BE WHAT YOU ARE AND EVERYTHING YOU WANT TO BE

29. Oktober 2012
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Eigener Leitsatz:

Der Wortfolge "BE WHAT YOU ARE AND EVERYTHING YOU WANT TO BE" fehlt für die Ware Tabak- und Tabakerzeugnisse nicht jegliche Unterscheidungskraft. Die Wortfolge "BE WHAT YOU ARE AND EVERYTHING YOU WANT TO BE" besitzt keinen beschreibenden Sinngehalt für die begehrten Waren und Dienstleistungen. Es ist auch kein (im Vordergrund stehender) enger sachlicher Bezug zu erkennen. Die Wortfolge hat für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen eindeutigen Begriffsinhalt, ist vielmehr vage und unklar.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 26.09.2012

Az.: 26 W (pat) 548/12

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 1 046 035

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 26. September 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. … sowie des Richters … und des Richters am Landgericht

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse IR 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Juni 2012 aufgehoben.

Gr ü n d e

I

Mit Beschluss vom 11. Juni 2012 hat die Markenstelle für Klasse IR 34 des Deutschen
Patent- und Markenamts der international für die Waren und Dienstleistungen

Kl. 34: Tabac, brut ou manufacturé; produits du tabac, y compris cigares, cigarettes, cigarillos, tabac pour cigarettes à rouler soimême, tabac pour pipes, tabac à chiquer, tabac à priser, kretek; snus; succédanés du tabac (à usage non médical); articles pour fumeurs, y compris papier à cigarettes et tubes, filtres pour
cigarettes, boîtes pour le tabac, étuis à cigarettes et cendriers, pipes, appareils de poche à rouler les cigarettes, briquets; allumettes

Kl. 41: Divertissement; activités sportives et culturelles

registrierten Marke IR 1 046 035 "BE WHAT YOU ARE AND EVERYTHING YOU WANT TO BE" nach vorangegangener Beanstandung vom 23. März 2011 den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert.

Der IR-Marke fehle für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zumindest jegliche Unterscheidungskraft, weshalb ihr gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland vollständig zu verweigern sei. Einem fremdsprachigen Zeichen wie dem vorliegenden fehle die Unterscheidungskraft, wenn die beteiligten inländischen Verkehrskreise, d. h. der Handel und/oder die Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren, im Stande sind, deren Bedeutung zu erkennen. Die englische Sprache stehe dabei markenrechtlich der deutschen gleich. Das Zeichen "BE WHAT YOU ARE AND EVERYTHING YOU WANT TO BE" laute übersetzt "Sei was du bist und alles was du sein willst". Für die beanspruchten Waren, bei denen es sich um Genussmittel handele, stelle die Wortfolge eine Aufforderung dar, sich selbst treu zu sein und sich selbst zu verwirklichen. Bei den Raucherartikeln zeige man nach außen hin, dass man einer bestimmten Gruppe von Sucht-Genießern angehöre. Die hier entscheidungserheblichen Verkehrskreise würden auf Grund der werbemäßigen Aufforderung "BE WHAT YOU ARE AND EVERYTHING YOU WANT TO BE" nicht in der Lage sein, das Zeichen in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen einem bestimmten Anbieter zuzuordnen. Was aber im Verkehr ausschließlich als Werbung verstanden werde, stelle keine eintragungsfähige Marke dar. Einem Zeichen, dem ein beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden könne, fehle das zur Kennzeichnung für eine Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Bei der IR-Marke "BE WHAT YOU ARE AND EVERYTHING YOU WANT TO BE" handele es sich um eine sich in einer rein werblichen Anpreisung erschöpfenden Angabe, die in diesem Sinne wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände in Bezug auf die vorgenannten beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibe. Derartige Satzgebilde seien grundsätzlich nicht geeignet, als Marke im Sinne einer individuellen betrieblichen Herkunftskennzeichnung zu dienen.

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie hält das Anmeldezeichen für die relevanten Waren und Dienstleistungen für unterscheidungskräftig. Die Wortfolge sei mehrdeutig und als Herkunftshinweis zu verstehen. Die Markenstelle stelle analytische Erwägungen an, wenn sie einen beschreibenden Inhalt bemühe.

Die Anmelderin beantragt,

den angegriffenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

II

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin erweist sich als begründet. Entgegen der von der Markenstelle geäußerten Rechtsauffassung kann dem Zeichen das notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Es ist in seiner konkreten Ausgestaltung auch nicht freihaltebedürftig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ war ihm daher der beantragte Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nicht zu verweigern.

Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 = WRP 2000, 520 – St. Pauli Girl; Beschl. v. 10.2.2000 – I ZB 37/97, GRUR 2000, 720, 721 = WRP 2000, 739 – Unter Uns). Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urt. v. 29.9.1998 – Rs. C-39/97, Slg. 1998, I-5507 = GRUR 1998, 922, 924 Tz. 28 – Canon; BGH, Beschl. v. 8.10.1998 – I ZB 35/95, GRUR 1999, 245, 246 = WRP 1999, 196 – LIBERO; GRUR 2000, 882 – Bücher für eine bessere Welt).

Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2000 – I ZB 22/98, GRUR 2001, 162, 163 = WRP 2001, 35 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortmarken gerechtfertigt sind. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig werden des Weiteren in der Regel längere Wortfolgen sein. Indizien für die Eignung, die Waren und Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Werbeaussage kann einen Anhalt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen werden (vgl. BGH, WRP 2001, 692, 693 – Test it; BGH GRUR 2001, 1043 Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2010, 935 – Die Vision).

Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen kann dem Zeichen für die Waren und Dienstleistungen, für welche die internationale Registrierung Schutz begehrt, das hiernach erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Denn wie die Beschwerde zutreffend ausführt handelt es sich bei der um Schutz nachsuchenden Marke gerade nicht allein um eine allgemeine Werbeaussage oder Kaufaufforderung, sondern um eine sloganartige Wortfolge mit verschiedenen Bedeutungen.

Für Werbeslogans gilt nach ständiger Rechtsprechung (z. B. BGH GRUR 2000, 321 – Radio von hier), dass der Verkehr zwar auch eine Werbeaussage annehmen wird, die nicht in erster Linie der Identifizierung der Herkunft des Produktes, sondern ausschließlich seiner Beschreibung dient (vgl. Ingerl/Rohnke Markengesetz § 8 Rdn. 130, 144). Dies rechtfertigt es aber nicht, von unterschiedlichen Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Werbeslogans gegenüber anderen Wortmarken auszugehen. Denn bei einer Marke schließen sich die Identifizierungsfunktion und die Werbewirkung nicht gegenseitig aus. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen werden.

Diesen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG an die Unterscheidungskraft zu stellenden
Anforderungen genügt die Wortfolge "BE WHAT YOU ARE AND EVERYTHING YOU WANT TO BE". Sie enthält, worauf die Beschwerdebegründung vom 9. August 2012 zutreffend hinweist, schon keinen beschreibenden Sinngehalt für die begehrten Waren und Dienstleistungen. Es ist auch kein (im Vordergrund stehender) enger sachlicher Bezug zu erkennen.

Die angemeldete Wortfolge ist zwar nicht kurz, aber prägnant und steht auch wegen des Wortes "what" im Unterschied zu dem näher liegenden "who" für verschiedene Bedeutungen. Die aus der angefochtenen Entscheidung sich ergebende Auffassung bemüht eine mögliche Übersetzung und Deutung in einer gedanklich analysierenden Weise, die üblicherweise gerade für das Vorliegen der Unterscheidungskraft spricht. Die Wortfolge hat für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen eindeutigen Begriffsinhalt, ist vielmehr vage und unklar. Ergänzend kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung Bezug genommen werden, die sich der Senat zu eigen macht. Die Wortfolge ist auch weder eine typische Werbeaussage (- wofür konkret sollte damit geworben werden?) noch handelt es sich um eine schlecht zu merkende Wortfolge (vgl. z. B. BGH MarkenR 2000, 48 "Radio von hier…"), so dass ihr ein noch ausreichender individualisierender Phantasiegehalt nicht abgesprochen werden kann. Soweit der angefochtene Beschluss davon ausgeht, die Wortfolge beschreibe in ihrem Sinne wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen, steht dem die Undeutlichkeit und Unklarheit der in der Wortfolge gesehenen – vermutlichen – Sachaussage entgegen.

Der Beschwerde war daher stattzugeben.

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