Verstoß gegen Arzneimittelpreisbindung bei Stundung der gesetzlichen Zuzahlung

29. Oktober 2008
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Amtlicher Leitsatz:

Eine Stundung der gesetzlich vorgesehenen Zuzahlung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch eine Apotheke mit dem Ziel, den Versicherten den Bezug der Arzneimittel gerade bei dieser Apotheke wirtschaftlich günstiger erscheinen zu lassen, verstößt gegen die Arzneimittelpreisbindung.<br/><br/>

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht

Beschluss vom 16.10.2008

Az.: 13 ME 162/08

Aus dem Entscheidungstext:

I.
Der Antragsteller ist u.a. Inhaber der Versandapotheke "B. " in C.. Er hatte mit verschiedenen Krankenkassen eine Kooperation vereinbart, nach welcher Versicherte keine Zuzahlung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln leisten mussten, wenn sie verordnete Medikamente unter Vorlage entsprechender Zuzahlungsgutscheine von ihm bezogen. Die Zuzahlungsgutscheine wurden vom ihm zuvor an die Krankenkassen ausgegeben, dort abgestempelt und/oder im äußeren Erscheinungsbild verändert und anschließend an die Versicherten weiterverteilt. Wirtschaftlich wurde die Nichtleistung der Zuzahlung vom Antragsteller getragen; dieser rechnete mit der Krankenkasse so ab, als ob er den Zuzahlungsbetrag eingezogen hätte.

Der Antrag einer Wettbewerbszentrale auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen diese Vorgehensweise des Antragstellers wurde mit Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 18. September 2006 – 18 O 487/06 – abgelehnt, weil das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht anwendbar sei, sondern die Kooperation zwischen dem Antragsteller und den Krankenkassen ausschließlich nach öffentlichem Recht zu beurteilen sei. Mit Bescheid vom 29. November 2007 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, Zuzahlungsgutscheine anzubieten, zu gewähren sowie einzulösen und damit bei der Abgabe zuzahlungspflichtiger Arzneimittel den Mitgliedern der Krankenkassen die Arzneimittelzuzahlung zu ersparen bzw. einen Preisnachlass auf preisgebundene Arzneimittel zu gewähren. Über die gegen den Bescheid erhobene Klage ist noch nicht entschieden. Einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. März 2008 abgelehnt; die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben (Beschl. d. erkennenden Senats vom 20.06.2008 – 13 ME 61/08 -, juris).

Bereits mit E-Mail-Mitteilungen vom 8. April 2008 teilte die Versandapotheke des Antragstellers den Kunden mit, dass Zuzahlungsgutscheine derzeit nicht eingelöst werden dürften und die Zuzahlung deswegen – das Einverständnis des Kunden vorausgesetzt – bis zum 30. Juni 2009 gestundet würde. Es werde alles daran gesetzt, dass Zuzahlungsgutscheine möglichst schnell wieder eingelöst werden dürften.

Nach vorheriger Anhörung untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 25. Juni 2008 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, den Patienten der gesetzlichen Krankenkassen bei der Abgabe zuzahlungspflichtiger Arzneimittel die Zuzahlung zu stunden und damit einen Preisnachlass auf preisgebundene Arzneimittel zu gewähren.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 27. Juni 2008 Klage erhoben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. August 2008 abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 8. September 2008.

II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Juni 2008 wiederherzustellen. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

In materieller Hinsicht kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherstellen, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes hinter das Interesse des Adressaten an einem Aufschub des Vollzugs desselben zurücktritt. Im Rahmen der Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs einen entscheidenden Stellenwert. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als offensichtlich erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen bei der allein gebotenen summarischen Überprüfung als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs einerseits für und andererseits gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen.

Die Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus, weil nach summarischer Prüfung die in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich keinen Erfolg haben wird.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht die auf § 69 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz – AMG – i.V.m. der auf § 78 AMG beruhenden Arzneimittelpreisverordnung – AMPreisV – gestützte Verfügung der Antragsgegnerin als rechtmäßig angesehen.

Auch die nach Einstellung der Praxis der Ausgabe und Einlösung von "Zuzahlungsgutscheinen" nunmehr vom Antragsteller vorgenommene einseitige "Stundung" in Höhe des an sich einzuziehenden Zuzahlungsbetrags stellt entgegen seiner Auffassung einen Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung dar. Im Kern ergibt sich der Verstoß aus denselben rechtlichen Erwägungen, aus denen auch die Ausgabe und spätere Einlösung von Zuzahlungsgutscheinen gegen die Arzneimittelpreisbindung verstößt. Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen im Beschluss vom 20. Juni 2008 – 13 ME 61/08 -. Der Antragsteller verkennt, dass es gerade Sinn der nach den rechtlichen Vorgaben bestehenden Arzneimittelpreisbindung ist, einen Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszuschließen. Auch durch die "Stundung" der Zuzahlung bei gleichzeitiger Abrechnung gegenüber der Krankenkasse in der Weise, als wäre die Zuzahlung bereits vereinnahmt worden, will der Antragsteller den Versicherten wirtschaftliche Vorteile zugute kommen lassen, die einen Bezug der verschreibungspflichtigen Medikamente bei seiner Versandapotheke wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen, als der Bezug bei anderen Apotheken. Dies stellt ein Verhalten dar, das die Arzneimittelpreisbindung gerade verhindern soll. Auf eine Konkretisierung der den gesetzlich Versicherten eingeräumten wirtschaftlichen Vorteile etwa in Gestalt eines zu beziffernden Zinsvorteils kommt es nach Auffassung des Senats in diesem Zusammenhang nicht an. Entscheidend für den Verstoß gegen die Preisbindung ist vielmehr, dass den Versicherten die Zuzahlung zunächst erspart und vom Antragsteller dementsprechend wirtschaftlich zunächst nicht vereinnahmt wird. Es tritt noch hinzu, dass der Antragsteller mit der "Stundung" ersichtlich die infolge des für ihn negativen Ausgangs des früheren Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehende sofortige Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29. November 2007 vorläufig zu umgehen versucht. Bei einer in dieser Weise zweckgerichteten und systematischen Stundung liegt der Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung nach Auffassung des Senats auf der Hand. Die Argumentation des Antragstellers stellt demgegenüber darauf ab, dass die Stundung als vom Apothekenabgabepreis getrennt zu betrachtender Vorgang angesehen werden müsse. Dabei handelt es sich letztlich um die gleiche Argumentation, die auch schon bei dem "Zuzahlungsverzicht" vorgebracht worden ist und der der Senat gerade nicht gefolgt ist.

Im Übrigen macht sich der Senat die Ausführungen in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss zu Eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO) und verweist deshalb auf sie.

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