Ramipril II

26. Januar 2012
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Amtlicher Leitsatz:

Ein Anspruch auf Erfindervergütung kommt auch dann in Betracht, wenn bei der Verwertung eines auf eine gemeldete Diensterfindung zurückgehenden Patents ein Element wirtschaftliche Bedeutung erlangt, das aufgrund des Beitrags einer weiteren Person der Patentanmeldung hinzugefügt worden ist und nicht bereits Gegenstand der Erfindungsmeldung war.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 22.11.2011

Az.: X ZR 35/09

 

Tatbestand:

Der Kläger, der bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2003 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen H. Marion R. Deutschland GmbH (HMR) und H. AG (im Folgenden nur: die Beklagte) beschäftigt war, verlangt von der Beklagten als Miterfinder die Zahlung einer anteiligen Vergütung für zwei Diensterfindungen.

Die erste Erfindung betrifft einen Nagellack zur Förderung des Nagelwachstums sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung und Verwendung zur Behandlung von Wachstumsstörungen des Nagels (Diensterfindung I). Die zweite Erfindung betrifft Zubereitungen zur topischen Applikation von antiandrogen wirksamen Substanzen. Die erfindungsgemäße Zubereitung dieser Erfindung enthält mindestens einen physiologisch verträglichen Filmbildner, mindestens ein physiologisch verträgliches Lösemittel, mindestens einen Weichmacher und eine Verbindung der in der deutschen Offenlegungsschrift 198 48 856 aufgeführten Formel I (insbesondere Minoxidil). Sie kann mit einer durchblutungsfördernden Verbindung kombiniert werden. Dafür kann neben anderen Substanzen Ramipril eingesetzt werden (Diensterfindung II).

Die Beklagte nahm die Erfindungen mit Schreiben vom 30. Januar 1997 bzw. vom 25. Januar 1999 unbeschränkt in Anspruch; auf ihrer die Diensterfindung I betreffenden deutschen Patentanmeldung 196 04 190 basierte das später erteilte US-Patent 6 007 798; auf die Diensterfindung II geht die deutsche Patentanmeldung 198 48 856 zurück, auf der wiederum die US-Patentanmeldung 09/425742 beruht.

Im Dezember 1998 schlossen HMR und das US-Unternehmen K. (im Folgenden: K. ) einen Lizenzvertrag über mehrere Patente der Beklagten zum Gesamtpreis von 362,5 Mio. US$. In der dem Vertragswerk beigefügten Liste der Patente/Patentanmeldungen waren auch die beiden vorgenannten US-Schutzrechte aufgeführt. Nachdem der Kläger davon Anfang Februar 2000 erfahren hatte, trat er an die Beklagte wegen der Zahlung einer Erfindervergütung heran.

Durch Vereinbarung vom 16./23. Mai 2000 gab K. beide Erfindungen zugunsten der Beklagten wieder frei, hinsichtlich der zweiten Erfindung jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Beklagte sich verpflichtete,

1. bei jeder künftigen Lizenz über das Patent oder die Patentanmeldung das Recht zum Verkauf von Produkten auszuschließen, die dieselbe Zusammensetzung von Ramipril enthalten wie die von K. verkauften Produkte,

2. niemandem in den USA Pflaster zu verkaufen, die Ramipril enthalten, oder sonstige topische Zubereitungen, deren Hauptbestandteil aus Ramipril besteht.

Der Kläger verlangt von der Beklagten eine angemessene Arbeitnehmererfindervergütung in Höhe von mindestens 150.000 Euro, wobei 43% der Vergütung auf die Diensterfindung I und 57% auf die Diensterfindung II entfallen sollen und für den Fall, dass der Anspruch wegen einer Diensterfindung für unbegründet erachtet wird, der Mindestbetrag wegen der anderen geltend gemacht werden soll.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Auf seine Revision hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Urteil vom 4. Dezember 2007 X ZR 102/06, GRUR 2008, 606 Ramipril). Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Erfindervergütung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Gegenstand des wieder eröffneten Berufungsrechtszugs sei allein die Diensterfindung II. Soweit im ersten Berufungsurteil die Erfindervergütung für die Diensterfindung I verneint worden sei, habe die Revision des Klägers keinen Erfolg gehabt.

Aufgrund des zwischen der Beklagten und K. geschlossenen Lizenzvertrages könne eine Vergütungspflicht der Beklagten für die Diensterfindung II nur entstanden sein, weil der Stoff Ramipril optionaler Bestandteil der erfindungsgemäßen Zubereitung sei. Dem Kläger könne daher ein Vergütungsanspruch nur dann zustehen, wenn seine Erfindung gerade auch die Verwendung von Ramipril als optionalen Zusatzstoff umfasste, wenn er also diesen Gedanken beigetragen hätte. Dies stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Grundlage des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmererfinders die dem Arbeitgeber gemeldete Diensterfindung sei, sich also der Anspruch auf Erfindervergütung nach demjenigen bemesse, was der Arbeitnehmererfinder dem Arbeitgeber gemeldet habe. Der von K. bei der Freigabe der Diensterfindung ausgesprochene Vorbehalt beziehe sich nicht auf die Verwendung einer durchblutungsfördernden Verbindung im Allgemeinen, sondern allein auf die Verwendung von Ramipril. Wenn daher die in dem Vorbehalt zum Ausdruck kommende teilweise wirtschaftliche Verwertung der Erfindung sich auf die Verwendung dieser Verbindung beschränke, wäre eine Beteiligung des Klägers an der der Beklagten hierdurch zugeflossenen Gegenleistung durch Gewährung eines Anspruchs auf Arbeitnehmervergütung nur gerechtfertigt, wenn der Kläger auch gerade den Gedanken beigetragen hätte, Ramipril als weiteren Zusatzstoff zu verwenden. Die Erfindungsmeldung vom 6. Juli 1998 erwähne Ramipril nicht. Auch könne dem Vortrag des Klägers nicht entnommen werden, dass er die Idee gehabt habe, Ramipril als möglichen Zusatzstoff vorzusehen, so dass eine Vergütungspflicht der Beklagten nicht bestehe.

II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die Rüge der Revision aus § 547 Nr. 6 ZPO greift allerdings nicht durch.

Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der vom Kläger für die Diensterfindung I geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht mehr Gegenstand des wiedereröffneten Berufungsrechtszuges sei, ist zwar unzutreffend. Denn der Senat hat das Berufungsurteil ungeachtet des Umstandes, dass er im ersten Revisionsurteil die gegen die Abweisung des Vergütungsanspruchs für die Diensterfindung I geführten Revisionsangriffe für unbegründet erachtet hat, insgesamt aufgehoben mit der Folge, dass das Berufungsgericht auch den Vergütungsanspruch für diese Diensterfindung erneut hätte prüfen müssen. Die Aufhebung des gesamten ersten Berufungsurteils hat ihren Grund darin, dass der Kläger nach der Fassung des Klageantrags das auf die Diensterfindung I gestützte Klagebegehren hilfsweise auch auf die Diensterfindung II stützt und umgekehrt. Solange nicht über die Diensterfindung II rechtskräftig entschieden ist, steht daher nicht fest, in welchem Umfang der auf die Diensterfindung I gestützte Anspruch zur Entscheidung steht.

Diese Unrichtigkeit der Gründe des angefochtenen Urteils erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen des § 547 Nr. 6 ZPO. Erforderlich ist insoweit vielmehr, dass eine Begründung schlechthin fehlt (vgl. BGH, Urteil
vom 3. Oktober 1980 V ZR 125/79, NJW 1981, 1045, 1046 zu § 551 Nr. 7 ZPO aF), oder die Gründe ganz unverständlich und verworren sind (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1962 I ZB 27/62, BGHZ 37, 333, 337 = GRUR 1963, 645 Warmpressen). Beides ist hier nicht der Fall.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht das Bestehen eines Anspruchs auf Erfindervergütung für die von der Beklagten in Anspruch genommene Diensterfindung II mit der Begründung verneint hat, der Gedanke, im Rahmen der Erfindung Ramipril als (optionalen) Zusatzstoff zu verwenden, stamme nicht vom Kläger.

a) Auf das Streitverhältnis ist das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen in der bis zum 30. September 2009 gültigen Fassung anzuwenden (§ 43 Abs. 3 Satz 1 ArbNErfG).

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erfindervergütung habe, weil die wirtschaftliche Verwertung der Erfindung sich auf die Verwendung von Ramipril beschränke, hat keine Grundlage im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen und steht im Widerspruch zu dem vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsgedanken, dass jede Verwertung einer Diensterfindung dem Miterfinder gemäß seinem Anteil an der Erfindung zu vergüten ist.

Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass Grundlage für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmererfinders die dem Arbeitgeber gemäß § 5 Abs. 1 und 2 ArbNErfG aF gemeldete Diensterfindung ist. Dementsprechend verringert sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Umfang der dem Arbeitnehmererfinder zustehenden Erfindervergütung nicht, wenn die vom Arbeitgeber im Zuge der Inanspruchnahme der Diensterfindung erwirkten Schutzansprüche den erfinderischen Gehalt der gemeldeten Erfindung nicht ausschöpfen und die Diensterfindung über den Schutzbereich der Patentansprüche hinausgeht (BGH, Urteil vom 29. November 1988 – X ZR 63/87, BGHZ 106, 84, 89 = GRUR 1989, 205 Schwermetalloxidationskatalysator).

Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ziehen, dass kein Anspruch auf Erfindervergütung besteht, wenn bei der Verwertung eines auf eine gemeldete Diensterfindung zurückgehenden Patents ein Element wirtschaftliche Bedeutung erlangt, das aufgrund des Beitrags einer weiteren Person der Patentanmeldung hinzugefügt worden ist und damit nicht Gegenstand der Erfindungsmeldung war.

Dies mag sich so verhalten, wenn die Hinzufügung Gegenstand eines vom Gegenstand der Diensterfindung unabhängigen Patentanspruchs geworden ist. Darum geht es im Streitfall jedoch nicht. Mit der Benutzung einer Zubereitung nach Patentanspruch 8 der deutschen Patentanmeldung 198 48 856, die als weiteren, zu den Bestandteilen der Zubereitung nach Patentanspruch 1 hinzutretenden Zusatzstoff eine durchblutungsfördernde Verbindung in Gestalt des Wirkstoffs Ramipril enthält, wird notwendigerweise die gemeldete Erfindung benutzt, die in allgemeinerer Form in Patentanspruch 1 der Anmeldung beansprucht wird. Es kann mithin in diesem Fall keine Rede davon sein, dass die Diensterfindung, deren Miterfinder der Kläger ist, nicht benutzt würde.

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache erneut zur Prüfung der Höhe des Vergütungsanspruchs des Klägers an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Für diese Prüfung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Der Vergütungsanspruch eines Miterfinders hängt nicht davon ab, dass die wirtschaftliche Verwertung gerade wegen eines Bestandteils der erfindungsgemäßen Lehre erfolgt, der auf den Miterfinder zurückgeht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich die Berechtigung eines Miterfinders dem Grunde und der Höhe nach vielmehr nach dem Beitrag, den dieser zu der Gesamterfindung beigesteuert hat, wobei das Gewicht der Einzelbeiträge im Verhältnis zueinander und zur erfinderischen Gesamtleistung abzuwägen ist (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 X ZR 223/98, GRUR 2001, 226, 228 Rollenantriebseinheit; Urteil vom 20. Februar 1979 X ZR 63/77, BGHZ 73, 337, 343 f. = GRUR 1979, 540 Biedermeiermanschetten).

Nichts anderes gilt für den Vergütungsanspruch eines Arbeitnehmermiterfinders. Auch dieser hat seinen Grund in der Beteiligung des Arbeitnehmermiterfinders an der (im Patent unter Schutz gestellten) erfinderischen Gesamtleistung. Deshalb ist es für das Bestehen des Vergütungsanspruchs nicht entscheidend, ob es sich bei den Merkmalen, die die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Erfindung begründen, gerade um solche handelt, die auf den Arbeitnehmermiterfinder zurückgehen. Vielmehr richtet sich auch der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmermiterfinders gegenüber dem Arbeitgeber dem Grunde und der Höhe nach nach dem Beitrag, den dieser zu der im Patent unter Schutz gestellten Gesamterfindung beigesteuert hat, wobei das Gewicht der Einzelbeiträge zueinander und zur erfinderischen Gesamtleistung abzuwägen ist.

Die Bewertung der Einzelbeiträge erfolgt dabei nicht unter wirtschaftlichen, sondern unter technischen Gesichtspunkten im Hinblick darauf, welches Gewicht dem Beitrag im Lichte des Standes der Technik für das Zustandekommen der erfindungsgemäßen Lehre beizumessen ist. In diesem Zusammenhang kann der Umstand, dass ein wirtschaftlicher Erfolg der Erfindung insbesondere mit einem bestimmten Merkmal in Verbindung gebracht werden kann, allenfalls eine gewisse indizielle Bedeutung dafür haben, dass dieser Beitrag auch mit Blick auf die Entwicklung der technischen Lehre Gewicht hat.

Allerdings wird sich in der Regel schon ein Kausalzusammenhang zwischen wirtschaftlicher Verwertung der Erfindung und bestimmten Merkmalen nicht belegen lassen, da die patentierte Erfindung notwendigerweise jedenfalls mit allen denjenigen Merkmalen benutzt wird, die Eingang in den Hauptanspruch des Patents gefunden haben.

2. Unabhängig hiervon wird das Berufungsgericht im wieder eröffneten Berufungsrechtszug wie bereits im Senatsurteil vom 4. Dezember 2007 X ZR 102/06 aufgegeben unter Beachtung der dortigen Erwägungen zu prüfen haben, ob beide Parteien des Lizenzvertrages oder zumindest K. der Diensterfindung II im Lizenzvertrag oder in der Vereinbarung 16./23. Mai 2000 eine wirtschaftliche Bedeutung zugemessen haben, und den Anteil an der Gesamtleistung notfalls im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) zu bewerten haben. In diesem Fall stünde dem Kläger ein Vergütungsanspruch zu, dessen Höhe nach den oben dargelegten Grundsätzen zu der Berechtigung eines Arbeitnehmermiterfinders an der Erfindung und unter Beachtung der Erwägungen im Senatsurteil vom 4. Dezember 2007 X ZR 102/06 unter II. 1. b) der Entscheidungsgründe zu bemessen wäre.

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