Schadensersatzpflicht bei unberechtigtem Ausschluss von Konkurrenten auf eBay
Eigener Leitsatz:
Wer zu Unrecht abmahnt und so die Sperrung des eBay-Accounts des Konkurrenten erreicht, macht sich womöglich schadensersatzpflichtig. In der unberechtigten Abmahnung, dem Ausschluss von der Handelsplattform und den daraus resultierenden Folgen für die Geschäftstätigkeit des abgemahnten Mitbewerbers kann ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liegen. Der aus der Rechtsverletzung resultierende Schaden löst dann einen Schadensersatzanspruch gegen den Abmahner aus.
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil vom 17.02.2009
Az.: 6 U 10/07
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in Brandenburg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2009
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. Dezember 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – 2 O 192/06 – teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 691,60 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 58 % und der Beklagte zu 42 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 94 % und der Beklagte zu 6 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt in der Berufung nur noch Schadensersatz, weil der Beklagte Geschmacksmuster, mithin ungeprüfte Schutzrechte als Sperrzeichen eingesetzt habe, um ihre, der Klägerin, Geschäftstätigkeit gezielt zu behindern und den Markt für bestimmte Autozubehörteile abzuschotten.
Wegen der Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 6.12.2006 Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage hinsichtlich des nur noch gestellten Antrages auf Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, selbst wenn der Klägerin dem Grund nach ein Schadensersatzanspruch zustünde, sei jedenfalls die Höhe der Forderung nicht ausreichend dargestellt worden. Da die Klägerin die Hauptforderung nicht habe beweisen können, stünden ihr auch die geltend gemachten Nebenforderungen nicht zu. Im Übrigen sei eine unzulässige Teilklage erhoben worden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie den Schadensersatzanspruch in geminderter Höhe weiterverfolgt. Sie behauptet, der ihr entgangene Gewinn betrage mindestens 10.078,42 € zuzüglich der nichtanrechenbaren Rechtsanwaltskosten. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe fehlerhaft den für die Richtigkeit der betriebswirtschaftlichen Auswertung angebotenen Beweis nicht erhoben. Außerdem habe das Landgericht die Regelungen zur Ermittlung des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) falsch angewandt. Das Landgericht hätte den Schaden schätzen können. Eine unzulässige Teilklage liege hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten nicht vor.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 14.12.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az. 2 O 192/06, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.078,42 € Schadensersatz zzgl. 907,40 € Nebenkosten der Rechtsverfolgung nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 10.078,42 € sowie aus 907,40 € ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er rügt, das neue Vorbringen zur Höhe des entgangenen Gewinns sei verspätet und bestreitet die geltend gemachten Werte sowie die angegebenen Verkäufe.
Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur im Betrage von 691,40 € begründet und im Übrigen unbegründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu.
1. Der Beklagte hat e… unberechtigt auf die streitgegenständlichen Geschmacksmusterrechte hingewiesen (abgemahnt). Im Ergebnis fehlte es sämtlichen von ihm reklamierten Geschmacksmustern an der erforderlichen Neuheit, so dass sie gemäß § 33 I GeschmMG nichtig waren. Zudem hat der Beklagte nicht hinreichend und schlüssig dargelegt, dass er Berechtigter im Sinne von § 7 I GeschmMG war. Der Beklagte hat so letztlich erreicht, dass der account der Klägerin geschlossen wurde. Damit wurde der Absatz der Klägerin unmittelbar beeinträchtigt. Das steht einer unbegründeten Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht oder einer sonstigen unberechtigten Schutzrechtsverwarnung gleich, die nach der Rechtsprechung des BGH, bestätigt durch die Entscheidung des Großen Senates für Zivilsachen des BGH vom 15.7.2005, GSZ 1/04 (zitiert nach juris) unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichtet.
2. Das Verhalten des Beklagten war rechtswidrig, weil ihm die Geschmacksmusterrechte objektiv nicht zustanden.
3. Der Beklagte hat die unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen verschuldet, weil er nicht gründlich geprüft hat, ob die von ihm beanspruchten Geschmacksmusterrechte bestehen und er Inhaber derselben ist. Solches hat er nicht dargelegt.
4. Die unberechtigte Geltendmachung von Geschmacksmusterrechten gegenüber e… war kausal für die Sperrung des accounts durch e… und mithin für einen dadurch der Klägerin entstandenen Schaden.
5. Die Klägerin kann lediglich außergerichtliche Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen, nicht dagegen entgangenen Gewinn.
a) Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns zu. Das neue Vorbringen der Klägerin hierzu in der Berufungsinstanz kann bereits nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie es aus Nachlässigkeit nicht mehr in der ersten Instanz angebracht hat. Nach dem entsprechenden rechtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Klägerin zu dieser Frage noch Erklärungen abgegeben. Sie hat es jedoch versäumt, einen Schriftsatznachlass gemäß § 139 V ZPO zu beantragen. Auf dieses Recht musste sie auch nicht hingewiesen werden (OLG Hamm, Urteil vom 27.3.2003, 18 U 72/03, NJW 2003, 2543; OLG Celle, Urteil vom 13.11.2003, 14 U 50/03, OLGR Celle 2004, 104; OLG Rostock, Beschluss vom 31.3.2004, 7 U 36/03, OLGR Rostock 2004, 382). Die Klägerin hat auch keinen nicht nachgelassenen Schriftsatz eingereicht, der nach der Rechtsprechung des BGH für das Landgericht u.U. Anlass hätte sein müssen, die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO anzuordnen (BGH, Beschluss vom 18.9.2006, II ZR 10/05, NJW-RR 2007, 412).
Unabhängig davon hätte der Senat selbst unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung gemäß § 287 I ZPO. Die Klägerin hat nach den Hinweisen des Senates im Beschluss vom 12.2.2008 nicht ergänzend vorgetragen, insbesondere keine Angaben zu den Verkäufen von der Eröffnung des accounts bis zur Schließung durch e… gemacht und trotz Bestreitens des Beklagten keine Originalrechnungen bzw. Originalbelege für die getätigten Verkäufe vorgelegt. Danach ist es dem Senat nicht möglich, den wirtschaftlichen Erfolg gerade der Anlaufphase des Geschäfts der Klägerin in für eine Schätzung ausreichendem Maße zu rekonstruieren. Selbst aus den vorgelegten Kopien der Rechnungen kann der Senat keine ausreichend feststehenden Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung gewinnen. Ausgehend davon, dass nach dem Umsatzsteuergesetz Rechnungen fortlaufend nummeriert sein müssen, ist es dem Senat nicht erklärlich und von der Klägerin nicht erklärt worden, warum Rechnungen mit einer höheren Nummer nach dem Rechnungsdatum älter waren als solche mit einer niedrigeren Nummer. Die letztlich entscheidenden Zahlungseingänge und mithin tatsächlichen Einnahmen hat die Klägerin damit auch nicht belegt.
b) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
aa) Die Klägerin hat im Verfahren der einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten das Verbot erwirkt, zu behaupten, dass diesem gegenüber der Klägerin Rechte gegen den Vertrieb von Stoßstangen von 18 der streitgegenständlichen Geschmacksmuster zustehen, insbesondere diese Behauptung vor dem Internetauktionshaus e… zu wiederholen. Der Klägerin sind im Ergebnis für das Verfahren der einstweiligen Verfügung Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 2.077,60 € entstanden, von denen 755,80 € festgesetzt worden sind. Abzüglich nicht anerkennungsfähiger und mithin nicht notwendiger Kosten für den nicht erforderlichen Verkehrsanwalt der Klägerin verbleiben bei der Kostenfestsetzung nicht berücksichtigte außergerichtliche Rechtsanwaltskosten für die Geschäftsgebühr in Höhe von 367,90 €. Nach der entsprechenden zulässigen Klageerweiterung der Klägerin in der Berufung insoweit handelt es sich auch nicht mehr um eine (unzulässige) Teilklage.
Die nicht festsetzbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin für das Hauptsacheverfahren hat der Beklagte danach anteilig zu ersetzen, soweit sie sich auf den erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrag nach Löschung der Muster beziehen. Der Unterlassungsantrag macht nach der Wertbestimmung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Rahmen der Kostenberechnung wertmäßig einen Anteil von 60 % vom Gesamtwert der vorgerichtlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entsprechend deren Wertbestimmung (33.500 €) aus. Die nicht festsetzbaren Kosten, die der Beklagte zu ersetzen hat, betragen danach 60 % von 539,50 € = 323,70 €.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 II Nr. 1 und 2 ZPO).