Marke „Jugendherberge“ nach 11 Jahren gelöscht

22. Oktober 2009
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Eigener Leitsatz:

Das Bundespatentgericht ordnet die Löschung der seit 1998 eingetragene Marke "Jugendherberge" an. Gemäß § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind solche Marken auf Antrag zu löschen, denen für die jeweiligen Waren oder  Dienstleistungen die notwendige Unterscheidungskraft fehlt. Die Marke „Jugendherberge“ ist für die eingetragenen Dienstleistungen "Beherbergung von Gästen, Verpflegung, Veranstaltung von Reisen, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten" jedoch nicht unterscheidungskräftig.


Bundesgerichtshof

Beschluss vom 17.09.2009

Az.: I ZB 7/09

in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Marke Nr. 398 69 072

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Dr. Bergmann, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 26. Januar 2009 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluss des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Markeninhabers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Für den Markeninhaber ist am 13. Januar 2000 die Wortmarke

"Jugendherberge"
für die Dienstleistungen "Beherbergung von Gästen, Verpflegung, Veranstaltung von Reisen, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten" als durchgesetzte Marke eingetragen worden.

Die Antragstellerin hat die Löschung der Eintragung der Marke beantragt. Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 11. Oktober 2005 den Löschungsantrag zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Bundespatentgericht die Löschung der Marke angeordnet. Dagegen richtet sich die – vom Bundespatentgericht nicht zugelassene – Rechtsbeschwerde des Markeninhabers, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt.

II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG auch ohne Zulassung durch das Bundespatentgericht statthaft, da der Markeninhaber den im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel der Versagung rechtlichen Gehörs rügt und diese Rüge im Einzelnen begründet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 – I ZB 5/03, GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 103 – turkey & corn; Beschl. v. 1.3.2007 – I ZB 33/06, GRUR 2007, 534 Tz. 5 = WRP 2007, 643 – WEST).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt den Markeninhaber nicht in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (vgl. BVerfGE 96, 205, 216 f. m. w. Nachw.).

a) Die Rechtsbeschwerde macht zwar einleitend geltend, dass sie sich gegen die Zurückweisung des vom Markeninhaber vorgelegten demoskopischen Gutachtens vom September 2008 wende. Sie führt diese Rüge jedoch nicht aus. Das Bundespatentgericht hat das Gutachten auch nicht zurückgewiesen, sondern ist ausführlich darauf eingegangen.

b) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe keine inhaltlich und zeitlich ausreichenden Hinweise auf die seiner Auffassung nach fehlerhafte Ermittlung der beteiligten Verkehrskreise in dem vom Markeninhaber vorgelegten Gutachten gegeben. Das Bundespatentgericht war nicht verpflichtet, den Markeninhaber nach Einreichung des Gutachtens darauf hinzuweisen, dass es als beteiligte Verkehrskreise die Gesamtbevölkerung ansah und nicht, wie das Gutachten, die potentiellen Besucher von Jugendherbergen oder die Besucher von Jugendherbergen, die einen weiteren Jugendherbergsbesuch nicht ausschließen.

Ein Verfahrensbeteiligter muss grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen (BGH, Urt. v. 20.1.2000 – I ZB 50/97, GRUR 2000, 894 = WRP 2000, 1166 – Micro-PUR; Beschl. v. 6.10.2005 – I ZB 20/03, GRUR 2006, 152 = WRP 2006, 102 Tz. 13 – GALLUP). Dazu gehörte im vorliegenden Fall jedenfalls die nicht fernliegende Beurteilung, die Gesamtbevölkerung für den beteiligten Verkehrskreis zu halten.

Schon die Markenabteilung hatte angenommen, dass als beteiligter Verkehrskreis die Gesamtbevölkerung maßgeblich sei. Auch die Antragstellerin ist davon durchgängig in ihrem Vortrag ausgegangen und hat diese Bestimmung der beteiligten Verkehrskreise ausdrücklich als unstreitig angesehen. In seinem

an die Verfahrensbeteiligten gerichteten Zwischenbescheid vom 30. April 2008 hat das Bundespatentgericht zudem deutlich gemacht, dass vom Begriffsinhalt der angemeldeten Bezeichnung nicht auf die potentiellen Nutzer der Dienstleistung geschlossen werden könne. Damit hat es ohne Weiteres erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass der Begriffsinhalt der Wortmarke "Jugendherberge" keine Bedeutung dafür hat, wie die Nutzer der für diese Marke angemeldeten Dienstleistungen, insbesondere Beherbergung von Gästen und Verpflegung, zu bestimmen sind. Es kommt hinzu, dass der Markeninhaber in seinem mit dem Gutachten eingereichten Schriftsatz vom 9. Oktober 2008 zunächst selbst noch davon ausgegangen ist, die Gesamtbevölkerung sei der maßgebliche Verkehrskreis, und erst im weiteren Verlauf dieses Schriftsatzes die engere Abgrenzung des Gutachtens übernahm.
Unter diesen Umständen unterliegt keinem Zweifel, dass der Markeninhaber zumindest damit rechnen musste, das Bundespatentgericht werde die Gesamtbevölkerung als maßgeblichen Verkehrskreis ansehen und nicht, wie in dem Gutachten angenommen, die potentiellen Besucher von Jugendherbergen bzw. die Besucher von Jugendherbergen, die einen weiteren Besuch nicht ausschließen. Das Bundespatentgericht war deshalb nicht gehalten, dem Markeninhaber nach Vorlage des Gutachtens eine weitere Möglichkeit zur Ergänzung seines Vortrags oder zur Beibringung von Unterlagen zu gewähren.

c) Auch im Übrigen hat das Bundespatentgericht zu Recht für eine weitere Aufklärung keinen Anlass gesehen. Es hat seine Feststellungen zur mangelnden Verkehrsdurchsetzung auf der Grundlage der Befragung der Gesamt-bevölkerung getroffen, die dem Gutachten zu entnehmen war.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

[Unterschriften]
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 26.01.2009 – 25 W(pat) 8/06 –

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