Persönlichkeitsverletzung durch „Toto & Harry“

10. Februar 2009
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
5021 mal gelesen
0 Shares

Eigener Leitsatz:

Nicht jede rechtswidrige und schuldhaft begangene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eigenen Bild löst einen Anspruch auf Geldentschädigung aus. Es muss sich vielmehr um einen schwerwiegenden Eingriff handeln, was auf Grundlage der gesamten Umstände und insbesondere nach Art und Schwere der Beeinträchtigung und dem Verschuldensgrad zu beurteilen ist.

Oberlandesgericht Hamm

Beschluss vom 19.11.2008

Az.: 11 U 207/07

Beschluss

Tenor:  

Der Kläger wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Berufung gegen das am 26. Oktober 2007 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgericht Bochum gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt das beklagte Land wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch.

Der Kläger ist von Beruf Busfahrer. Er war am 11.11.2006 gegen 23.00 Uhr in C mit einem von ihm geführten Kraftomnibus an einem Verkehrsunfall beteiligt, der anschließend von den Polizeibeamten PK X und POK I aufgenommen wurde. Zur Unfallaufnahme erschienen die Polizeibeamten X und I, deren dienstliche Tätigkeit Gegenstand der für den TV-Sender SAT 1 produzierten Fernsehserie "Toto & Harry" ist, in Begleitung eines Kameramanns, der die Unfallaufnahme und in diesem Zusammenhang auch den Kläger mittels einer mitgeführten Filmkamera filmte.

Dass es sich bei den Polizeibeamten X und I um die Protagonisten der genannten Fernsehserie handelt, wurde dem Kläger aufgrund einer Anfrage seines Bevollmächtigten mit Schreiben des Polizeipräsidiums C vom 04.01.2007 bestätigt. Der Kläger nahm dies zum Anlass, mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 10.01.2007 darauf hinweisen zu lassen, dass er unter keinen Umständen mit Filmaufnahmen einverstanden gewesen sei. In Beantwortung dieses Schreibens teilte ihm das Polizeipräsidium C schließlich mit Schreiben vom 02.02.2007 mit, dass "behördlicherseits" die Vernichtung des anlässlich der Unfallaufnahme am 11.11.2006 gefertigten Filmmaterials veranlasst worden sei.

Der Kläger hat behauptet, er habe zwar bemerkt, dass die Unfallaufnahme gefilmt wurde, sei aber davon ausgegangen, dass es sich bei der zusammen mit den Polizeibeamten X und I erschienenen Person gleichfalls um einen Mitarbeiter der Polizeibehörde handele. Erst nach Abschluss der polizeilichen Unfallaufnahme habe ihm der die Polizeibeamten X und I begleitende Kameramann eher beiläufig erklärt, er sei vom Fernsehen und er -der Kläger- habe ja gesehen, dass er gefilmt werde. Daraufhin habe er -der Kläger- entgegnet, er wolle keine Veröffentlichung der gemachten Aufnahmen, ohne allerdings eine entsprechende Zusage zu erhalten. Die Anfertigung ungenehmigter Filmaufnahmen empfinde er als schwere Persönlichkeitsverletzung, die sich zugleich als eklatanter Verstoß gegen die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes darstelle, da die Polizeibehörde unter Missachtung jeglicher datenschutzrechtlicher Bestimmungen privaten Fernsehanstalten und Produktionsfirmen durch Teilhabe an der regulären Polizeiarbeit Kenntnis von polizeiinternen Vorgängen verschafft und Betroffene in Verkehrsordnungswidrigkeitsangelegenheiten durch öffentliche Filmaufnahmen geradezu vorgeführt habe. Ungeachtet gegenteiliger Beteuerungen des Polizeipräsidiums C habe er wochen- und monatelang in der -im Übrigen andauernden- Befürchtung gelebt, dass sein "verkehrstechnisches" Missgeschick und sein nachfolgendes Verhalten bundesweit und möglicherweise sogar im angrenzenden Ausland ausgestrahlt und er selbst so der Lächerlichkeit preisgegeben werde.

Das beklagte Land hat dem entgegen gehalten, das anlässlich der Unfallaufnahme am 11.11.2006 erstellte Filmmaterial sei nicht veröffentlicht und inzwischen auch vernichtet worden. Die bloße Fertigung der Filmaufnahmen stelle überdies auch keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers dar, da der Kläger sie wahrgenommen und hierin ausdrücklich eingewilligt habe, es mithin nicht um einen Fall der Bildniserschleichung gehe. Abgesehen davon habe die filmische Dokumentation der Unfallaufnahme der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit gedient, das dabei ein etwaiges Interesse des Klägers, nicht gefilmt zu werden, überwiege. Ohnehin sei ihm -dem beklagten Land- die Herstellung der Filmaufnahmen nicht zuzurechnen, da sie weder von eigenen Beamten oder Angestellten noch in seinem Auftrag gefertigt worden seien. Zudem stehe dem Kläger selbst im Falle einer -bestrittenen- Persönlichkeitsverletzung kein Entschädigungsanspruch zu, nachdem eine Veröffentlichung der bei der Unfallaufnahme erstellten Filmaufnahmen nicht erfolgt sei und auch in Zukunft nicht zu befürchten stehe. Dass der Kläger wochenlang in der Sorge gelebt habe, dass es zu einer Ausstrahlung der gefertigten Filmaufnahmen kommen könne, werde mit Nichtwissen bestritten. Überdies sei eine etwaige Haftung auch bei Annahme einer Persönlichkeitsrechtsverletzung nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nur subsidiär.

Das Landgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet abgewiesen. Es hat zur Begründung unter näherer Darlegung ausgeführt, zwar sei das Verhalten der unfallaufnehmenden Polizeibeamten als amtspflichtwidrig einzustufen, da die Anfertigung von Filmaufnahmen im Zuge der polizeilichen Unfallaufnahme dem öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbereich zuzuordnen und (schon) mangels hinreichender Aufklärung über deren Zweck sowie Art und Umfang ihrer geplanten Ausstrahlung nicht durch eine wirksame Einwilligung des Klägers gedeckt gewesen sei, weshalb hierin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers zu sehen sei. Es fehle indes an der besonderen Schwere dieser Persönlichkeitsverletzung als Voraussetzung eines daraus folgenden Entschädigungsanspruchs des Klägers, da es zu einer Ausstrahlung der erstellten Filmaufnahmen nicht gekommen sei und schon aufgrund des langen Zeitraums zwischen deren Fertigung und den erstmals mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29.12.2006 hiergegen erhobenen Einwänden des Klägers nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der Kläger hierdurch nachhaltig betroffen gefühlt habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren unter Wiederholung, Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags -insbesondere zum Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsverletzung- weiterverfolgt.

Das beklagte Land verteidigt das angefochtene Urteil dagegen unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags als richtig.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat in der Sache aber keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat zudem weder grundsätzliche

Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

1.

Zugunsten des Klägers kann als richtig unterstellt werden, dass -wie das Landgericht dies beurteilt hat- das Verhalten der unfallaufnehmenden Polizeibeamten amtspflichtwidrig war, weil die im Zuge der polizeilichen Unfallaufnahme erfolgte und so dem öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbereich zugeordnete Anfertigung von Filmaufnahmen mangels hinreichender Aufklärung des Klägers über deren Zweck sowie Art und Umfang ihrer geplanten Ausstrahlung nicht durch eine wirksame Einwilligung des Klägers gedeckt war und so -schuldhaft- sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzte.

2.

Allein dies vermag im Streitfall -wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat- einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Geldentschädigung aber noch nicht zu begründen.

a)

Allerdings kann die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seiner besonderen Erscheinungsformen wie etwa das Recht am eigenen Bild bei einer lebenden Person einen Anspruch auf Ausgleich immaterieller Schäden begründen. Dieser Anspruch auf Geldentschädigung gründet nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf dem Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und wird dem gemäß aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und Art. 2 GG hergeleitet (BGH MDR 2006, 930 unter Hinweis auf BGH MDR 1995, 804; MDR 2005, 393; MDR 1996, 366 = VersR 1996, 339 f.; MDR 1996, 365 = VersR 1996, 341 f.; MDR 2000, 1147; BVerfGE 34, 269 [292] – Soraya; BVerfG v. 8.3.2000 – 1 BvR 1127/96, MDR 2000, 829 = VersR 2000, 897 f.). Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beruht dabei auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht mithin -anders als beim Schmerzensgeld- regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund, daneben soll sie der Prävention dienen (BGH MDR 2005, 393 unter Hinweis auf BGH MDR 1995, 804; MDR 1996, 366 = VersR 1996, 339 [340]; MDR 1996, 365 = VersR 1996, 341 [342]).

b)

Andererseits löst nicht jede rechtswidrige und auch schuldhaft begangene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild einen Anspruch auf Geldentschädigung aus. Eine solche kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt, anderweitige befriedigende Ausgleichsmöglichkeiten nicht bestehen und in der Gesamtwürdigung ein unabwendbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung besteht (BGH MDR 1996, 365; OLG Celle OLGR 2001, 43 ff, 45; OLG Frankfurt, OLGR 2007, 550; OLGR 2003, 323 f, 324).

Ob eine schwere Persönlichkeitsverletzung, die aufgrund des Präventionsgedankens nur mit einer Geldentschädigung ausgeglichen werden kann, vorliegt, ist jeweils auf der Grundlage der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei sind insbesondere Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung und der Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen. Darüber hinaus spielen auch etwaige Auswirkungen auf die private Lebensführung und/oder berufliche Tätigkeit des Betroffenen sowie der Umfang des Adressatenkreises eine Rolle.

aa)

Hiervon ausgehend, lässt sich für den Streitfall feststellen, dass die Fertigung der beanstandeten Filmaufnahmen -wie dem Kläger zuzugeben ist- in erster Linie der Befriedigung eines Unterhaltungsinteresses von im Zweifel eher geringem Niveau diente, dagegen nicht durch ein ernstzunehmendes Informationsinteresse der Allgemeinheit gedeckt war. Zu beanstanden ist dabei weiterhin -wie bereits das Landgericht zutreffend dargelegt hat- dass es die unfallaufnehmenden Polizeibeamten auch nach Vortrag des beklagten Landes unterlassen haben, den Kläger in der gebotenen Form darüber aufzuklären, dass die von dem Kameramann T gefertigten Filmaufnahmen einer möglichen Ausstrahlung im Rahmen der Fernsehreihe "Toto & Harry" dienen sollten, was allein den Kläger in die Lage versetzt hätte, die Tragweite einer etwaigen Einverständniserklärung zu erkennen. Der dem Kläger angeblich gegebene Hinweis des Kameramanns T, er "dokumentiere die Polizeiarbeit für SAT 1" (so Klageerwiderung vom 03.05.2007, S. 3) war insoweit unzureichend und im Gegenteil eher irreführend, er entband die unfallaufnehmenden Polizeibeamten daher nicht von einer eigenen Aufklärung des Klägers, zu der hier nicht zuletzt deshalb besondere Veranlassung bestand, weil sich nach allgemeiner Lebenserfahrung eine Unfallsituation und die daran anschließende polizeiliche Unfallaufnahme für die Unfallbeteiligten häufig als nicht unerheblich belastende Ausnahmesituation darstellt.

bb)

Für den Vorwurf des Klägers, Sinn und Zweck der gefertigten Filmaufnahmen sei es gewesen, ihn als "Sünder" aufzunehmen und bei der beabsichtigten Ausstrahlung vor einem Millionenpublikum zur Befriedigung der Sensationsgier der Fernsehzuschauer gleichsam an den Pranger zu stellen, fehlt allerdings jeder konkrete Anhalt. Wie das beklagte Land unwidersprochen geltend macht, wurde nicht der eigentliche Unfallhergang, sondern allein die nachfolgende Unfallaufnahme gefilmt und in diesem Zusammenhang die Beteiligung des Klägers an einem Unfallereignis dokumentiert. Dass im Zuge der Unfallaufnahme eine Schuldzuweisung in Richtung des Klägers erfolgte oder aufgrund sonstiger in diesem Zusammenhang getroffener -und mit gefilmter- Feststellungen der unfallaufnehmenden Polizeibeamten der Eindruck eines dem Kläger anzulastenden Fehlverhaltens vermittelt wurde, ist weder dargetan noch erkennbar, ebenso wenig wie auch ein sachlicher Anknüpfungspunkt für die vom Kläger geäußerte Befürchtung, er könne "in einer öffentlichen Fernsehsendung als dummer Bayer im Ruhrgebiet vorgeführt werden, der dort offenkundig den Anforderungen des Straßenverkehrs nicht gewachsen ist" (Klageschrift S. 7).

Gegen die Annahme einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung des Klägers spricht überdies, dass es zu einer Ausstrahlung des bei der Unfallaufnahme am 11.11.2006 erstellten Filmmaterials nicht gekommen ist, sich die genannten Befürchtungen des Klägers mithin -jedenfalls bislang- nicht bewahrheitet haben und dem Kläger zudem unbenommen bleibt, die von ihm beanstandete Amtspflichtwidrigkeit des polizeilichen Vorgehens im Zuge der Unfallaufnahme vom 11.11.2006 zum Gegenstand einer Dienstaufsichtsbeschwerde zu machen, während er einer künftigen Veröffentlichung etwaiger nach seiner Befürchtung noch vorhandener Filmaufnahmen durch Inanspruchnahme der seinerzeit für SAT 1 tätigen Produktionsfirma U GmbH auf Unterlassung und ggfs. Vernichtung noch vorhandenen Filmmaterials zuvor kommen kann.

Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht im Ergebnis mit Recht ein Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung verneint, selbst wenn richtig sein sollte, dass der Kläger sich -anders als vom Landgericht angenommen- aus schlichter Unkenntnis bestehender Rechtsschutzmöglichkeiten erst mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29.12.2006 erstmals gegen die beanstandeten Filmaufnahmen gewandt hat, wie die Berufung geltend macht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a