Zweigstellenbriefbogen

13. November 2012
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
2568 mal gelesen
0 Shares

Amtlicher Leitsatz:

a) Die Bestimmung des § 5a Abs. 2 UWG begründet keine generelle Informationspflicht, sondern verpflichtet grundsätzlich allein zur Offenlegung solcher Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann.

b) Ein Rechtsanwalt ist weder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach § 5a Abs. 2 UWG verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen oder durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.

c) Ein Rechtsanwalt ist nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendeten Briefbögen den Standort der Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO anzugeben. Er hat nach dieser Bestimmung auf solchen Briefbögen nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei anzugeben.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 16.05.2012

Az.: I ZR 74/11

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2012

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 30. März 2011 unter Zurückweisung der Revision der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 23. Juni 2010 auf die Berufung des Beklagten unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz. Der Beklagte ist ein bei der Klägerin zugelassener Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in Mainz, der Zweigstellen in Erfurt und Karlsruhe unterhält. Für die Zweigstelle in Erfurt verwendet er Briefbögen, auf deren Vorderseite allein die Anschrift der Kanzlei in Erfurt angegeben und der Beklagte an zweiter Stelle von drei in dieser Kanzlei tätigen Rechtsanwälten genannt ist. Die konkrete Gestaltung der Vorderseite der Briefbögen geht aus einem Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen hervor (im Antrag als Anlage 1 bezeichnet). Auf der Rückseite der Briefbögen sind sowohl die Anschrift der Kanzlei in Erfurt als auch die Anschriften der Kanzleien in Mainz und Karlsruhe angegeben. Der Beklagte ist für die Kanzlei in Mainz an erster Stelle von drei Rechtsanwälten und für die Kanzlei in Karlsruhe an zweiter Stelle von zwei Rechtsanwälten genannt. Die Angaben zur Kanzlei in Erfurt sind gegenüber den Angaben zu den Kanzleien in Mainz und Karlsruhe farblich hervorgehoben. Für seine Kanzleien in Mainz und Karlsruhe verwendet der Beklagte in gleicher Weise gestaltete Briefbögen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Gestaltung der Briefbögen verstoße gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BORA sowie gegen § 5a Abs. 2 UWG und sei damit wettbewerbswidrig. Auf der Vorderseite der Briefbögen fehle jeglicher Hinweis, dass der Beklagte seiner anwaltlichen Tätigkeit auch an anderen Standorten nachgehe, wo er seine Hauptkanzlei und wo er Zweigstellen unterhalte. Es genüge nicht, dass die übrigen Standorte auf der Rückseite der Briefbögen angegeben seien; der Verbraucher nehme die Rückseite solcher Briefbögen nicht unbedingt zur Kenntnis.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit zu verwenden, wenn auf diesen kein Hinweis enthalten ist, an welchen von mehreren Standorten er seine „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO unterhält und an welchen Standorten eine „Zweigstelle“, dies insbesondere indem der Briefbogen so gestaltet wird, wie dies dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen entspricht.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Erfurt, BRAK-Mitt 2010, 226). Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat im Wege der Anschlussberufung hilfsweise beantragt,

den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er an bestimmten zusätzlichen Standorten – derzeit Mainz und Karlsruhe – weitere Niederlassungen unterhält, und anzugeben, an welchem Standort er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.
Weiter hilfsweise hat sie beantragt,

den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit unter seiner Erfurter Kanzleiadresse entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er an bestimmten zusätzlichen Standorten – derzeit Mainz und Karlsruhe – weitere Kanzleiadressen unterhält.

Der Beklagte hat beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Das Berufungsgericht (OLG Jena, GRUR-RR 2012, 21 = WRP 2011, 784) hat das Urteil des Landgerichts auf die Berufung des Beklagten abgeändert und auf den von der Klägerin gestellten ersten Hilfsantrag dahin neu gefasst, dass es den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt hat,

es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne anzugeben, an welchem Standort er seine Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.

Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung sowie die Anschlussberufung zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie ihre Schlussanträge in der Berufungsinstanz weiterverfolgen. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der im Wege der Anschlussberufung verfolgte erste Hilfsantrag sei in seiner zweiten Alternative gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BORA begründet, soweit der Beklagte nicht zusätzlich angegeben habe, an welchem Ort er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhalte. Der Hauptantrag, der Hilfsantrag in seiner ersten Alternative und der zweite Hilfsantrag seien dagegen unbegründet. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Der Rechtsanwalt habe gemäß § 10 Abs. 1 BORA auch auf den Briefbögen einer Zweigstelle den Kanzleisitz anzugeben. Dagegen sei er nach dieser Bestimmung nicht verpflichtet, die Zweigstelle als solche zu kennzeichnen.

Aus der Verpflichtung, die Anschrift der Niederlassung des Dienstleistungserbringers (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 DL-InfoV) und den Ort der Handelsniederlassung des Kaufmanns (§ 37a Abs. 1 HGB) anzugeben, folge keine Verpflichtung, auf das Bestehen eines Kanzleisitzes oder einer Zweigstelle hinzuweisen. Da die Adresse der Zweigstelle eine vollwertige Zustellanschrift sei, bestehe auch kein Grund, zusätzlich die Anschrift der Hauptkanzlei anzugeben.

Die Gestaltung der in Rede stehenden Briefbögen verstoße nicht gegen § 5a Abs. 2 UWG, weil sie keine wesentlichen Informationen vorenthalte. Zwar gelte die Anschrift der Niederlassung eines Rechtsanwalts nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG und nach § 5a Abs. 4 UWG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 DL-InfoV als wesentliche Information. Im Streitfall gehe es aber nicht um die Angabe der Kanzleianschrift, sondern um die Kennzeichnung von Zweigstellen. Die Präsenz eines Rechtsanwalts in seinem Büro sei zwar für die Entscheidung eines Durchschnittsverbrauchers bei der Auswahl eines Rechtsanwalts von Bedeutung. Der Beklagte verschweige jedoch nicht, dass er an drei Standorten tätig und seine Präsenz an den einzelnen Standorten daher eingeschränkt sei. Dies ergebe sich aus der Rückseite der Briefbögen, die in die Betrachtung einzubeziehen sei.

B. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg (dazu I, II 3, III). Die Revision des Beklagten ist dagegen erfolgreich (dazu II 4). Die von der Klägerin mit der Klage und der Anschlussberufung geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind nicht begründet.

I. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den Hauptantrag abgewiesen hat.

1. Mit dem Hauptantrag verlangt die Klägerin von dem Beklagten, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit zu verwenden, wenn sie keinen Hinweis enthalten, an welchen von mehreren Standorten er seine „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO unterhält und an welchen Standorten eine „Zweigstelle“, und zwar insbesondere, wenn der Briefbogen so gestaltet ist, wie dies dem Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen entspricht.

2. Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der Beklagte mit der Verwendung von Briefbögen, deren Gestaltung dem für das Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Thüringen benutzten Briefbogen entspricht, gegen eine nach der derzeit geltenden Rechtslage bestehende Verpflichtung verstößt, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten
Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen und durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.

3. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Beklagte ist weder nach § 10 Abs. 1 BORA (dazu a) noch nach § 37a Abs. 1 HGB (dazu b) oder § 5a Abs. 2 UWG (dazu c) verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen; selbst wenn eine solche Verpflichtung bestünde, hätte der Beklagte ihr dadurch entsprochen, dass er auf der Rückseite dieser Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen angegeben hat (dazu d). Der Beklagte ist auch weder nach § 10 Abs. 1 BORA (dazu e) noch nach § 5a Abs. 2 UWG (dazu f) verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.

a) Der Beklagte ist nicht nach § 10 Abs. 1 BORA verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen.

aa) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA in der seit dem 1. März 2011 geltenden Fassung hat der Rechtsanwalt auf Briefbögen seine Kanzleianschrift anzugeben. Werden mehrere Kanzleien, eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten, so ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA für jeden auf den Briefbögen Genannten seine Kanzleianschrift (§ 31 BRAO) anzugeben.

bb) Aus § 10 Abs. 1 BORA ergibt sich keine Verpflichtung zur Angabe des Kanzleistandorts, sondern eine Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift. Die Klägerin nimmt den Beklagten jedoch nicht wegen Vorenthaltens der Kanzleianschrift, sondern wegen Fehlens eines Hinweises auf andere Standorte seiner Kanzlei auf Unterlassung in Anspruch. Ein solcher Anspruch kann nicht auf einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 BORA gestützt werden. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Kanzleianschrift den Kanzleiort enthält.

cc) Aus § 10 Abs. 1 BORA ergibt sich zudem keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, der eine Kanzlei und eine oder mehrere Zweigstellen unterhält, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit in den verschiedenen Niederlassungen verwendeten Briefbögen mehr als eine Anschrift zu nennen. Ein Rechtsanwalt muss auf den Briefbögen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA „seine Kanzleianschrift“ und damit nur eine Anschrift angeben. Entsprechendes gilt für eine Sozietät von Rechtsanwälten, die mehrere Kanzleien oder eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten. Für jeden Rechtsanwalt einer solchen Sozietät, der auf den Briefbögen genannt wird, muss auf den Briefbögen nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA „seine Kanzleianschrift“ und damit nur eine Anschrift angegeben werden.

b) Der Beklagte ist auch nach § 37a Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen.

aa) Gemäß § 37a Abs. 1 HGB muss der Kaufmann auf allen Geschäftsbriefen, die er an einen bestimmten Empfänger richtet, unter anderem den Ort seiner Handelsniederlassung angeben.

bb) Die Vorschrift ist nicht unmittelbar anwendbar. Sie gilt nur für Kaufleute und damit nicht für Angehörige eines freien Berufs wie den Beklagten. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht, da im Blick auf § 10 Abs. 1 BORA keine planwidrige Regelungslücke besteht. Es kann daher offenbleiben, ob ein deutscher Einzelkaufmann auf Geschäftsbriefen einer Zweigniederlassung auch den Ort der Hauptniederlassung oder nur den Ort der Zweigniederlassung anzugeben hat (vgl. MünchKomm.HGB/Krebs, 3. Aufl., § 37a Rn. 7).

c) Der Beklagte ist auch nach § 5a Abs. 2 UWG nicht verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen.

aa) Gemäß § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikation-mittels wesentlich ist.

bb) Das Bestehen weiterer Niederlassungen eines Rechtsanwalts an anderen Standorten ist keine wesentliche Information im Sinne dieser Bestimmung. Eine solche Information gilt weder nach § 5a Abs. 3 UWG (dazu 1) oder § 5a Abs. 4 UWG (dazu 2) als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, noch ist sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich (dazu 3).

(1) Werden Waren und Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, gelten nach § 5a Abs. 3 Nr. 3 Fall 1 UWG die Identität und Anschrift des Unternehmers als wesentliche Informationen im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht auf ein Vorenthalten der Kanzleianschrift, sondern auf das Fehlen eines Hinweises auf andere Kanzleistandorte gestützt und kann schon deshalb nicht aus dieser Bestimmung hergeleitet werden (vgl. Rn. 21).

(2) Als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG gelten nach § 5a Abs. 4 UWG auch Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass das Fehlen von Angaben zu anderen Niederlassungen des Rechtsanwalts nicht – was hier insoweit allein in Betracht kommt – gegen die Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-InfoV) verstößt, die der Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt dient.

Gemäß § 2 Abs. 1 DL-InfoV muss ein Dienstleistungserbringer einem Dienstleistungsempfänger vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages oder, so-fern kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung in klarer und verständlicher Form unter anderem die Anschrift seiner Niederlassung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 DL-InfoV) und, falls – wie hier – die Dienstleistung in Ausübung eines reglementierten Berufs im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen er-bracht wird und der Erbringer der Dienstleistung einer Kammer angehört, den Namen der Kammer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 DL-InfoV) zur Verfügung stellen. Eine Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Angabe weiterer Niederlassungen ergibt sich aus diesen Regelungen nicht.

(3) Die Information über das Bestehen weiterer Niederlassungen des Rechtsanwalts ist auch nicht im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich (§ 5a Abs. 2 UWG). Ein Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen auf sämtliche Niederlassungen hinzuweisen (aA Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 27 Rn. 24; vgl. auch – eine Verpflichtung zur Angabe der Hauptstelle auf Briefbögen von Zweigstellen bejahend, eine Verpflichtung zur Angabe von Zweigstellen auf Briefbögen der Hauptstelle dagegen verneinend – Siegmund in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 27 BRAO/§ 5 BORA Rn. 88, 93, 100; Weyland in Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 8. Aufl., § 27 Rn. 28a und 29a; Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3754; vgl. weiter Kopp, BRAK-Mitt 2007, 256).

Die Präsenz eines Rechtsanwalts in seinem Büro mag – wie das Berufungsgericht angenommen hat – ein Umstand sein, der für die Entscheidung eines Durchschnittsverbrauchers bei der Auswahl eines Rechtsanwalts von Bedeutung ist (vgl. Lemke, BRAK-Mitt 2008, 146, 148 f.). Ein Durchschnittsverbraucher wählt einen Rechtsanwalt möglicherweise nicht nur nach seiner Qualifikation und Spezialisierung aus, sondern auch danach, inwieweit er für Gespräche in seinem Büro zur Verfügung steht. Für einen solchen Verbraucher kann die Information, dass ein Rechtsanwalt weitere Niederlassungen an anderen Standorten unterhält, von Interesse sein, weil sich daraus ergibt, dass die Präsenz des Rechtsanwalts an den einzelnen Standorten eingeschränkt ist.

Das bedeutet allerdings nicht, dass es sich dabei um eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG handelt, die dem Verbraucher nicht vorenthalten werden darf. Eine Information ist nicht allein deshalb wesentlich im Sinne dieser Bestimmung, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann. Für einen Durchschnittsverbraucher mögen bei der Auswahl eines Rechtsanwalts beispielsweise auch dessen Examensnoten von Interesse sein. Dennoch besteht sicherlich keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, seine Examensnoten anzugeben. Desgleichen gibt es zahl-reiche Gründe für eine eingeschränkte Präsenz des Rechtsanwalts in seiner Kanzlei, die dem Verbraucher gleichfalls nicht mitgeteilt werden müssen, wie etwa den Umstand, dass der Rechtsanwalt nur halbtags als Rechtsanwalt tätig ist und sich im Übrigen anderen Beschäftigungen widmet. Die Bestimmung des § 5a Abs. 2 UWG begründet zwar Informationspflichten, die über das hinausreichen, was notwendig ist, um Fehlvorstellungen zu vermeiden, die sich andernfalls einstellen würden; dass derartige unerlässliche Informationen nicht verschwiegen werden dürfen, ergibt sich bereits aus § 5a Abs. 1 UWG und damit aus dem allgemeinen Irreführungsverbot (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5a Rn. 10; ferner zu § 3 UWG 1909 BGH, Urteil vom 15. Juli 1999 – I ZR 44/97, GRUR 1999, 1122, 1123 = WRP 1999, 1151 – EG-Neuwagen, mwN). Doch auch die weiterreichenden Pflichten, die nach § 5a Abs. 2 UWG im Interesse des Verbraucherschutzes zu erfüllen sind, zwingen nur zur Offenlegung von Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers erhebliches Gewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5a Rn. 29b ff.). Der Umstand, dass ein Rechtsanwalt mehrere Niederlassungen unterhält, zählt nicht dazu.

d) Selbst wenn der Beklagte verpflichtet wäre, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen, hätte er dieser Verpflichtung dadurch entsprochen, dass er auf der Rückseite der Briefbögen diese Angaben gemacht hat.

aa) Auf der Rückseite der Briefbögen für die Kanzlei in Erfurt sind sowohl die (farblich hervorgehobene) Anschrift dieser Kanzlei als auch die Anschriften der Kanzleien in Mainz und Karlsruhe angegeben. Der Beklagte ist für die Kanzlei in Erfurt an zweiter Stelle von drei Rechtsanwälten, für die Kanzlei in Mainz an erster Stelle von drei Rechtsanwälten und für die Kanzlei in Karlsruhe an zweiter Stelle von zwei Rechtsanwälten genannt. Die Rückseite der Briefbögen für die Kanzleien in Mainz und Karlsruhe ist entsprechend gestaltet. Dem ist eindeutig zu entnehmen, dass der Beklagte an allen drei Standorten seiner Kanzlei tätig ist, während die anderen Rechtsanwälte jeweils in nur einer dieser Niederlassungen tätig sind. Der Durchschnittsverbraucher kann daraus schließen, dass die Präsenz des Beklagten an den einzelnen Standorten eingeschränkt ist.

bb) Die Rückseite der Briefbögen ist – wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat – bei der Beurteilung der Frage, ob der Beklagte die Information über das Bestehen weiterer Standorte seiner Kanzlei vorenthalten hat, in die Betrachtung einzubeziehen. Im Blick auf die Beschränkungen des Kommunikationsmittels müssen Angaben zu weiteren Niederlassungen der Kanzlei und den dort tätigen Rechtsanwälten nicht bereits auf der Vorderseite des ersten Briefbogens gemacht werden (vgl. zur Benennung von Sozien auf der Rückseite von Briefbögen BGH, Beschluss vom 19. November 2001 AnwZ (B) 75/100, NJW 2002, 1419, 1421). Der durchschnittlich informierte und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher nimmt bei Anwaltsschriftsätzen auch die Rückseite des ersten Briefbogens zur Kenntnis. Er rechnet damit, dass sich hier – insbesondere bei größeren Rechtsanwaltskanzleien – Informationen zu anderen Kanzleiorten und den dort tätigen Rechtsanwälten befinden.

Die Revision der Klägerin macht ohne Erfolg geltend, bei einer Übermittlung des anwaltlichen Schriftverkehrs per Telefax oder E-Mail werde die Rückseite des Briefkopfes häufig nicht mitübersandt. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch nicht darauf gestützt, dass der Beklagte es unterlässt, die Rückseite des Briefkopfes bei einer Übermittlung von Schriftsätzen auf elektronischem Wege mitzuübersenden.

e) Der Beklagte ist nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält. Aus der Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift (§ 10 Abs. 1 BORA) folgt keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, kenntlich zu machen, ob er unter dieser Anschrift seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO oder eine Zweigstelle betreibt.

f) Ein Rechtsanwalt, der – wie der Beklagte – eine Kanzlei und eine oder mehrere Zweigstellen unterhält, ist auch nach § 5a Abs. 2 UWG nicht verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, an welchem von mehreren Standorten er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO oder eine Zweigstelle unterhält (Prütting in Henssler/Prütting aaO § 27 Rn. 24; ders., Anwaltsblatt 2011, 46, 47; aA Siegmund in Gaier/Wolf/Göcken aaO § 27 BRAO/§ 5 BORA Rn. 88; Huff, BRAK-Mag. 06/2007, S. 5; Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3754; vgl. auch Weyland in Feuerich/Weyland/Vossebürger aaO § 27 Rn. 28 ff., wonach der Hinweis auf den Charakter als Zweigstelle, nicht aber die Bezeichnung als „Zweigstelle“ erforderlich ist).

Bei der Bezeichnung der in den Briefbögen eines Rechtsanwalts genannten Niederlassungen als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO oder als „Zweigstelle“ handelt es sich, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht um eine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG. Eine solche Angabe ist weder eine Information, die nach § 5a Abs. 3 UWG oder § 5a Abs. 4 UWG als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG gilt (vgl. oben Rn. 29 bis 33), noch eine Information, die nach § 5a Abs. 2 UWG im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist.

Gemäß § 27 Abs. 1 BRAO muss der Rechtsanwalt im Bezirk der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied er ist, eine Kanzlei einrichten und unterhalten.„Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO ist demnach die Niederlassung, mit der der Rechtsanwalt seiner Kanzleipflicht genügt. Alle weiteren Niederlassungen, die der Rechtsanwalt im Bezirk dieser Rechtsanwaltskammer oder anderer Rechtsanwaltskammern errichtet, sind dagegen „Zweigstellen“ (vgl. § 27 Abs. 2 BRAO).

Für die Einstufung der Niederlassung eines Rechtsanwalts als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO kommt es danach nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt in dieser Niederlassung den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit hat, auch wenn dies tatsächlich meist der Fall sein wird. Die Bezeichnung der Niederlassung eines Rechtsanwalts als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO oder als „Zweigstelle“ lässt daher nicht darauf schließen, in welchem Umfang der Rechtsanwalt in der jeweiligen Niederlassung präsent ist. Durch das Fehlen dieser Angaben werden insoweit daher schon keine Informationen vorenthalten. Darüber hinaus handelt es sich bei Angaben zur Präsenz des Rechtsanwalts in seiner Kanzlei auch nicht um wesentliche Informationen im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG (vgl. oben Rn. 34 bis 36).

Der Bezeichnung einer Niederlassung als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO kann der Durchschnittsverbraucher auch nicht unmittelbar entnehmen, welcher Rechtsanwaltskammer der Rechtsanwalt angehört. Er weiß in der Regel nicht, im Bezirk welcher Rechtsanwaltskammer sich die Kanzlei eines Rechtsanwalts befindet. Er kann der Bezeichnung einer Niederlassung als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO daher im Allgemeinen auch nicht entnehmen, welche Rechtsanwaltskammer über den Rechtsanwalt die Aufsicht führt. Auch insoweit werden ihm durch das Fehlen dieser Angabe daher keine wesentlichen Informationen vorenthalten (aA Siegmund in Gaier/Wolf/Göcken aaO § 27 BRAO/§ 5 BORA Rn. 93). Im Übrigen ist ein Rechtsanwalt nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 DL-InfoV verpflichtet, den Namen der Kammer anzugeben (vgl. oben unter Rn. 33).

II. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht den ersten Hilfsantrag teilweise abgewiesen hat (dazu 3). Die Revision der Beklagten, die sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht dem ersten Hilfsantrag teilweise stattgegeben hat, ist dagegen begründet (dazu 4).

1. Mit dem ersten Hilfsantrag beantragt die Klägerin, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung entsprechend dem Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er an be-stimmten zusätzlichen Standorten – derzeit Mainz und Karlsruhe – weitere Niederlassungen unterhält, und ohne anzugeben, an welchem Standort er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.

2. Dieser Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der Beklagte mit der Verwendung der für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung benutzten Briefbögen, deren Gestaltung dem für das Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Thüringen benutzten Briefbogen entspricht, gegen eine Verpflichtung verstößt, auf der Vorderseite der Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen offenzulegen und kenntlich zu machen, an welchem dieser Standorte er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.

Der erste Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag demnach – abgesehen davon, dass er ausdrücklich auf die Gestaltung der Vorderseite der Briefbögen abstellt – darin, dass er allein für die Erfurter Niederlassung (also eine Zweigstelle des Beklagten) verwendete Briefbögen betrifft und der Beklagte allein das Kenntlichmachen der (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO (und nicht auch das Kenntlichmachen von Zweigstellen) aufgegeben werden soll. Der erste Hilfsantrag stimmt dagegen mit dem Hauptantrag insoweit überein, als er eine Verpflichtung des Beklagten voraussetzt, auf der Vorderseite der Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen anzugeben.

3. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, auf der Vorderseite seiner Briefbögen offenzulegen, dass er an anderen Standorten weitere Niederlassungen unterhält (vgl. oben Rn. 19 bis 40). Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

4. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte sei nach § 10 Abs. 1 BORA verpflichtet, auf den Briefbögen einer Zweigstelle den Standort der Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO anzugeben. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten ist begründet.

a) Aus § 10 Abs. 1 BORA ergibt sich bereits keine Verpflichtung zur Angabe des Kanzleistandorts, sondern eine Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift (vgl. Rn. 21). Zudem hat der Rechtsanwalt auf den Briefbögen, die er für seine anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendet, nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei anzugeben.

aa) Der Begriff „Kanzleianschrift“ im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA umfasst nicht nur die Anschrift der Kanzlei im Sinne des § 27 Abs. 1 BRAO, sondern auch die Anschrift von Zweigstellen.

(1) Der Begriff „Kanzleianschrift“ wird sowohl in § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA als auch in § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA verwendet. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA verweist zur Bestimmung dieses Begriffs auf § 31 BRAO. Die Regelung des § 31 Abs. 3 BRAO unterscheidet zwischen der Kanzleianschrift und der Anschrift von Zweigstellen. Damit korrespondiert § 27 BRAO, der zwischen der Kanzlei, die der Rechtsanwalt im Bezirk der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied er ist, einrichten und unterhalten muss (§ 27 Abs. 1 BRAO), und Zweigstellen, die der Rechtsanwalt im Bezirk derselben oder einer anderen Rechtsanwaltskammer errichtet (vgl. § 27 Abs. 2 BRAO), unterscheidet. Das könnte dafür sprechen, dass der Begriff „Kanzleianschrift“ im Sinne von § 10 Abs. 1 BORA nur die Anschrift der Kanzlei im Sinne des § 27 Abs. 1 BRAO bezeichnet. Danach hätte der Rechtsanwalt gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA auf den Briefbögen die Anschrift der Kanzlei anzugeben, mit der er seiner Kanzleipflicht genügt. Entsprechendes gälte gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA für jeden auf den Briefbögen genannten Rechtsanwalt, wenn mehrere Kanzleien oder eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten werden.

(2) Die Begriffe „Zweigstelle“ und „Kanzlei“ sind allerdings vom Wortsinn her keine Gegensätze. Mit dem Begriff der „Zweigstelle“ korrespondiert nach allgemeinem Sprachgebrauch der – im Gesetz freilich nicht verwandte – Begriff der „Hauptstelle“. Bei der Zweigstelle und der Hauptstelle handelt es sich jeweils um Niederlassungen der „Kanzlei“, die sich danach unterscheiden, in welcher der Rechtsanwalt seine berufliche Tätigkeit ihrem Schwerpunkt nach entfaltet (BGH, Urteil vom 13. September 2010 – AnwZ (P) 1/09, BGHZ 187, 31 Rn. 28). Die Zweigstelle ist damit der Sache nach ebenso die Kanzlei des Rechtsanwalts wie seine (Haupt-)Kanzlei (BGHZ aaO Rn. 33). Die Anschrift der Zweigstelle ist dementsprechend ebenso eine Kanzleianschrift wie die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei.

bb) Der Rechtsanwalt hat nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA auf Briefbögen nur eine Kanzleianschrift anzugeben (vgl. oben Rn. 21). Unterhält der Rechtsanwalt mehrere Niederlassungen, ist das nach dem Zweck der Regelung die Anschrift der Niederlassung, für die er anwaltlich tätig ist. Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA soll gewährleisten, dass der Adressat des Briefes die Anschrift der Niederlassung erfährt, von der aus der Rechtsanwalt tätig geworden ist und unter der er mit dem Rechtsanwalt Kontakt aufnehmen kann. Wird der Rechtsanwalt für eine Zweigstelle seiner Kanzlei tätig, ist das die Anschrift der Zweigstelle.

b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Auch aus § 5a Abs. 2 UWG ergibt sich keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, auf den Briefbögen, die er für seine anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendet, kenntlich zu machen, an welchem Standort er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält (vgl. Rn. 42 bis 46).

III. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den zweiten Hilfsantrag abgewiesen hat.
1. Mit dem zweiten Hilfsantrag beantragt die Klägerin, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit unter seiner Erfurter Kanzleiadresse entsprechend dem Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er an bestimmten zusätzlichen Standorten – derzeit Mainz und Karlsruhe – weitere Kanzleiadressen unterhält.

2. Der zweite Hilfsantrag unterscheidet sich vom ersten Hilfsantrag nur darin, dass der Beklagte allein zur Offenlegung weiterer Standorte seiner Kanzlei und nicht zum Kenntlichmachen der (Haupt-)Kanzlei verpflichtet sein soll. Der Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen weitere Standorte seiner Kanzlei offenzulegen (vgl. oben Rn. 19 bis 36). Das Berufungsgericht hat den zweiten Hilfsantrag daher mit Recht abgewiesen.

C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des Beklagten unter Zurückweisung der Revision der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist das Urteil des Landgerichts auf die Berufung des Beklagten unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a