Kommentar

Und die DENIC haftet doch

20. Dezember 2011
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Wenn eine Internetadresse mit der Top-Level-Domain „.de“ eingetragen wird, ist hierfür die DENIC zuständig und verantwortlich. Allerdings ist die DENIC in der Regel nicht haftbar zu machen, wenn bereits die Eintragung der Domain gegen die Rechte Dritter verstößt. Daher ist es regelmäßig erforderlich gegen den Domaininhaber und unter Umständen gegen den Admin-C (BGH, Pressemitteilung Nr. 180/2011 zum Urteil vom 09.11.2011, Az.: I ZR 150/09) vorzugehen, wenn man sich in seinen Rechten verletzt sieht.

Der Bundesgerichtshof entschied erneut, dass die DENIC, welche die Aufgaben der Registrierung der Domainnamen ohne Gewinnerzielungsabsicht erfüllt, nach der Entscheidung „ambiente.de“ des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 17. Mai 2001, Az.: I ZR 251/99) nur eingeschränkte Prüfungspflichten zu erfüllen hat. Bei der Registrierung selbst, die in einem automatisierten Verfahren allein nach Prioritätsgesichtspunkten erfolgt, muss keinerlei Prüfung erfolgen. Aber auch dann, wenn die DENIC auf eine mögliche Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, ist sie nur dann gehalten, die Registrierung des beanstandeten Domainnamens zu löschen, wenn die Rechtsverletzung offenkundig und für sie ohne weiteres feststellbar ist (BGH, Pressemitteilung Nr. 172/2011 zum Urteil vom 27.10.2011, Az.: I ZR 131/10).

Damit stellte der Bundesgerichtshof klar, dass sich an den bisherigen Grundsätzen der (Störer)Haftung der DENIC nichts ändert. Allerdings ist erwähnenswert, dass die DENIC erfolgreich in die Haftung genommen wurde. Das ist für die Praxis, deshalb begrüßenswert, da im Rahmen der Top-Level-Domains „.de“ im Streifall vor einem deutschen Gericht geklagt werden muss, was sich dann als schwierig herausstellt, wenn der Domainhaber im Ausland sitzt. Im vorliegenden Fall wurden die Domains auf panamaische Briefkastenfirmen eingetragen.

Sachverhalt

Kläger war der Freistaat Bayern. Das Staatsgebiet des Freistaats Bayern ist in mehrere Verwaltungsbereiche eingeteilt, die jeweils den Zusatz „Regierungsbezirk“ tragen.

Beklagte war die DENIC, welche genossenschaftlich organisiert ist und die Domainnamen mit der Top-Level-Domain „.de“ vergibt. Im Hinblick auf die großen Mengen der Anträge passiert dies zunächst vollautomatisch und ohne Prüfung der jeweiligen materiellen Berechtigung des Anmelders.

Die DENIC vergab zugunsten verschiedener Unternehmen mit Sitz in Panama mehrere Domainnamen, die aus dem Wort „regierung“ und dem Namen jeweils einer der Regierungsbezirke des Klägers gebildet wurden (z.B. „regierung-oberfranken.de“). Als Admin-C für sämtliche Domainnamen war eine natürliche Person aus Deutschland eingetragen. Der Freistaat Bayern ließ für seine Regierungsbezirke ähnliche Domainnamen registrieren (z.B. „regierung.oberfranken.bayern.de“).

Der Kläger nahm den Admin-C und die Domaininhaber in Anspruch. Hierüber ergingen Versäumnisurteile. Die Umsetzung des Versäumnisurteils gegen den Admin-C scheiterte daran, dass er teilweise vor und teilweise nach dem Versäumnisurteil seine Stellung als Admin-C aufgab, so dass das Urteil ihm gegenüber nicht mehr vollstreckbar war. Die Umsetzung des Versäumnisurteils gegen den Domaininhaber scheiterte, da eine Zustellung an die Domaininhaber nicht möglich war. Darüber hinaus unterhielten die Anschriften in Panama keinen Geschäftsbetrieb aber pikanterweise wurden mehrere 1000 Internetadressen eingetragen.

Der Kläger nahm die Beklagte als Störerin in Anspruch.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich im Urteil vom 17. Mai 2001, Az. I ZR 251/99 – ambiente.de grundlegend mit den Voraussetzungen für eine Störerhaftung der DENIC für die Verletzung der Rechte Dritter durch angemeldete Domainnamen.

Störerhaftung

Die Bejahung einer Störerhaftung setzt stets die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen den Umständen nach eine Prüfung zuzumuten ist.

2 Phasen

Für die DENIC sind zwei Phasen zu unterscheiden.

In der ersten Phase – der Erstregistrierung – hat die DENIC keinerlei Prüfungspflichten.

In der zweiten Phase – wenn die DENIC auf eine angebliche Rechtsverletzung hingewiesen wurde – hat die DENIC eingeschränkte Prüfungspflichten.

In dieser zweiten Phase ist die DENIC nur gehalten, eine Registrierung zu löschen, wenn sie ohne weitere Nachforschungen zweifelsfrei feststellen kann, dass ein registrierter Domainname Rechte Dritter verletzt. Bei solchen offenkundigen, von dem zuständigen Sachbearbeiter der DENIC unschwer zu erkennenden Rechtsverstößen kann von der DENIC erwartet werden, dass sie die Registrierung aufhebt.

Ein solcher unschwer zu erkennender Rechtsverstoß liegt dann vor, wenn der DENIC ein rechtskräftiger gerichtlicher Titel gegen den Inhaber des Domainnamens auf Unterlassung der Bezeichnung vorliegt oder wenn die Rechtsverletzung derart eindeutig ist, dass sie sich ihr aufdrängen muss, was bei einer Markenrechtsverletzung allenfalls dann der Fall ist, wenn der Domainname mit einer berühmten Marke identisch ist, die über eine überragende Verkehrsgeltung auch in allgemeinen Verkehrskreisen verfügt, und wenn sich diese Umstände auch den Mitarbeitern der DENIC ohne weiteres erschließen.

Rechtskräftiger gerichtlicher Titel

Die Vorinstanzen waren sich uneins über die Frage, ob bereits ein ausreichender rechtskräftiger gerichtlicher Titel der DENIC vorgelegt wurde.

Das OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 17. Juni 2010, Az.: 16 U 239/09 stellte klar, dass bis dato lediglich ein rechtskräftiger Titel gegen den Admin-C vorlag, dieser allerdings nicht vollstreckbar sei. Dies reiche nicht aus, da das Haftungs- und Prozessrisiko, dass bei Auseinandersetzungen um die Rechtmäßigkeit von Domainnamen bestehe, nicht auf die DENIC verlagert werden dürfe. Die DENIC könne nicht bei Vorlage eines rechtskräftigen Urteils gegen den Admin-C die streitgegenständliche Domain löschen, ohne Gefahr zu laufen, anschließend erfolgreich von dem Domaininhaber wegen einer vertragswidrigen Kündigung in Anspruch genommen zu werden. Das gegen den Admin-C erlangte Urteil wirke, nämlich nicht für und gegen den Domaininhaber.

Ein rechtskräftiges Urteil gegen die Domaininhaber bestünde nicht. Allerdings sei nach Ziff. VIII der Domainrichtlinien, wenn der Domaininhaber seinen Sitz nicht in Deutschland habe, der Admin-C zustellungsbevollmächtigt nach § 184 ZPO; diese Möglichkeit sei durch den Kläger versäumt worden.

Das LG Frankfurt a.M., Urteil vom 16. November 2009, Az.: 21 O 139/09 sah dies demgegenüber nicht so „formalistisch“.

Dass es sich „nur“ um ein Urteil gegen den Admin-C und nicht gegen den Inhaber handele, stehe der bevorstehenden Bewertung nach Auffassung des Gerichts nicht entgegen, im Gegenteil. Nach den ersichtlichen Gerichtsentscheidungen komme eine persönliche Inanspruchnahme des Admin-C unter dem Gesichtspunkt eines „Störers“ nur in äußerst eingeschränkten Fallkonstellationen in Betracht. Daher sei es nicht ersichtlich, aus welchem Grunde sich die DENIC einer Umsetzung eines Urteils gegen den zumindest im Zeitpunkt der Klageerhebung noch hierfür ausdrücklich eingetragenen Admin-C widersetze, welches eingedenk der oben beschriebenen Diskussionen zur Inanspruchnahme des Admin-C gegen den Domaininhaber erst recht gelten müsse.

Im Übrigen sei hervorzuheben, dass nicht die Frage nach einer formvollendeten und rechtskräftigen Übermittlung von behördlichen Schriftstücken im Vordergrund stehe, sondern jene nach einer für die Beklagte ganz offenkundig zu Tage tretenden rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung eines Internetauftritts.

Derzeit hat der BGH nur eine Pressemitteilung veröffentlicht. Daraus ist nicht ersichtlich, welcher Ansicht der BGH folgte, so dass über die Einzelheiten der Haftung nur spekuliert werden kann.

Eindeutige und aufdrängende Namensverletzung

Die Vorinstanzen und der BGH sind sich allerdings einig, dass die DENIC zur Löschung der Domainregistrierung verpflichtet war, da sich die Namensverletzung aufdrängte.

Das OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 17. Juni 2010, Az.: 16 U 239/09 führte aus, dass im vorliegenden Fall das Merkmal der Berühmtheit bzw. Verkehrsgeltung nicht erforderlich sei. Zwar habe sich die Entscheidung des BGH, Urteil vom 17. Mai 2001, Az.: I ZR 251/99 – ambiente.de für den Bereich der Markenrechtsverletzung entschieden, dass eine Markenrechtsverletzung für die DENIC allenfalls dann offensichtlich sein könne, wenn der Domainname mit einer berühmten Marke identisch sei, die über eine überragende Verkehrsgeltung auch in allgemeinen Verkehrskreisen verfüge. Vorliegend bestehe jedoch eine Besonderheit darin, dass es sich bei den geschützten Namen um die offiziellen Bezeichnungen der Regierungen der Regierungsbezirke des Klägers handele. In diesem Zusammenhang bedürfe es aber keines Erfordernisses der „Berühmtheit“.

Bereits durch die Bezeichnung „Regierung“ in Verbindung mit dem Zusatz allgemein bekannter geographischer Regionen werde deutlich, dass der Name allein einer staatlichen Stelle zugeordnet sein könne; sie weise damit auch einen Sachbearbeiter der DENIC, der über keine namensrechtlichen Kenntnisse verfüge, eindeutig auf einen bestimmten Namensträger hin, der allein als Rechtsinhaber in Betracht komme, während gleichnamige Dritte, die ebenfalls zur Registrierung des Domainnamens berechtigt seien, nicht existieren können.

Das LG Frankfurt a.M., Urteil vom 16. November 2009, Az.: 21 O 139/09 kam zu demselben Ergebnis, da es sich um einen ganz offenkundigen Eingriff in die Rechte Dritter handelt. Es bestehe durchaus eine Besonderheit, weil nicht ein Markenbegriff oder zumindest ein im Wettbewerb verwendeter Produktname streitgegenständlich sei. Die Verwendung der hier streitgegenständlichen Begriffe außerhalb ihrer „Bezugsobjekte“ und im Rahmen in der damit einhergehenden öffentlich-rechtlichen Verwaltung sei schlicht und ergreifend sinnlos. Vor diesem Hintergrund bestehe jedenfalls im vorliegenden Fall keinerlei Zweifel daran, dass eine offensichtlich unzulässige Nutzung der fraglichen Bezeichnungen durch den bislang registrierten Inhaber erfolge.

Der BGH folgte diesbezüglich den Vorinstanzen. Die DENIC sei nur dann gehalten, die Registrierung des beanstandeten Domainnamens zu löschen, wenn die Rechtsverletzung offenkundig und für sie ohne weiteres feststellbar sei. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor. Bei den Namen, auf deren Verletzung der Freistaat Bayern die DENIC hingewiesen habe, handele es sich um offizielle Bezeichnungen der Regierungen bayerischer Regierungsbezirke. Aufgrund eines solchen Hinweises könne auch ein Sachbearbeiter der DENIC, der über keine namensrechtlichen Kenntnisse verfüge, ohne weiteres erkennen, dass diese als Domainnamen registrierten Bezeichnungen allein einer staatlichen Stelle und nicht einem in Panama ansässigen privaten Unternehmen zustünden.

Fazit

Die Entscheidung des BGH überrascht nicht. Erwähnenswert ist allerdings, dass der BGH die Grundsätze der Haftung der DENIC für Markenverletzungen auch auf Namensverletzungen ausdehnte.

Die Pressemitteilung finden Sie hier:

BGH, Pressemitteilung Nr. 172/2011 zum Urteil vom 27.10.2011, Az.: I ZR 131/10

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