Negative Feststellungsklage bei unerlaubt begangenen Handlungen

11. Februar 2009
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Amtlicher Leitsatz:

a) Die Feststellungsklage des Gläubigers zur Beseitigung eines Widerspruchs des Schuldners gegen die Anmeldung einer Forderung als solche auf Grund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist nicht an die Einhaltung einer Klagefrist gebunden.

b) Der (beschränkte) Widerspruch des Schuldners gegen die Anmeldung einer Forderung als solche auf Grund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung kann ohne Befristung im Wege einer negativen Feststellungsklage weiterverfolgt werden.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 18.12.2008

Az.: IX ZR 124/08

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der bis zum 15. Oktober 2008 eingegangenen Schriftsätze durch die Richter … am 18. Dezember 2008

für R e c h t erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 15. Februar 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 695,15 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Im dem am 29. Oktober 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten hat die Klägerin eine Forderung in Höhe von insgesamt 1.573,96 € auf Sozialversicherungsbeiträge angemeldet. Hierin sind 695,15 € Arbeitnehmeranteile enthalten. Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte schulde diesen Betrag aufgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gemäß § 266a StGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB. Dieser Anmeldung hat die Beklagte widersprochen, soweit die Klägerin ihren Anspruch auf eine deliktische Beitragsvorenthaltung gestützt hat.

Nach Ankündigung der Schlussverteilung am 9. Mai 2005 und Aufhebung des Insolvenzverfahrens sowie Ankündigung der Restschuldbefreiung hat die Klägerin am 26. März 2007 Klage auf Feststellung des Bestehens einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung in Höhe eines Teilbetrags von 695,15 € erhoben. Mit Urteil vom 9. Oktober 2007 hat das Amtsgericht dieser Feststellungsklage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Feststellungsklage sei nach § 256 Abs. 1 ZPO, § 184 InsO zulässig. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin sei gegeben. Die Feststellungsklage nach § 184 InsO könne auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erhoben werden. Eine Ausschlussfrist zur Erhebung der Feststellungsklage bestehe nicht. Eine entsprechende Anwendung des § 189 Abs. 1 InsO komme mangels vergleichbarer Interessenlage und planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Die Klägerin sei berechtigt gewesen, auch nach der Schlussverteilung und der Bekanntmachung des Schlusstermins Klage zu erheben. Die Klage sei überdies begründet. Die Klägerin habe die Arbeitslöhne noch ausgezahlt. Ihren Vortrag, die Abführung der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge hätte der Insolvenzanfechtung unterlegen, so dass kein Schaden eingetreten sei, habe sie nicht substantiiert.

II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

1. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Feststellung einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gegen den widersprechenden Schuldner kann nicht deswegen verneint werden, weil das Insolvenzverfahren inzwischen aufgehoben worden ist.

Das Gesetz kennt keine Frist, innerhalb welcher der Gläubiger Klage erheben muss, um den unbeschränkten Widerspruch des Schuldners gemäß § 201 Abs. 2 Satz 2, § 184 Abs. 1 InsO zu beseitigen. Ebenso sieht das Gesetz keine Klagefrist für den Gläubiger vor, wenn der Schuldner eine Forderung mit dem Rechtsgrund vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung anmeldet und der Schuldner dieser Anmeldung beschränkt auf den Rechtsgrund nach § 175 Abs. 2 InsO widerspricht.

Die Revision vertritt ebenso wie ein Teil des Schrifttums den Standpunkt, dem Gläubiger obliege die Klageerhebung gegen den beschränkten Widerspruch des Schuldners gemäß § 175 Abs. 2 InsO in analoger Anwendung von § 189 Abs. 1 InsO innerhalb einer hier verstrichenen Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung des Verzeichnisses der Schlussverteilung (vgl. Braun/Specovius, InsO 3. Aufl. § 184 Rn. 2; FK-InsO/Kießner, 4. Aufl. § 184 Rn. 10, § 189 Rn. 26; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 184 Rn. 110 f; Breutigam/Kahlert ZInsO 2002, 469 ff; im Ergebnis auch HmbKomm-InsO/Herchen, 2. Aufl. § 184 Rn. 14). Nach anderer Ansicht soll das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage des Gläubigers nur bis zur Ankündigung der Restschuldbefreiung bestehen (Hattwig ZInsO 2004, 636 ff).

Der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist zu entnehmen, dass die Klage des Gläubigers erhoben werden kann, sobald der Schuldner der entsprechenden rechtlichen Einordnung der Forderung in der Anmeldung zur Insolvenztabelle widersprochen hat (BGH, Urt. v. 18. Mai 2006 – IX ZR 187/04, ZInsO 2006, 704, 705; v. 18. Januar 2007 – IX ZR 176/05; ZInsO 2007, 265, 266 Rn. 8; v. 17. Januar 2008 – IX ZR 220/06, ZInsO 2008, 325, 327 Rn. 15). Dieses Feststellungsinteresse dauert grundsätzlich auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens fort. Es kann nicht im Wege der Rechtsfortbildung an die Einhaltung einer bestimmten Klage- oder Ausschlussfrist, wie sie § 189 Nr. 1 InsO enthält, gekoppelt werden (OLG Stuttgart ZIP 2008, 2090; LG Aschaffenburg ZInsO 2006, 1335, 1336; LG Dessau, Urt. v. 26. Oktober 2006 – 6 O 475/06, juris; MünchKomm-InsO/Schumacher, 2. Aufl. § 184 Rn. 3 a.E.; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht 7. Aufl. Rn. 1649 k; wohl auch Vallender, ZInsO 2002, 110, 112).

a) Es fehlt für die Widerspruchsbeseitigung des Gläubigers schon an einer Lücke im Gesetz, die durch Analogie zu § 189 Abs. 1 InsO geschlossen werden könnte. Der Widerspruch des Schuldners hat auf die Verteilung der Masse keinen Einfluss, ganz gleich, ob er sich gegen die Anmeldung insgesamt oder nur gegen den behaupteten Rechtsgrund eines Vorsatzdelikts richtet. Die Feststellungsklage gegen den nach § 175 Abs. 2 InsO widersprechenden Schuldner ist daher nur außerhalb des Insolvenzverfahrens zu erheben. An einer streitigen gesonderten Feststellung des angemeldeten Anspruchsgrundes zur Tabelle gegenüber dem Insolvenzverwalter kann ein Interesse des Gläubigers nicht bestehen (BGH, Urt. v. 17. Januar 2008, aaO). Ein verfahrensrechtlicher Zwang, den Streit über die Rechtsnatur der angemeldeten und trotz Widerspruchs des Schuldners zur Tabelle festgestellten Forderung vor dem Schlusstermin auszutragen, besteht daher anders als bei einem Widerspruch des Verwalters nicht.

Auch sonst lassen die Wertungen des Gesetzes keine planwidrige Lücke für die weitere Klärung des Anspruchsgrundes nach beschränktem Widerspruch des Schuldners gemäß § 175 Abs. 2 InsO erkennen. Die Vorschrift des § 184 Abs. 2 InsO galt zur Zeit der Klageerhebung noch nicht und betrifft nur die Fälle, in denen der Schuldner entsprechend § 179 Abs. 2 InsO die volle Betreibungslast für seinen Widerspruch trägt.

Der Bundesgerichtshof hat zwar im Anschluss an die Materialien zu dem am 1. Dezember 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I, S. 2710) für wünschenswert erachtet, den zwischen den Beteiligten umstrittenen Charakter der Forderung möglichst frühzeitig zu klären, damit nicht die Ungewissheit andauert, ob trotz der vom Schuldner angestrebten Restschuldbefreiung die betreffende Forderung tituliert und durchgesetzt werden kann oder nicht (vgl. BGH, Urt. v. 18. Mai 2006, aaO; v. 18. Januar 2007, aaO S. 266 Rn. 11 und die Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes vom 26. Oktober 2001, BT-Drucks. 14/5680 S. 27 f). Regelmäßig stimmen allerdings beide Beteiligte in diesem Interesse überein (vgl. BGH, Urt. v. 18. Mai 2006, aaO). Zu diesem Zweck reicht es demnach aus, dass beide Beteiligte durch die Anmeldeobliegenheit im Verfahren (§ 174 Abs. 2 InsO) und den (beschränkten) Schuldnerwiderspruch gemäß § 175 Abs. 2 InsO, der den Weg zur Klage eröffnet, eine Klärung erreichen können. Auch dem Schuldner kann so gesehen das Interesse an einer negativen Feststellungsklage nicht abgesprochen werden (a.A. OLG Hamm ZInsO 2004, 683; LG Bochum ZInsO 2003, 1051). Dafür kann insbesondere dann ein Bedürfnis bestehen, wenn der Gläubiger es für sinnvoll erachtet, mit der Erhebung einer Feststellungsklage zuzuwarten, etwa bis sich herausstellt, ob dem Schuldner die erstrebte Restschuldbefreiung schon wegen Verletzung von Obliegenheiten nach § 290 oder § 296 InsO zu versagen ist oder ob der Schuldner sich in der Wohlverhaltensphase wirtschaftlich erholt, so dass anschließende Vollstreckungsversuche aussichtsreich erscheinen. Es besteht andererseits kein Anlass, dem Gläubiger von Gesetzes wegen ein solches Zuwarten abzuschneiden, zumal er trotz erfolgreicher Feststellung des Anspruchsgrundes das beträchtliche Risiko läuft, die Erstattung seiner Prozesskosten vom Schuldner nicht erlangen zu können.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Bundesregierung in der Begründung des Entwurfes für das Gesetz vom 26. Oktober 2001 dargelegt hat, der Streit um das Vorliegen einer Ausnahme von der Restschuldbefreiung gemäß § 302 Nr. 1 InsO sei entsprechend einem Vorrechtsstreit nach § 146 KO auszutragen (BT-Drucks. 14/5680 S. 27). Welche Schlussfolgerungen hieraus für die Beseitigung des Schuldnerwiderspruchs gemäß § 201 Abs. 2 Satz 2 InsO zu ziehen sind, hat die Bundesregierung im Einzelnen nicht ausgeführt. Jedenfalls lässt diese Parallele erkennen, dass ein beschränkter Widerspruch des Schuldners gegen die Anmeldung des Rechtsgrundes eines Vorsatzdelikts statthaft ist (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 2007 aaO Rn. 10) und die Anmeldung des Rechtsgrundes entsprechend § 142 Abs. 2 KO auch für bereits zur Tabelle festgestellte Forderungen noch nachgeholt werden kann (BGH, Urt. v. 17. Januar 2008, aaO Rn. 12). Die Parallele zum Vorrechtsstreit würde jedoch überzogen, wenn hieraus abgeleitet werden sollte, der Streit um den Forderungsgrund eines Vorsatzdelikts müsse nach der Vorstellung des Gesetzgebers bis zum Schlusstermin ausgetragen werden. Denn insoweit liegen beide Streitgegenstände unterschiedlich. Das festgestellte Konkursvorrecht privilegiert den Gläubiger bei der Verteilung der Masse und muss deshalb im Laufe des Verfahrens rechtsverbindlich geklärt sein. Der festgestellte Forderungsgrund des Vorsatzdelikts privilegiert den Gläubiger erst gegenüber der gewährten Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO und kann daher nach Anmeldung und Widerspruch des Schuldners der Klärung außerhalb des Insolvenzverfahrens und nach seinem Abschluss überlassen bleiben.

b) Gegen die Annahme einer Ausschlussfrist zur Erhebung der Feststellungsklage des Gläubigers entsprechend § 189 Abs. 1 InsO bei beschränktem Widerspruch des Schuldners gegen den angemeldeten Forderungsgrund eines Vorsatzdelikts sprechen zudem verfassungsrechtliche Bedenken.

Aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz, der für den Zivilprozess durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gewährleistet ist (BVerfGE 85, 337, 345; 93, 99, 107; 97, 169, 185) und das Gebot der Rechtsschutzklarheit einschließt (vgl. BVerfGE 107, 395, 416), folgt die Pflicht des Gesetzgebers, den Weg zur Erlangung gerichtlichen Rechtsschutzes klar vorzuzeichnen. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage müssen daher, soweit ausschließende Klagefristen in Betracht kommen, vom Gesetzgeber in der Rechtsordnung deutlich geregelt werden. Dem Richter ist es verwehrt, durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen (BVerfGE 37, 132, 141 ff; 49, 244, 248 ff; 53, 352, 356; 79, 80, 84 f; 84, 366, 369 f). Erst recht ist der Richter dann durch die grundrechtlichen Gewährleistungen daran gehindert, in den von Art. 14 Abs. 1 GG verbürgten Rechtsschutzanspruch des Klägers im Wege richterlicher Rechtsfortbildung in der Weise einzugreifen, dass dem Kläger im Gesetz nicht vorgesehene Klagefristen gesetzt und derselbe bei danach verspäteter Klageerhebung mit seinem Rechtsschutzbegehren ohne Sachprüfung abgewiesen wird. Die eine solche Rechtsfortbildung bezweckende Revision kann auch aus diesem Grunde keinen Erfolg haben.

2. Gegen die materiell-rechtlichen Ausführungen des Berufungsurteils erhebt die Revision keine Rügen. Diese sind rechtlich auch nicht zu beanstanden.

Vorinstanzen:
AG Holzminden, Entscheidung vom 09.10.2007 – 2 C 144/07 –
LG Hildesheim, Entscheidung vom 15.02.2008 – 7 S 263/07 –

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