Welle schlägt hohe Wellen

08. Juni 2009
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Eigener Leitsatz:

Die Gemeinde Welle hat keinen Anspruch auf die Domain "welle.de", da die Idee zur Domainnutzung zeitlich zuvor schon von einem anderen umgesetzt worden ist und der Domainname aus einem Wort besteht, das eine Sachbezeichnung darstellt und wegen Unbekanntheit der Gemeinde als solche verstanden wird. Welle wird als Sache verstanden, solange es ohne eine bestimmte ergänzende Eigenschaftsbeschreibung wie etwa "Gemeinde" genannt wird. Somit gilt hier in Bezug auf die Domain die Priorität.

Landgericht Köln

Urteil vom 18.05.2009

Az: 81 O 220/08

Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, in die Löschung des zu ihren Gunsten bei der Denic e.G., 60329 Frankfurt, gestellten Dispute-Eintrags für die Internetdomain „welle.de" einzuwilligen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120% desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird.

Tatbestand
Der Kläger bietet Dienstleistungen im Internet an, u.a. auch die Vermarktung von Domains, die er als beschreibend ansieht. u.a. ist er Inhaber der hier streitgegenständlichen Domain www.welle.de, die derzeit so gestaltet ist wie dies aus dem Widerklageantrag ersichtlich ist: sie enthält eine Vielzahl diverser Links.

Die Beklagte ist eine Gebietskörperschaft in Niedersachsen mit ca. 1.300 Einwohnern und trägt den Gemeindenamen „Welle". Sie hält die Inhaberschaft des Klägers an der Domain „welle.de“ für einen unbefugten Namensgebrauch und sieht sich als in wettbewerblicher Hinsicht unlauter behindert an. Sie hat deshalb bei der Denic einen sog. Dispute-Eintrag bewirkt, der dazu führt, dass sie bei einer Veräußerung der Domain als Inhaberin eingetragen werden wird.

Der Klägerin hält dies seinerseits für eine Behinderung, denn er wisse noch nicht so genau, was mit der Domain geschehen werde; wenn er sie verkaufen und an den Erwerber übertragen wolle, werde er wegen des Dispute- Eintrages nicht in der Lage sein, dem Erwerber die Inhaberschaft zu verschaffen.

Er beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und beantragt widerklagend, den Kläger zu verurteilen, gegenüber der Denic e.G., Kaiserstraße 75/77, 60329 Frankfurt, die Einwilligung in die Löschung der Domain „welle.de" zu erklären, die wie nachfolgend wiedergegeben gestaltet ist:

Sie hält sich im Verhältnis zum Kläger für die besser berechtigte Rechtspersönlichkeit, denn sie führe den Namen berechtigterweise schon sehr lange und jedenfalls deutlich länger als der Kläger Inhaber der fraglichen Domain ist, zumal der Klägerin über keinerlei eigene Rechte an der Bezeichnung „Welle" verfüge.

Es handele sich auch nicht um die Nutzung der Domain für Angebote, die sich unter den Begriff „Welle" subsumieren lassen, denn die gegenwärtige Vermarktung diene nur der Vorbereitung eines Verkaufs und stelle bis dahin nur eine Platzierungsmöglichkeit für Werbung im Internet dar für beliebige Angebote dar und zwar insbesondere auch für solche, die nichts mit der Sachangabe „Welle" zu tun haben. Durch die Nutzung der Domain durch den Kläger finde eine Zuordnungsverwirrung statt, denn der Interessierte suche unter www.welle.de die Beklagte, weil eine derart aufgebaute Domain so üblich sei bei Städten und Gemeinden; der Nutzer werde annehmen, die Links beträfen von der Beklagten in irgend einer Weise geförderte Anbieter. Umgekehrt werde sie daran gehindert, ihrerseits die fragliche Domain für ihre Interessen zu verwenden, etwa die Förderung des Tourismus. Auf eine Priorität bezüglich der Domain könne sich der Kläger mangels eines materiellen Namensrechts nicht berufen.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Er sieht sich als der besser Berechtigte an, weil er schon seit langem Inhaber der Domain sei; die gewerbliche Nutzung und gegebenenfalls Verwertung der Domain sei kein unlauterer Geschäftszweck; eine Zuordnungsverwirrung scheitere schon daran, dass die Beklagte in der Allgemeinheit unbekannt sei. Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe
Die Klage ist begründet und die Widerklage ist unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten Einwilligung in die Löschung des Dispute-Eintrages verlangen, weil diese Sperre ihn in der Nutzung und der Verwertung seiner zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Rechten behindert; umgekehrt hat die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass der Kläger die fragliche Domain aufgibt, weil er die Idee, eine solche Domain zu nutzen, zeitlich vor der Beklagten umgesetzt hat und der kennzeichnende Teil der Domain aus einem Wort besteht, welches eine Sachbezeichnung darstellt und mangels Bekanntheit der Beklagten in erster Linie auch als solche verstanden wird.

Ausweislich der Darstellung in Wikipedia hat „Welle“ in sachlicher Hinsicht folgende Bedeutungen:

Welle (von althochdeutsch wellan, „wälzen") steht für:

 * Wasserwelle, eine spezielles Wellenphänomen an der Wasseroberfläche
 * Welle (Physik), eine Form der Energieausbreitung in Zusammenhang mit Schwingungen
 * Welle (Mechanik), ein stabförmiger Maschinenteil zur Übertragung mechanischer Energie
 * elektrische Welle, eine Schaltung von mehreren Drehmeldern (Schleifringläufermotoren), die ohne mechanische Verbindung synchrone Drehbewegungen zwecks Anzeige oder auch zur Übertragung mechanischer Energie ausführen
 * Welle (Tanz), eine Schrittkombination in Standardtänzen
 * Leewellen, kurz auch Wellen genannt, eine meteorologische Erscheinung
 * La ola, eine besondere Form der Zuschauerbeteiligung im Stadion
 * eine Metapher für die Ausbreitung eines Trends, z.B. in der Mode, oder einer Erscheinung, siehe Trend (Soziologie)
 * Grüne Welle, das Antreffen von Grünphasen bei hintereinander-folgenden Ampelanlagen (Lichtsignalanlagen) bei geeigneter Fahrgeschwindigkeit

Es handelt sich mithin -was die Beklagte letztlich auch nicht bestreitet- um ein Wort der Umgangssprache, unter dem ohne eine bestimmte, ergänzende Eigenschaftsbeschreibung („Herr …", „Gemeinde …"; weitere Beispiele wie Die Welle (2008), ein deutscher Kinofilm oder Die Welle (Gebäude), ein Geschäftszentrum in Frankfurt am Main bei Wikipedia) eine Sache verstanden wird. Insbesondere wird ohne einen besonderen Hinweis bei Nennung des Wortes „Welle" nicht etwa ein Bezug zur Beklagten hergestellt, denn in der Allgemeinheit ist dieser Ort — anders als etwa die Städte Kiel und Essen, die beide ebenfalls eine Sachbezeichnung als Namen führen – nicht bekannt; Entgegenstehendes hat die Beklagte in konkreter Form selbst nicht vorgetragen.

Auch Personen, die die Beklagte kennen, ist die allgemeine Bedeutung von „Welle" geläufig, sodass auch bei ihnen nicht schon die bloße Nennung der Domain den Bezug zur Beklagten auslöst; vor diesem Hintergrund scheidet die Annahme der Beklagten aus, die allgemeine Verwendung der Domain www.welle.de führe zu einer Zuordnungsverwirrung und bedeute eine Verletzung ihres Namensrechtes.

Vor diesem Hintergrund bedeutet der Umstand, dass die Beklagte den Namen „Gemeinde Wellet‘ führt, als solcher keine gegenüber dem Kläger bessere Rechtsposition in Bezug auf die streitgegenständliche Domain, denn in Bezug auf die Domain gilt in einem solchen Fall schlicht die Priorität. Dies gilt insbesondere ohne besondere weitere Erwägungen, weil nicht einmal die Beklagte geltend macht, der Kläger betreibe „Domain-Grabbing", habe sich also die Domain gesichert, um aus dem zu erwartenden Wunsch der Beklagten finanzielle Vorteile zu ziehen. (MT) Umgekehrt ist es angesichts der Unbekanntheit der Beklagten unmittelbar glaubhaft, wenn der Kläger vorträgt, sich die Domain gesichert zu haben, um sie gegebenenfalls an einen Interessenten weiter zu veräußern: eine solche Tätigkeit dürfte unter keinem Aspekt zu beanstanden sein; sie gibt aber jedenfalls der Beklagte keinen Anspruch gegenüber dem älteren Recht des Klägers.

Die Eintragung der Dispute-Vormerkung behindert den Kläger im Kern seiner gewerblichen Betätigung, denn er erzielt seine Einnahmen u.a. mit der Veräußerung von Domains; ein Recht hierzu hat die Klägerin nach allem nicht.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: € 25.000,-.

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