Veranlassen von Bewertungslöschung genügt

04. Mai 2010
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Eigener Leitsatz:

Übernimmt ein Käufer die Pflicht, zukünftig entsprechende Bewertungen auf einer Internethandelsplattform zu unterlassen und die Löschung der streitigen Bewertung zu veranlassen, so ist dies keine Löschungsgarantie. Bemühungen, die Löschung beim Portalbetreiber zu erreichen, sind insoweit ausreichend, wenn der Käufer nicht die technische Befugnisse hat, dies selbst zu tun. Das mehrmalige Nachsuchen zur Löschung der Bewertung erfüllt die eingegangene Beseitigungsverpflichtung.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 11.03.2009

Az.: 6 U 222/08

Tenor:     

1.) Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 26.11.2008 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 28 O 443/08 – wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

GRÜNDE:
    
I.
Die Antragstellerin, die ihren Sitz auf den Kanarischen Inseln hat, vertreibt gewerblich Kosmetikprodukte über F.. Die Antragsgegnerin erwarb bei der Antragstellerin ein "Hermes un Jardin Sur le Nil Set Neu" zum Preis von 55,95 €. Sie bezahlte diesen Preis sowie die Versandkosten. Als die Ware geliefert wurde, erhob der Zoll 19 % an Einfuhrumsatzsteuer auf die gelieferte Ware. Daraufhin gab die Antragsgegnerin am 3.7.2008 folgende Bewertung bei F. ab:
    
"Ware kommt NICHT aus Spanien, sondern von den Kanaren => Zoll kassiert zusätzl. 19 %".
    
Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin wegen dieser Bewertung durch ihren jetzigen Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 9.7.2008 abmahnen. Die Antragsgegnerin gab mit Schreiben vom 14.7.2008 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die die Antragstellerin annahm.
    
Mit e-mails vom 10.7., 17.7., 22.7., 23.7. und 7.8.2008 sowie mit anwaltlichem Schreiben vom 14.7.2008 forderte die Antragsgegnerin F. auf, die fragliche Bewertung zu löschen. Außerdem fügte sie am 19.7.2008 ihrer Bewertung folgenden Ergänzungskommentar hinzu: "Ich nehme die Bewertung zurück". Am 10.8.2008 löschte F. die Bewertung.
    
Die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin habe gegen ihre vertraglich übernommenen Pflichten verstoßen. Sie hat eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der es der Antragsgegnerin untersagt worden ist, im Bewertungsforum von F. eine Behauptung des Inhalts ihrer Bewertung vom 3.7.2008 aufzustellen oder aufstellen zu lassen. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht diese einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, mit der sie den erneuten Erlass der einstweiligen Verfügung erstrebt. Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil.
    
Im Übrigen wird von der Darstellung des Sachverhalts gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
    

II.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat zwar einen vertraglichen Unterlassungsanspruch, es fehlt aber an dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
    
1. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein vertraglicher Anspruch auf Unterlassung der fraglichen Äußerung zu. Der Unterlassungsvertrag ist nicht nichtig. Dabei kann unterstellt werden, dass die ursprünglich abgegebene Bewertung der Antragsgegnerin zutreffend war und die Antragstellerin die Antragsgegnerin daher zu Unrecht abgemahnt und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt hat. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin einen möglicherweise nicht bestehenden Anspruch geltend gemacht hat, kann aber entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründen. Denn es ist zum einen nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin das Nichtbestehen des Anspruchs bewusst und dass deshalb ihr Verhalten vorwerfbar gewesen wäre. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin anwaltlich beraten war und sich bewusst und frei von Zwang dafür entschieden hat, eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Antragstellerin über die Berechtigung der Bewertung zu vermeiden.
    
Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin sich nicht nur – wie diese meint – verpflichtet hat, zukünftig entsprechende Bewertungen zu unterlassen, sondern es auch übernommen hat, die Löschung der Bewertung zu veranlassen. Denn Anlass für den Abschluss des von der Antragstellerin verlangten Unterlassungsvertrages war die bei F. veröffentlichte Bewertung, deren sofortige Beseitigung die Antragstellerin mit Schreiben vom 9.7.2008 verlangt hatte. Diesem Beseitigungsverlangen hat die Antragsgegnerin nicht widersprochen, sondern erklärt, sie wolle eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden und gebe daher "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber dennoch rechtsverbindlich" eine Unterlassungserklärung ab. Dass ein Rechtsstreit hätte vermieden werden können, ohne dass die Antragsgegnerin jedenfalls alles für die Löschung der Bewertung Erforderliche unternehmen würde, konnte die Antragsgegnerin nicht annehmen. Die Antragstellerin durfte daher die Erklärung der Antragsgegnerin dahin verstehen, dass diese ihrer Forderung nach Beseitigung der Bewertung nachkommen würde. Dieser Auslegung entspricht das Verhalten der Antragsgegnerin nach Abgabe der Unterlassungserklärung. Ihre Bemühungen, die Löschung der Bewertung zu erreichen, zeigen, dass auch sie sich insoweit rechtlich verpflichtet gefühlt hat.
    
2. Die Antragstellerin hat jedoch kein berechtigtes Interesse, um diesen Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Der vertragliche Unterlassungsanspruch besteht unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin gegen ihre Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht aber nur dann, wenn die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse daran hat, einen Titel über diesen Anspruch zu erlangen, wenn also zu besorgen ist, dass die die Antragstellerin ihren Unterlassungsanspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen muss (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 12 Rdn. 1. 135). Dies setzt voraus, dass der Schuldner durch sein Verhalten Anlass für die Befürchtung gegeben hat, er werde die von ihm übernommene Unterlassungsverpflichtung nicht erfüllen. Daran fehlt es.
    
a) Die Antragsgegnerin hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht bereits deshalb gegen die Beseitigungsverpflichtung verstoßen, weil die Bewertung auch nach dem Abschluss des Unterlassungsvertrages noch bei F. einsehbar war. Denn die Antragsgegnerin hat nicht eine Löschungsgarantie übernommen; vielmehr ergibt eine verständige Auslegung des Vertrages lediglich, dass sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, alles Erforderliche zu tun, um F. möglichst zeitnah zu einer Löschung der Bewertung zu veranlassen.
    
Den Parteien war bekannt, dass die Antragsgegnerin die Löschung nicht selbst vornehmen konnte und dass F. Bewertungen nicht ohne weiteres löscht. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin selbst haben zur damaligen Zeit im Rahmen des Internetauftritts ihrer Kanzlei darauf hingewiesen, dass F. sich weigere, Kommentare zu löschen. Dass ein Schuldner eine Verpflichtung zu übernehmen bereit ist, deren Erfüllung außerhalb seines Einflussbereichs liegt, ist jedoch ganz ungewöhnlich. Es hätte daher besonderer Umstände bedurft, damit die Antragstellerin hätte annehmen können, die Antragsgegnerin sei eine solche Verpflichtung eingegangen. Zu solchen Umständen hat die Antragstellerin nichts vorgetragen. Vielmehr zeigt die Korrespondenz nach Abgabe der Unterlassungserklärung, dass die Antragsgegnerin eine solch weitgehende Verpflichtung nicht eingehen wollte. Denn die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin mehrfach aufgefordert, sie müsse sicherstellen, dass die fragliche Bewertung bei F. bis zum 23.7.2008 gelöscht sei. Dies hat die Antragsgegnerin stets abgelehnt und lediglich angeboten, dass sie von F. die Löschung der Bewertung "verlangt".
    
b) Die Antragsgegnerin hat die so verstandene Beseitigungsverpflichtung erfüllt, indem sie mit fünf (elektronischen) Schreiben und einem Schreiben ihres Rechtsanwalts bei F. um die Löschung der Bewertung nachgesucht, dabei auf die ihr drohenden Konsequenzen hingewiesen und auch das anwaltliche Schreiben der Antragstellerin vorgelegt hat.
    
Soweit die Antragstellerin meint, die Aufforderungen hätten durch eingeschriebenen Brief erfolgen müssen, ist dem nicht zu folgen. E-Mails sind eine heute übliche Kommunikationsform, auch für wichtige Mitteilungen; dies gilt insbesondere gegenüber Unternehmen, die vorwiegend über das Internet tätig sind. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass dies im konkreten Fall anders zu beurteilen wäre. Dass dem nicht so ist, zeigt sich vielmehr darin, dass F. auch das Schreiben des Rechtsanwalts der Antragsgegnerin vom 14.7.2008, das dieser in Papierform an F. gesandt hat, (zunächst) ebenso unbeachtet gelassen hat wie die von der Antragsgegnerin versandten e-mails. Dass ein Einschreiben mit Rückschein F. zu einer schnelleren Löschung veranlasst hätte, ist ebenfalls nicht erkennbar.
    
Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe nach einer Entscheidung des Landgerichts Berlin (MMR 2000, 495) ihre an F. gerichtete Bitte mit der Androhung verbinden müssen, bei F. Regress zu nehmen, wenn die Bewertung nicht alsbald gelöscht würde. Die Antragsgegnerin kann nur darauf verwiesen werden, die ihr rechtlich zustehenden Möglichkeiten ausnutzen. Eine Obliegenheit der Antragsgegnerin, eine Inanspruchnahme von F. anzudrohen, setzt daher voraus, dass der Antragsgegnerin ein entsprechender Anspruch gegen F. zugestanden hätte. An einem solchen Anspruch fehlt es jedoch. Ein Regressanspruch gegen F. könnte nur dann bestehen, wenn F. der Antragsgegnerin gegenüber zur Löschung der Bewertung verpflichtet gewesen wäre. Für einen entsprechenden gesetzlichen Anspruch der Antragsgegnerin ist jedoch nichts ersichtlich, denn sie hat die fragliche Bewertung freiwillig veröffentlicht. Ein solcher Anspruch ergibt sich – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – insbesondere auch nicht daraus, dass F. möglicherweise selbst Störer ist. Denn auch in diesem Fall stünden allein dem Verletzten Rechte gegen F. zu, nicht aber demjenigen, der die fragliche Bewertung verfasst hat. Für einen vertraglichen Anspruch der Antragsgegnerin gegen F. ist nichts vorgetragen. Dies geht zu Lasten der insoweit darlegungsbelasteten Antragstellerin.
    
Unerheblich ist es insoweit, dass F. die Bewertung gelöscht hat, nachdem die Antragsgegnerin auf eine Veröffentlichung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin hingewiesen hat, in der dieser die Auffassung vertreten hat, F. mache sich schadensersatzpflichtig, wenn es eine Bewertung nicht lösche. Denn dies kann eine Obliegenheit der Antragsgegnerin, mit einem nicht bestehenden Regressanspruch zu drohen, nicht begründen.
    
c) Die Antragsgegnerin muss sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin ein Verschulden von F., das im Übrigen nicht ersichtlich ist, nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, denn F. war nicht Erfüllungsgehilfe der Antragsgegnerin hinsichtlich ihrer Beseitigungspflicht.
    
Erfüllungsgehilfe ist, wessen sich der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient (§ 278 BGB). Der Grund für die Zurechnung der fremden Handlung beruht darauf, dass der Erfüllungsgehilfe objektiv auf Veranlassung des Schuldners eine Aufgabe übernimmt, deren Erfüllung im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt (BGH NJW-RR 2001, 396, 398). Der Dritte muss also vom Schuldner in die Erfüllung der Beseitigungsverpflichtung einbezogen worden sein (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 12 Rdn. 1.153). Dagegen ist § 278 BGB unanwendbar auf Verbindlichkeiten, die den Schuldner lediglich zur Beauftragung eines Dritten verpflichten, sich aber nicht auf die Tätigkeit des Dritten erstrecken (Palandt/Heinrichs, 67. Aufl. § 278 Rdn. 17).
    
Nach diesen Maßstäben kann F. nicht als Erfüllungsgehilfe der Antragsgegnerin angesehen werden, denn sie hat F. nicht in die Erfüllung ihrer Beseitigungsverpflichtung einbezogen. Diese beschränkte sich darauf, alles Erforderliche zu tun, um F. möglichst zeitnah zu einer Löschung der Bewertung zu veranlassen (siehe oben a). Die Löschung schuldete die Antragsgegnerin nicht; nur insoweit hat die Antragsgegnerin aber F. einbezogen, so dass F. Adressat der Bemühungen der Antragsgegnerin war, nicht aber eine Aufgabe übernommen hat, deren Erfüllung der Antragsgegnerin selbst oblegen hätte.
    
Aus den von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (GRUR 1988, 561 und 1998, 963 – Verlagsverschulden I und II) ergibt sich nichts anderes. In diesen Entscheidungen ging es nicht um den Vorwurf, der Schuldner habe eine Beseitigungspflicht verletzt, sondern um einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung durch die Veröffentlichung einer dieser Verpflichtung widersprechenden neuerlichen Werbung. Da der Unterlassungsschuldner sich für die Veröffentlichung eines Verlagsunternehmens bedient, handelt dieses in Erfüllung einer dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit und ist damit dessen Erfüllungsgehilfe (BGH, GRUR 1998, 963, 965 – Verlagsverschulden II). Hier dagegen beschränkte sich der Pflichtenkreis der Schuldnerin im Rahmen ihrer Beseitigungsverpflichtung auf ihre eigene Person; eine Verantwortlichkeit für das Verhalten von F. hat sie gerade nicht übernommen.
    
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
    
4. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
    
5. Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 10.000 €.

Vorinstanz:     
Landgericht Köln, Az.: 28 O 443/08

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