Gutscheingewährung auf verschreibungspflichtige Arzneimittel zulässig?

02. November 2009
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
3924 mal gelesen
0 Shares

Eigener Leitsatz:

Ein Gutscheinmodell einer mit Drogeriemärkten verbundenen Apotheke, bei welchem der Kunde bei der Bestellung rezeptpflichtiger Medikamente über in den Drogeriemärkten ausliegende Freiumschläge einen Einkaufsgutschein über 3 € in der Drogerie erhält, verstößt weder gegen Wettbewerbsrecht, noch gegen Arzneimittelvorschriften oder gegen gesetzliche Preisvorschriften.
Das Modell ist nicht geeignet, den Kunden unsaschlich zu beeinflussen und eine Gesundheitsgefährdung zu bewirken, da die Gutscheine ausschließlich auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewährt werden. Auch ein Preisnachlass oder eine Rabattgewährung liegt nicht vor.

Landgericht Darmstadt
Beschluss vom 12.08.2009
Az.: 22 O 400/08

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin …Die Beklagte betreibt bundesweit eine Kette von Drogeriemärkte …. In ihren wöchentlichen großformatigen Anzeigen in Tageszeitungen (Anlage K 2) werben die … Märkte u. a. für Produkte der in … ansässigen konzerngebundenen …‘Apotheke … die dem von der Klägerin allerdings bestrittenen Vortrag der Beklagten zufolge dort auch eine Präsenz-Apotheke unterhalten soll. Darüber hinaus liegt in den Drogeriemärkten das Bestellmagazin (K 5) der … Apotheke aus. Auf dessen vorletzter Seite 47 sind die AGB der Apotheke abgedruckt, deren Ziffer 8 zufolge Verkaufsgeschäften ausschließlich niederländisches Recht zugrunde liegt.

Die Kunden können Bestellungen rezeptfreier Artikel über Internet, Telefon usw. oder mit dem auf der letzten Seite des Bestellmagazins abgedruckten Bestellformular in …-Märkten bestellen. Bei der Bestellung rezeptpflichtiger Medikamente schickt der Kunde das Rezept des Arztes in einem ebenfalls in den …-Märkten ausliegenden Freiumschlag an die Apotheke. Diese liefert das Medikament versandkostenfrei an ihn aus und rechnet bei Kassenpatienten das Rezept direkt mit der Krankenkasse ab. Der Kunde erhält bei solchen Rezeptbestellungen von der …-Apotheke für jedes auf dem Rezept aufgeführte verschreibungspflichtige Medikament einen Einkaufsgutschein über 3,- Euro, den er in den Drogeriemärkten der Beklagten und anderer Drogerieketten einlösen kann.

Die Klägerin hält diese Werbung der Beklagten zugunsten der …-Apotheke für wettbewerbswidrig. Da mehrere Prozesse mit ähnlich gelagerten Sachverhalten, die von den Oberlandesgerichten unterschiedlich entschieden worden sind, derzeit beim BGH anhängig sind, begehrt die Beklagte die Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Zunächst ist zwischen den Parteien streitig, ob die deutschen Arzneimittelvorschriften auf eine niederländische Versandapotheke überhaupt anwendbar sind; insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den AGB der …Apotheke die Anwendbarkeit niederländischen Rechts vorgegeben ist; in der Sache selbst, ob die …-Apotheke mit ihrem Gutscheinmodell gegen zwingendes Deutsches Arzneimitteirecht verstößt.

Die Klägerin sieht keine Veranlassung für eine Aussetzung des Rechtsstreits mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des § 148 ZPO nicht vorlägen; vielmehr gehe es um eine reine Rechtsfrage. Die Klägerin hält auch die deutschen Arzneimitteivorschriften auf niederländische Versandapotheken für anwendbar; Ziffer 8 der AGB der … Apotheke dagegen für unwirksam, weil die Klausel gegen zwingende deutsche Verbraucherschutzvorschriften verstoße.

Die Klägerin rügt zunächst einen Verstoß gegen § 7 HWG. Der danach erforderliche Bezug der Werbung zu den von der Apotheke beworbenen Produkten sei gegeben, weil dem Kunden der Bonus auf sämtliche rezeptpflichtige Arzneimitte! gewährt werde. Der Verstoß gegen die Vorschrift liege darin, dass durch Förderung eines Arzneimittelmissbrauchs die Gefahr einer mittelbaren Gesundheitsgefährdung bestehe. Patienten/Kunden würden nämlich wegen der hohen Anlockwirkung des Gutscheins gegenüber ihrem behandelnden Arzt auf Folgeverschreibungen drängen. Nach Ansicht der Klägerin verbiete § 7 HWG auch die Gewährung von Zugaben, wobei bei einem Gutscheinwert von 3,- Euro die Geringwertigkeitsgrenze überschritten sei.

Des Weiteren verstoße das Gutscheinsystem gegen die neben § 7 HWG anwendbare Arzneimittelpreisverordnung, weil dadurch ein Preiswettbewerb bei preisgebundenen Arzneimitteln geführt werde. Der wirtschaftliche Preisnachlass liege darin, dass der Kunde mit der Einlösung des Einkaufsgutscheins Waren des täglichen Bedarfs erwerben könne, dem Gutschein folglich Geldersatzfunktion zukomme. Der unzulässige Preisvorteil werde mit dem Gutschein bereits bei Lieferung des verschreibungspflichtigen Arzneimittels gewährt, auch wenn er erst bei dem Folgegeschäft mit der Einlösung des Gutscheins realisiert werde. Ausreichend für einen Verstoß gegen die AMPrVO sei die mit der Einlösung des Rezepts verbundene Möglichkeit, einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten, der durch die AMPrVO gerade verhindert werden soll. Ziel des von der …-Apotheke eröffneten Preiswettbewerbs sei aber die Verdrängung von Präsenzapotheken in ländlichen Regionen mit der Folge, dass durch die Abnahme der Apothekendichte eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung gefährdet sei (Beweis: Sachverständigengutachten).

Schließlich rügt die Klägerin einen Verstoß gegen § 4 Ziffer 1 UWG unmittelbar, weil das Gutscheinangebot im Wert von bis zu 9,- Euro eine hohe Anlockwirkung auf die Kunden besitze. Deshalb bestehe die Gefahr, dass diese dadurch versucht seien, auf die Verschreibung tatsächliche nicht indizierter Arzneimittel zu drängen, allein um in den Genuss der Einkaufsgutscheine zu kommen.

Soweit privat krankenversicherte Kunden die von der …-Apotheke gewährten Gutscheine einlösen, von ihrer privaten Krankenkasse jedoch volle Kostenerstattung erhalten, liege darüber hinaus ein Verstoß gegen § 200 WG vor.

    Die Klägerin beantragt,

1. der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) für das …-Gutscheinmodell, mit dem Kunden beim Bezug eines rezeptpflichtigen Artikels aus der …Apotheke, … Niederlande, mit Rezept ein 3 €-Gutschein, der unter anderem in …-Filialen einlösbar ist, angeboten wird, zu werben und/oder
b) Gutscheine, die beim Bezug eines rezeptpflichtigen Arzneimittels Kunden von … ausgehändigt worden sind oder ausgehändigt werden, einzulösen;
2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 ein Ordnungsgeld bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen dürfe;
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.379,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, ihr jeden Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziff. 1 entstanden ist und/oder noch entstehen wird;
5. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines chronologischen Verzeichnisses, aus dem sich ergibt, wann wie viele … Gutscheine in den …märkten …und …  eingelöst worden sind.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen;

hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die in Sachen I ZR 72/08 (II. Instanz OLG Frankfurt, 6 U 26/07) anhängige Revision auszusetzen;

höchst hilfsweise,
ihr zu gestatten, die Vollstreckung des Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,00 ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung durch die Klägerin abzuwenden;
    
höchst höchst hilfsweise,
das Urteil hinsichtlich des Verbotstenors nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens EUR 10.000.000,00 für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Beklagte begründet ihren Aussetzungsantrag mit den zahlreichen divergierenden Entscheidungen mehrerer Oberlandesgerichte, die teilweise im Sinne der Klägerin, teilweise aber auch in ihrem Sinne entschieden haben. Da derzeit vier Revisionsverfahren beim BGH anhängig seien, sei es geboten, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu der streitentscheidenden Frage abzuwarten, ob die Gutscheingewährung von Apotheken für verschreibungspflichtige Arzneimitte! gegen deutsche Arzneimittelvorschriften verstößt oder nicht.

Die Beklagte hält der Klage zunächst das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.07.2008 – B l KR 4/08 R – entgegen, wonach die AMPrVO auf ausländische Versandapotheken nicht anwendbar sei. Des Weiteren beruft sie sich auf ein Urteil des OLG Hamm vom 21.09.2004 – 4 U 74/04 -, das deutsche Arzneimittelvorschriften bei Lieferungen einer niederländischen Versandapotheke für nicht anwendbar hält, wenn gemäß den AGB der Apotheke niederländisches Recht anwendbar sei.

In der Sache selbst weist die Beklagte aber auch Verstöße der …-Apotheke gegen deutsche Arzneimittelvorschriften durch deren Gutscheinmodell zurück. Ein Verstoß gegen § 7 HWG scheide aus. Zum einen, weil kein Produktbezug im Sinne dieser Vorschrift vorliege; denn es werde kein konkretes Arzneimittel beworben. Zum anderen sei eine Gesundheitsgefährdung durch vom Patienten/Kunden veranlasste Folgeverschreibungen nicht gegeben, weil die Entscheidung über die Verschreibung eines Medikaments bei dem behandelnden Arzt liege.

Die Beklagte sieht ebenso keinen Verstoß gegen die AMPrVO. Diese Vorschrift sei bereits nicht einschlägig, weil der von der …-Apotheke gewährte Gutschein keinen Preisnachlass, sondern eine Zugabe darstelle, die die AMPrVO nicht verbiete. Die Gutschrift auf Drittwaren werde von der Verordnung nicht erfasst, weil der Kunde auf das von ihm erworbene verschreibungspflichtige Arzneimittel den vollen Preis zahle. Zweck der in der AMPrVO enthaltenen Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sei die Erhaltung der Apothekendichte und der Ausschluss von Preisvergleichsmöglichkeiten bei ernsthaften Erkrankungen. Durch die Gewährung eines Bonus auf Drittwaren sei jedoch keine Gefährdung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung durch Präsenzapotheken erkennbar.

Die Beklagte bestreitet schließlich einen Verstoß der …Apotheke gegen § 4 Ziffer 1 UWG unmittelbar mit der Begründung, die Nachfrageentscheidung des Kunden werde durch die Gutscheingewährung nicht beeinflusst, weil Voraussetzung für die Erwerbsmöglichkeit die Verschreibung durch den behandelnden Arzt sei. Dem von der Klägerin behaupteten Verstoß gegen § 200 WG hält die Beklagten entgegen, diese Vorschrift sei nicht anwendbar, weil sie lediglich den Fall regele, dass ein Versicherungsnehmer, der Ansprüche gegen mehrere Erstattungspflichtige besitzt, keine Entschädigung erhalten dürfe, die seine eigenen Gesamtaufwendungen übersteige.

Wegen aller übrigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteivertretern zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden allein einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die dort anhängigen Prozesse, denen ähnlich gelagerte Sachverhalte zugrunde liegen, kam nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 148 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt nicht vom Bestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das Gegenstand der beim BGH anhängigen Prozesse ist. Es geht nur um dieselbe Rechtsfrage. Für eine Aussetzung genügt aber nicht, dass die zu erwartende Entscheidung lediglich geeignet ist, Einfluss auf die Entscheidung im auszusetzenden Verfahren auszuüben.

    Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.

 Die Beklagte ist bezüglich der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche passivlegitimiert, obwohl die Gutscheine nicht von ihr, sondern von der …-Apotheke an eigene Kunden ausgegeben werden. Wettbewerbsverletzer im Sinne von § 2 Ziffer 1 UWG a. F. äst nämlich jeder, der den eigenen oder den Absatz eines anderen Unternehmens fördert, wenn das durch wettbewerbswidrige Werbemaßnahmen geschieht.

Die Klage bleibt erfolglos, unabhängig davon, ob Deutsche Arzneimittelvorschriften auf niederländische Versandapotheken, die Fertigarzneimittel an Kunden in Deutschland verschicken, per se – so das Bundessozialgericht – oder über deren AGB – so das OLG Hamm – anwendbar sind; denn nach Auffassung der Kammer verstößt das Gutscheinmodell der …-Apotheke nicht gegen deutsche Arzneimitteivorschriften.

Zunächst ist das Augenmerk darauf zu lenken, dass sich das streitgegenständliche Geschäftsmodell der … Apotheke von denen unterscheidet, die bislang Gegenstand zahlreicher Rechtsstreitigkeiten gewesen sind, deren Entscheidungen die Klägerin zur Stützung ihrer Auffassung im vorliegenden heranzieht. Die Annahme eines Verstoßes gegen arzneimittelrechtliche Preisvorschriften begegnet auch nach Auffassung der Kammer keinem Zweifel, wenn die Apotheke einen Sofortabzug vornimmt oder dem Kunden einen Bonus auf einem Treuhandkonto gutschreibt und bei Ansammlung eines Betrages von 30,- Euro diesen auf ein Konto des Kunden überweist. Ebenso in den Fällen, in denen der Bonus mit dem Kaufpreis der Folgebestellung verrechnet bzw. die Praxisgebühr erstattet wird. Schließlich auch bei der Gewährung von Boni in der Form von geldwerten „Talern", die bei der Apotheke selbst oder dritten Unternehmen eingelöst werden können, sofern die dadurch entstehenden Kosten der Apotheke zur Last fallen, diese mithin nicht den vollen vom Kunden gezahlten Arzneimittelpreis behält und deshalb einen Preisnachlass gewährt (vgl. dazu OLG Frankfurt NJW 04, 3434). Im Streitfall hat die durch die Gutscheineinlösung entstehenden Kosten nicht die …-Apotheke zu tragen – sie schlagen sich dem Vortrag der Beklagten nicht in deren Bilanz nieder-, sondern die Beklagte bzw. die anderen ebenfalls konzernverbundenen (?) Drogeriemarktketten, bei denen die Gutscheine eingelöst werden können.

Das Gutscheinmodell der …-Apotheke verstößt nicht gegen § 7 HWG. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 ist es grundsätzlich unzulässig, im Zusammenhang mit der produktbezogenen – also für konkrete, identifizierbare Produkte – Werbung für Heilmittel Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Dieses Zuwendungsverbot umfasst auch Werbegaben an Verbraucher. Diese sollen bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht unsachlich durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben beeinflusst werden – § 4 Nr. 1 UWG (BGH GRUR 06, 949 – Gleitsichtgläser). Ob die Gutscheingabe beim Kauf eines verschreibungspflichtigen Arzneimitteis aus dem gesamten Sortiment der Apotheke als produktbezogene Zuwendung im Sinne der vorgenannten BGH-Entscheidung zu werten ist, weil das erworbene Arzneimittel individualisierbar ist oder bloße Unternehmungswerbung darstellt, weil die Apotheke mit der Bonusgewährung auf sämtliche Arzneimitte! ihre Leistungsfähigkeit darstellen will bzw. eine Kundenbindung verfolgt (zum Streitstand vgl. Kammergericht GRUR – RR 08, 450), kann hier dahinstehen. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG setzt nämlich weiterhin voraus, dass die Werbung aufgrund ihrer Eignung, die Kunden unsachlich zu beeinflussen, zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung bewirkt. § 7 HWG verfolgt den Zweck, einem Medikamentenfehlgebrauch vorzubeugen, der dadurch hervorgerufen wird, dass der Apothekenkunde wegen einer von der Apotheke angebotenen Zuwendung zum Kauf eines nicht benötigten Medikaments veranlasst wird.

Da die …-Apotheke die Gutscheine ausschließlich auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewährt, ist nach Ansicht der Kammer nicht ersichtlich, dass die Bonusgewährung zu einer nennenswerten Umsatzsteigerung bei Arzneimitteln führen könnte, die vom Arzt nicht zur Behandlung diagnostizierter Krankheiten verschrieben worden sind (so auch OLG Frankfurt, Urteil vom 29.11.2007, 6 U 26/07). Die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Kunden ist vielmehr vernachlässigbar gering. Soweit die Klägerin ihre gegenteilige Auffassung auf eine Entscheidung des OLG München vom 14.6.07 (29 U 1854/07) stützt, dass nicht indizierte Folgeverschreibungen auch auf telefonische Anfrage oder infolge Vortäuschung tatsächlich nicht vorhandene Beschwerden durch den Patienten/Kunden erfolgen, wird von beiden übersehen, dass gemäß § 4 Ziffer 1 UWG mit der Absatzförderungsmaßnahme auf die Entschließungsfreiheit des Kunden Einfluss genommen werden soll; bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln liegt die Entscheidung über deren Verordnung aber immer beim Arzt.

Schließlich ist nach Auffassung der Kammer § 7 HWG deshalb nicht einschlägig, weil der Kunde durch die Gutscheinvergabe nicht zum Kauf eines bestimmten oder sämtlicher von der Apotheke beworbener rezeptpflichtiger Medikamente animiert wird. Die Gutscheingewährung verfolgt den Zweck, dass der Kunde das ihm vom Arzt verordnete Medikament zum festgelegten Preis bei der werbenden Apotheke und nicht bei einer konkurrierenden Präsenz- oder Versandapotheke erwirbt (vgl. OLG Naumburg GRUR-RR 06, 336).

Die …Apotheke verstößt mit ihrem Gutscheinmodell bei der Einlösung eines Rezepts auch nicht gegen die gesetzliche Preisbindung aus § 78 Abs. 1 AMG i.V. mit § 3 AMPrVO, weil sie damit keinen unzulässigen Preisnachlass auf den gesetzlich festgelegten Preis für verschreibungspflichtige Medikamente gewährt. Der Regelungszweck der AMPrVO besteht darin, im Interesse der Arzneimitteiverbraucher, Arzte, Apotheker und Großhändler einen einheitlichen Endverkaufspreis zu erreichen sowie darin, Apotheken in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu schützen, weil zu deren Aufgabe die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gehört. Aus gesundheitspolitischen Gründen soll die Überlebensfähigkeit der Apotheken unabhängig von ihrer Größe und ihrem Sortiment sichergestellt werden, um eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten gewährleisten zu können. Dabei ist der Anspruch des Verbrauchers auf preisgünstige Arzneimittel mit den Belangen der Apothekenbetriebe in Einklang zu bringen, die eine geordnete Arzneimittelversorgung sicherstellen (vgl. BGH GRUR 1984, 748 – Apothekerspannen). Daraus folgt aber nur, dass Apotheken nicht gestattet ist, auf die nach der AMPrVO berechneten Endverkaufspreise Preisnachlässe bzw. Rabatte zu gewähren; Zuwendungen sind dagegen nicht untersagt.

Das Gutscheinsystem der … Apotheke verstößt aber nicht gegen die gesetzliche Preisregelung der AMPrVO, weil der Kunde bei der Einlösung des Rezepts wirtschaftlich keine Preisvergünstigung erhält. Ein Preisnachlass- bzw. eine Rabattgewährung liegt nicht vor; das ist nur dann der Fall, wenn dem Normalpreis ein (niedrigerer) Sonderpreis gegenüber gestellt oder eine Gutschrift erteilt wird. Die Zuwendung einer anderen – auch an sich entgeltlichen – Leistung stellt aber keinen Preisnachlass dar (BGH GRUR 93, 774 – Hoteigutschein; GRUR 04, 349 – Einkaufsgutschein II und OLG Frankfurt NJW 04, 3434).

Die … Apotheke gibt die preisgebundenen Medikamente tatsächlich nicht zu einem niedrigeren als den vorgeschriebenen Preis ab. Sie verlangt und erhält von den Kunden den vollen Preis. Soweit in den Entscheidungen der Oberlandesgerichte unterschiedlich beurteilt wird, ob die Ersparnis des Kunden bereits bei der Einlösung des Rezepts oder erst bei der des Gutscheins erfolgt, braucht diese Frage im Streitfall nicht entschieden zu werden. Alle Oberlandesgerichte gehen davon aus, dass der Kunde bei der Einlösung des Rezepts zumindest einen geldwerten Vorteil erlangt, der sich nach Auffassung der Oberlandesgerichte Naumburg GRUR-RR 06, 336 und 07, 159; Rostock GRUR-RR 05, 391 und Bamberg vom Juli 2007 – 3 U 24/07) allerdings erst bei dem Folgegeschäft über nicht preisgebundene Produkte als Preisnachlass auswirke. Dagegen kommt nach Auffassung der Oberlandesgerichte Frankfurt (GRUR-RR 2008, 306 und 454), Kammergericht Magazindienst 2008, 754), Köln (GRUR 06, 88), München (GRUR-RR 07, 297), Karlsruhe (Urteil vom 12.2.2009, 4 U 160/07) und Hamburg (Urteil vom 19.2.2009, 3 U 225/06) nach Vorstellung des Kunden dem Gutschein schon mit dessen Empfang Geldersatzfunktion zu.

Im Gegensatz zu den allen diesen Entscheidungen zugrunde Siegenden Sachverhalten trägt im vorliegenden Streitfall die finanzielle Belastung aus den Gutscheineinlösungen gerade nicht die Apotheke selbst, sondern die, wenn auch konzerngebundenen Unternehmen, bei denen der Kunde den Gutschein einlöst. Die …-Apotheke behält also den vom Kunden entrichteten vollen Preis. Dann aber wird der maßgebliche Regelungszweck der AMPrVO, nämlich zu verhindern, dass das festgesetzte Preisgefüge durch die Gewährung von Werbezuwendungen unterlaufen wird, nicht in Frage gestellt. Nach dem Vortrag der Beklagten, den die Klägerin nicht ausdrücklich bestritten, sich aber auch nicht zu Eigen gemacht hat, entfallen ohnehin nur 2 % des gesamten Apothekenumsatzes in Deutschland auf Versandapotheken; nach Auffassung der Kammer verschwindend gering.

Die Werbemaßnahme der …-Apotheke zielt vielmehr lediglich darauf ab, durch Kundenbindung ihren Absatz rezeptpflichtiger Medikamente zu fördern. Die Anlockwirkung eines dazu eingesetzten Werbemittels, das den Schutzzweck der Preisbindung bei rezeptpflichtigen Medikamenten nicht berührt, ist aber nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs, ohne dass dadurch der wirtschaftliche Bestand der Apotheken und damit die Arzneimittelversorgung gefährdet werden. Soweit die Klägerin insoweit für ihre anderslautende Behauptung Beweis durch Sachverständigengutachten antritt, bestand keine Veranlassung, diesem Beweisantritt nachzugehen. Dafür hätte es der Angabe wenigstens eines Falles durch die Klägerin bedurft, in dem eine ländliche Präsenzapotheke durch das Bonussystems eines Wettbewerbers vom Markt verdrängt worden ist.

Im vorliegenden Rechtsstreit kommt schließlich hinzu, dass in den Drogeriemärkten der Beklagten Freiumschläge für die Versendung der Rezepte an die …-Apotheke ausliegen, deren Kunden also beim Aufsuchen des Marktes regelmäßig nicht allein geschäftlichen Kontakt zu ihr suchen. Vielmehr wird in zahlreichen Fällen das Einlösen des Rezepts lediglich mit einem vom Kunden sowieso geplanten Einkauf in einem Drogerie-Markt der Beklagten verbunden. Er spart sich damit lediglich den weiteren Gang zu einer Präsenzapotheke, sondern wählt den bequemeren Weg, indem er das Rezept gleich im Drogerie-Markt bei der … Apotheke einlöst. Der spätere Gutscheinempfang spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle; er ist zumindest nicht Anlass für die Rezepteinlösung im Drogerie-Markt der Beklagten.

Das Gutscheinmodell der … Apotheke verstößt auch nicht gegen § 4 Ziffer 1 UWG unmittelbar. Die Kammer sieht darin kein als unlauter im Sinne von § 3 UWG zu wertendes, weil übertriebenes Anlocken der Kunden. Dem Gutschein Geldersatzfunktion beizumessen, weil damit Dinge des täglichen Bedarfs erworben werden können, erscheint zu weitgehend und wenig lebensnah. Zunächst findet der Umstand zu wenig Beachtung, dass sich der Kunde erst einmal zur Einlösung des Gutscheins entschließen muss, was häufig schon nicht der Fall ist. Jedenfalls wird nach Einschätzung der Kammer der Bonus von 3,00 € vom verständigen Verbraucher keineswegs als so werthaltig empfunden, dass er dadurch davon abgehalten wird, eine Präsenz-Apotheke aufzusuchen, sondern allein dieses möglichen Vorteils wegen einen Drogerie-Markt der Beklagten, um sein Rezept dort bei der …-Apotheke einzulösen. Vielmehr ist das Bewusstsein des Kunden im Zusammenhang mit dem Gutschein auf das Folgegeschäft gerichtet, indem er den Gutschein, den er nun einmal aus der Rezepteinlösung erhalten hat, bei seinem nächsten Einkauf in einem Markt der Beklagten auch verwertet.

Das Gutscheinsystem verstößt schließlich nicht gegen § 200 WG in der Fassung vom 23.1.07, weil bereits die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben sind. Danach darf in Fällen, in denen der private Versicherungsnehmer wegen desselben Versicherungsfalles einen Anspruch gegen mehrere Erstattungspflichtige besitzt, die Gesamterstattung seine Gesamtaufwendungen nicht übersteigen. Im Streitfall erhält der Kunde den Gutschein von der …-Apotheke; zu dessen Einlösung ist aber allein die Beklagte verpflichtet. § 200 VVG regelt eine ganz andere Fallgestaltung.

Mit der Zurückweisung des Verbotsantrags entfallen naturgemäß sämtliche weiteren von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a