„Advoscout“ – „Anwaltscout“

12. November 2008
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Eigener Leitsatz:

Der Markennamen „Advoscout“ ist aufgrund der Kombination eines veralteten deutschen Fachbegriffs mit erkennbaren lateinischen Wurzeln, „Advokat“, mit einem modernen englischen, allenfalls neudeutschen Wort, „Scout“, ein überraschender Gegensatz und somit vergleichsweise ungewöhnlich, so dass im im Gegensatz zu „Anwaltscout“ die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann. „Anwalt“ als deutscher Begriff verbunden mit „Scout“, was in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt ist, kann in Kombination gerade nicht als Marke angemeldet werden.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 20.05.2008

Az.: 33 W (pat) 41/06

Beschluss

In der Beschwerdesache betreffend die Markenanmeldung … hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2008 unter Mitwirkung … beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Juli 2005 und 9. Februar 2006 aufgehoben.

Gründe

I

Am 24. August 2003 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke Advoscout für folgende Dienstleistungen angemeldet worden (Dienstleistungsverzeichnis in der Fassung des Schriftsatzes vom 26. Juli 2004):

Klasse 35: Werbung für Rechtsanwälte, Notare und angrenzende Berufsgruppen;

Klasse 38: Bereitstellung von Informationen mittels aller Arten der Telekommunikation, insbesondere mittels Internet, Telefon und Telefax;

Klasse 42: Vermittlung von Rechtsberatung.

Mit Beschlüssen vom 28. Juli 2005 und vom 9. Februar 2006, letzterer im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle fehlt der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft. Sie setze sich aus den Bestandteilen „Advo-„, bei dem es sich um eine gebräuchliche Abkürzung für „Advokat“ (Rechtsanwalt) handele und dem Begriff „Scout“ zusammen. Letzterer stamme ursprünglich aus dem Englischen und sei inzwischen in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen, wo er besonders im Internet als üblicher und rein beschreibender Ausdruck für Such- und Vermittlungsdienste verwendet werde. Der Verkehr werde in der angemeldeten Marke daher lediglich einen beschreibenden Begriffsgehalt dahingehend sehen, dass die so gekennzeichneten Dienstleistungen als Suchhilfe für Anwälte dienten, etwa für Rechtsuchende zur Auffindung des richtigen Anwalts oder für Anwälte, z. B. um Entscheidungen im Internet recherchieren zu können. Dabei liege keine Mehrdeutigkeit vor, da beide Varianten, je nach Art der angesprochenen Verkehrskreise und Dienstleistungen, möglich seien und nicht in Widerspruch zueinander stünden. Die angemeldete Wortkombination vermittle keinen fantasievollen Gesamteindruck. Zwar sei sie lexikalisch nicht nachweisbar, was bei der unendlichen Vielfalt von möglichen Wortkombinationen auch nicht erforderlich sei, jedoch sei sie grammatikalisch korrekt gebildet und reihe sich mühelos in Wortfolgen ein, wie etwa „Immobilienscout, Apothekenscout, Autoscout, Teescout, Arzneimittelscout“. Damit fehle der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, dass die angemeldete Marke angesichts des nach der Rechtsprechung anzuwendenden großzügigen Maßstabs die dementsprechend geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft erfülle. Die Anmeldemarke werde vom Verkehr keinesfalls stets als beschreibend, sondern im Zweifel als Kennzeichnung eines Unternehmens aufgefasst werden. Sie vermittele einen phantasievollen Gesamteindruck, der eine Vorstellung von einer Unternehmensbezeichnung, nicht aber über die vom Unternehmen erbrachten Dienstleistungen hervorrufe. Denn auf die Dienstleistungen könne nicht ohne analysierendes Nachdenken geschlossen werden. Zwar stelle der Begriff „Advo“ eine Abkürzung für „Advokat“ dar, er werde jedoch keineswegs vom überwiegenden Teil des Verkehrs ohne Weiteres als solche erkannt. Dies stellten auch Bezeichnungen wie „advo-discount“, „Advo-web.net“, „Advo-foren“, „ADVO-Zertifikat“ nicht in Frage, da diese kaum verbreitet und eher auf ein Unternehmen schließen ließen. Zudem könne die Marke bei flüchtigem Lesen nicht nur als „Advo-scout“, sondern auch als „Advos-cout“ oder „Ad-vos-cout“ erfasst werden. Dies führe zu einer Mehrdeutigkeit, die zum Nachdenken anrege. Hieraus ergebe sich Unterscheidungskraft. Der Gesamtbegriff weise eine gewisse Originalität und Prägnanz auf, weshalb er für den überwiegenden Teil des Verkehrs weniger auf eine Dienstleistung hinweise, wie dies etwa bei der Bezeichnung „Anwaltssuchservice“ gegeben wäre.

Im Übrigen weise die Anmeldemarke auf die Dienstleistung „Werbung für Rechtsanwälte, Notare und angrenzende Berufsgruppen“ sowie auf das „Bereitstellen von Informationen mittels aller Arten der Telekommunikation“ in keiner Weise hin. Ergänzend verweist die Anmelderin auf die stattgebende Entscheidung des 29. Senats des Bundespatentgerichts vom 21. November 2007 zur Wortmarke „Job Scout 24“ (29 W (pat) 27/04). Selbst wenn der angemeldete Gesamtbegriff keine besondere Originalität und Prägnanz aufweisen würde, wäre die Unterscheidungskraft gegeben, da eine solche besondere Originalität nach der Rechtsprechung nicht gefordert werde. Zumindest ein Rest von Unterscheidungskraft könne dem angemeldeten Begriff nicht abgesprochen werden, da er nicht glatt beschreibend sei und nicht stets als Werbung für Rechtsanwälte, Notare und angrenzende Berufsgruppen und als Angebot für bereit gehaltene Informationen mittels aller Arten der Telekommunikation verstanden werde.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung ist die Anmelderin auf das Ergebnis der Senatsrecherche im parallelen Beschwerdeverfahren 33 W (pat) 42/06 hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

Die Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.

So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Die Marke hat sich nicht als beschreibende Angabe auffinden lassen, auch nicht im Internet, wo angesichts der Markenbildung mit dem angehängten Wort „scout“ am ehesten eine beschreibende Verwendung zu vermuten wäre. Eine Verwendung der Anmeldemarke als aktuell beschreibende Angabe kann also nicht festgestellt werden. Allerdings ist der Markenstelle insoweit zu folgen, als die Marke „Advoscout“ von Teilen der angesprochenen Verkehrskreise auf den Gebieten der Anwaltswerbung, Informationsbereitstellung und Rechtsberatungsvermittlung ohne Weiteres als Kombination der ersten Worthälfte des bekannten Begriffs „Advokat“ (Anwalt, Rechtsanwalt) und des weiteren Begriffs „scout“ erkannt und entsprechend verstanden wird. Dabei kann es dahinstehen, ob „Advo“ überhaupt eine Abkürzung für „Advokat“ ist (so jedenfalls aber www.abkuerzungen.de). Teile des Verkehrs werden zumindest wegen der Übereinstimmung mit dem Anfang des Wortes „Advokat“ letztlich auf eine Kurzform dieses Wortes schließen. Denn zum einen existieren in der deutschen Sprache nur Wortverbindungen mit dem Bestandteil „Advokat“, die mit „Advo…“ beginnen (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl., 2006: „Advocatus Dei“, „Advocatus Diaboli“; Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl., 2000: zusätzlich „advokatisch, Advokatur(büro)“), zum anderen legen gerade die beanspruchten Dienstleistungen ein solches Verständnis nahe. Der zweite Markenbestandteil „scout“ ist für die angesprochenen Verkehrskreise auf dem vorliegenden Dienstleistungsgebiet zudem ohne Weiteres als eingebürgerter Begriff für einen Suchdienst geläufig (vgl. insoweit die Entscheidungsbegründung in der Parallelsache 33 W (pat) 42/06). Der Markenstelle ist daher insoweit zu folgen, als Teile des Verkehrs die Anmeldemarke unschwer im Sinne einer Suchhilfe oder eines Anwaltssuchdienstes für Anwälte verstehen oder zumindest deuten werden.

Dennoch liegt keine Angabe vor, die i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausschließlich aus einer Merkmalsbezeichnung besteht. Vielmehr weist die Anmeldemarke sprachliche Besonderheiten auf, die von einer rein beschreibenden Sachangabe wegführen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass „Advokat“ ein eher bildungssprachliches Wort darstellt, das im deutschen (wohl im Gegensatz zum österreichischen oder schweizerischen) Sprachgebrauch als veraltet erläutert wird (vgl. Duden, a. a. O., ebenso „Advokatur“). Damit bildet es einen ungewöhnlich wirkenden, wenn nicht gar überraschenden Gegensatz zum nachfolgenden Bestandteil „scout“, der als englisches und damit allenfalls „neudeutsches“ Wort bekannt ist. Zudem ist der Begriff „Advokat“ vorliegend auch nur in einer Kurzform in die angemeldete Marke eingefügt. Insofern erscheint die Art der Wortbildung durch Kombination eines veraltenden deutschen Fachbegriffs mit erkennbar lateinischen Wurzeln, zumal in Kurzform, und eines englischen Worts, das wiederum als moderner Begriff für „Suchdienst“ o. Ä. Eingang in den fachlichen Sprachgebrauch gefunden hat, vergleichsweise ungewöhnlich.

Dies gilt auch, soweit einzelne Verkehrsteilnehmer den Bestandteil „Advo“ als Kurzform des englischen Worts „advocate“ auffassen sollten. Denn „advocate“ wird im Gegensatz z. B. zu „lawyer“ in der englischen Sprache in erster Linie nicht als gängiger Ausdruck für einen Anwalt verwendet, sondern für „Verfechter, Befürworter, Fürsprecher“, während die Bedeutungen als Anwalt bzw. Rechtsbeistand eher nebengeordnete bzw. (wie im Deutschen) historische oder regionale Bedeutungen sind (vgl. Langenscheidts Handwörterbuch, Engl.-Dt.).

Die angemeldete Marke wird daher nach Auffassung des Senats vom Verkehr nicht als reine Sachbezeichnung für einen Anwaltssuchdienst o. Ä. aufgefasst werden. Zwar wird der Verkehr durchaus zu einem solchen Verständnis gelangen, mit anderen Worten, er wird davon ausgehen können, dass hinter der Kennzeichnung „Advoscout“ ein Anwaltssuchdienst steht und die so gekennzeichneten Dienstleistungen entsprechend ausgerichtet bzw. spezialisiert sind. Jedoch erkennt er zugleich, dass sich die Kennzeichnung „Advoscout“ wegen ihrer unüblichen Wortbildung bzw. –zusammenstellung nicht als Sachbegriff eignet und in dieser Form eher ungewöhnlich, wenn nicht überraschend wirken würde. Er wird sie damit nicht als „reinen“ Sachbegriff verstehen, der von einer unbestimmten Zahl von Verkehrsteilnehmern, insbesondere Mitkonkurrenten, zur beschreibenden Bezeichnung jeglicher Anwaltssuchdienste verwendet wird. Vielmehr wird er von einer kennzeichnenden Verwendung ausgehen, also vermuten, dass hinter den mit „Advoscout“ bezeichneten Dienstleistungen ein bestimmter Anbieter steht, der seinen Anwaltssuchdienst produktkennzeichnend „Advoscout“ benennt. Eine solche zugleich als Kennzeichnung erkennbare Marke ist jedoch nicht „ausschließlich“ i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG merkmalsbeschreibend. Vielmehr handelt es sich um einen Fall einer so genannten sprechenden Marke.

Dementsprechend liegt hier auch kein Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (mangelnde Unterscheidungskraft) vor. Wie oben ausgeführt, kann die angemeldete Marke zwar als Umschreibung eines Anwaltssuchdienstes erkannt werden, zugleich aber im Rahmen einer sprechenden Marke als selbstgewählte Produktkennzeichnung eines Anbieters. Ihr kann daher nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Damit waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

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