Unwirksame AGB in Rechtsschutzversicherungsverträgen

06. Juli 2012
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Eigener Leitsatz:

Die von einer Versicherungsgesellschaft in Rechtsschutzversicherungsverträgen mit Verbrauchern verwendete AGB „Der Versicherungsnehmer hat, sowie seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder Erschwerung der Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte.“ weist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es ankommt, nicht mit der gebotenen Klarheit darauf hin, welche konkreten Verhaltensweisen ihm durch diese Klausel auferlegt werden. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt, benachteiligt den Vertragspartner entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen. Demnach ist die verwendete Klausel wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot und Benachteiligungsverbot gem. § 307 BGB unwirksam.

Oberlandesgericht München

Urteil vom 22.09.2011

Az.: 29 U 1360/11

Entscheidungsgründe:

I. Der Kläger ist ein – in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener – Verbraucherschutzverein; er beanstandet eine von der beklagten Rechtsschutzversicherungsgesellschaft verwendete AGB-Klausel.

Die Beklagte verwendet gegenüber ihren Versicherungsnehmern folgende AGB-Klausel, die als § 17 Abs. 5 Buchst. c) Unter-Buchst. cc) in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (… ARB 2009; vgl. Anlage K 1) der Beklagten enthalten ist und inhaltsgleich auch in einer Reihe vorausgegangener allgemeiner Rechtsschutzbedingungen der Beklagten enthalten war (im Folgenden: „streitgegenständliche Klausel"):

„§ 17 Verhalten nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles (…)
(5) Der Versicherungsnehmer hat (…)
c) soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, (…)
cc) alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte.

Die (…) ARB 2009 enthalten ferner in § 17 Abs. 6 folgende im 3 Streitfall nicht angegriffene Klausel:

„(6) Wird eine der in den Absätzen 3 oder 5 genannten Obliegenheiten vorsätzlich verletzt, verliert der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz. Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weist der Versicherungsnehmer nach, dass er die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt hat, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

Der Versicherungsschutz bleibt auch bestehen, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt noch die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung ursächlich war. Das gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat."

Rechtsschutzversicherungsunternehmen berufen sich auf die streitgegenständliche oder eine inhaltsgleiche Klausel insbesondere dann, wenn Rechtsanwälte in Angelegenheiten der Arbeitsgerichtsbarkeit für Versicherungsnehmer vorgerichtlich tätig geworden sind und insoweit eine halbe Gebühr neben den für das Gerichtsverfahren anfallenden Gebühren bestehen bleibt (vgl. Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG), die vom Gegner im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu erstatten ist (vgl. BGH NJW 2007, 2049 f.).

Der Kläger ist der Auffassung, dass die streitgegenständliche Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 i. V. mit Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot sowie gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot unwirksam sei.

Der Kläger hat die Beklagte vorprozessual anwaltlich abgemahnt (vgl. Anlagen K 5a und 5b). Die Beklagte hat keine Unterlassungserklärung abgegeben (vgl. Anlage K 6).

Der Kläger hat vor dem Landgericht beantragt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes – und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 Euro; Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen, beim Abschluss von Rechtsschutz-Versicherungsverträgen mit Verbrauchern die nachstehend zitierte Klausel in neue Versicherungsverträge einzubeziehen oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge der genannten Art auf diese Klausel zu berufen [die nachstehend kursiv und in eckigen Klammern abgedruckten Textbestandteile sind nicht Gegen-stand des Verbots, sondern dienen nur seinem besseren Verständnis]:

„[§ 17 Verhalten nach Eintritt des Rechtsschutzfalles
(5) Der Versicherungsnehmer hat
c) soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden
cc) alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte."]

II. Die Beklagte wird ferner verurteilt, zur Erstattung von auf Klägerseite vorgerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten 911,80 € an den Kläger zu bezahlen, dies zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von 5 96-Punkten über dem jeweiligen Basiszins ab dem 13.07.2010.

Vor dem Landgericht hat die Beklagte beantragt, die Klage ab
zuweisen. Sie hält die angegriffene AGB-Klausel für zulässig.

Auf Anfrage des Landgerichts hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit Schreiben vom 24. November 2010 (Bl. 28/29 d.A.) zu dem Rechtsstreit Stellung genommen.

Am 9. März 2011 hat das Landgericht München I folgendes U-teil verkündet:

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen, beim Abschluss von Rechtsschutz-Versicherungsverträgen mit Verbrauchern die nachstehend zitierte Klausel in neue Versicherungsverträge einzubeziehen oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge der genannten Art auf diese Klausel zu berufen [die nachstehend kursiv und in eckigen Klammern abgedruckten Textbestandteile sind nicht Gegenstand des Verbots, sondern dienen nur seinem besseren Verständnis]:

„[§ 17 Verhalten nach Eintritt des Rechtsschutzfalles
(5) Der Versicherungsnehmer hat
c)    soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden
cc) alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte."]

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, zur Erstattung von auf Klägerseite vorgerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten 911,80 € an den Kläger zu bezahlen, dies zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins ab dem 13.07.2010.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages und wegen der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung von 25.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angegriffene AGB-Klausel gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 i. V. mit Abs. 1 Satz 1 BGB) verstößt. Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wieder- 12 holt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.

Die Beklagte hat im zweiten Rechtszug beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten 15 Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins vom 22. September 2011 Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist lediglich in Bezug auf 16 einen Teil des Zahlungsantrags begründet.

1. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die 17 streitgegenständliche Klausel die Versicherungsnehmer wegen Verstoßes gegen das sich aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebende Transparenzgebot unangemessen benachteiligt und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist

a) Soweit die Beklagte in der Berufung geltend macht, dass die streitgegenständliche Klausel, weil sie gemäß § 307 Abs. 3 BGB nicht von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung enthalte, der AGB-rechtlichen Überprüfung insgesamt nicht unterliege, ist dies bereits im Ausgangspunkt verfehlt. Denn da die streitgegenständliche Klausel Rechtsvorschriften nicht lediglich wiedergibt und in jeder Hinsicht mit ihnen übereinstimmt, entfällt gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB die Kontrollfreiheit jedenfalls, soweit das Transparenzgebot verletzt ist (vgl. Wolf in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009, § 307 BGB RdNrn. 278, 333).

b) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender allgemeiner t9 Versicherungsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen.

Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. BGH NJW 2001, 2014 [2016]; NJW-RR 2008, 1123 [1125]). Nach dem Transparenzgebot muss die Klauselfassung der Gefahr vorbeugen, dass der Kunde von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (vgl. BGH NJW 2006, 211 [213] m. w. N.). Diesen Erfordernissen des Transparenzgebots entspricht die streitgegenständliche Klausel nicht.

Die Formulierung „alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte" weist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es ankommt (BGH NJW 1993, 2369 f.; NJW-RR 2008, 1123 [1125]), nicht mit der gebotenen und möglichen Klarheit darauf hin, was er zu unterlassen hat, um seine in der streitgegenständlichen Klausel festgelegte Obliegenheit zu erfüllen.

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht über Kenntnisse kostenrechtlicher Art verfügt, die aber notwendig sind, um beurteilen zu können, in welchen Fällen durch ein Verhalten des Versicherungsnehmers eine „unnötige Erhöhung der Kosten" oder „eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite" verursacht werden „könnte". Hierfür sind – zumal in die Obliegenheit auch Fälle eingeschlossen sind, in denen die bloße, auch fern liegende Möglichkeit einer unnötigen Kostenerhöhung oder -erstattungserschwerung im Raum steht – vertiefte Kenntnisse insbesondere des Gerichtskostengesetzes, des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, des materiellen Kostenerstattungsrechts sowie des Prozessrechts erforderlich, von denen auszuschließen ist, dass sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer besitzt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann deshalb auch bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung erkennbarer Sinnzusammenhänge nicht klar erkennen, welche Obliegenheit ihm durch die streitgegenständliche Klausel auferlegt wird (vgl. auch den rechtlichen Hinweis des BGH in der Terminsnachricht zum Verfahren IV ZR 352/07 = Anlage K 2, das eine wortgleiche Klausel betraf; ebenso: Wendt, Risikobegrenzung, Obliegenheitsverletzungen und die neuere Rechtsprechung des BGH zur Rechtsschutzversicherung, MDR 2010, 1168 [1170]).

Insbesondere ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht erkennbar, dass ihm der Rechtsschutzversicherer – gestützt auf die streitgegenständliche Klausel – womöglich eine Obliegenheitsverletzung vorhalten kann, wenn er nach arbeitgeberseitiger Kündigung seines Arbeitsverhältnisses seinem Rechtsanwalt zunächst nur eine außergerichtliche Vollmacht für einen Einigungsversuch erteilt und erst später, wenn -die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts erfolglos geblieben ist, die Vollmacht zur Erhebung der Kündigungsschutzklage, weil wegen der nur teilweisen Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des arbeitsgerichtlichen Streitverfahrens zusätzliche Anwaltskosten anfallen können (vgl. Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG; Bauer in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl. 2010, § 17 ARB 2000 RdNrn. 69 f.), die nicht angefallen wären, wenn sofort ein Klageauftrag erteilt worden wäre (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVG). Die wirtschaftlihen Belastungen und Nachteile, die die streitgegenständliche Klausel für den Versicherungsnehmer mit sich bringt, sind somit für ihn nicht einmal im Ansatz übersehbar, zumal der Arbeits-Rechtsschutz in § 2 Buchst. b der … ARB 2009 gerade nicht auf das gerichtliche Verfahren beschränkt ist.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass die streitgegenständliche Klausel lediglich die gesetzliche Rechtslage wiedergebe und die Rechtslage nicht anders wäre, wenn die Klausel entfallen würde (vgl. z. B. Klageerwiderung, Bl. 20 d.A.), ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, welche Maßnahmen der Versicherer aus der gesetzlichen Rettungsobliegenheit (§ 82 Abs. 1 VVG) von dem Versicherungsnehmer verlangen darf, sich nach dem pflichtgemäßen Ermessen eines ordentlichen Versicherungsnehmers bestimmt (BGH NJW 1972, 1809 [1810]). Dieser Maßstab ist in die streitgegenständliche Klausel nicht übernommen worden. Denn nach dieser Klausel muss der Versicherungsnehmer alles vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden. Auf den Kenntnisstand und den Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Versicherungsnehmers, von dem – wie bereits ausgeführt – vertiefte Rechtskenntnisse, insbesondere des Gerichtskostengesetzes, des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, des materiellen Kostenerstattungsrechts und des Prozessrechts, nicht erwartet werden können, kommt es danach gerade nicht an (vgl. Plote in: van Rühren/Plote, ARBKommentar, 2. Aufl. 2008, § 17 ARB RdNrn. 22 ff., der der streitgegenständlichen Klausel eine „generalklauselartige" uneingeschränkte Kostenminderungspflicht des Versicherungsnehmers entnimmt). Selbst wenn man hinsichtlich des Kenntnis- und Sorgfaltsmaßstabs eine Auslegungsfähigkeit der streitgegenständlichen Klausel annähme, wäre im vorliegenden Verbandsklageverfahren die vorstehende, keinesfalls fernliegende Verständnismöglichkeit als „kundenfeindlichste" Auslegung zugrunde zu legen (vgl. z. B. BGH NJW 2009, 2051, Tz. 11 m. w. N.).

Wenn die streitgegenständliche Klausel, sofern man den Vortrag der Beklagten zugrunde legte, lediglich bezwecken würde, im Sinn einer Warnfunktion die bestehende Rechtslage deklaratorisch wiederzugeben (vgl. Klageerwiderung, BL 20 d.A.), wäre zu konstatieren, dass die streitgegenständliche Klausel die Rechtslage unzutreffend darstellt und auf diese Weise einem Verwender, der sich auf den angeblich rein deklaratorischen Charakter der Klausel beruft, ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren.

Die streitgegenständliche Klausel benachteiligt dann auch unter diesem Gesichtspunkt die Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (vgl. BGH NJW 2006, 211 [213] m. w. N.).

Da es im Rahmen der Transparenzkontrolle am Maßstab des 25 § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne (versicherungs-) rechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs ankommt (vgl. BGH NJW 2004, 2589 [2590]; NJW-RR 2005, 902 [903]) und ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer beim Abschluss eines Versicherungsvertrags in aller Regel keine anwaltliche Unterstützung in Anspruch nimmt, ist die von den Parteien angesprochene Frage, ob das rechtliche Wissen eines Rechtsanwalts, der erst später – nach Abschluss des Versicherungsvertrags und Beginn der Versicherung – im Rahmen eines Rechtsschutzfalls vom Versicherungsnehmer mandatiert wird, dem Versicherungsnehmer zuzurechnen ist, hier ohne Belang.

Schließlich ist auch das Argument des Landgerichts Mannheim 26 im Urteil vom 5. April 2011 – 2 0 200/10, welches sich die Beklagte zu eigen gemacht hat, es sei nicht ersichtlich, wie der Versicherer die gesetzlich normierte Obliegenheit zur Schadenminderung nach Eintritt des Versicherungsfalls für den Vertragstyp der Rechtsschutzversicherung in weniger abstrakter Weise umschreiben könne, schon deshalb nicht zielführend, weil die neuen GDVMusterbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2010, Stand: September 2010), die in der Stellungnahme der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 24. November 2010 (vgl. BL 28/29 d.A.) angesprochen sind, eine solche Konkretisierung gerade vornehmen.

2. Die streitgegenständliche Klausel ist auch deshalb unwirksam, weil sie gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt.

a) Eine Inhaltskontrolle anhand der genannten Vorschriften ist nicht durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen.

Denn zum einen regelt die streitgegenständliche Klausel Obliegenheiten der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls. Sie bestimmt somit nicht die Art und den Umfang der Hauptleistung, also den Kernbereich des versicherten Risikos, oder der hierfür zu erbringenden Vergütung unmittelbar, sondern ist eine kontrollfähige Nebenabrede, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung hat, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann (st. Rspr., z. B. BGH NJW-RR 2008, 189 [190]; NJW 2010, 2789, Tz. 19, 20 m. w. N.).

Zum anderen hat die streitgegenständliche Klausel nicht einen rein deklaratorischen Charakter. Dies würde voraussetzen, dass die Klausel in jeder Hinsicht mit den Rechtsvorschriften, einschließlich der ungeschriebenen Rechtsgrundsätze und des Richterrechts, übereinstimmen müsste und keinerlei konstitutive Wirkung haben dürfte (vgl. Fuchs in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl. 2011, § 307 BGB RdNrn. 25 f.). Dies kann im Streitfall nicht angenommen werden:

Denn erstens formuliert die Regelung in § 125 VVG, wonach der Rechtsschutzversicherer verpflichtet ist, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen, anders als die streitgegenständliche Klausel, keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers. Außerdem enthält die in der streitgegenständlichen Klausel geregelte Obliegenheit des Versicherungsnehmers, „alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten … verursachen könnte", „soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden", einen anderen – strengeren – Maßstab als den der „Erforderlichkeit". Dies zeigt sich auch daran, dass der Ersatz von Mehrkosten im Bereich des Arbeitsrechtsschutzes, die dadurch entstehen, dass ein außergerichtlicher Einigungsversuch vorgenommen wird, nicht bereits unmittelbar durch § 125 VVG ausgeschlossen ist (vgl. Pohlmann/Vogel in: Looschelders/Pohlmann, VVG-Kommentar, 2010, § 125 VVG RdNr. 56), während eine Obliegenheitsverletzung in Bezug auf die streitgegenständliche Klausel in der Rechtsprechung und im Schrifttum mit der Folge eines möglichen Leistungsausschlusses teilweise bejaht wird (Bauer in: Harbauer, a. a. 0., § 17 ARB 2000 RdNrn. 69 f.).

Zweitens ist die gesetzliche Obliegenheit aus § 86 Abs. 2 VVG, auf die sich die Beklagte beruft, wonach der Versicherungsnehmer seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form-und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken hat – soweit sie ein Unterlassen fordert – deutlich enger gefasst als die aus der streitgegenständlichen Klausel folgende Obliegenheit des Versicherungsnehmers, „alles zu vermeiden, was … eine
Erschwerung … [der Kosten-]Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte", „soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden". Dem Versicherungsnehmer wird durch die streitgegenständliche Klausel auferlegt, bei seinem Verhalten alle – auch nur entfernt als möglich denkbaren – Auswirkungen seines Verhaltens auf die Kostenerstattung durch die Gegenseite zu berücksichtigen. Eine solch weitreichende Obliegenheit ist § 86 Abs. 2 VVG nicht zu entnehmen.

Dass die streitgegenständliche Klausel auch von § 82 Abs. 1 VVG abweicht, wurde oben bereits ausgeführt.

b) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist (vgl. BGH NJW 2005, 1774 [1775] m. w. N.; Senat NJW-RR 2008, 1233). Eine solche unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Zu den wesentlichen Grundgedanken des Rechts gehört, dass das Wesen einer gefahrvorbeugenden, mit der Sanktion der Leistungsfreiheit verknüpften Obliegenheit darin besteht, dass sie dem Versicherungsnehmer nach Zustandekommen des Vertrags bestimmte Verhaltensweisen zur Erhaltung seines Versicherungsanspruchs vorschreibt, ihm also Handlungs- oder Unterlassungspflichten auferlegt, die er beachten muss, wenn er sich seinen Versicherungsschutz erhalten will (BGH NJW-RR 2008, 1061, Tz. 5). Wenn die geforderten Verhaltensweisen nicht in einer Weise konkret beschrieben sind, die es dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs (vgl. BGH NJW 2004, 2589 [2590]; NJW-RR 2005, 902 [903]) objektiv ermöglicht zu erkennen, zu welchen Handlungen oder Unterlassungen er verpflichtet wird, dann widerspricht dies dem höchstrichterlich geprägten Obliegenheitsbegriff. Denn es ist gerade Kennzeichen einer Obliegenheit, dass ein konkret bestimmtes Verhalten auferlegt wird (vgl. schon BGH MDR 1972, 219; ebenso: Wendt, a. a. O., S. 1170 m. w. N.). Im Streitfall kann – wie bereits oben ausgeführt – der durchschnittliche Versicherungsnehmer gerade nicht klar erkennen, welche konkreten Verhaltensweisen ihm durch die streitgegenständliche Klausel auferlegt werden. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kommt es schon deshalb nicht darauf an, ob der Inhalt der streitgegenständlichen Klausel dem Versicherungsnehmer – etwa im Wege der Zurechnung des notwendigen rechtlichen Wissens – dadurch verständlich wird, dass er – nach Abschluss des Versicherungsvertrags und Beginn der Versicherung – im Rahmen eines Rechtsschutzfalls einen Rechtsanwalt mandatiert, der über die zum Verständnis der streitgegenständlichen Klausel erforderlichen Rechtskenntnisse verfügt. Denn die dem Versicherungsnehmer durch die streitgegenständliche Klausel auferlegte Obliegenheit trifft ihn auch schon vor dem Zeitpunkt der Mandatierung eines Rechtsanwalts.

Im Übrigen ist ein solcher Rechtsanwalt typischerweise auch nicht damit beauftragt, anstelle des Versicherungsnehmers Rechtstatsachen für das Versicherungsverhältnis zur Kenntnis zu nehmen oder sogar die Vertragsverwaltung zu übernehmen. Eine Zurechnung der Rechtskenntnisse des Rechtsanwalts unter den Gesichtspunkten der Wissensvertretung oder der Einstandspflicht für den Repräsentanten kommt damit im Streitfall nicht in Betracht (vgl. Wendt, a. a. 0., S. 1171).

Die streitgegenständliche Klausel steht damit im Widerspruch zu wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Obliegenheitsbegriffs in §§ 28, 82 VVG (vgl. auch den rechtlichen Hinweis des BGH in der Terminnachricht zum Verfahren IV ZR 352/07 = Anlage K 2, das eine wortgleiche Klausel betraf) und verstößt deshalb gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, was eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers indiziert (vgl. z. B. BGH NJW 2001, 1419 [1421]; NJW 2002, 2386 [2387], jeweils m. w. N.). Gründe, die die streitgegenständliche Klausel gleichwohl als nicht unangemessen erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.

3. Dem Kläger steht damit der Unterlassungsanspruch aus § 1 i. V. mit § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG zu. Ob die streitgegenständliche Klausel aus weiteren Gründen unwirksam ist, kann somit dahinstehen. Für eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel ist insbesondere im Verbandsprozess nach § 1 UKlaG kein Raum (vgL BGH NJW-RR 2007, 1124 Tz. 31).

4. Dagegen steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts für die Abmahnung der Beklagten erwachsen sind, nicht zu.

Qualifizierte Einrichtungen, die – wie der Kläger – in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen sind, sind wie Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung zu behandeln. Solche Einrichtungen müssen personell, sachlich und finanziell so ausgestattet sein, dass sie auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sind, in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen Verstöße gegen die §§ 307 bis 309 BGB (§ 1 UKlaG) zu erkennen und zu verfolgen. Solchen Verbänden und Einrichtungen steht – anders als gewerblichen Unternehmen – insoweit nicht frei, wie sie sich intern organisieren. Die Verfolgung von Gesetzesverstöße i. S. d. §§ 1 f. UKlaG gehört zu den ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben. Ihre Klage- und Anspruchsbefugnis hängt davon ab, dass sie nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande sind, in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen derartige Gesetzesverstöße zu erkennen und zu verfolgen (vgl. BGH GRUR 2009, 191 Tz. 9 m. w. N. – Auswärtiger Rechtsanwalt VII). Die Einschaltung eines Anwalts ist daher regelmäßig nicht erforderlich, so dass eine Erstattung von Anwaltskosten grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. Witt in: Ulmer/Brandner/Hensen, a. a. 0., § 5 UKlaG RdNr. 8; Köhler in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 5 UKlaG RdNr. 4; Bassenge in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 5 UKlaG RdNr. 6; Lindacher in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, a. a. 0., § 5 UKlaG RdNr. 36). Im Streitfall ist angesichts der Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur zur Unwirksamkeit der angegriffenen Klausel nicht davon auszugehen, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts ausnahmsweise wegen besonderer Schwierigkeiten erforderlich gewesen sei.

Da die Abmahnung in der Sache berechtigt war, hat der Kläger jedoch einen Anspruch auf eine Kostenpauschale, deren Höhe der Senat im Weg der Schätzung auf 200,- € festsetzt. Die zugesprochenen Zinsen beruhen auf §§ 286, 288 BGB.

III. 1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.

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