Einwilligungserklärungen mittels „Listbrokings“
Eigener Leitsatz:
Formularmäßig eingeholte Einverständniserklärungen im Wege des sog. Listbrokings stellen keine wirksame Einwilligung in Webreanrufe dar, denn es ist für die Verbraucher praktisch unüberschaubar, wer sich letztlich auf eine solche Erklärung berufen kann.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 26.09.2008
Az.: 13 B 1331/08
Beschluss
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. Juli 2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 145.000,– EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist Zuteilungsnehmerin und Inhalteanbieterin von Mehrwertdienstenummern. Ihr sind die streitgegenständlichen (0)900er-Rufnummern von der Bundesnetzagentur zugeteilt worden.
Mit Telefoncomputern rief die Antragstellerin bei Telefonanschlussinhabern – zum Teil mehrfach an und teilte ihnen über eine automatische Ansage mit, sie hätten einen Preis gewonnen. Um den Gewinn zu erhalten, sei eine kostenpflichtige Mehrwertdienstenummer anzurufen. Falls Anrufe nicht (mehr) erwünscht seien, könne dieses Anliegen so hieß es weiter – kostenlos telefonisch mitgeteilt werden. Zahlreiche Verbraucher beschwerten sich hierüber bei der Bundesnetzagentur, weil sie solchen Telefonanrufen nicht zugestimmt hätten.
Die Bundesnetzagentur ordnete mit an die Verbindungsnetzbetreiberin E. GmbH gerichteten Bescheid vom 12. März 2008 die Abschaltung von 29 Mehrwertdienstenummern an und verfügte eine Geltungsdauer bis zum 19. März 2009. Ferner forderte die Bundesnetzagentur die Verbindungsnetzbetreiberin auf, bis zum 28. März 2008 die Abschaltung mitzuteilen und für Verbindungen über die streitgegenständlichen Rufnummern für bestimmte Zeiträume keine Rechnungslegung vorzunehmen oder durch einen anderen vornehmen zu lassen, soweit dies noch nicht erfolgt sei. Diesem Verbot stellte die Bundesnetzagentur das Verbot der Inkassierung gleich. Ferner drohte sie ein Zwangsgeld i. H. v. 1.000,– EUR für den Fall des Verstoßes gegen die Anordnungen an.
Gegen die Ordnungsverfügung vom 12. März 2008 erhob die Antragstellerin Widerspruch. Ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg.
Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin geltend: Es liege ein Anhörungsmangel der Ordnungsverfügung vor, der bislang nicht geheilt sei. Sie habe bis auf wenige Ausnahmen keine Kenntnis der Namen der Verbraucher, die sich bei der Bundesnetzagentur über unaufgeforderte Telefonanrufe beschwert hätten, und könne deshalb die jeweiligen Einverständniserklärungen nicht vorlegen. Die Anrufe verstießen nicht gegen die vorrangigen europarechtlichen Bestimmungen. Die Ordnungsverfügung sei zudem unverhältnismäßig. Es hätte eine Mitteilung der Daten der Beschwerdeführer durch die Bundesnetzagentur genügt, um unerwünschte Anrufe zu vermeiden. Ihr werde auch ohne Rechtsgrundlage die Durchführung von Gewinnspielen unmöglich gemacht.
II.
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.
Ob die Antragstellerin in diesem Verfahren antragsbefugt ist, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Zweifel bestehen deshalb, weil die Antragstellerin nicht Adressatin der behördlichen Maßnahme ist, sondern dies die Verbindungsnetzbetreiberin E. GmbH ist, der gegenüber der Bescheid vom 12. März 2008 aber längst in Bestandskraft erwachsen ist. Nach § 42 Abs. 2 VwGO (in entsprechender Anwendung) ist ein Rechtsbehelf nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die bloße Behauptung, er sehe sich in seinen Rechten verletzt, genügt für die Begründung der Antragsbefugnis nicht. Vielmehr müssen die von ihm dargelegten Tatsachen eine derartige Verletzung nicht ausgeschlossen erscheinen lassen.
Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 3 C 2.80 , BVerwGE 60, 154, 157 f. = NJW 1980, 2764.
Die Ordnungsverfügung der Bundesnetzagentur beseitigt nicht Nutzungsrechte der Antragstellerin aufgrund der Zuteilung von Rufnummern, die sie von der Bundesnetzagentur erhalten hat. Aus der gegenüber der Verbindungsnetzbetreiberin verfügten Abschaltung der Rufnummern sowie aus dem Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot folgen unmittelbar keine Gebote oder Verbote für die Antragstellerin, die sie zu beachten hätte. Andererseits ist es ihr aufgrund der Ordnungsverfügung nicht mehr möglich, von ihren Zuteilungsrechten Gebrauch zu machen, so dass sie ihr Geschäftsmodell nicht mehr verfolgen kann. Ob hieraus die verfahrens- und prozessrechtliche Befugnis folgt, eine an die Verbindungsnetzbetreiberin adressierte Ordnungsverfügung in vollem Umfang auf ihre formelle und materielle Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, begegnet Bedenken. Sie bestehen auch deshalb, weil die Antragstellerin in dem sie unmittelbar betreffenden ordnungsrechtlichen Verfahren, das Gegenstand eines eigenen gerichtlichen Aussetzungsverfahrens ist (13 B 1397/08), hinreichend Gelegenheit hat, effektiven Rechtsschutz i. S. v. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu erhalten.
Ob die aufgezeigten Bedenken durchzugreifen vermögen, ist allerdings nicht klärungsbedürftig, weil das Aussetzungsbegehren der Antragstellerin aus anderen Gründen keinen Erfolg hat. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur abschließenden Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an der möglichst schnellen Durchsetzung der Verfügung fällt zum Nachteil der Antragstellerin aus. Das Verwaltungsgericht hat daher den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 12. März 2008 zu Recht abgelehnt. Ihr Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin leidet der Bescheid nicht deshalb an einem Anhörungsmangel i. S. v. § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), weil sie bis auf wenige Ausnahmen keine Kenntnis von den angerufenen Verbrauchern habe und somit keine Einverständniserklärungen vorlegen könne. Ein etwaiger Anhörungsmangel ist i. S. v. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG wirksam geheilt worden. Die Antragsgegnerin hat der Adressatin des Bescheids mit Schreiben vom 25. März 2008 die Daten von Verbrauchern mitgeteilt und insoweit die Möglichkeit begründet, den Nachweis einer Einwilligung der Beschwerdeführer zu erbringen. Dass weder die Adressatin der Ordnungsverfügung noch die Antragstellerin zuordenbare individuelle Einwilligungserklärungen dieser Verbraucher vorgelegt, sondern allgemein auf "Teilnahmebedingungen und Datenschutzbestimmungen" sowie auf von anderen Unternehmen eingeholte Einwilligungserklärungen im Wege des sog. Listbrokings verwiesen hat, ist im Zusammenhang mit der formellen Rechtmäßigkeit ohne Bedeutung. Im Zuge der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheids wird dieser Punkt näher erörtert. Jedenfalls verweist die Antragstellerin selbst auf die Verwendung allgemeiner formularmäßiger Erklärungen und stellt nicht auf individuelle Erklärungen von Verbrauchern ab. Abgesehen hiervon bestand für die Antragstellerin ausreichend Gelegenheit, im Wege der Akteneinsicht die persönlichen Daten der Beschwerdeführer zu erfahren. Mit Schriftsatz vom 24. April 2008 teilte sie dem Verwaltungsgericht Köln mit, dass derzeit um Akteneinsicht nachgesucht werde, um "sich effektiv zu den in der Abschaltungsordnung vom 12.03.2008 erwähnten Rufnummern zu äußern". Daraufhin hat das Verwaltungsgericht unter dem 30. April 2008 der Antragstellerin mitgeteilt, dass sich die Verwaltungsvorgänge bei Gericht befänden. Von einem Gesuch auf Akteneinsicht hat die Antragstellerin indes abgesehen und sich damit selbst der Möglichkeit begeben, sich näher zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Im Übrigen hat die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Ob die Antragsgegnerin sogar gemäß § 28 Abs. 2 VwVfG von einer Anhörung abgesehen durfte, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint, muss der Senat daher nicht entscheiden.
Es liegen auch die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Ordnungsverfügung vom 12. März 2008 vor.
Rechtsgrundlage für die Abschaltungsverfügung vom 12. März 2008 ist § 67 Abs. 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) i. d. F. des Art. 2 Nr. 17 und 35 des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106). Danach soll die Bundesnetzagentur im Falle der gesicherten Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer gegenüber dem Netzbetreiber, in dessen Netz die Nummer geschaltet ist, die Abschaltung der Rufnummer anordnen. Diese Bestimmung ist eine spezielle Ermächtigungsgrundlage im Verhältnis zu der Generalermächtigung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG, wonach die Bundesnetzagentur im Rahmen der Nummernverwaltung Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen treffen kann, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der von ihr erteilten Bedingungen über die Zuteilung von Nummern sicherzustellen.
Die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG für eine Abschaltung der betroffenen (0)900er-Rufnummern liegen vor. Es besteht gesicherte Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung dieser Rufnummern.
Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Bestimmungen, die keinen (unmittelbaren) telekommunikationsrechtlichen Bezug aufweisen, können gleichwohl ein beachtlicher Verstoß im Rahmen des § 67 Abs. 1 TKG und somit Gegenstand der Nummernverwaltung durch die Bundesnetzagentur sein.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008 13 B 668/08 , DVBl. 2008, 1129.
Solche Bestimmungen enthält insbesondere das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414) i. d. F. von Art. 5 des Gesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3367).
Hier stehen unzumutbare Belästigungen i. S. v. § 7 UWG und daher unlautere und unzulässige Wettbewerbshandlungen i. S. v. § 3 UWG im Raum.
Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung insbesondere anzunehmen bei der Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, ohne dass eine Einwilligung der Adressaten vorliegt. Solche Werbemaßnahmen sind hier gegeben.
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb enthält keine Definition des Begriffs der Werbung. Es ist aber in der Rechtsprechung geklärt, dass auf ein am Ziel der Absatzförderung orientiertes Verständnis des Begriffs der Werbung abzustellen ist.
Hierzu jüngst BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 I ZR 75/06 , DB 2008, 1967, m. w. N. und unter Bezugnahme auf Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450/EWG und Art. 2 lit. a der Richtlinie 2006/114/EG.
Es liegt auf der Hand, dass Zweck der von der Antragstellerin initiierten Telefonanrufe allein die Bewerbung der (0)900-Rufnnummern in diesem Sinne war. Ob die angerufenen Personen sich über den Werbecharakter der Telefonanrufe bewusst waren, ist demgegenüber ohne rechtliche Bedeutung.
Eine rechtlich wirksame Einwilligung der betreffenden Verbraucher ist nicht feststellbar. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Einverständniserklärungen, die nach dem Vorbringen der Antragstellerin von den Beschwerdeführern abgegeben worden seien, tatsächlich existieren. Denn die Antragstellerin hat den Inhalt der fraglichen Klauseln allein in ihren Schriftsätzen dargestellt. Erklärungen von Verbrauchern, mit den "Datenschutzklauseln" einverstanden zu sein, hat die Antragstellerin hingegen nicht in der Weise vorgelegt, dass erkennbar würde, welchen Inhalt die Klauseln haben. Dass ggf. vereinzelt Verbraucher die Kenntnisnahme von "Datenschutzklauseln" mit ihrer Unterschrift erklärt haben, führt daher nicht weiter, weil der Text dieser Klauseln nicht vorgelegt wurde. Ebenso fragt es sich, ob diese als "Datenschutzerklärung" bezeichneten umfangreichen Klauseln, mit denen sich die Kunden "zum Erhalt von Werbeanrufen bereit" erklärt und die Unternehmen ermächtigt haben sollen, die Kundendaten an weitere Unternehmen der Marke "G. N. ®" weiterzugeben, dem Wortlaut und Inhalt nach aus Sicht eines verständigen Dritten das hier in Rede stehende Geschäftmodell erfassten. Die Verbraucher mussten möglicherweise die Telefonanrufe nicht als Werbeaktion für einen kostenpflichtigen Mehrwertdienst verstehen, sondern vorrangig als Mitteilung über einen Gewinn, zu dessen Bestätigung und Erhalt es nur noch der Wahl der (0)900er-Rufnummer bedurfte.
Einer abschließenden Beurteilung dieser Fragen bedarf es aber nicht, weil die in Frage stehenden Einverständniserklärungen zu den Werbemaßnahmen i. S. d. Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ungültig sind. Einer Überprüfung der einzelnen der Bundesnetzagentur vorliegenden Beschwerdevorgänge ist nicht notwendig, weil die Antragstellerin nach eigenem Vortrag vor ihren Werbeanrufen keine individuellen Einwilligungserklärungen eingeholt, sondern im Wege des sog. Listbrokings von Drittunternehmen (formularmäßige) Einverständniserklärungen "angemietet" hat. Diese stellen keine wirksame Einwilligung in die automatisierten Werbeanrufe dar, wie das Verwaltungsgericht eingehend und überzeugend unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dargestellt hat.
Vgl. hierzu BGH, Urteile vom 16. März 1999 – XI ZR 76/98 – BGHZ 141, 124 = NJW 1999, 1864, und vom 27. Januar 2000 – I ZR 241/97 -, NJW 2000, 2677; vgl. auch Urteil vom 24. März 1999 – IV ZR 90/98 -, BGHZ 141, 137 = NJW 1999, 2279; OLG Hamm, Urteil vom 15. August 2006 – 4 U 78/06 -, K&R 2006, 524.
Die Verwendung vorformulierter Einwilligungserklärungen für spätere telefonische Werbeanrufe eines Unternehmens unterliegen der Kontrolle nach den Bestimmungen über die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB). Derartige Einwilligungserklärungen sind wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Solche Werbeanrufe betreffen nicht das konkrete, mit der Einwilligungserklärung in Zusammenhang stehende Vertragsverhältnis, sondern Werbung für andere, zukünftige Vertragsverhältnisse. Die Wirksamkeit dieser Einwilligungen ist daher zu verneinen, weil es für den Kunden praktisch unüberschaubar ist, wer sich letztlich auf eine solche Erklärung berufen kann. Soweit die Antragstellerin die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2008 ( VIII ZR 348/06 -, juris) anführt, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Es liegt kein Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung zur Einwilligung in automatisierte Werbeanrufe vor. Auch in dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof wiederum betont, dass für die Erteilung der Einwilligung in Werbung eine gesonderte Erklärung erforderlich sei, die eine zusätzliche Unterschrift oder eine individuelles Markieren eines entsprechenden Feldes verlange (Rn. 27 ff.). Die Unangemessenheit der Klausel entfällt im Übrigen nicht dadurch, dass die vorformulierten Einwilligungserklärungen nach dem Vortrag der Antragstellerin über eine kostenlose Rufnummer widerruflich seien. Die Initiative zur Wiederherstellung der ungestörten Privatsphäre wird damit unzulässigerweise auf den betroffenen Verbraucher verlagert.
Vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000, – I ZR 241/97 -, a. a. O.
Die Beurteilung der beanstandeten Telefonwerbung als unlauter kollidiert auch nicht mit Art. 5 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern vom 11. Mai 2005 (Richtlinie 2005/29/EG), der auf Anhang I der Richtlinie verweist. Er enthält eine Liste von Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind. Nach Nr. 26 Satz 1 zählt zu den stets unlauteren Geschäftspraktiken die Werbung von Kunden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien außer in den Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen. Diese Regelung weicht insofern von § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG ab, als sie nicht jegliche Werbung mit den dort genannten Fernkommunikationsmitteln ohne vorherige Einwilligung der Verbraucher verbietet, sondern nur das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen.
Art. 5 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG enthält indes keine abschließende Regelung. Bereits die Formulierung in Art. 5 Abs. 5 Satz 1 "Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten" weist darauf hin, dass sich die Unlauterkeit auch aus anderen Umständen ergeben kann. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG bestätigt dieses Verständnis. Danach gehen die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, kollidierenden Bestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG vor und sind für diese besonderen Aspekte maßgebend. Zu diesen vorrangigen Rechtsvorschriften zählt insbesondere die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (2002/58/EG) vom 31. Juli 2002 (vgl. Anhang I Nr. 26 Satz 2 der Unlauterkeitsrichtlinie) und zwar auch insoweit, als sie den Mitgliedstaaten in Art. 13 Abs. 3 für die Regelung der Telefonwerbung die Wahl lässt zwischen der "Opt-in-Lösung", wonach eine Werbeaktion zulässig ist, wenn der Verbraucher hierin eingewilligt hat, und der "Opt-out-Lösung", nach der Werbung zulässig ist, solange der Teilnehmer nicht widersprochen hat (vgl. Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2005/29/EG).
Vgl. Koch, in: Ullmann jurisPK-UWG, § 7 Rn. 184, 195, 201 f.
Die Bundesnetzagentur verfügt auch über gesicherte Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung der (0)900er-Nummer. Diese Voraussetzung ist in der Regel erfüllt, wenn der Bundesnetzagentur wiederholt Verstöße unter Angabe einzelner Nummern mitgeteilt wurden.
Vgl. Büning/Weißenfels, in: Beck´scher TKG-Kommentar, 3. Auflage, 2006, § 67 Rn. 11.
So liegt es hier, da bei der Bundesnetzagentur für sämtliche der 29 Rufnummern eine Vielzahl von Beschwerden eingegangen sind. Auch wenn einzelne Angerufene derartigen Anrufen vorab zugestimmt haben sollten, ändert dies nichts an dem Verstoß i. S. v. § 67 Abs. 1 TKG . Auf die genaue Zahl von Verstößen kommt es angesichts der Fülle der von der Antragsgegnerin festgestellten Zuwiderhandlungen nicht an.
Liegen die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG vor, soll die Abschaltung der Rufnummer angeordnet werden. Auch mit Blick auf die ratio legis von § 67 Abs. 1 TKG, Verstöße bei der Nummernnutzung wegen des Verbraucher- und Kundenschutzes effektiv verfolgen zu können,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008 13 B 668/08 , a. a. O. sowie Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu einem Telekommunikationsgesetz, BT-Drucks. 15/2316 S. 83 und Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Dezember 2003, BT-Drucks. 15/2316 S. 119; Büning/Weißenfels, a. a. O., § 67 Rn. 7,
hat der Gesetzgeber mit der Fassung des § 67 Abs.1 Satz 5 TKG das Ermessen der Bundesnetznetzagentur bei der Abschaltung von Rufnummern als Soll-Vorschrift gefasst. Dies bedeutet, dass die Behörde im Regelfall die Abschaltung anzuordnen hat. Ein Abweichen von diesem Grundsatz ist ihr daher nur in einem atypischen Fall gestattet, der hier bei summarischer Prüfung nicht erkennbar ist. Auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist ein Absehen von der regelhaft zu erfolgenden Abschaltung der Rufnummern nicht geboten. Die Auffassung der Antragstellerin, es hätte eine Mitteilung der Daten der Beschwerdeführer durch die Bundesnetzagentur genügt, um unerwünschte Anrufe zu vermeiden, verfängt nicht. Zur Vermeidung von künftigen unverlangten Anrufen ist die Maßnahme nicht nur geeignet, sondern zudem erforderlich. Es geht nicht nur darum zu verhindern, dass dieselben Verbraucher erneut angerufen werden, sondern Zweck der Ordnungsverfügung als Maßnahme der Gefahrenabwehr ist (auch) die Vermeidung von Anrufen bei bislang unbehelligt gebliebenen Verbrauchern. Vor diesem Hintergrund ist die Abschaltungsverfügung auch angemessen. Soweit die Antragstellerin geltend macht, mit der Abschaltung der Rufnummern werde ohne Rechtsgrundlage die Durchführung von Gewinnspielen unmöglich gemacht, verhilft ihr dieses Vorbringen nicht zum Erfolg. Die Ausübung beruflicher Freiheiten kann nach Art. 12 Abs. 1 GG durch Gesetz beschränkt werden, was hier auf der Grundlage des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG aus Gemeinwohlgründen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtmäßig erfolgt ist.
Die Regulierungsbehörde durfte schließlich das Rechungslegungsverbot gemäß § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG anordnen. Nach dieser Bestimmung kann die Bundesnetzagentur den Rechnungsersteller bei gesicherter Kenntnis einer rechtswidrigen Nutzung auffordern, für diese Nummer keine Rechnungslegung vorzunehmen. Diese Vorschrift ermächtigt ausdrücklich nur zur Aufforderung an den Rechnungsersteller, keine Rechnungslegung vorzunehmen. Es bestehen aber keine rechtlichen Bedenken, ein Inkassierungsverbot bei gesicherter Kenntnis einer rechtswidrigen Nutzung der Rufnummer auf § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG zu stützen, weil die in den Sätzen 2 bis 7 genannten Maßnahmen im Rahmen der Nummernverwaltung nicht abschließend aufgezählt sind. § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG ist eine Generalermächtigung und im System des § 67 Abs. 1 TKG eine Auffangnorm.
Vgl. Herchenbach-Canarius/Thoma, in: Arndt/Fetzer/Scherer, Telekommunikationsgesetz, Kommentar, 2008, § 67 Rn. 5.
Das von der Bundesnetzagentur verfügte Inkassierungsverbot gründet sich deshalb, ohne dass Ermessensfehler erkennbar sind, rechtmäßig auf § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG.
Auch musste die Bundesnetzagentur nicht das Verhältnis der Anzahl der Beschwerdeführer zu der Anzahl der Nutzer der Rufnummern berücksichtigen. § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG stellt nämlich auf eine hier gegebene gesicherte Kenntnis einer rechtswidrigen Nutzung der Rufnummer ab und enthält somit selbst ein quantitatives Element. Eine Relation zwischen einzelnen Nutzergruppen, wie die Antragstellerin es wünscht, ist bei Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG auch bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht herzustellen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 47 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.