Äußerung über Mitbewerber keine geschäftliche Handlung

18. September 2009
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Eigener Leitsatz:

In einer nachteiligen Äußerung eines Arztes über einen anderen Arzt gegenüber dem gemeinsamen Internetdienstleister ist keine geschäftliche Handlung zu sehen. Im Rahmen des Nachfragewettbewerbs sind die Dienstleistungen für die Ärzte austauschbar; zudem besteht kein Interesse, den Bezug beim Dienstleister besonders zu fördern. Im Rahmen des Absatzwettbewerbs bei der Werbung um Patienten sind durch die Äußerung indirekte Auswirkungen auf das Geschäft des Benachteiligten möglich. Aber die theoretische Möglichkeit ist nicht ausreichend für eine geschäftliche Handlung. 

   

Oberlandesgericht Karlsruhe

Urteil vom 09.07.2009

Az.: 4 U 188/07

Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 09.11.2007 – 12 O 87/07 – wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 09.11.2007 – 12 O 87/07 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.
Der Kläger und der Beklagte sind freiberuflich tätige Fachärzte für Orthopädie. Bis zum 31.12.2006 arbeiteten die Parteien in S. in einer Praxisgemeinschaft zusammen. Im Rahmen der Praxisgemeinschaft kam es zu verschiedenen rechtlichen Auseinandersetzungen. In einem Verfahren der einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen schlossen die Parteien einen Vergleich, in welchem sie sich auf eine Auflösung der Praxisgemeinschaft zum 31.12.2006 einigten. In dem Vergleich verpflichtete sich der Kläger, die bis dahin gemeinsamen Praxisräume zum 31.12.2006 zu verlassen.
 
Am 07.12.2006 richtete der Beklagte ein Schreiben an den Inhaber der Firma „S. -Werbung“, Herrn W. in Freiburg, der bis zu diesem Zeitpunkt die erforderlichen Dienstleistungen für den Internet-Auftritt der Praxisgemeinschaft übernommen hatte. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut:
 
„Sehr geehrter Herr W. ,
       
aufgrund einer gerichtlichen Verfügung des Landgerichts Waldshut-Tiengen wird Herr Kollege Dr. E. zum 01.01.2007 die Praxis in der Hauptstraße, in S. verlassen müssen.
Ich bitte Sie deshalb bei dem Internetauftritt die Daten, die seine Person betreffen, zu löschen. Bitte bestätigen Sie mir den Eingang dieses Schreibens.
       
Mit freundlichen Grüßen
… “
 
Der Kläger ließ den Beklagten daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 12.12.2006 abmahnen, da der Hinweis auf eine gegen den Kläger gerichtete „gerichtliche Verfügung“ in dem Schreiben vom 07.12.2006 unzutreffend und für den Kläger herabsetzend sei. Gleichzeitig ließ der Kläger den Beklagten auffordern, eine entsprechende strafbewehrte Verpflichtungserklärung abzugeben. Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 14.12.2006 reagierte der Beklagte daraufhin wie folgt:
 
„Sehr geehrter Herr Kollege …
       
unser Mandant hat in der Tat die Worte „Verfügung“ und „Vergleich“ verwechselt. Ein Missverständnis, das einem Arzt – zumal es sich um ein gerichtliches Verfügungsverfahren handelte – unterlaufen kann. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass es „aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs“ heißen muss. Er wird dies gegenüber Herrn W. richtig stellen und verpflichtet sich überdies verbindlich, die Behauptung nicht zu wiederholen, Ihr Mandant müsse die Praxis aufgrund einer gerichtlichen „Verfügung“ verlassen.
       
Eine Wiederholungsgefahr ist damit nicht mehr gegeben. Da es sich nicht um eine Äußerung in einem Wettbewerbsverhältnis handelte, besteht für eine Strafbewehrung kein Anlass.
       
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Dr. Sch.
Rechtsanwalt“
 
Der Kläger hielt diese Erklärung für nicht ausreichend, da der Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte. Auf Antrag des Klägers erließ das Landgericht Freiburg mit Urteil vom 23.02.2007 gegen den Beklagten eine einstweilige Verfügung wie folgt:
 
Der Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnunghaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß schriftlich, mündlich oder in anderer Form zu erklären:
 
„Aufgrund einer gerichtlichen Verfügung des Landgerichts Waldshut-Tiengen habe der Antragsteller zum 01.01.2007 die Praxis in der Hauptstraße in S. verlassen müssen.“
 
In der Begründung des Urteils vertrat das Landgericht die Auffassung, das vom Kläger beanstandete Schreiben des Beklagten vom 07.12.2006 stelle eine unlautere Wettbewerbshandlung dar; denn der Beklagte habe in diesem Schreiben im Rahmen eines Nachfragewettbewerbs gehandelt. Die Firma S. -Werbung komme als Internet-Dienstleister sowohl für den Kläger als auch für den Beklagten in Betracht.
 
Auf die Berufung des Beklagten hat der Senat – im Verfahren 4 U 32/07 – das Urteil des Landgerichts aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der Senat hat hierbei die Auffassung vertreten, ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch komme nicht in Betracht, da das Schreiben des Beklagten vom 07.12.2006 keine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstelle und zwar weder im Rahmen eines Nachfragewettbewerbs (Nachfrage nach Internet-Dienstleistungen) noch im Rahmen eines Absatzwettbewerbs (Werbung um Patienten für die orthopädische Praxis).
 
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 23.05.2007 hat der Kläger im vorliegenden Verfahren Hauptsacheklage erhoben. Aus dem Schreiben des Beklagten vom 07.12.2006 ergebe sich zum Einen ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch, da die Parteien im Wettbewerb um Patienten für ihre jeweilige orthopädische Praxis stünden. Zum Anderen ergebe sich ein Unterlassungsanspruch auch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, da das Schreiben des Beklagten vom 07.12.2006 das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt habe.
 
Mit Urteil vom 09.11.2007 hat das Landgericht dem Antrag des Klägers teilweise entsprochen und den Beklagten wie folgt verurteilt:
 
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, gegenüber außerhalb des Geschäftverkehrs stehenden Personen wörtlich oder sinngemäß schriftlich, mündlich oder in anderer Form zu erklären:
 
„Aufgrund einer gerichtlichen Verfügung des Landgerichts Waldshut-Tiengen habe der Antragsteller zum 01.01.2007 die Praxis in der Hauptstraße in S. verlassen müssen.“
 
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nur wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu, so dass der Beklagte auch nur insoweit verurteilt werden könne. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch bestehe hingegen nicht, da das Schreiben vom 07.12.2006 keine Wettbewerbshandlung enthalte. Insoweit sei die Klage teilweise abzuweisen.
 
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger vertritt die Auffassung, das Landgericht habe den Unterlassungsantrag zu Unrecht insoweit teilweise abgewiesen, als der Kläger seinen Anspruch auf Wettbewerbsrecht stütze. Der Kläger sei zwar als Orthopäde in S. tätig. Der Einzugsbereich seiner Praxis reiche jedoch bis in den Bereich des 50 km entfernten Freiburg. Der in Freiburg ansässige Inhaber der Firma S. -Werbung, Herr W. , sei nicht nur Dienstleister der früheren Praxisgemeinschaft gewesen, sondern komme – trotz seines Wohnsitzes in Freiburg – grundsätzlich auch als Patient für die orthopädische Praxis des Klägers in S. in Betracht. Außerdem bestehe die Möglichkeit, dass die für den Kläger nachteiligen Äußerungen des Beklagten im Schreiben vom 07.12.2006 durch Herrn W. auch an andere Personen gelangen könnten, so dass sich auch dadurch grundsätzlich ein Wettbewerbsnachteil des Klägers auf dem Patientenmarkt ergeben könne. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stelle das Schreiben des Beklagten mithin eine „Wettbewerbshandlung“ bzw. eine „geschäftliche Handlung“ im Sinne des Wettbewerbsrechts dar. Diese sei unlauter, da der Beklagte die persönlichen und geschäftlichen Verhältnisse des Klägers herabgesetzt habe (§ 4 Nr. 7 UWG).
 
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 09.11.2007 – 12 O 87/07 – abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß, schriftlich, mündlich oder in anderer Form zu erklären:
 
„Aufgrund einer gerichtlichen Verfügung des Landgerichts Waldshut-Tiengen habe der Antragsteller zum 01.01.2007 die Praxis in der Hauptstraße in S. verlassen müssen.“
 
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
 
Außerdem beantragt der Beklagte, auf die Berufung des Beklagten die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Freiburg vom 19.11.2007, Az. 12 O 87/07, abzuweisen.
 
Der Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit die Unterlassungsklage erstinstanzlich teilweise abgewiesen wurde. Zu Recht habe das Landgericht in dem Schreiben des Beklagten vom 07.12.2006 eine geschäftliche Handlung im Sinne des Wettbewerbsrecht verneint. Dem Kläger stehe allerdings – entgegen der Auffassung des Landgerichts – auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts kein Unterlassungsanspruch zu. Denn insoweit fehle es an einer Wiederholungsgefahr. Eine eventuelle Wiederholungsgefahr habe der Beklagte durch das vorgerichtliche Schreiben seines Rechtsanwaltes vom 14.12.2006 (Anlagen LG B 4) ausgeräumt. Der Beklagte habe sich hierbei ausdrücklich verpflichtet, die unzutreffende Behauptung im Schreiben vom 07.12.2006 („…gerichtliche Verfügung des Landgerichts Waldshut-Tiengen…“) in der Zukunft nicht mehr zu wiederholen. Für eine Strafbewehrung habe kein Anlass bestanden, da es sich nicht um eine Äußerung im Rahmen eines Wettbewerbsverhältnisses gehandelt habe.
 
Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und zwar hilfsweise mit der Maßgabe, dass der Rechtsstreit für erledigt erklärt wird.
 
Das Landgericht habe zu Recht eine Wiederholungsgefahr bejaht. Die sich aus der Rechtsverletzung ergebende Wiederholungsgefahr könne auch bei einer Persönlichkeitsrechtverletzung zumindest in der Regel nur durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung ausgeräumt werden. Es bestehe nach wie vor die Möglichkeit, dass der Beklagte die herabsetzenden Äußerungen über den Kläger gegenüber anderen Personen wiederhole, zumal nach der Beendigung der Praxisgemeinschaft bis heute noch nicht alle streitigen finanziellen Fragen zwischen den Parteien geklärt seien. Sollte der Senat – entgegen der Auffassung des Klägers – eine Wiederholungsgefahr ablehnen, wäre diese durch Zeitablauf erst nach Klageerhebung entfallen. Dann wäre – hilfsweise – die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen.
 
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen

II.
1. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 7, 8 Abs. 1 UWG steht dem Kläger nicht zu.
 
a) Die Formulierung des Beklagten im Schreiben vom 07.12.2006 ist unzutreffend. Denn der Kläger musste die Praxis zum 01.01.2007 nicht „aufgrund einer gerichtlichen Verfügung“ verlassen, sondern aufgrund einer von ihm im Rahmen eines Vergleiches eingegangenen Verpflichtung. Der Unterschied ist erheblich, da die Formulierung „gerichtliche Verfügung“ die unzutreffende Assoziation hervorrufen kann, der Kläger hätte durch eigenes Fehlverhalten eine gegen ihn gerichtete Entscheidung des Gerichts verursacht. Unter diesen Umständen könnte man in der Formulierung wohl eine Herabsetzung der persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse des Klägers sehen (vgl. hierzu § 4 Nr. 7 UWG).
 
b) Ein Wettbewerbsverstoß des Beklagten als Grundlage eines Unterlassungsanspruches (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) scheidet jedoch aus, weil die Formulierung des Beklagten keine „geschäftliche Handlung“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellt. Nach der Neuregelung des UWG ist die „geschäftliche Handlung“ an die Stelle des früher gültigen Begriffs der „Wettbewerbshandlung“ getreten. Für die Entscheidung des Senats ist insoweit die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich.
 
aa) Eine „geschäftliche Handlung“ setzt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG voraus, dass das Verhalten der betreffenden Person mit der Förderung des Absatzes oder des Bezuges von Waren oder Dienstleistungen „objektiv zusammenhängt“. Die Handlung muss bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls darauf gerichtet sein, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher (oder sonstigen Marktteilnehmer) den Absatz oder Bezug zu fördern (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm UWG, 27. Auflage, 2009, § 2 UWG, Rn. 48). An einem „objektiven Zusammenhang“ fehlt es hingegen dann, wenn die Handlung sich zwar auf die geschäftlichen Entscheidungen von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern tatsächlich auswirken kann, aber vorrangig anderen Zielen als der Förderung des Absatzes oder Bezuges dient (vgl. Köhler, a.a.O., § 2 UWG, Rn. 51). Die Frage, welchen Zielen eine bestimmte Handlung dient, ist hierbei in einer objektiven Betrachtungsweise zu entscheiden, bei der vor allem das wirtschaftliche Interesse des Handelnden eine wesentliche Rolle spielt.
 
bb) Das Schreiben des Beklagten stellte keine geschäftliche Handlung im Rahmen eines Nachfragewettbewerbs (Förderung des Bezugs von Dienstleistungen) dar. Zwar hat der Adressat des Schreibens, der Inhaber der Firma S. -Werbung, für die Praxisgemeinschaft bestimmte Internet-Dienstleistungen erbracht. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Art von Dienstleistungen für die Parteien austauschbar sind und dass auch ansonsten kein Interesse des Beklagten ersichtlich ist, den Bezug von Internet-Dienstleistungen bei der Firma S. -Werbung in irgendeiner Art und Weise besonders zu fördern (vgl. zum Fehlen eines Nachfragewettbewerbs in diesem Zusammenhang auch die den Parteien bekannte Entscheidung des Senats im Verfahren der Einstweiligen Verfügung, Urteil vom 07.09.2007 – 4 U 32/07 – Seite 8, 9). Der Kläger ist dementsprechend im Rahmen der Berufung auch nicht mehr auf die frühere Argumentation zurückgekommen, es liege eine geschäftliche Handlung im Rahmen eines Nachfragewettbewerbs vor.
 
cc) Eine geschäftliche Handlung liegt – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht darin, dass das Schreiben des Beklagten eventuell geeignet wäre, sich Vorteile im Wettbewerb um Patienten zu verschaffen („Förderung des Absatzes von Dienstleistungen“). Es lässt sich zwar – dies ist dem Kläger einzuräumen – nicht gänzlich ausschließen, dass die herabsetzende Äußerung über den Kläger im Schreiben vom 07.12.2006 indirekt Auswirkungen auf die geschäftliche Tätigkeit des Klägers haben könnte, wenn beispielsweise der Inhaber der Firma S. -Werbung – trotz der Entfernung von 50 km zur Praxis des Klägers – einmal erwogen haben sollte, den Kläger als Orthopäden aufzusuchen. Eine solche theoretische Kausalkette ist jedoch nicht ausreichend für eine geschäftliche Handlung.
 
Bei dem Schreiben ging es dem Beklagten darum, die Art und Weise der von der Firma S -Werbung zu erbringenden Internet-Dienstleistungen zu regeln, da mit dem 01.01.2007 (Ausscheiden des Klägers aus der Praxisgemeinschaft) der Internet-Auftritt der Praxis geändert werden musste. In diesem Zusammenhang stand die – für den Kläger herabsetzende – Formulierung hinsichtlich des Ausscheidens des Klägers aus der Praxis. Das mit dem Schreiben verfolgte Ziel, nämlich die Anpassung des Internet-Auftritts, hat nichts mit einer Einwirkung auf potentielle Patienten, die sich für die Praxis des Klägers oder des Beklagten entscheiden könnten, zu tun.
 
Die theoretische Möglichkeit, dass Herr W. (Inhaber der Firma „S. -Werbung“) oder eine eventuell von ihm informierte dritte Person sich überlegen könnte, Patient des Klägers oder des Beklagten zu werden, ändert nichts. Eine solche Möglichkeit ist eher fernliegend, zumal der Beklagte im Schreiben vom 07.12.2006 nur einen einzelnen Adressaten (Herrn W. ) angesprochen hat und dieser in einer Entfernung von 50 km von der orthopädischen Praxis des Beklagten wohnt. Der Beklagte hat den Adressaten in diesem Schreiben auch nicht in seiner Eigenschaft als potentiellen Patienten angesprochen, sondern in seiner Eigenschaft als Internet-Dienstleister. Das Schreiben vom 07.12.2006 ist unter den gegebenen Umständen kaum geeignet, ein wirtschaftliches Interesse des Beklagten an einer Vergrößerung seines Patientenstammes zu fördern. Die vom Kläger hervorgehobenen möglichen Wirkungen des Schreibens auf potentielle Patienten (im Bereich von Freiburg, in größerer Entfernung von der Praxis des Beklagten) treten bei objektiver Betrachtungsweise gegenüber dem vorrangigen Ziel – der Änderung des Internet-Auftritts – deutlich zurück. Es fehlt daher an einem objektiven Zusammenhang mit einem geschäftlichen Ziel im Sinne von § 2 Nr. 1 UWG.
 
c) Der Kläger kann einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch auch nicht auf eine Erstbegehungsgefahr (§ 8 Abs. 1 Satz 2 UWG) stützen. Zwar käme eine unlautere geschäftliche Handlung des Beklagten in Betracht (§§ 2 Nr. 1 UWG, 3 Abs. 1 UWG, 4 Nr. 7 UWG), wenn der Beklagte sich gegenüber Patienten in gleicher Weise äußern würde wie in dem Schreiben vom 07.12.2006. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass eine solche Zuwiderhandlung des Beklagten drohen würde (§ 8 Abs. 1 Satz 2 UWG).
 
aa) Aus dem Schreiben an die Firma S. -Werbung vom 07.12.2006 lässt sich keine Erstbegehungsgefahr für entsprechende Zuwiderhandlungen gegenüber Patienten herleiten. Die (teilweise unzutreffende) Erklärung des Beklagten hinsichtlich des Ausscheidens des Klägers aus der Praxis war anlassbezogen im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen der Firma S. -Werbung und dem Beklagten; denn es ging um die zukünftige Gestaltung des Internet-Auftritts der ärztlichen Praxis. Dies reicht nicht aus für eine Schlussfolgerung, dass der Beklagte auch bei anderen Anlässen gegenüber Patienten sich in gleicher Weise herabsetzend über den Kläger äußern würde (vgl. insoweit zu den Anforderungen an die unmittelbar drohende Gefahr einer erstmaligen Rechtsverletzung Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Auflage, 2009, § 8 UWG Rn. 1.15).
 
bb) Es liegen auch keine anderen Anhaltspunkte vor, aus denen sich die unmittelbar drohende Gefahr einer entsprechenden Rechtsverletzung durch den Beklagten (Äußerungen gegenüber Patienten) ergeben würde. Anderweitige zivilrechtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien reichen nicht aus. Der Beklagte hat zudem im Schreiben seines Rechtsanwalts vom 15.12.2006 ausdrücklich erklärt, dass er entsprechende Äußerungen gegenüber Dritten in der Zukunft unterlassen werde.
 
2. Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht – entgegen der Auffassung des Landgerichts – auch unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung (Verletzung des Persönlichkeitsrechts) kein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog) zu.
 
a) Gegen die Fassung des Unterlassungstenors im Urteil des Landgerichts bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist die Formulierung ausreichend bestimmt.
 
……(wird ausgeführt)
 
b) Die Erklärung des Beklagten im Schreiben vom 07.12.2006, wonach der Kläger „aufgrund einer gerichtlichen Verfügung“ die Praxis verlassen müsse, stellt eine unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB dar.
 
aa) Allerdings liegt kein sogenannter Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor. Denn die für den Kläger teilweise herabsetzende Äußerung ist keine unmittelbare Beeinträchtigung seiner ärztlichen Tätigkeit (vgl. zum „betriebsbezogenen Eingriff“ in derartigen Fällen Palandt/Straub, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Auflage 2009, § 823 BGB, Rn. 128 mit Rechtsprechungsnachweisen). Es kann daher auch dahinstehen, ob der Kläger im Sinne der Rechtsprechung zu § 823 BGB Inhaber eines „Gewerbebetriebs“ war, der einen Unterlassungsanspruch auslösen könnte.
 
bb) Es liegt hingegen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Das Schreiben des Beklagten enthält eine Tatsachenbehauptung, die (hinsichtlich der gerichtlichen Verfügung) teilweise unzutreffend ist. Die Tatsachenbehauptung ist geeignet, ein nachteiliges Bild vom Kläger hervorzurufen, da der Eindruck erweckt wird, ein Fehlverhalten oder eine Rechtsverletzung des Klägers habe eine „gerichtliche Verfügung“ erforderlich gemacht. Ein solcher für den Kläger nachteiliger Eindruck ist auch nicht gänzlich unerheblich, wobei es auf die Sichtweise des Klägers ankommt. Diese Umstände reichen für einen Rechtsverletzung aus (vgl. zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts BGH NJW 2006, 609, 610 und BVerfG NJW 2008, 747, 748).
 
c) Die Rechtsverletzung des Beklagten reicht für einen Unterlassungsanspruch allerdings nicht aus. Ein Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog) setzt eine Wiederholungsgefahr voraus. Diese ist nicht gegeben.
 
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Recht der unerlaubten Handlung ein Rechtsverstoß – ähnlich wie im Wettbewerbsrecht – im Regelfall eine Wiederholungsgefahr indiziert. Wer also (wie der Kläger) in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird, hat in der Regel ausreichenden Anlass, den Verletzer auf Unterlassung entsprechender zukünftiger Handlungen in Anspruch zu nehmen. Die Wiederholungsgefahr wird – im Regelfall – nur dadurch ausgeräumt, dass der Verletzter eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung erklärt (vgl. BGH NJW 1994, 1281).
 
Allerdings gelten diese Grundsätze bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts – insoweit abweichend vom Wettbewerbsrecht – nicht uneingeschränkt. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr – die sich aus der Rechtsverletzung ergibt – kann im Einzelfall auch ohne strafbewehrte Unterlassungserklärung widerlegt werden, wenn sich dies aus den Umständen ergibt. Hierbei sind die Umstände des Einzelfalles heranzuziehen und abzuwägen. Es kommt insbesondere auf die Schwere des Eingriffs bei der Rechtsverletzung an, auf die Umstände der Verletzungshandlung, den fallbezogenen Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung und vor allem auf die Motivation des Verletzers (vgl. ausführlich BGH NJW 1994, 1281, 1283).
 
Unter den Umständen des vorliegenden Falles bestand nach Auffassung des Senats jedenfalls spätestens bei Einreichung der Hauptsacheklage (am 24.05.2007) keine Wiederholungsgefahr mehr. Hierbei spielt eine wesentliche Rolle die – nicht strafbewehrte – Verpflichtung des Beklagten im Schreiben seines Rechtsanwaltes vom 14.12.2006 (Anlagen LG B4).
 
Auszugehen ist zunächst davon, dass die Schwere des Eingriffs in die Rechte des Klägers – verglichen mit anderen Persönlichkeitsrechtsverletzungen – deutlich begrenzt war. Der Beklagte hat die unzutreffende Erklärung über den Kläger nur in einem einzelnen Schreiben an Herrn W. geäußert. Es ist nicht ersichtlich – und vom Kläger nicht vorgetragen -, dass die Erklärung des Beklagten von diesem an Dritte weitergetragen worden wäre.
 
Die Unterlassungsverpflichtung vom 14.12.2006 ist zwar nicht strafbewehrt, sie ist jedoch in der Formulierung eindeutig. Aus dem Schreiben des Rechtsanwalts ergibt sich, dass der Beklagte – möglicherweise nach entsprechender Beratung durch seinen Anwalt – erkannt hat, dass die Formulierung im Schreiben vom 07.12.2006 ein Fehler (zu Lasten des Klägers) war. Die Absicht, zukünftig derartige Verletzungen zu unterlassen, erscheint dem Senat – auch ohne Strafbewehrung – plausibel und glaubwürdig. Das gilt vor allem dann, wenn man die möglichen Motivationen des Beklagten in Betracht zieht: Entweder hat es sich tatsächlich – wie der Beklagte geltend macht – um ein Formulierungsversehen gehandelt. Dann gab es keinen Anlass mehr, nachdem der Beklagte sein Versehen erkannt hat, dieses Versehen zu wiederholen. Sollte es sich andererseits nicht um ein Versehen gehandelt haben, wäre die herabsetzende Äußerung im Schreiben vom 07.12.2006 wohl in erster Linie ein spontaner Ausdruck der persönlichen Verärgerung des Beklagten über den Kläger. Eine solche – vorrangig emotionale – Motivationslage würde es ebenfalls nahelegen, dass der Beklagte nach Belehrung durch seinen Rechtsanwalt einen solchen Fehler nicht wiederholt. Der unmittelbare Anlass des Schreibens vom 07.12.2006 war die Auflösung der Praxisgemeinschaft zum 31.12.2006 und die damit verbundene Änderung des Internetauftritts. Nach der Auflösung gab es einen gleichartigen Anlass nicht mehr, so dass auch unter diesem Blickwinkel nicht zu erwarten ist, dass der Beklagte, wie der Kläger befürchtet, entsprechende Erklärungen gegenüber anderen Dienstleistern wiederholen würde.
 
Es kommt hinzu, dass mit der unzutreffenden Erklärung im Schreiben vom 07.12.2006 kein wirtschaftliches Interesse des Beklagten verbunden war (anders als in dem Fall, welcher der Entscheidung des BGH, NJW 1994, 1281 zugrunde lag). Es ist daher auch nicht ersichtlich, dass in der Zukunft bestimmte wirtschaftliche Interessen des Beklagten diesen dazu veranlassen können, erneut gegenüber Dritten die für den Kläger nachteilige Behauptung aufzustellen.
 
Die Frage der Wiederholungsgefahr wäre allerdings möglicherweise dann anders zu beurteilen, wenn der Beklagte durch anderweitiges Verhalten gezeigt hätte, dass er generell nicht bereit wäre, sich an verbindliche Absprachen zu halten. Für eine solche Annahme – welche das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat – gibt es jedoch keine Grundlage. Richtig ist zwar, dass es zwischen den Parteien diverse rechtliche Auseinandersetzungen gegeben hat. Es gibt jedoch im Sachvortrag des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit keinen konkreten Hinweis darauf, dass der Beklagte im Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzungen irgendwann eine verbindliche Zusage nicht eingehalten hätte. Daher spricht auch nichts dafür, dass sich der Beklagte an die Verpflichtungserklärung seines Rechtsanwaltes vom 14.12.2006 irgendwann in der Zukunft nicht gebunden fühlen könnte.
 
3. Über den Hilfsantrag des Klägers (Feststellung der Erledigung) war nicht zu entscheiden, da die Bedingung, unter welcher der Kläger den Hilfsantrag gestellt hat, nicht eingetreten ist. Nur dann, wenn die Wiederholungsgefahr für die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Beklagten im Laufe des Rechtsstreits entfallen wäre, wollte der Kläger eine Erledigung geltend machen. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich jedoch, dass eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Verletzung des Persönlichkeitsrechts schon bei Einreichung der Klage (24.05.2007) nicht (mehr) gegeben war. Die Klage war mithin von Anfang an unbegründet; für die hilfsweise Erledigung ist kein Raum.
 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 97 Abs. 1 ZPO.
 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
 
5. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung geklärt.

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