin entfällt auch nicht dadurch, dass sie mit ihrer Klage zugleich Interessen der gesamten Reisebranche verfolgt. Insbesondere liegt nicht de facto eine Verbandsklage vor, altruistische Motive beseitigen zudem nicht das Rechtsschutzbedürfnis, soweit die Klägerin ihre eigenen Interessen verfolgt.

    Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung weder aus § 8 UWG, noch aus § 33 GWB oder §§ 823, 1004 BGB zu.

    Die Beklagte handelt nicht unlauter im Sinne von §§ 3, 4 UWG.

    Zwar ist, soweit jede Form der unlauteren Wettbewerbshandlung zunächst eine Handlung zwischen Mitbewerbern im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziffer 3 UWG voraussetzt, ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien nicht zu verneinen. Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 2 UWG sind natürliche oder juristische Personen, die am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbieten. Auf die Absicht einer Gewinnerzielungsabsicht kommt es dabei nicht an. Marktteilnehmer sind Mitbewerber, Verbraucher sowie Personen, die als Anbieter von Waren und Dienstleistungen tätig sind. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt vor, wenn gleichartige Waren und Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises angeboten werden mit der Folge, dass die beanstandete Wettbewerbshandlung das andere Unternehmen beeinträchtigen, dass heißt in seinem Absatz behindern oder stören kann. Es bedarf bezogen auf denselben Endverbraucherkreis einer Wechselwirkung dergestalt, dass der eigene Wettbewerb gefördert, der fremde beeinträchtigt wird. Dabei ist es unerheblich, ob der Kundenkreis sowie das Angebot von Waren und Dienstleistungen sich völlig oder nur teilweise deckt. Ein sachlich relevanter gleichartiger Markt besteht dann, wenn die von den Unternehmen angebotenen Waren oder Dienstleistungen nach ihren Eigenschaften, ihrem Verwendungszweck und ihrer Preislagenhöhe so nahestehend sind, dass ein verständiger Nachfrager sie als austauschbar ansieht. Soweit die Beklagte sich über ihren Besuchsdienst zugleich unter Anbietung von Führungen und Unterbringungsmöglichkeiten sowie Gestaltung eines Aufenthaltes während der documenta um Interessenten bemüht, ist jedenfalls ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien gegeben. Ob zugleich die Beklagte mit der erforderlichen Absicht zur Förderung des Wettbewerbes gehandelt hat, was insoweit fraglich erscheint, als sie unstreitig nicht eine extensive Führungsausgestaltung betreibt, sondern, wie insbesondere die Klägerin unbestritten betont, nicht für alle Interessenten Führungen anbieten kann, auch der konzeptionelle Ansatz für die Führung ein anderer ist, als der von der Klägerin zur Förderung des Absatzes ihrer Reisetätigkeit, so kann dies letztlich dahinstehen, weil, wie noch näher auszuführen ist, dieses Handeln durch urheberrechtlich geschützte Verwertungsrechte gerechtfertigt ist. Insoweit kann dahinstehen, dass die Kunstfreiheit allein bezogen auf das beworbene Objekt Führung eine Wettbewerbsabsicht nicht ausschließt, wenn diese neben einer rein künstlerischen Intension erkennbar wird und nicht gänzlich dahinter zurücktritt.

    Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass das Handeln der Beklagten unlauter im Sinne der §§ 3, 4 UWG ist.

    Die Nichtzulassung kommerzieller Führungen neben den eigenen Führungen der Beklagten stellt insbesondere keine unlautere Handlung im Sinne von § 4 Ziffer 1 UWG dar. Danach ist eine Wettbewerbshandlung unlauter, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Dass in dieser Weise durch Ausübung von Druck oder menschenverachtender Weise seitens der Beklagten agiert wird, ist weder dargetan noch ersichtlich. Das Handeln ist auch nicht durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss getragen.

    Die Entscheidung beruht vielmehr auf dem künstlerisch getragenen Konzept, welches selbst mit der Art und Weise der Vermittlung des Wissens um den Kunstzugang ein eigenständiges Werk im Sinne der §§ 2 Ziffer 4, 4 UrhG darstellt. Die documenta als solche in ihrer konzeptionellen Ausgestaltung ist, wie auch die Klägerin selbst nicht in Abrede stellt, von wesentlicher geistiger Gestaltungshöhe. Getragen durch den jeweiligen künstlerischen Leiter der documenta stellt das Gesamtkonzept sich als eine persönliche geistige Schöpfung dar, die nicht nur in die Zusammenstellung und Auslese der jeweiligen Kunstwerke, sondern auch deren Präsentation und dem Ansatz des Zugangs für den jeweiligen Besucher zur Kunst, damit die Kunstvermittlung als solche umfasst. Dies hat im Rahmen der documenta 12 auch besondere Ausgestaltung dahingehend erfahren, dass in der räumlichen Konzeption der Präsentation der Kunstwerke für den jeweiligen Zugang besondere Palmenhaine errichtet wurden, die im Rahmen der eigenständigen Führungen für besondere Gespräche innerhalb der geführten Gruppen unter Leitung des jeweiligen von der Beklagten zuvor gesondert geschulten Führers dienten. Dabei war, wie auch die zur Akte gereichten „Besuchsberichte“ belegen, eine bewusste Irritation des jeweiligen Besuchers konzeptionsbedingt nicht nur angelegt, sondern gewollt, um in der eigenständigen Diskussion den Zugang zur Kunst außerhalb angestammter Bahnen zu ermöglichen. Dies belegt, dass der geistig schöpferische Ansatz des Werks documenta, soweit er auch eine besondere Konzeption der Führungsgestaltung umfasst, um den jeweiligen Besucher einen konzeptbedingten und gewollten Zugang zur Kunst „abseits ausgetretener Pfade“ zu ermöglichen, sich nicht auf einen organisatorischen Ansatz beschränkt. Die Führungsausgestaltung ist vielmehr selbst schutzfähige Komponente der Ausstellungskonzeption.

    Die Beklagte ist Inhaberin des Urheberrechts an der documenta. Soweit ein Anstellungsvertrag mit dem jeweiligen künstlerischen Leiter geschlossen wird, dem die künstlerische Ausgestaltung frei übertragen ist, der Beklagten jedoch die Vermarktung weiterhin in Rücksprache mit dem künstlerischen Leiter obliegt, sind zumindest konkludent sämtliche Rechte an der Ausstellung der Beklagten übertragen. Der Beklagten steht daher gemäß § 15 UrhG als Urheber das ausschließliche Recht zu, ihr Werk in körperlicher Form zu verwerten. Dies Umfasst insbesondere auch das Verbreitungs- und Ausstellungsrecht im Sinne der §§ 17 und 18 UrhG. Neben dieser Nutzung in körperlicher Form steht der Beklagten gemäß § 15 Abs. 2 UrhG auch die Verwertung in unkörperlicher Form zu, wie zum Beispiel durch Aufführungen oder Sendungen, soweit diese öffentlich erfolgt. Grundsätzlich steht dem Urheber damit ein umfassendes Recht zur Verwertung seines Werkes in jeder denkbaren, gegenwärtigen und künftigen Art und Weise sowie auf allen Verwertungsstufen zu. Der Zugang zur Kunst in einer besonderen Art der Führung in seiner konzeptionellen Anlegung stellt sich vorliegend als die Verwertung der documenta an sich als geschütztes Werk dar, wobei letztlich dahingestellt seien kann, ob die Führung als solche dem Verbreitungsrecht im Sinne des § 17 UrhG, dem Ausstellungsrecht gemäß § 18 UrhG oder aber dem Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht im Sinne des § 19 UrhG unterfällt. Zwar wird die Zuerkennung des ausschließlichen Rechts zur Verwertung des Werkes vom Gesetzgeber im Urheberrechtsgesetz selbst durchbrochen, soweit Ausnahmen dadurch begründet sind, dass auch geistiges Eigentum sozial gebunden ist. Insoweit hat es der Urheber hinzunehmen, dass sein Werk entweder gegen oder sogar gänzlich ohne Vergütung in bestimmter Weise durch Dritte genutzt wird, ohne das es seiner Zustimmung bedarf. Da es sich hierbei aber um eine Ausnahme handelt, dass allein dem Werkschöpfer die Ausnutzung des Werkes zusteht, sind die Ausnahmetatbestände eng auszulegen und verbietet sich eine Analogie.

    Im Verhältnis zur Klägerin lässt sich eine sozialgebundene Einschränkung des geistigen Eigentums der Beklagten in der besonderen Form der Ausgestaltung der documenta nicht begründen. Die Klägerin vermag insoweit, wie sie im Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten steht, allein kommerzielle Gründe und Interessen anzuführen, die sie mit der Zugangsmöglichkeit verfolgt. Dies belegt letztlich auch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch, mit dem die Klägerin zu erkennen gibt, dass sie letztlich entgegen ihrem Vorbringen einen Zugang zur documenta mit eigenständig durchgeführten Führungen durch ihre Reiseleiter begehrt, ohne hierfür finanzielle Aufwendungen tätigen zu müssen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass in die Berufsfreiheit der bei der Klägerin angestellten Reiseleiter beziehungsweise in die Berufsfreiheit der Klägerin selbst in erheblicher Weise eingegriffen wird. Eine Veranstaltung von Reisen zur documenta nebst Führung zu ausgewählten Objekten ist der Klägerin weiterhin möglich. Eine fachkundige Information ihrer Reiseteilnehmer durch ihre eigenen Reiseleiter ist nicht ausgeschlossen. Außerhalb der documenta ist es der Klägerin unbenommen, über ihre Reiseleiter den Reiseteilnehmern fundierte Informationen zu ausgewählten Kunstobjekten zu geben. Auch die kritische Diskussion ist jederzeit möglich, soweit sie nicht in den jeweiligen Räumlichkeiten der documenta erfolgt. Zudem sind der Zugang zur Kunst und die kritische Diskussion für die Reiseteilnehmer, wie auch für die Reiseleiter selbst, während der Führung durch Mitarbeiter der Beklagten nicht ausgeschlossen. Die Beklagte berühmt sich auch nicht einer alleinigen Deutungshoheit, sondern ermöglicht durch den besonderen konzeptionellen Ansatz eine weitere zusätzliche Möglichkeit zum Zugang zur Kunst. Insoweit ist auch nicht zu erkennen, dass die Reisenden in ihren Grundrechten beschnitten werden.

    Ob daneben zudem die Beklagte berechtigt ist, begründet auf ihrem Hausrecht die Zutrittsrechte für kommerzielle Führungen einzuschränken, kann dahinstehen. Jedenfalls folgt aus Vorstehenden, dass die Beklagte nicht aus unangemessenen und von unsachlichem Einfluss getragenen Gründen den Zugang für kommerzielle Führungen ausschließt.

    Danach scheidet auch eine gezielte Behinderung der Klägerin als Mitbewerberin im Sinne von § 4 Ziffer 10 UWG aus. Die Nichtzulassung von Führungen wäre nur dann unlauter, wenn sie nur von dem Zweck getragen wäre, den Vertrieb von Reisen einschließlich Führungen zur documenta durch die Klägerin zu behindern oder auszuschießen. Dies erfordert, dass kein sachlicher Grund für den Ausschluss einer kommerziellen Führung vorliegt, was, wie vorstehend dargelegt, jedoch nicht der Fall ist. Vielmehr stellt sich die Ausübung der urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte durch die Beklagte als sachlich tragender Grund dar.

    Daraus folgt zugleich, dass die Nichtzulassung kommerzieller Führungen auch keinen Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen zu begründen vermag, somit keine unlautere Handlung im Sinne des § 4 Ziffer 11 UWG vorliegt. Insbesondere liegt kein Marktmissbrauch oder eine Diskriminierung im Sinne der §§ 19, 20 GWB vor. Die Nichtzulassung kommerzieller Führungen ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und dient insbesondere der Wahrnehmung der eigenen, berechtigten und gesetzlich geschützten Interessen der Beklagten, nämlich deren Verwertungsrechte.

    Danach scheidet ein Unterlassungsanspruch gemäß § 33 Abs. 1 GWB in Verbindung mit §§ 19, 20 GWB ebenfalls aus.

    Ebenso wenig lässt sich ein Unterlassungsanspruch im Zusammenhang mit einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gemäß §§ 823, 1004 BGB begründen.

    Ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.150,00 Euro sowie wie ein hierauf bezogener Zinsanspruch in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ist danach unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.

    Soweit darüber hinaus die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 895,20 Euro begehrt, besteht hierfür ebenfalls keine rechtliche Grundlage.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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