Polizei bringt Jogger zu Boden

07. August 2009
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Amtlicher Leitsatz:

Es stellt keine Amtspflichtverletzung dar, wenn die Polizei gegenüber einem Fußgänger, der bei "rot" über die Fußgängerampel gegangen ist, zur Identitätsfeststellung körperliche Gewalt einsetzt, weil sich dieser der Personenfeststellung widersetzt und eine solche auf andere Weise nicht durchführbar ist.

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 23.07.2009

Az.: 2b O 229/08

Tenor:     

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land die Zahlung von Schadensersatz/Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz vom 12.04.2008.

Am 12.04.2008 gegen 9.00 Uhr befand sich das Polizeifahrzeug xxx auf der Jägerhofstraße in Höhe Feldstraße. Insassen waren die Polizeibeamten xxx und xxx. Die Klägerin überquerte von der Feldstraße kommend die Jägerhofstraße an der für sie Rotlicht zeigenden Fußgängerampel, um im Hofgarten ihre morgendliche Joggingrunde zu drehen. Die Polizeibeamten, die Zeugen xxx und xxx, folgten der Klägerin mit ihrem Fahrzeug in den Hofgarten. Sie hielten der Klägerin ihren Verkehrsverstoß, bei Rotlicht über die Straße gegangen zu sein, vor. Die Klägerin setzte hiernach ihr morgendliches Joggen fort. Der Zeuge Xxx nahm ihre Verfolgung auf. Um sie festzuhalten, fasste der Zeuge Xxx die Klägerin an den rechten Arm. Der weitere Geschehensablauf ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig ist, dass die Zeugen Xxx und Xxx die Klägerin zu Boden brachten und dort die Hände mit Handschellen fixierten. Sodann verbrachten sie die Klägerin zur nahegelegenen Polizeiwache auf die xxx, um dort ihre Personalien festzustellen.

Die Klägerin behauptet, sie habe, nachdem sie bei Rot über die Fußgängerampel gegangen sei, ein blechernes Geräusch aus der Ferne wahrgenommen. Dieses Geräusch habe sie in keinen Zusammenhang mit ihrer Person gestellt. Im Hofgarten sei sie davon ausgegangen, dass die Zeugen Xxx und Xxx sie nach erfolgter Ermahnung laufen lassen würden, da beide Zeugen keine Anstalten gemacht hätten, ihre Personalien festzustellen. Dies sei der Grund dafür gewesen, ihr morgendliches Joggen fortzusetzen. Der die Verfolgung aufnehmende Zeuge Xxx habe ihren Arm auf den Rücken gedreht und sie zurück zum Streifenwagen gezerrt. Dort angekommen habe er ihr Gesicht auf die Motorhaube gepresst. Die Zeugin Xxx habe wenig später ihren anderen Arm gepackt und diesen ebenfalls auf den Rücken gedreht. Anschließend hätten die beiden Zeugen sie aufgefordert, sich vor sie beide bäuchlings auf den Kiesweg zu legen. Einer der beiden Zeugen habe sein Knie in ihren Rücken gedrückt. Sie habe durch dieses Vorgehen der Zeugen eine Prellung des rechten Hemithorax, beidseitige Schulterprellungen, multible Schürfwunden an beiden Schultern, an beiden Handgelenken, im Gesicht und am Schädel erlitten. Am 24.08.2008 habe der sie behandelnde Orthopäde eine Schleimbeutelentzündung im rechten Schultergelenk diagnostiziert, die ebenfalls auf diesen Vorfall zurückzuführen sei. Sie leide infolge ihrer Verletzungen noch heute unter einer Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenkes. Vom 14. bis zum 18. und vom 24. bis zum 25.04.2008 sei sie arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Sie habe aufgrund ihrer Verletzungen zwei Wochen lang nicht Autofahren können und bis heute unverändert Schmerzen im rechten Arm bei bestimmten Bewegungen. Seither könne sie schmerzbedingt nicht mehr schwimmen, was sie vor dem Vorfall regelmäßig getan habe. Das Ende der Behandlung stehe noch nicht fest.

Die Klägerin beantragt,

   1. das beklagte Land zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 2.000,00 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.12.2008 zu zahlen;
   2. das beklagte Land zu verurteilen, an sie weitere 229,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.12.2008 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land behauptet:

Die Polizeibeamten hätten, nachdem die Klägerin bei Rotlicht die Jägerhofstraße passiert habe, den Außenlautsprecher des Funkstreifenwagens eingeschaltet und die Klägerin aufgefordert, stehen zu bleiben. Diese Aufforderung über den Außenlautsprecher sei klar und verständlich gewesen. Die Klägerin habe sich jedoch nicht um diese Aufforderung gekümmert und ihren Weg fortgesetzt. Im Hofgarten sei sie von den Beamten laut und deutlich angesprochen worden und erst nach mehreren Aufforderungen stehen geblieben, wobei sie den Beamten keinerlei Beachtung geschenkt habe. Den Vorhalt ihres Verkehrsverstoßes habe die Klägerin unwillig abgetan und uneinsichtig und unkooperativ reagiert. Als die Zeugen Xxx und Xxx die Personalien der Klägerin haben feststellen wollen, habe die Klägerin versucht, sich zu entfernen. Die Zeugen hätten abermals die Klägerin laut und deutlich aufgefordert, stehen zu bleiben. Dieser Aufforderung sei sie erneut nicht nachgekommen und habe sich weiterhin entfernt. Daraufhin sei sie von dem Zeugen Xxx am rechten Arm gefasst worden, um sie festzuhalten. Die Klägerin habe versucht, sich loszumachen, sich ruckartig umgedreht und mit dem linken Arm nach dem Zeugen Xxx geschlagen. Um sich vor weiteren Angriffen zu schützen, hätten die Zeugen Xxx und Xxx die Klägerin zu Boden gebracht, um sie dort zu fixieren und Handschellen anzulegen. Auch dies habe die Klägerin nicht beeindruckt, sondern sie habe noch am Boden liegend Widerstand dadurch geleistet, dass sie um sich geschlagen und sich gegen die Fesselung gesperrt habe.

Wegen des beiderseitigen Vorbringens im übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14.01.2009 (Bl. 38 ff. d. A.) durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.06.2009 (Bl. 60 ff. d. A.) Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen das beklagte Land ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Amtshaftung gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 Grundgesetz nicht zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Zeugen Xxx und Xxx am 12.04.2008 ihnen gegenüber der Klägerin obliegende Amtspflichten rechtswidrig verletzt haben.

Die von den Polizeibeamten gegenüber der Klägerin vorgenommenen Zwangsmaßnahmen waren – wie im Folgenden ausgeführt wird – gerechtfertigt.

Die Klägerin hat, in dem sie die Fahrbahn der Jägerhofstraße bei für Fußgänger rotem Ampellicht überquert hat, einen Verkehrsverstoß gemäß § 25 Abs. 3 StVO gegangen. Denn nach dieser Vorschrift hat ein Fußgänger die Fahrbahn an einer Lichtzeichenanlage nur bei grünem Ampellicht zu überqueren. Hierdurch hat die Klägerin eine Ordnungswidrigkeit begangen (§ 49 Abs. 1 Nr. 24 lit. a StVO). Die Zeugen waren daher berechtigt, die Klägerin zum Zwecke der Identitätsfeststellung zum Stehenbleiben aufzufordern, zunächst über den Außenlautsprecher und später durch Ansprache im Hofgarten (§ 46 Abs. 1 OWIG i.V.m. §§ 163 a, 163 b StPO). Bereits dieser Maßnahmen hat sich die Klägerin widersetzt.

Das Gericht ist aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen Xxx und Xxx auch davon überzeugt, dass die Klägerin zunächst deutlich und auch für sie verständlich über den Außenlautsprecher zum Anhalten aufgefordert worden war. Die Klägerin selbst hat auch ausgesagt, ein schepperndes Geräusch gehört zu haben. Dass sie dem Gesprochenen für sich keine Bedeutung beimaß, ändert nichts an dem Umstand, dass sie der Aufforderung der Polizeibeamten Folge zu leisten hatte.

Auch dem zweiten Versuch, ihre Identität festzustellen, entzog sich die Klägerin durch räumliches Entfernen. Spätestens nachdem ihr der Streifenwagen gefolgt war und der Zeuge Xxx ihr den Verkehrsverstoß vorhielt, war für sie erkennbar, dass die Polizeibeamten die begangene Ordnungswidrigkeit nicht auf sich beruhen lassen würden. Das Gericht ist aufgrund der Aussage des Zeugen Xxx davon überzeugt, dass dieser die Klägerin aufforderte, sich auszuweisen. Dies wird bestätigt durch die Aussage der Zeugin Xxx, die ausgeführt hat, dass sie und ihr Kollege eine Personalienfeststellung durchführen wollten und in diesem Zusammenhang Frau xxx erklärt habe, dass sie Joggerin sei und nichts bei sich habe.

Ihrer Identitätsfeststellung hat sich die Klägerin schließlich durch Weglaufen entzogen. Auf die unstreitige und nunmehr auch für sie verständliche Aufforderung, stehen zu bleiben, reagierte sie nicht. Durch diese Weigerung, ihre Personalien anzugeben, hat sie eine weitere Ordnungswidrigkeit (§ 111 Abs. 1 OWIG) begangen. Da ihre Identitätsfeststellung nicht anders möglich war und sie selbst die Aufforderung, stehen zu bleiben, ignorierte, war als nächstes Mittel zulässig, die Klägerin durch das Festhalten am Arm am Weiterlaufen zu hindern. (§ 163 b Abs. 1 Satz StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWIG). Da das Festhalten erst nach vergeblicher Aufforderung der Klägerin erfolgte, war es vorliegend auch verhältnismäßig. Insbesondere war unter den gegebenen Umständen eine Personenfeststellung auf andere Weise nicht durchführbar.

Weiterhin war auch gerechtfertigt, dass die Polizeibeamten die Klägerin zu Boden brachten und sie dort mit Handschellen fixierten. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin, als sie durch den Zeugen Xxx festgehalten wurde, um sich schlug. Dies haben beide Zeugen widerspruchsfrei und überzeugend geschildert. Hierdurch leistete die Klägerin in strafbarer Weise der Vornahme einer Diensthandlung durch die Polizei mit Gewalt Widerstand (§ 113 Abs. 1 StGB). Die Verhältnismäßigkeit des weiteren Vorgehens der Zeugen Xxx und Xxx, das Verbringen auf den Boden, die Fixierung mit Handschellen und das Verbringen zur Wache, sind daher unter dem Aspekt zu würdigen, dass die Klägerin nunmehr ein Vergehen im Sinne des Strafgesetzbuches beging. Da die Identitätsfeststellung der Klägerin aufgrund des Gesamtbildes der Geschehnisse und im Hinblick auf die Schwere der nunmehr von ihr begangenen Tat nicht anders möglich war, waren die Zeugen Xxx und Xxx befugt, unmittelbaren Zwang, also insbesondere auch körperliche Gewalt, anzuwenden (§§ 50, 55 Polizeigesetz NRW).

Da die Vorgehensweise der Polizeibeamten gerechtfertigt war, hatte die Klage keinen Erfolg.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 2.000,00 €

1 Kommentar

  1. klaus, 10. September 2009

    also bitte, das ist doch mal ein bisschen zu übertrieben. da wird man ja gleich wie ein verbrecher behandelt, wenn man mit gewalt festgehalten wird.

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