Drin ist, was drauf steht? – Irreführende Werbung im Arzneimittelbereich

23. Dezember 2009
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Eigener Leitsatz:

Wer für ein medizinisches Heilmittel wirbt, muss sich an das Strengeprinzip im Heilmittelwerberecht halten. Dieses fordert, dass eine Werbung, die sich auf Studien stützt und damit eine wissenschaftliche Absicherung vermittelt, sich auf Studien bezieht, die die mitgeteilten Aussagen tatsächlich ergeben. Strenge Anforderung bestehen an Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Werbeangaben erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können. Deshalb müssen Werbeaussagen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 12.05.2009

Az.: 312 O 182/09

Urteil

in der Sache

./.

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 12

für Recht:

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,–; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre und zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer),

verboten,

in Bezug auf das Fertigarzneimittel „Präperat B….®“ unter Bezugnahme auf die Vergleichsstudie Pavlakis N, et al., Cochrane Database Syst Rev 20(3): CD0####4(2005) wörtlich oder sinngemäß zu behaupten:

„Nach den Ergebnissen einer Cochrane-Analyse bietet orales Präperat B…." (1.600 mg täglich) Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom einen zu anderen Bisphosphonaten vergleichbaren Schutz vor Frakturen."

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien vertreiben Bisphosphonate, Medikamente zur Behandlung von Osteolysen infolge von Knochenmetastasen bei malignen Tumoren. Mit einer Bisphosphonat-Therapie soll das Auftreten von Skelett-Komplikationen wie pathologischen Frakturen oder Wirbelsäulenkompressionen verhindert werden.

Das Präparat der Antragstellerin heißt Präperat Z… (Wirkstoff Zoledronat), das der Antragsgegnerin Präperat B…. (Wirkstoff Clodronat).

Die Antragsgegnerin hat am 11.12.2008 eine Presseerklärung herausgegeben, die auch im Internet für Ärzte abrufbar war (Anlage Ast 7), in der es heißt:

"Cochrane-Analyse bestätigt hohe Wirksamkeit Für die Gabe von Präperat B….® spricht, dass sich die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit des Medikaments nach fast 20 Jahren intensiver klinischer Anwendung (> 300.000 Patientenjahre) exzellent beurteilen lassen. Bei Verordnung der Substanz kann von einer hohen Wirksamkeit ausgegangen werden: Nach den Ergebnissen einer Cochrane-Analyse bietet orales Präperat B….® (1.600 mg täglich) Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom einen zu anderen Bisphosphonaten vergleichbaren Schutz vor Frakturen.

2. Pavlakis N, et al. Cochrane Database Syst Rev 20(3): CD0####4(2005) "

Die Cochrane-Organisation ist ein internationales Netz von Wissenschaftlern und Ärzten, das sich an den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin orientiert und dieses Ziel vor allem durch die Erstellung, Aktualisierung und Verbreitung systematischer Übersichtsarbeiten zur Bewertung von Therapien, sog. „Meta- Studien“ erreicht.

Die Antragstellerin meint, dass die Aussage „Nach den Ergebnissen einer Cochrane- Analyse bietet orales Präperat B….® (1.600 mg täglich) Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom einen zu anderen Bisphosphonaten vergleichbaren Schutz vor Frakturen.“ wissenschaftlich nicht haltbar und irreführend sei.

Die von der Antragsgegnerin zur Stützung ihrer Aussage herangezogene Cochrane- Studie sei ein bloßer Übersichtsartikel, in dem die Ergebnisse bereits bekannter Studien über Bisphosphonate lediglich zusammengetragen und einander gegenübergestellt worden seien. Es existiere gar keine primäre Head-to-Head-Studie von Präperat B….® (1600 mg Clodronat pro Tag) zu den hier in Rede stehenden Medikamenten zur Behandlung von Knochenmetastasen. Der Artikel sei im Rahmen der Cochrane Collaboration verfasst worden mit dem Titel „Bisphosphonate for Breast Cancer (Review)". Es werde dort die Wirksamkeit von Bisphosphonaten für skelettbezogene Ereignisse, Knochenschmerzen, Lebensqualität und Überlebensdauer bei Patientinnen mit Mammakarzinom und Knochenmetastasen auf der Grundlage anderweit publizierter wissenschaftlicher Studien zu diesem Themenkreis dargestellt.

Die Antragstellerin meint, die von der Antragsgegnerin getroffenen Aussagen könnten nur dann wissenschaftlich hinreichend belegt sein, wenn der Cochrane- Studie die einer Primärstudie entsprechende Verlässlichkeit und Aussagekraft zugesprochen werden könnte. Dies sei vorliegend aufgrund der Mangelhaftigkeit der einbezogenen Studien nicht der Fall. Wegen der Einzelheiten der Kritik an den der Cochrane-Studie zur Wirksamkeit von Clodronat zugrundegelegten Studien wird auf die Antragsschrift Bezug genommen.

Die Aussage in der Presseinformation richte sich in Wahrheit an Ärzte und Apotheker, die Information sei auch im Internet frei abrufbar gewesen. Ärzte würden davon ausgehen, dass eine Aussage, die sich auf eine Studie stützt, auch durch diese Studie einwandfrei und valide belegt sei.

Die Cochrane-Analyse treffe aber gar keine Aussagen zu Frakturen, sondern zu Skelettereignissen („skeletal events“), auch Vergleichbarkeiten zwischen Clodronat und anderen Bisphosphonaten würden nicht festgestellt. Auf S. 13 benenne sie zudem Zahlen aus der Kohno-Studie, aus denen sich ergebe, dass Clodronat mit einer Reduktion von Skelettereignissen auf 16% in der Gabe von 1600 mg Clodronat deutlich schlechter abschneide als Zolendronat mit 41%. Auch von daher könne von einer Vergleichbarkeit nicht die Rede sein.

Die Antragstellerin macht Unterlassungsansprüche aus §§ 8, 3, 4 Nr. 10 und Nr. 11, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG i.V.m. § 3 Nr. 1 HWG geltend.

Sie meint, bei gesundheitsbezogener Werbung für Arzneimittel seien strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussage zu stellen. Werbende Anpreisungen auf diesem Gebiet seien zum Schutz der Allgemeinheit nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprächen. Nach § 3 Nr. 1 HWG liege eine Irreführung insbesondere vor, wenn Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt würden, die sie nicht haben. Auch das Beilegen einer therapeutischen Wirksamkeit oder Wirkung, die nicht hinreichend gesichert sei, stelle bei der Heilmittelwerbung eine Irreführung im Sinne dieser Vorschrift dar. Dies gelte auch dann, wenn Wirksamkeitsaussagen im Wege des Vergleichs mit anderen Produkten getroffen würden (LG Hamburg, Urt. v. 6. Juli 2006, Az. 327 0 235/06, Anlage ASt 11).

Die Antragstellerin beantragt,

der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten,

in Bezug auf das Fertigarzneimittel „Präperat B….®“ unter Bezugnahme auf die Vergleichsstudie Pavlakis N, et al., Cochrane Database Syst Rev 20(3): CD0####4(2005) wörtlich oder sinngemäß zu behaupten: „Nach den Ergebnissen einer Cochrane-Analyse bietet orales Präperat B…." (1.600 mg täglich) Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom einen zu anderen Bisphosphonaten vergleichbaren Schutz vor Frakturen."

Die Antragsgegnerin beantragt

Zurückweisung des Antrags.

Die Antragsgegnerin meint, dass eine Irreführung nicht vorliege und dass die Beanstandungen der drei Studien unbegründet seien.

Sie trägt insbesondere vor, dass die in der Cochrane-Analyse ausgewerteten Studien nicht methodisch mangelhaft seien. Die Antragsgegnerin erwecke auch nicht den Eindruck, dass die Cochrane-Analyse ein Head-to Head-Vergleich sei.

Die streitgegenständliche Studie sei 2005 erschienen, im Update 2007 seien keine inhaltlichen Korrekturen nötig gewesen. Dies belege die valide wissenschaftliche Grundlage und die Akzeptanz in den Fachkreisen. Auch kleinere Fallzahlen seien keine methodischen Mängel. Die Fallzahlen seien vorliegend vergleichbar mit den Fallzahlen anderer Studien in der Meta-Analyse.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Antragsgegnerin zu den Studien Kristensen, Paterson und Tubiana-Hulin wird auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 08.05.2009 Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin meint, dass sie in der angegriffenen Weise mit Bezug auf die Cochrane-Analyse werben dürfe, weil in der Cochrane-Analyse zwar allgemein von „skeletal events“ gesprochen werde, sich aus der Analyse aber die günstige Entwicklung hinsichtlich des Schutzes vor Knochenbrüchen ableiten lasse. Denn es seien in der Cochrane-Studie Studien ausgewertet worden, die in den Kontrollgruppen schlechtere Ergebnisse gezeigt hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, III Nr. 1, 3, 4 Nr. 11,5 I UWG i.V.m. § 3 HWG zu.

Es besteht überwiegend wahrscheinlich die konkrete Gefahr, dass zumindest erhebliche Teile der angesprochenen, durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Fachkreise, nämlich der behandelnden Fachärzte wie Onkologen, die angegriffene Aussage in einer den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden Weise verstehen und irregeführt werden.

Die angegriffene Werbung, die als Presseerklärung verbreitet wurde, auf der diesen zugänglichen Internetseite der Antragsgegnerin aber auch Ärzten zugänglich war, ist an Ärzte wie Onkologen und Internisten gerichtet, die mit der Behandlung von tumorbedingten Knochenmetastasen befasst und vertraut sind.

Für das Verständnis der beanstandeten Werbung ist auf den Erkenntnishorizont eines durchschnittlich informierten und durchschnittlich verständigen Arztes dieser Gruppe abzustellen, der die Werbeangaben mit dem Maß an Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt, mit dem er solcher Werbung üblicherweise begegnet. Die Kammer kann über das Verkehrsverständnis der in Rede stehenden Werbung entscheiden, weil unstreitig ist, was eine Cochrane-Analyse ist und weiter unstreitig ist, dass das Wort „Skelettereignisse“ kein Synonym für „Frakturen“ oder „Knochenbrüche“, sondern ein Oberbegriff ist, der auch Frakturen umfasst.

Die angegriffene Werbung betrifft ein Arzneimittel, so dass die engen Voraussetzungen der gesundheitsbezogenen Werbung anzuwenden sind. Danach sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Werbeangaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, GRUR 2002, 182, 185 m. w. N.; OLG Hamburg, GRUR-RR 2002, 173, 174 f.).

Werbende Anpreisungen auf diesem Gebiet sind deshalb grundsätzlich nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH, GRUR 1971, 153, 155; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Unlauterer-Wettbewerb-Gesetz, 27. Aufl. 2009, § 5 Rn. 3.26). Darüber hinaus kann es irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen. Dann liegt die Irreführung nicht darin, dass die Aussage falsch ist (denn möglicherweise ist sie ja richtig), sondern darin, dass sie jeder Grundlage entbehrt, während der Verkehr annimmt, niemand werde ohne qualifizierte Grundlage eine derartige Behauptung aufstellen (OLG Hamburg, Urteil vom 18.09.2003, Az. 3 U 70/02, Rz. 37, zit.n.juris; OLG Hamburg, Urteil vom 21.12.2006, Az. 3 U 77/06 Rz. 35, zit.n.juris). Das gilt etwa, wenn die in Bezug genommenen Studien als Erkenntnisquelle nicht in Betracht kommen, weil die aus ihr gezogenen Schlüsse unvertretbar sind oder aber die in Bezug genommene Studie selbst die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält oder nur eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt, was aus der Werbung aber nicht hervorgeht (OLG Hamburg, Urteil vom 21.12.2006, Az. 3 U 77/06 Rz. 35, zit.n.juris).

In diesen Fällen ergibt sich die Irreführung bereits daraus, dass die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Auslobung in Bezug genommene Studie selbst die Werbeaussage nicht oder nicht uneingeschränkt trägt. Ein Verbot derartiger Werbung rechtfertigt sich unabhängig davon, ob die Aussage inhaltlich richtig ist, sich etwa auf andere, in der konkreten Werbung aber nicht als Beleg angeführte Studien stützen ließe. Das Strengeprinzip im Heilmittelwerberecht erfordert es nämlich, dass eine Werbung, die sich auf Studien stützt und damit eine wissenschaftliche Absicherung suggeriert, sich auf Studien bezieht, die die mitgeteilten Aussagen auch tatsächlich ergeben. Der Arzt muss in der Lage sein, die durch eine Studie angeblich wissenschaftlich belegte Aussage unmittelbar durch diese Studie zu überprüfen, ohne noch verifizieren zu müssen, ob die Ergebnisse anderer Studien im Zusammenhang mit dieser Studie gelesen die Werbebehauptung ergeben. Anderenfalls wäre die ärztliche Therapieentscheidung auf der Grundlage von mit wissenschaftlichen Studien belegten Werbeaussagen mit zu großen Unsicherheiten und möglichen Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung verbunden (OLG Hamburg, Urteil vom 21.12.2006, Az. 3 U 77/06 Rz. 36, zit.n.juris).

Die angegriffene Aussage

„Nach den Ergebnissen einer Cochrane-Analyse bietet orales Präperat B…." (1.600 mg täglich) Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom einen zu anderen Bisphosphonaten vergleichbaren Schutz vor Frakturen. 2. Pavlakis N, et al. Cochrane Database Syst Rev 20(3): CD0####4(2005) "

ist nach ihrem Wortlaut so zu verstehen, dass die Cochrane-Analyse Aussagen dazu trifft, dass orales Präperat B…. einen zu anderen Bisphosphonaten vergleichbaren Frakturschutz bietet.

Eine solche Vergleichbarkeitsaussage ergibt sich jedoch nicht aus der in Bezug genommenen Cochrane-Analyse. Denn diese enthält keine Aussagen zur Vergleichbarkeit des Schutzes vor Frakturen. Die Folgerungen, die unter „Authors Conclusions“ zu den verschiedenen Bisphosphonaten gezogen werden, lassen auf eine Vergleichbarkeit der Entwicklung der Frakturen nicht schließen. Denn in den „Authors Conclusions“ werden Aussagen zur Entwicklung der „skeletal events“ getroffen, also der „Skelett-Ereignisse“. Zu diesen gehören unstreitig außer Knochenbrüchen aber auch Wirbelsäulenkompressionen oder ein pathologisch erhöhter Kalziumspiegel im Blut (tumorindizierte Hyperkalzämie). Daraus, dass zu verschiedenen Bisphosphonaten unter „Authors Conclusions“ ähnlich klingende Aussagen wie „is effectiv in reducing […] the rate of skeletal events“ (zu Ibandronat) oder „is effective in reducing the incidence and rate of skeletal events“ (zu oralem Clodronat) getroffen werden, kann daher auf eine Vergleichbarkeit im Frakturschutz nicht rückgeschlossen werden. Auch unter „Results/Description of studies“ ist hinsichtlich Clodronat lediglich von „skeletal events“ die Rede (Anlage ASt 9, S. 11).

Außerdem ist von Seiten der Antragstellerin zutreffend darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich unter „Authors´Conclusions“ eine explizite vergleichende Aussage zur gleichen Wirksamkeit von Zolendronat gegenüber Pamidronat findet. Eine entsprechende vergleichende Aussage zu Clodronat ist dagegen nicht vorhanden. Die hier in der Presserklärung der Antragsgegnerin getroffene Aussage wird jedoch von relevanten Teilen der angesprochenen Verkehrskreise dahingehend verstanden, dass die Cochrane-Analyse eine explizite vergleichende Aussage hinsichtlich eines vergleichbaren Schutzes vor Frakturen treffe.

Darauf, ob die einzelnen Studien von Kristensen, Paterson und Tubiana-Hulin als valide angesehen werden können, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an. Es ist nicht ersichtlich, dass die Cochrane-Analyse Aussagen zur Vergleichbarkeit des Frakturschutzes getroffen hätte. Soweit sich eine Vergleichbarkeit hinsichtlich des Frakturschutzes aus den Studien Kristensen, Paterson und Tubiana-Hulin in der Zusammenschau mit den Cochrane-Ergebnissen ergeben könnte, ist dies nicht ersichtlich. Im Übrigen wäre die Bezugnahme nur auf die Cochrane-Studie unter solchen Gegebenheiten nicht ausreichend und aus den oben angeführten Gründen irreführend.

Der nach § 12 II UWG zu vermutende Verfügungsgrund ist auch nicht entfallen, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vertreten hat, weil die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung einen neuen Streitgegenstand eingeführt hätte. Denn die Antragstellerin hat mit ihrem erst in der mündlichen Verhandlung gehaltenen Vortrag, dass die Cochrane-Studie gar keine Aussagen zu Frakturen mache, ihren Vortrag nicht um einen neuen Streitgegenstand erweitert. Nach dem in ständiger Rechtsprechung angenommenen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ist der Streitgegenstand das auf rechtskräftige Feststellung einer Rechtsfolge gerichtete Begehren, das durch den gestellten Antrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalt gekennzeichnet wird (st. Rspr. z.B. RGZ 118, 209; BGH, NJW 1993, 2052). Am Antrag hat die Antragstellerin nichts geändert, sondern hat ihn in der mündlichen Verhandlung entsprechend der Antragsschrift gestellt. Dabei hat sie sich weiter auf den mit der Antragsschrift gehaltenen Vortrag, dass die Ergebnisse der Cochrane-Analyse nicht valide seien, weshalb die Werbeaussage mit der Bezugnahme auf die Cochrane-Studie irreführend sei, gestützt. Mit der Antragsschrift hatte die Antragstellerin die Cochrane-Analyse auch vorgelegt (Anlage Ast 9). Der Vortrag, dass die Studie gar keine Aussage zu Frakturen enthalte, ist daher keine Bezugnahme auf einen neuen Lebens- bzw. Verletzungssachverhalt, sondern eine Erläuterung im Rahmen des bereits vorgetragenen Lebenssachverhalts und der angegriffenen Verletzungshandlung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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