Weitervermittlung zu 0900-Nummern

17. September 2008
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Eigener Leitsatz:

Werden Verbraucher über Telefoncomputer angerufen und mittels einer automatischen Ansage aufgefordert eine bestimmte Taste zu drücken, wodruch eine Verbindung mit 0900-Nummern hergestellt wird, handelt auch der Weitervermittler unlauter und ist somit Störer. Auf etwaige Prüfungspflichten kommt es im Zusammenhang mit einer ordnungsrechtlichen Verantwortung nicht an.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen

Beschluss vom 25.06.2008

Az.: 13 B 668/08

Beschluss

Tenor:  

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 16. April 2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 125.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist ein Telekommunikationsunternehmen und betreibt ein Verbindungsnetz. Ihrer Tätigkeit liegt das Geschäftsmodell "Weitervermittlung zu Premium-Mehrwertdiensten" zugrunde. Sie stellt Firmen, die kostenpflichtige Mehrwertdienste anbieten, Weiterleitungsdienste zur Verfügung. Mit Telefoncomputern rief die Antragstellerin bei Telefonanschlussinhabern an und teilte ihnen über eine automatische Ansage mit, sie hätten einen Preis gewonnen. Um weitere Informationen über den Gewinn zu erhalten, oder zur Gewinnbestätigung wurden die Angerufenen aufgefordert, eine bestimmte Taste an ihrem Telefonapparat zu drücken. In diesem Fall wurde eine Verbindung zu einem kostenpflichtigen Mehrwertdienst unter einer 0900er-Nummer hergestellt. In einer anderen Variante wurde zunächst eine (0)180er-Rufnummer dem Verbraucher mitgeteilt oder eine solche Nummer beworben, mit deren Anwählen der Gewinn gesichert werden könne. Zur Buchungsbestätigung sei eine Taste zu drücken, was eine Verbindungen zu einem kostenpflichtigen Mehrwertdienst unter einer 0900er- Nummer zur Folge hatte.

Nachdem sich vielfach Anschlussinhaber über diese Werbeanrufe bei der Antragsgegnerin mit der Begründung beschwert hatten, sie hätten solchen Anrufen nicht zugestimmt und durch die Weiterleitung sei eine Verbindung zu 0900er- Nummern hergestellt worden, obwohl diese Nummern gesperrt gewesen seien, ordnete die Bundesnetzagentur mit Bescheid vom 22. Februar 2008 die Abschaltung der Premium-Dienste-Rufnummer 0900……. an. Ferner untersagte sie in Ziff. 2 der Antragstellerin, telefonische Werbeanrufe an Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer in Deutschland zu tätigen oder für Dritte durchzuführen, wenn die Empfänger nicht von vornherein in den Empfang derartiger Anrufe eingewilligt haben, sowie in Ziff. 3, die technische Weitervermittlung auf Premium-Dienste-Rufnummern zu realisieren, es sei denn, die Weitervermittlung erfolgt über Auskunftsdienste- Rufnummern. Gegen Ziff. 2 und 3 der Verfügung erhob die Antragstellerin Widerspruch. Ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen Ziff. 2 und 3 des Bescheides blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg.

Mit ihrer Beschwerde macht sie geltend: Weder sei sie für die Werbeanrufe noch für die Weitervermittlung verantwortlich. Sie stelle lediglich die technische Infrastruktur zur Verfügung. Bei den weitergeleiteten Verbindungen handele es sich nicht um R-Gespräche, da auf Wunsch der Kunden eine neue Verbindung zu Stande komme. Eine Umgehung der Sperrung von 0900er-Nummern erfolge nicht, weil mittels Tastendrucks die Sperre aufgehoben werde. Die Antragsgegnerin tritt dem Vorbringen entgegen und bejaht die Verantwortlichkeit der Antragstellerin für die beanstandeten Werbeanrufe und Weitervermittlungen aus Gründen des Gefahrenabwehrrechts. Sowohl die Voraussetzungen für ein R-Gespräch als auch für die Umgehung der Sperrung von 0900er-Nummern seien gegeben.

II.

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen Ziff. 2 und 3 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. Februar 2008 zu Recht abgelehnt. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur abschließenden Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an der möglichst schnellen Durchsetzung der Verfügung fällt auch aus der Sicht des Senats zum Nachteil der Antragstellerin aus. Ihr Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.

Rechtsgrundlage für Ziff. 2 und 3 der Ordnungsverfügung vom 22. Februar 2008 ist § 67 Abs. 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) i. d. F. des Art. 2 Nr. 17 und 35 des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106). Nach dieser Bestimmung kann die Bundesnetzagentur im Rahmen der Nummernverwaltung Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der von ihr erteilten Bedingungen über die Zuteilung von Nummern sicherzustellen. Mit dieser Generalermächtigung will der Gesetzgeber erreichen, dass die rechtswidrige Nutzung der Nummern außerhalb der in § 67 Abs. 1 Satz 4 bis 7 TKG speziell geregelten Sanktionen ziel- und zweckgerichtet geregelt werden kann.

Die Ordnungsverfügung betrifft eine Anordnung im Rahmen der Nummernverwaltung. Diese ist nicht nur im gesamten technischen und rechtsgeschäftlichen Umgang mit der Rufnummer gegeben, wie etwa bei der Erbringung eines Dienstes über eine Rufnummer und der Weitergabe von Rufnummern, sondern auch bei der Werbung für einen Dienst im Zusammenhang mit der Rufnummer.

Vgl. Herchenbach-Canarius/Thoma, in: Arndt/Fetzer/Scherer, Telekommunikationsgesetz, Kommentar, 2008, § 67 Rn. 6.

Demnach fallen sowohl die von der Antragstellerin getätigten Werbeanrufe als auch die Weitervermittlungen in den Bereich der Nummernverwaltung; sie betrafen die Premium-Dienste-Rufnummer 0900……..

Die von der Bundesnetzagentur gewählten Maßnahmen erfolgten, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen. Der weite Wortlaut von § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, jegliche Verstöße bei der Nummernnutzung, insbesondere mit Blick auf Verbraucher- und Kundenschutzbelange zu verfolgen.

Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu einem Telekommunikationsgesetz, BT-Drucks. 15/2316 S. 83 sowie Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Dezember 2003, BT-Drucks. 15/2316 S. 119; Büning/Weißenfels, in: Beck´scher TKG-Kommentar, 3. Auflage, 2006, § 67 Rn. 7.

Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Bestimmungen, die keinen (unmittelbaren) telekommunikationsrechtlichen Bezug aufweisen, können daher ein beachtlicher Verstoß im Rahmen des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG sein. Solche Bestimmungen enthält insbesondere das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414) i. d. F. von Art. 5 des Gesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3367).

Hier stehen im Hinblick auf das Verbot von Werbeanrufen gemäß Ziff. 2 der Ordnungsverfügung unzumutbare Belästigungen i. S. v. § 7 UWG im Raum. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung insbesondere anzunehmen bei der Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, ohne dass eine Einwilligung der Adressaten vorliegt. Dass solche Werbemaßnahmen in Frage stehen, ist im Grundsatz zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf keiner näheren Begründung. Auch wenn einzelne Angerufene derartigen Anrufen vorab zugestimmt haben sollten, ändert dies nichts an dem Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 TKG. Auf die genaue Zahl von Verstößen kommt es angesichts der Vielzahl der von der Antragsgegnerin festgestellten Zuwiderhandlungen nicht an. Ebenso ist es unerheblich, ob sich die Antragstellerin, wie sie behauptet, von ihren Kunden das Vorliegen von Einwilligungen der Adressaten vertraglich hat zusichern lassen. Entscheidend ist der Verletzung der wettbewerbsrechtlichen Bestimmung.

In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin die richtige Adressatin für die Maßnahme der Bundesnetzagentur ist.

Die Frage, wer als Störer bei einer Anordnung der Bundesnetzagentur nach § 67 TKG in Anspruch genommen werden kann, beantwortet § 67 Abs. 1 TKG – bezogen auf unterschiedliche ordnungsrechtlich näher spezifizierte Sachverhalte – teilweise ausdrücklich. So kann die Bundesnetzagentur die Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und die Anbieter von Telekommunikationsdiensten für die Öffentlichkeit verpflichten, in bestimmten Fällen Auskünfte zu personenbezogenen Daten zu erteilen (Satz 2 Hs. 1). Nach Satz 5 soll die Bundesnetzagentur im Falle der gesicherten Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer gegenüber dem Netzbetreiber, in dessen Netz die Nummer geschaltet ist, die Abschaltung der Rufnummer anordnen. Schließlich kann die Bundesnetzagentur den Rechnungsersteller bei gesicherter Erkenntnis einer rechtswidrigen Nutzung auffordern, für diese Nutzung keine Rechnungsnehmung vorzunehmen (Satz 6).

Einer der in § 67 Abs. 1 Satz 2 – 6 geregelten besonderen Störungsfälle mit der vom Gesetzgeber bestimmten Verantwortlichkeit ist im Hinblick auf das Verbot von Werbeanrufen gemäß Ziff. 2 der Ordnungsverfügung nicht gegeben. § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG verhält sich zur Verantwortlichkeit von Personen hingegen nicht ausdrücklich.

Vgl. auch Herchenbach-Canarius/Thoma, a. a. O., § 67 Rn. 10.

Auch das nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Satz 1 TKG anwendbare Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) enthält solche Bestimmungen nicht. Das bedeutet freilich nicht, dass überhaupt keine rechtliche Anknüpfung für die Verantwortlichkeit bei einer Störung i. S. v. § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG besteht. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber vielmehr einen Auffangtatbestand geschaffen, um im Rahmen der Nummernverwaltung die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicherzustellen. Rechtlich wirksame Sanktionen setzen daher voraus, dass die Person, der der Gesetzesverstoß zur Last fällt, ordnungsrechtlich in die Pflicht genommen werden kann. Hieraus folgt als rechtlich greifbares Kriterium, dass die Anordnung gegen den zu richten ist, der gegen die gesetzliche Vorschrift i. S. d. des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG verstoßen hat. Wenn also eine Vorschrift des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verletzt ist, ist Störer derjenige, der unlauter i. S. d. § 3 UWG gehandelt hat.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es für eine Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG ohne Bedeutung, ob der Wettbewerbsverstoß für den als Störer in Anspruch Genommenen ohne Weiteres oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erkennbar war. Derartige Prüfungspflichten sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine zivilrechtliche Störerhaftung nach § 8 UWG relevant, wenn ein Dritter ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß beteiligt ist. Wer eine rechtswidrige Beeinträchtigung lediglich objektiv unterstützt, kann zur Unterlassung nur verpflichtet sein, wenn er Prüfungspflichten verletzt hat.

Vgl. BGH, Urteil vom 1. April 2004 – I ZR 317/01 -, BGHZ 158, 343 = NJW 2004, 2158.

Hierauf kommt es im Zusammenhang mit einer ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit nicht an. Die allgemeinen Grundsätze der Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit, die ihren Ausdruck in den insoweit übereinstimmenden Polizei- und Ordnungsgesetzen der Länder (z. B. §§ 17 und OBG NRW) und im Bundesrecht (vgl. etwa §§ 17 und 18 des Gesetzes über die Bundespolizei – BPolG -) gefunden haben, sind im Geltungsbereich des § 67 Abs. 1 TKG anwendbar.

Die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit gründet grundsätzlich entweder auf dem gefahrverursachenden Verhalten einer Person (Verhaltensverantwortlichkeit) oder sie basiert darauf, dass von einer Sache eine Gefahr ausgeht (Zustandsverantwortlichkeit). Bei dem sog. Handlungsstörer beruht die Verantwortlichkeit auf der individuellen Gefahrverursachung, also auf einer Kausalbeziehung zwischen Verhalten und Gefahr. Bei dem sog. Zustandsstörer liegt der Zurechnungsgrund für die Verantwortlichkeit in der Sachherrschaft.

Vgl. Schoch, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 12. Auflage, 2003, 2. Kap, Rn. 117 ff.

Nicht nur derjenige ist Störer, der selbst i. S. d. speziellen Gesetzes gegen die gesetzliche Vorschrift verstoßen hat, sondern z. B. auch der sog. Zweckveranlasser. In diesem Fall besteht zwischen der Veranlassung und dem die Gefahr herbeiführenden Verhalten ein so enger Zusammenhang, dass sich der Veranlasser die Gefahr zurechnen lassen muss.

Vgl. etwa Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage, 2007, Rn. 244 ff.

An diese Grundsätze hat der Gesetzgeber bei Schaffung des § 67 Abs. 1 TKG angeknüpft, als er die jeweiligen Ordnungspflichtigen näher bestimmt hat (Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen, Anbieter von Telekommunikationsdiensten sowie Rechnungsersteller). § 67 Abs. 1 TKG wäre keine sinnvolle Regelung, wenn die Bundesnetzagentur beispielsweise im gegebenen Fall gegenüber dem Netzbetreiber die Abschaltung der Rufnummer anordnen darf (Satz 5), weitere mit diesem Ordnungsverstoß zusammenhängende ordnungsrechtliche Maßnahmen auf der Grundlage des Satzes 1 aber nicht verfügen dürfte. Der in § 67 Abs. 1 Satz 2 bis 6 TKG genannte Adressatenkreis kann daher, soweit die Zurechnungsvoraussetzungen gegeben sind, von der Bundesnetzagentur bei Erfüllung der Aufgaben nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG in Anspruch genommen werden. Ob der Kreis der in § 67 Abs. 1 TKG bezeichneten Ordnungspflichtigen damit abschließend aufgezählt ist, bedarf in diesem Verfahren keiner Klärung. Offen bleiben kann insbesondere, ob die Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher zulässig sein kann. Diese Rechtsfigur setzt u. a. voraus, dass eine qualifizierte Gefahr nicht auf andere Weise – auch nicht gegen den Störer – abgewehrt werden kann und die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene Mittel und Kräfte verfügt, um die gefährdeten Rechtsgüter wirksam zu schützen.

Vgl. etwa Schenke, a. a. O., Rn. 310 ff.

Angesichts der weitreichenden Eingriffsgriffsmöglichkeiten in grundrechtlich geschützte Freiheitsbereiche könnte für die Inpflichtnahme eines Nichtstörers eine näher bestimmte gesetzliche Grundlage notwendig sein, da möglicherweise eine wesentliche Frage über die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen zu regeln wäre.

Vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978 – 2 BvL 8/78 -, BVerfGE 49, 89, 126 ff. = NJW 1979, 359; Urteil vom 24. September 2003 – 2 1436/02 -, BVerfGE 108, 282, 311 ff. = NJW 2003, 3111; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 9. Auflage, Art. 20 Rn. 46 ff. m.w.N.; Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: Februar 2008, Art. 20 Rn. 143 ff.

Zu klären sind diese Fragestellungen in diesem Verfahren indes nicht, da der Verfahrensausgang hiervon nicht abhängt.

Geht man von den aufgezeigten Maßstäben aus, ist die Antragstellerin, da sie die Werbeanrufe durchgeführt, somit selbst gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG verstoßen und unlauter i. S. d. § 3 UWG gehandelt hat, als Verhaltensstörerin für die Gefahr verantwortlich. Die mit der Ordnungsverfügung erfolgte Untersagung, Werbeanrufe zu tätigen oder für Dritte durchzuführen, durfte an sie gerichtet werden. Die Antragstellerin hat die Verfügungsgewalt über die Anrufautomaten und die Anrufe initiiert. Sie hat ein vom Inhalteanbieter begonnenes Gespräch nicht nur technisch weitergeleitet, sondern die Anrufe mit den Anrufautomaten selbst ausgeführt. Die Antragstellerin ist aufgrund ihres Eigentums und ihrer Sachherrschaft über die Anrufautomaten ebenfalls Zustandsstörerin, mithin ist sie "Doppelstörerin". Dass überdies ihre Kunden, von denen sie die Adressdateien erhalten hat, ordnungspflichtig sind, lässt ihre Verantwortlichkeit nicht entfallen. Die Antragsgegnerin stand vielmehr ein Auswahlermessen zu, da hier eine Mehrheit von Personen für die Gefahrenlage verantwortlich ist. Das Ermessen hat die Antragsgegnerin rechtlich fehlerfrei, insbesondere auch verhältnismäßig zu Lasten der Antragstellerin ausgeübt. Mit der Inanspruchnahme der Antragstellerin kann die Antragsgegnerin wirksam gewährleisten, dass die von der Antragstellerin veranlasste Störung ihr Ende findet.

Es bestehen keine rechtlich durchgreifenden Bedenken gegen Ziff. 3 der Ordnungsverfügung. Auch mit dieser Anordnung soll die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sichergestellt werden. In Rede steht ein Verstoß gegen § 66i Abs. 1 Satz 1 TKG. Nach dieser Vorschrift dürfen aufgrund von Telefonverbindungen, bei denen dem Angerufenen das Verbindungsentgelt in Rechnung gestellt wird, keine Zahlungen an den Anrufer erfolgen. § 66i Abs. 1 Satz 1 TKG fordert also für die Zulässigkeit eines R-Gesprächs ein Drei-Personen-Verhältnis (Anrufer, Anbieter, Angerufener),

vgl. Klees, in: Beck´scher TKG-Kommentar, a. a. O., § 66i TKG-E 2005 Rn. 2,

das hier nicht gegeben ist. Ferner ist nach § 66i Abs. 1 Satz 2 TKG das Angebot von R-Gesprächsdiensten mit einer Zahlung an den Anrufer nach Satz 1 unzulässig.

Vgl. auch Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 15/5213, S. 27 f.

In den beanstandeten Fällen hat die Antragstellerin als Anruferin i. S. d. § 66i Abs. 1 Satz 1 TKG sog. R-Gespräche geführt. Es fielen Verbindungsentgelte an, womit Entgelte für Dienstleistungen gemeint sind, wie sie bei einem konventionellen R-Gespräch anfallen, wenn der Angerufene neben der Telefonverbindung den Dienst des Anbieters des R-Gesprächs zu zahlen hat.

Vgl. auch Klees, a. a. O.

Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragsgegnerin wurde keine neue Verbindung aufgebaut und es entstanden deshalb nicht zwei verschiedene Telefonverbindungen. Der Angerufene drückte lediglich eine bestimmte Taste. Eine Premium-Dienst-Rufnummer wählte er nicht. Die Premium-Dienst- Rufnummer wurde vielmehr im Anrufcomputer des Anrufers ausgelöst; das Gespräch blieb aber im Anrufautomaten. Infolgedessen lag nur ein Zwei-Personen-Verhältnis vor.

Wegen des beanspruchten Verbindungsentgelts ist auch die Sichtweise des Angerufenen maßgeblich. Danach stellte sich hier dem angerufenen Verbraucher, dem eine Nachricht über einen angeblichen Gewinn telefonisch überbracht wurde, das Geschehen als einheitlicher Verbindungsvorgang dar. Soweit der Angerufene eine (verschleierte) Preisansage vor Drücken der Telefontaste erhalten hat, ändert dies die rechtliche Bewertung nicht. Die Vertragsanbahnungssituation wirkte auf ihn überrumpelnd. Die Bedenkzeit von drei Sekunden war angesichts des Umstands, dass ihm die Mitteilung von einem angeblichen Gewinn gemacht wurde, zu knapp bemessen, um eine verständige Entscheidung von dem Nutzerkreis zu erwarten. Vielmehr ergab sich aus der Verknüpfung der Mitteilung eines (scheinbaren) Gewinns mit der kostenpflichtigen Weiterverbindung ein Überraschungsmoment, das geeignet war, beim Angerufenen eine abgewogene Entscheidung zu verhindern. Da an dem R-Gespräch der Sache nach lediglich zwei Personen beteiligt waren, ein Drei-Personen-Verhältnis allerdings vordergründig initiiert wurde, sind die rechtlichen Maßgaben des § 66i Abs. 1 TKG umgangen worden. Dies verstößt auch gegen das Umgehungsverbot des § 66l TKG, das der Gesetzgeber geschaffen hat, um dem gewünschten Verbraucherschutz besonderen Nachdruck zu verleihen. Diese Regelung will erreichen, dass der Gesetzgeber die bestehenden Schutzbestimmungen nicht ständig den sich neu ergebenden Missbrauchsszenarien anpassen muss. Vorliegend besteht kein Anlass, die Anwendungsgrenzen des § 66l TKG, der seine Wirkung dann entfalten soll, wenn eine Normauslegung ausscheidet, obgleich der Normzweck ihre Anwendung an sich rechtfertigen würde, näher auszuloten.

Vgl. auch Klees, a. a. O., § 66l TKG-E Rn. 3.

Im Ergebnis lässt sich nämlich hier feststellen, dass gemäß §§ 66i und 66l TKG der Endkunde nicht durch einen ihn überraschend treffenden Anruf mit den oft erheblichen Kosten für Mehrwertdienste belastet werden soll.

Auch wenn Endkunden selbst den Anruf getätigt haben, geschah dies jedenfalls bei einem Teil der Anrufenden ohne Bewusstsein eines Kostenrisikos. So liegt es insbesondere in den Fällen, in denen der Anrufende entweder noch nicht volljährig oder aufgrund hohen Alters im Umgang mit derartigen Kommunikationsangeboten nicht hinreichend erfahren ist und sich deshalb der irreführenden Momente nicht bewusst ist.

Schließlich ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass mit dem von der Antragstellerin ausgeübten Geschäftsmodell die von Angerufenen veranlasste Sperrung von 0900er-Nummern umgangen wird. Die Sperrung von 0900er-Nummern greift nur bei einem selbständigen Gesprächsaufbau, so dass bei einer Weiterleitung von Gesprächen eine Sperrung nicht erfolgt. Ob unter Umständen eine Umgehung der Sperrung bei Einschaltung von call-by-call-Vorwahlen möglich ist, bedarf im vorliegenden Eilverfahren keiner Klärung. Hierzu hat die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung umfassend vorgetragen und diese Möglichkeit verneint. Abgesehen davon bleibt eine Aufhebung der Sperrung in Fällen der hier beanstandeten Verbindung, die nach allem Anschein zielgerichtet initiiert gewesen ist, um Mehrwertdienste abrechnen zu können.

Die Antragstellerin ist in Bezug auf die Ziff. 3 der Ordnungsverfügung zu Recht als Störerin in die Pflicht genommen worden. Wiederum ist maßgeblich, dass die Antragstellerin über die Anrufautomaten verfügt und somit selbst ordnungsrechtlich verantwortlich ist. Im Übrigen kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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