Wortzeichen „gewerbezentrale“ nicht eintragungsfähig wegen fehlender Unterscheidungskraft

30. Juni 2011
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Eigener Leitsatz:

Das Wortzeichen "gewerbezentrale" eignet sich nicht als betrieblicher Herkunftshinweis. Vielmehr beschreibt der Begriff eine zentrale Stelle, welche die Funktion der Leitung, Verwaltung, Koordination oder Versorgung mit Blick auf produzierende, Handwerks- oder Dienstleistungsbetriebe innehat. Die Waren und Dienstleistungen, für die das Wortzeichen angemeldet wurde wie z.B. Werbung und Erstellen von Software können von einer solche Stelle erbracht werden. Dem Begriff fehlt daher jegliche Unterscheidungskraft.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 09.02.2011

Az.: 29 W (pat) 54/10

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 012 151.3

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Dorn beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:
I.

Das Wortzeichen

gewerbezentrale

ist am 25. Februar 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden (nach Beanstandung geändertes Verzeichnis vom 2. Juli 2008, Bl. 6 f. u. 14 VA):

Klasse 9: Hardware und Programme für die Datenverarbeitung (Software) einschließlich der dazugehörigen Benutzerdokumentationen im elektronischen Format;

Klasse 35: Werbung; Büroarbeiten; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung;

Klasse 38: Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet und/oder Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken, insbesondere Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken mit Informationen über Unternehmen
und/oder touristische Ziele und Einrichtungen und/oder andere Einrichtungen;

Klasse 42: Erstellen, Installation und Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); technische Beratung für den Einsatz, die Anwendung
und die Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); Erstellen von technologischen Lösungen im Bereich der Informationstechnologie;
Entwickeln von System-Integrationslösungen.

Mit Beschlüssen vom 25. Juli 2008 und 12. Februar 2009, von denen letzterer im
Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1 und 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das Gesamtwort „gewerbezentrale“ nur auf den Inhalt und nicht auf den Erzeuger der Waren bzw. den Erbringer der Dienstleistungen hinweise. So könnten Hard- und Software bzw. diesbezügliche Wartungsdienstleistungen speziell von einer zentralen Einrichtung erstellt, herausgegeben und entwickelt werden und sich dabei inhaltlich mit dem Gewerbe auseinandersetzen. Es sei auch nicht unüblich, dass Werbe- und Beratungsdienstleistungen zentral angeboten würden, um das ansässige Gewerbe mit diesen Dienstleistungen zu unterstützen. Dass der angemeldete Begriff relativ allgemein gehalten sei und das Aufgabenspektrum nicht näher konkretisiere, begründe nicht seine Schutzfähigkeit. Da es sich um Gewerbe unterschiedlicher Art handeln könne, liege es nahe, darunter im Sinne einer Sammelbezeichnung auch sehr unterschiedliche Dienstleistungen zur Unterstützung anzubieten. Es sei auch nicht widersprüchlich, dass mit „gewerbezentrale“ einerseits eine Zentrale im Sinne eines Dachverbandes und andererseits eine zentrale dienstleistungsanbietende Stelle bezeichnet werde. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Juli 2008 und 12. Februar 2009 aufzuheben und anzuordnen, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Zur Begründung trägt sie vor, der Begriff „gewerbezentrale“ enthalte weder einen Oberbegriff für Waren oder Dienstleistungen, noch sei nachvollziehbar, für welchen Bereich Waren oder Dienstleistungen angeboten würden. Die Vielzahl der Treffer im Rahmen einer Google-Recherche nach „gewerbezentrale“ liefere nur Hinweise auf sie bzw. ein befreundetes Unternehmen (BGZ gewerbliches Internetmarketing e. K.), aber keine Fundstellen, in denen das Zeichen sachbeschreibend verwendet würde. Das angemeldete Zeichen sei kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, weil es lexikalisch nicht nachweisbar sei. Für die Verkehrskreise sei vollkommen unklar, was eine Gewerbezentrale sein oder tun solle. Der Wortbestandteil „Gewerbe“ beziehe sich grammatikalisch auf „zentrale“, so dass es sich um ein Determinativkompositum handele, bei dem das Zweitglied „zentrale“ durch das Erstglied „Gewerbe“ begrifflich eingeschränkt werde. Daher würden die angesprochenen Verkehrskreise den Gesamtbegriff keineswegs dahingehend
verstehen, dass die darunter vertriebenen Waren und Dienstleistungen
(nur) auf das Gewerbe ausgerichtet seien. Zudem würden sich etwaige Bedeutungen des Wortes „Gewerbezentrale“ widersprechen, weil eine zentrale Stelle des Gewerbes (Dachverband) etwas ganz anderes sei als eine zentrale Stelle für das Gewerbe (Anbieter von entsprechenden Waren/Dienstleistungen für Gewerbe) oder eine Zentrale über das Gewerbe (Bereitstellen von entsprechenden Informationen). Daher eigne sich das Zeichen auch nicht zu einem feststehenden, von den Mitbewerbern zur beschreibenden Verwendung benötigten Fach- oder Sachbegriff. Aufgrund der mindestens drei Bedeutungsvarianten verfüge das Anmeldezeichen über ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „gewerbezentrale“ als
Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht hinsichtlich der beanspruchten
Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden
Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung
versagt.

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18
– FUSSBALL WM 2006; 2008, 1093, 1094 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis
I). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität
der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl.
u. a. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27
– BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 – EUROHYPO; BGH a. a. O.
– FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2008,
710 Rdnr. 12 – VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 – My World). Da allein
das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet,
ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe
Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden
(BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; a. a. O. – Marlene-Dietrich-Bildnis I;
GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 – STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 – Willkommen
im Leben; 949 f. Rdnr. 10 – My World). Maßgeblich für die Beurteilung der
Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal
informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 – SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes
Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt,
wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise
zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel;
BGH MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION;
GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken
dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen
Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden
Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86
– Postkantoor; BGH a. a. O. – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – anti KALK;
GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 19
– FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard)
oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen
Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa
wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien
– stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden
werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte
Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; a. a. O. – FUSSBALL
WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem
auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten
Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber
ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit
in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855
Rdnr. 28 f. – FUSSBALL WM 2006). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher
wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der
Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt (BPatG
GRUR 2007, 58, 60 – BuchPartner). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen,
selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen
nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche
Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal
dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21 – Companyline; GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 97 – Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 38 – BIOMILD); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung – etwa syntaktischer oder semantischer Art – hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung ihrer schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 – Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. – BIOMILD; a. a. O. Rdnr. 28 – SAT 2; a. a. O. Rdnr. 29 – BioID; MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. – CELLTECH).

b) Das angemeldete Zeichen hat nur einen im Vordergrund stehenden, die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt.

aa) Die Wortkombination „gewerbezentrale“ lässt sich lexikalisch nicht nachweisen (WAHRIG Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006, Anlage 1, Bl. 46 – 48
GA). Dennoch kann dem aus zwei – im deutschen Sprachgebrauch geläufigen
– Begriffen zusammengesetzten Wort ein verständlicher Sinngehalt entnommen
werden. Unter „Gewerbe“ wird eine auf Erwerb gerichtete Berufstätigkeit sowie die Gesamtheit der produzierenden Betriebe, Handwerksbetriebe, Handelsunternehmen und Dienstleistungsbetriebe verstanden
(WAHRIG Deutsches Wörterbuch, a. a. O.). Das weitere Element „Zentrale“ ist mit der Bedeutung Mittelpunkt, Ausgangspunkt, Hauptgeschäftstelle
oder Teil eines Unternehmens, in dem bestimmte Arbeitsgänge zusammenlaufen, geläufig (WAHRIG Deutsches Wörterbuch a. a. O.). Wortverbindungen aus zwei (oder mehreren) Substantiven mit der Endung „-zentrale“ sind in der deutschen Sprache üblich. So lassen sich u. a. die
Wortverbindungen Agentenzentrale, Blutspendezentrale, Handelszentrale,
Nachrichtenzentrale oder Verwaltungszentrale finden, bei denen die Endung
auf eine zentrale Stelle hinweist, die für einen bestimmten Bereich die Funktion
der Leitung, Verwaltung, Überwachung oder Versorgung innehat (DWDS
Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, Anlage 2, Bl. 49 GA). Weitere
belegte Wortkombinationen wie Fernsprechzentrale, Schaltzentrale,
Telefonzentrale oder Überlandzentrale bezeichnen mit ihrer Endung eine
zentrale Stelle oder Anlage, durch die etwas vermittelt oder weitergeleitet
wird (DWDS Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache a. a. O.). Der
Begriff „Gewerbezentrale“ ist vom Bedeutungsgehalt her der ersten Gruppe
zuzuordnen.

bb) Vor diesem Hintergrund kann dem Gesamtbegriff „gewerbezentrale“ die Bedeutung einer zentralen Stelle beigemessen werden, welche die Funktion der
Leitung, Verwaltung, Koordination oder Versorgung im Hinblick auf produzierende Betriebe, Handwerksbetriebe, Handelsunternehmen und Dienstleistungsbetriebe innehat. Aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist der Begriff „gewerbezentrale“ daher vom Bedeutungsgehalt vergleichbar mit einem Dachverband, Zentralverband oder Gewerbeverein, der dazu eingerichtet ist, unterschiedliche Funktionen, beispielsweise Verwaltungs-, Unterstützungs- und Koordinierungsaufgaben, für das Gewerbe bzw. einzelne
Gewerbetreibende zu übernehmen und hierfür erforderliche Waren und
Dienstleistungen anzubieten. Unter einer „gewerbezentrale“ ist in diesem Zusammenhang daher zwanglos eine „zentrale Stelle des Gewerbes und für
das Gewerbe“ zu verstehen. Der Ansicht der Beschwerdeführerin kann nicht
gefolgt werden, der Bestandteil „Gewerbe“ beziehe sich auf den zweiten
Wortbestandteil „zentrale“ mit der Folge, dass nicht nachvollziehbar sei, für
welchen Bereich Waren oder Dienstleistungen unter dem Anmeldezeichen
angeboten werden sollten. Die Wortkombination „gewerbezentrale“ ist entgegen
den Ausführungen der Beschwerdeführerin auch nicht vergleichbar mit
der Zeichenkombination „BuchPartner“, die der Entscheidung des Senats
vom 27. September 2006 (GRUR 2007, 58) zugrunde lag, da es sich vorliegend
nicht um eine Wortverbindung von Gegenstands- und Personenbezeichnung
handelt. Vielmehr ist die angemeldete Wortkombination vergleichbar
mit den in der deutschen Sprache geläufigen Wortverbindungen „Handelszentrale“ oder „Verwaltungszentrale“ mit dem bereits beschriebenen Bedeutungsinhalt der Endung „-zentrale“.

aaa) Die Internetrecherche des Senats ergab, dass verschiedene Zentralverbände für ihre Mitglieder koordinierte Werbemaßnahmen organisieren, um die Erreichbarkeit des Publikums zu erhöhen und Kosten zu senken, so der „Zentralverband Sanitär Heizung Klima“ (www.wasserwaermeluft.de, Anlage 17, Bl. 69 – 77 GA) und der „DTV Deutscher Textilreinigungsverband“ (www.dtvbonn. de, Anlage 17 letzte Seite, Bl. 78 GA). Auch wird von mehreren Zentralverbänden eine Beratung ihrer Mitglieder bei betriebswirtschaftlichen oder organisatorischen Fragestellungen angeboten, so u. a. vom „ZDH Zentralverband des Deutschen Handwerks“ (www.zdh.de, Anlage 21, Bl. 79 GA), vom „Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V.“ (Broschüre des Zentralverbandes, Anlage 22, Bl. 80 f. GA) oder vom „ZFD – Zentralverband der Podologen und Fußpfleger Deutschlands e. V., Landesverband Nordrhein- Westfalen e. V.“ (www.zfd-lv-nrw.de, Anlage 25, Bl. 82 f. GA). Durch die Bezeichnung „gewerbezentrale“ werden die in Klasse 35 angemeldeten Dienstleistungen „Werbung“ und „betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung“ daher insoweit beschrieben, als sie von einer zentralen Stelle im Sinne eines Zentralverbandes erbracht werden und sich an Gewerbetreibende richten können. Die weiter beanspruchten „Büroarbeiten“ stehen mit den vorgenannten Dienstleistungen in einem engen funktionalen Zusammenhang, so dass das Anmeldezeichen auch insoweit vom Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird (BGH GRUR 2010, 1100,
1102 Rdnr. 23 – TOOOR!).

bbb) Die nachfolgend aufgeführten Rechercheergebnisse zeigen, dass zentrale
Gewerbestellen in ihren Internetauftritten bzw. Internetportalen den Zugriff
auf unterschiedliche Informationen bzw. Datenbanken bereitstellen, wobei
solche Dienstleistungen auch für das Touristikgewerbe angeboten werden:

(1) Die „BauGewerbe-Zentrale“ bietet auf ihrem Internetportal Informationen zu
den Themenbereichen Bauen, Renovieren, Kaufen und Finanzieren sowie
eine umfangreiche Anbieter- und Firmendatenbank sowie eine Urteilsdatenbank
an (www.bau-gewerbe.de, Anlage 8, Bl. 57 GA).

(2) Der „ZDH Zentralverband des Deutschen Handwerks" stellt ein Internetportal
Handwerk und Tourismus“ zur Verfügung, welches Informationen über touristische Ziele und dort ansässige Handwerksbetriebe miteinander verknüpft
(www.zdh.de, Anlage 16, Bl. 68 GA). So können die hier beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 38 „Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet und/oder Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken, insbesondere Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken mit Informationen über Unternehmen und/oder touristische Ziele und Einrichtungen und/oder andere Einrichtungen“ ebenfalls von einer zentralen Stelle des Gewerbes erbracht werden und sich an Gewerbetreibende richten.

ccc) Zentralverbände stellen im Internet auch für bestimmte Gewerbebereiche
spezialisierte Software bereit. In diesem Zusammenhang lassen sich folgende
Angebote finden:

(1) Der „Zentralverband Sanitär Heizung Klima“ bietet auf seinem Onlineshop
EDV-Programme, wie die Software „Bankengerechte Unternehmenspräsentation
an (www.wasserwaermeluft.de, Anlage 10, Bl. 59 GA).

(2) Der „Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks“ bietet eine spezielle
Kassensoftware für den Bäckereifachverkauf an (Online-Artikel der Allgemeinen
Bäckerzeitung vom 29. April 2008, Anlage 14, Bl. 64 f. GA).

(3) Der „Zentralverband Deutsches Baugewerbe“ stellt seinen Mitgliedsunternehmen ein branchenspezifisches Softwaretool zum strategischen Chancen- und Risikomanagement für die Bauwirtschaft zur Verfügung (www.min-d.de, Anlage 15, Bl. 66 f. GA).

(4) Der „Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V.“ stellt unterschiedliche Software für Autofahrer, die sich inhaltlich mit dem Angebot und Service von Kfz-Meisterbetrieben oder speziellen Fachbetrieben für den
Gebrauchtwagenkauf befassen, in Form von Apps für Smartphones bereit
(www.kfzgewerbe.de, Anlage 11, Bl. 61 – 63 GA).

Zentralverbände treten nach dem Ergebnis der Recherche zwar üblicherweise
nicht als unmittelbare Anbieter von Hardware auf, wohl aber werden
sie als Vermittler für spezielle, auf die Bedürfnisse bestimmter Gewerbezweige
zugeschnittener Hardware tätig. So weist der „Zentralverband des
Deutschen Bäckerhandwerks" in einer Pressemitteilung im Zusammenhang
mit der o. g. Kassensoftware auf die Kooperation mit einem führenden Anbieter
von Systemlösungen der Wäge-, Informations- und Food-Servicetechnik
im Lebensmittelverkauf hin und zeigt Bäckereibetrieben ferner die Möglichkeit auf, den Informationsservice im Verkauf durch den Betrieb eines speziellen
Computer-Info-Terminals im Verkaufsraum, der durch einen Touch-
Screen von den Kunden bedient werden kann, weiter auszubauen; bezüglich
weiterer Informationen hierzu wird dort u. a. auf die Internetseite des Zentralverbandes verwiesen (Pressemitteilung vom 30. Januar 2007, Anlage 9,
Bl. 58 GA).

Die beanspruchten Waren der Klasse 9 „Programme für die Datenverarbeitung
(Software) einschließlich der dazugehörigen Benutzerdokumentationen
im elektronischen Format“ können somit von einer „Gewerbezentrale“ im
Sinne eines Zentralverbandes im Internet angeboten oder bereitgestellt werden und sich an Gewerbetreibende richten. Soweit das Anmeldezeichen für
Hardware“ aufgrund der insoweit bloß feststellbaren Vermittlungstätigkeit
von Zentralverbänden für Gewerbetreibende nicht als unmittelbare Sachangabe
angesehen werden kann, weist es jedenfalls einen engen sachlichen
Bezug zu diesen beanspruchten Waren auf und wird somit vom angesprochenen Verkehr ebenfalls nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden (BGH a. a. O. 419 – BerlinCard; a. a. O. 855 Rdnr. 28 f.- FUSSBALL WM 2006).

ddd) Die angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 42 „Erstellen, Installation und Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software);
technische Beratung für den Einsatz, die Anwendung und die Pflege (Wartung)
von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); Erstellen von
technologischen Lösungen im Bereich der Informationstechnologie; Entwickeln
von System-Integrationslösungen“ stehen zu den o. g. beanspruchten
Waren der Klasse 9 in einem engen funktionalen Zusammenhang, da die
für Gewerbetreibende angebotene spezialisierte Software auch erstellt, installiert und gewartet werden muss, begleitet von einer entsprechenden Beratung für den Anwender; auch können verschiedene Hard- und/oder Softwarekomponenten im Rahmen von technologischen Lösungen bzw. System-Integrationslösungen miteinander verknüpft bzw. aufeinander abgestimmt
werden, so dass auch insoweit ein enger funktionaler Zusammenhang gegeben
ist. Die Bezeichnung „gewerbezentrale“ wird daher auch insoweit vom
Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden (BGH
a. a. O. – TOOOR!).

Das Anmeldezeichen vermittelt daher den angesprochenen Verkehrskreisen
entweder einen (unmittelbaren) Sachhinweis auf den Erbringer/Anbieter oder
Adressaten der beanspruchten Waren und Dienstleistungen oder weist zu
diesen einen engen beschreibenden Bezug bzw. engen funktionalen Zusammenhang auf. Damit eignet sich das Gesamtzeichen für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.

cc) Der Umstand, dass die Wortkombination „gewerbezentrale“ lexikalisch nicht
nachweisbar ist, ändert nichts an ihrer Schutzunfähigkeit für die beanspruchten
Waren und Dienstleistungen.

Denn auch wenn ein Wortzeichen bislang für die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde – wie hier – oder es
sich um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, reicht es aus, dass es in einer
seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen
bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21
– Companyline; GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; a. a. O.
Rdnr. 97 – Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 38 – BIOMILD); dies gilt
auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht,
die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern
das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung
– etwa syntaktischer oder semantischer Art – hinreichend weit von der bloßen
Zusammenfügung seiner schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH
a. a. O. Rdnr. 98 – Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. – BIOMILD; a. a. O.
Rdnr. 29 – BioID; MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. – CELLTECH). So liegt
der Fall auch bei der hier angemeldeten, nicht besonders ungewöhnlich
gebildeten Wortkombination.

Aus o. g. Gründen ist es entgegen der Ansicht der Anmelderin auch unerheblich,
dass der Begriff „gewerbezentrale“ mehrere mögliche Bedeutungen hat
im Sinne einer zentralen Stelle des Gewerbes (Dach- oder Zentralverband)
oder einer zentralen Stelle für das Gewerbe (Anbieter von entsprechenden
Waren/Dienstleistungen für das Gewerbe), zumal sich diese Bedeutungen
hier – wie oben dargestellt – nicht widersprechen, sondern sinnvoll ergänzen.
Gleiches gilt für die weitere mögliche Bedeutung des Begriffs „gewerbezentrale
im Sinne einer zentralen Stelle über das Gewerbe (Bereitstellen von
entsprechenden Informationen).

Im Übrigen stellt die Wortkombination „gewerbezentrale“ keine sprachliche
Neuschöpfung dar, vielmehr lässt sich aufgrund der Internetrecherche folgende
– zum Teil beschreibende – Verwendung des Begriffes ohne Hinweis auf die Anmelderin belegen:

aaa) Die Stadt Schwabach informiert ihre Bürger in einer Broschüre über diverse
städtische Dienstleistungen, unter denen sie u. a. eine „Auskunft a. d. Gewerbezentrale/ Gewerberegister" anbietet („BürgerBroschüre“ der Stadt
Schwabach, Anlage 4, Bl. 50 – 52 GA).

bbb) In einer Informationszeitschrift des Landtags Nordrhein-Westfalen wird von einer „Arbeitskraft- und Gewerbezentrale“ gesprochen („Landtag intern 12“, Ausgabe vom 9. September 1997, Anlage 5, Bl. 53 f. GA).

ccc) In einer Pressemitteilung des „Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik
und Entsorgung (BGL) e. V.“ vom 29. Dezember 2004 ist von der „Frankfurter
Gewerbezentrale des BGL“ die Rede (Anlage 6, Bl. 55 GA).

ddd) Darüber hinaus wird der Begriff „Gewerbezentrale“ nachweislich zur Bezeichnung von Immobilienobjekten (http://immobilien-karlsruhe.de, Anlage 7,
Bl. 56 GA) und

eee) in der Kombination „BauGewerbe-Zentrale“ (www.bau-gewerbe.de, Anlage 8, Bl. 57 GA) verwendet.

2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann
aus der Sicht des Senats dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber
hinaus für die fraglichen Waren und Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

3. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gemäß
§ 71 Abs. 3 MarkenG kommt aufgrund der hier dargelegten Unbegründetheit
der Beschwerde nicht in Betracht.

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