Verletzung des rechtlichen Gehörs bei Markenanmeldungen

09. Juni 2009
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Eigener Leitsatz

Wenn die Markenstelle eine Markenanmeldung wegen fehlender Schutzwürdigkeit zurückweist, obwohl die Anmelderin eine Fristverlängerung beantragt hat, um Parallelverfahren abzuwarten, ist der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der auch für behördliche Verfahren gilt, verletzt worden. Dies ist erst Recht der Fall, wenn in den anderen Verfahren die Schutzwürdigkeit ähnlich gelagerter Fälle angenommen worden ist.

 Bundespatentgericht

Beschluss vom 14.05.2009

Az.: 33 W (pat) 97/08

 
In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 29 240.1 hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 14. Mai 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Bender und der Richter Kätker und Knoll beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Juli 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur Fortsetzung des Eintragungsverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
Die als Wort-/Bildmarke angemeldete grafisch ausgestaltete Bezeichnung ist am 4. Mai 2007 für zahlreiche Dienstleistungen der Klassen 35 bis 37 und 39 bis 43 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes die Markenanmeldung wegen fehlender Schutzfähigkeit zurückgewiesen, wobei im Wesentlichen auf einen vorangegangenen Beanstandungsbescheid verwiesen worden ist.
Nach Auffassung der Markenstelle stellt die angemeldete Marke eine beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar, der auch die Unterscheidungskraft fehlt. Die Marke weise lediglich darauf hin, dass die Dienstleistungen für mit Arkaden ausgestaltete Immobilien oder als Arkaden bezeichnete Einkaufspassagen in der Stadt Neuss bestimmt seien oder dort angeboten und/oder erbracht würden. Die grafische Gestaltung sei nicht schutzbegründend. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die in Bezug auf das Beschwerdeverfahren beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben, die Sache zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Die Anmelderin verfüge über eine Markenserie, welche den grafisch gestalteten Bestandteil „ARCADEN“ als Stammbestandteil aufweise. Dieser Stammbestandteil sei in sämtlichen Serienzeichen um ein Wortelement ergänzt. Die gleich gebildeten Serienzeichen seien von der Markenstelle ungleich behandelt worden. Einige Anmeldungen seien zurückgewiesen worden, andere seien zur Eintragung gelangt.

Um eine einheitliche Praxis zu erzielen, habe die Anmelderin vor dem Deutschen Patent- und Markenamt in sämtlichen Verfahren, in denen die Anmeldung beanstandet worden sei, Fristverlängerung beantragt. Diese erste Fristverlängerung sei mit Bescheid vom 12. Dezember 2007 bewilligt worden bis zum 10. Juni 2008. Im Hinblick auf ein anhängiges Erinnerungsverfahren in einem der Parallelverfahren habe die Anmelderin dann am 10. Juni 2008 eine weitere Fristverlängerung beantragt. Ohne Berücksichtigung dieses Antrags habe die Markenstelle am 11. Juli 2008 den angefochtenen Beschluss erlassen.

Der Senat hat die Akten der Markenanmeldung 307 29 239.8 (MOERS ARCADEN; siehe Bl. 10 und Bl. 23/32 d. A.) kurzfristig beigezogen und folgendes festgestellt:

Beim Deutschen Patent- und Markenamt sind und waren etliche Parallelverfahren der Anmelderin anhängig, bei denen entsprechend der vorliegenden Anmeldung ein Ortsnamen mit dem grafisch ausgestalteten Wort „ARCADEN“ kombiniert ist. Die Anmelderin hat zu dem, dem vorliegenden Beschwerdeverfahren vorangegangenen DPMA-Verfahren mit einem am 10. Juni 2008 eingegangenen Telefax Fristverlängerung beantragt. Dieser Antrag bezog sich auf das Verfahren 307 29 239.8 (Markenanmeldung „MOERS ARCADEN“) und das vorliegende Verfahren.

Der Antrag ist nur zu den Akten des Parallelverfahrens gelangt. Der Fristverlängerungsantrag war damit begründet worden, dass mit der Entscheidung zugewartet werden möge, bis in einem weiteren Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen 306 34 112.3 (Markenanmeldung „BASEL ARCADEN“) über die dort bereits anhängige Erinnerung entschieden ist. Diesem Fristverlängerungsgesuch hat die Markenstelle im Parallelverfahren 307 29 239.8 entsprochen. In dem hier zu beurteilenden Verfahren hat die Markenstelle die zunächst bewilligte Fristverlängerung zur Stellungnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 6. Juli 2007 – anders als im Parallelverfahren 307 29 239.8 – und trotz des rechtzeitig vor dem Fristablauf eingereichten weiteren Fristverlängerungsantrags dagegen nicht verlängert, sondern vielmehr am 11. Juli 2008 durch Beschluss entschieden und die Anmeldung zurückgewiesen. In dem Erinnerungsverfahren mit der Markenanmeldung „BASEL ARCADEN“ hat die Markenstelle die Frage der Eintragungsfähigkeit positiv beurteilt. Dies führte dazu, dass die Markenstelle auch im Parallelverfahren 307 29 239.8 („MOERS ARCADEN“) ihre Bedenken gegen die Eintragungsfähigkeit hat fallen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg. Das Verfahren vor der Markenstelle leidet an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG, weil der Anspruch der Anmelderin auf rechtliches Gehör verletzt worden ist, Art. 103 GG. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der als rechtsstaatliches Prinzip mit Verfassungsrang nicht nur für gerichtliche Verfahren, sondern auch für behördliche Verfahren gilt (vgl. § 59 Abs. 2 MarkenG; siehe auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 59 Rdn. 10), garantiert den Beteiligten eines Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das entscheidende Gericht bzw. die entscheidende behördliche Stelle ihr Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144).

Ausweislich der beigezogenen Amtsakte 307 29 239.8 (Markenanmeldung „MOERS ARCADEN“) hat die Anmelderin am 10. Juni 2008 u. a. zum streitgegenständlichen Anmeldeverfahren vor der Markenstelle einen Fristverlängerungsantrag eingereicht, den die Markenstelle nicht zur Kenntnis genommen und folglich bei der weiteren Verfahrensgestaltung und Entscheidung auch nicht berücksichtigt hat. Dabei ist es unerheblich, dass dem entscheidenden Prüfer kein persönlicher Vorwurf gemacht werden kann, weil der Antrag nicht zu den Akten gelangt ist und er ihn deshalb überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen konnte.

Allein durch die Nichtberücksichtigung des mit Gründen versehenen Antrags ist objektiv das rechtliche Gehör verletzt worden. Entsprechend der Vorgehensweise im Parallelverfahren 307 29 239.8 (Markenanmeldung „MOERS ARCADEN“) hätte es im Übrigen auch vorliegend einer sachgerechten Verfahrensgestaltung entsprochen, dem Fristverlängerungsantrag stattzugeben und den Ausgang des anhängigen Erinnerungsverfahrens in dem weiteren Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen 306 34 112.3 (Markenanmeldung „BASEL ARCADEN“) abzuwarten, um widersprechende Entscheidungen in gleichzeitig anhängigen Verfahren möglichst zu vermeiden. Für eine unterschiedliche verfahrensmäßige Behandlung der beiden gleichgelagerten Markenanmeldungen „NEUSS ARCADEN“ und „MOERS
ARCADEN“ gab es keine sachlichen Gründe.

Es ist nach Auffassung des Senats auch angemessen, die Sache gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG zur Fortsetzung des Eintragungsverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverweisen und nicht selbst in der Sache zu entscheiden. Die Zurückverweisung steht im Ermessen des Senats, wobei im Einzelfall abzuwägen ist zwischen dem Interesse an einer erneuten Befassung des Deutschen Patent- und Markenamts mit der Sache einerseits und der Verfahrensbeschleunigung andererseits (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 70 Rdn. 5). Nach Auffassung des Senats sind bei der zu treffenden Ermessensentscheidung zudem die Interessen der Beteiligten selbst angemessen zu berücksichtigen. Vorliegend erscheint es insbesondere unter dem letztgenannten Gesichtspunkt sachgerecht, die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen, zumal dies dem Antrag der Anmelderin als der einzigen Verfahrensbeteiligten entspricht. Aufgrund der verfahrensfehlerhaften Vorgehensweise der Markenstelle, die zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Anmelderin geführt hat, entspricht es auch der Billigkeit, die Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG zurückzuerstatten (vgl. dazu Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 71 Rdn. 32).

Auch wenn die unterlassene Zuleitung des Fristverlängerungsantrags zum vorliegenden Anmeldeverfahren und die daraus folgende Gehörsverletzung durch das Verhalten der Anmelderin selbst etwas begünstigt worden ist, rechtfertigt dies noch keine andere kostenrechtliche Beurteilung. Denn auch wenn die Anmelderin Fristverlängerung zu zwei verschiedenen Verfahren lediglich mit einem Schriftsatz beantragt hat, hätte die Markenstelle diese Eingabe gleichwohl beiden Verfahren zuleiten und in beiden Verfahren berücksichtigen müssen.

Bender Kätker Knoll

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