Anrechnung von Abmahnkosten auf die Verfahrensgebühr

28. Oktober 2008
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Eigener Leitsatz:

Die Geschäftsgebühr ist nicht wegen der Kosten einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung oder der vorprozessualen Abwehr zu kürzen. Diese ist, auch wenn sie denselben Gegenstand wie die Verfahrensgebühr betrifft, auf diese anzurechnen.

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 02.10.2008

Az.: I ZB 30/08

Beschluss:

in der Rechtsbeschwerdesache …

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Oktober 2008 durch …

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 8. Zivilsenat, vom 12. Februar 2008 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 1.015,10 €.

Gründe:

I. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten vom 20. Juni 2007 wegen eines vermeintlichen Wettbewerbsverstoßes ab. Im anschließenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurden die Kosten des Verfahrens der Antragsgegne-rin auferlegt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Antragstellerin unter anderem beantragt, eine 1,3fache Verfahrensgebühr aus einem Wert von 100.000 € in Höhe von 1.760,20 € nach §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG festzusetzen.

Das Landgericht hat die Verfahrensgebühr lediglich in Höhe von 0,55 als erstattungsfähig angesehen. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Be-schwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Festsetzung der nicht verminderten Verfahrensgebühr weiter.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übri-gen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt:

Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG sei nur eine 0,55-fache Verfahrensgebühr zu berücksichtigen. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift sei die Verfahrensgebühr und nicht die Geschäftsgebühr zu kürzen. Dabei genüge die bloße Entstehung der Geschäftsgebühr; darauf, ob die Gebührenrechnung über die Geschäftsgebühr beglichen sei, komme es nicht an.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens entstandene Geschäfts-gebühr kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Kostenfest-setzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO nicht berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 7.3.2007 – VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049 Tz. 12). Dement-sprechend können weder die Kosten für eine wettbewerbsrechtliche Abmah-nung (vgl. BGH, Beschl. v. 20.10.2005 – I ZB 21/05, GRUR 2006, 439 Tz. 10 ff. = WRP 2006, 237 – Geltendmachung der Abmahnkosten, m.w.N. zum Streitstand) noch die für die vorprozessuale Abwehr von Ansprüchen der Partei ent-standene Gebühr nach Nr. 2300 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG Gegenstand einer Kostenfestsetzung nach §§ 103, 104 ZPO sein (vgl. BGH, Beschl. v. 22.1.2008 – VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 Tz. 5).

b) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, im Kostenfestset-zungsverfahren sei die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG ohne die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 der RVG vorgese-hene Kürzung gegen die unterlegene Partei festzusetzen, wenn die Festset-zung der Geschäftsgebühr ausgeschlossen sei. Die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgesehene Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dahin zu verstehen, dass eine entstandene Geschäftsge-bühr, die denselben Gegenstand betrifft, auch dann auf die spätere Verfahrens-gebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, wenn die Geschäftsge-bühr nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO berücksich-tigt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 14.8.2008 – I ZB 103/07; BGH NJW 2008, 1323 Tz. 10 m.w.N. auch zur Gegenmeinung; BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZB 8/08, FamRZ 2008, 1346 Tz. 4). Für die Anrechnung ist es ferner ohne Bedeutung, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (BGH NJW 2008, 1323 Tz. 10).

c) Die Geschäftsgebühr bezieht sich hier auf denselben Gegenstand i.S. der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG. Der Gegenstand der anwalt-lichen Tätigkeit im kostenrechtlichen Sinn wird nach allgemeiner Auffassung durch das Recht oder das Rechtsverhältnis definiert, auf das sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des ihm von seinem Mandanten erteilten Auf-trags bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2007 – VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050 Tz. 15 m.w.N.). Gegenstand der Abmahnung wie eines anschließenden Verfügungs- und Hauptsacheverfahrens ist demnach im vorliegenden Zusammen-hang der durch den vermeintlichen Wettbewerbsverstoß begründete Unterlas-sungsanspruch. Dagegen kommt es für die Anwendung der Anrechnungsrege-lung nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG nicht darauf an, ob die Geschäfts- und die Verfahrensgebühr dieselbe Angelegenheit oder unter-schiedliche kostenrechtliche Angelegenheiten betreffen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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