Keine Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung bei Bezug gefälschter Markenware vor Vertragsrücktritt/Schadensminderungspflicht bei Vorgehen gegen einstweilige Verfügungen

27. März 2009
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
8224 mal gelesen
0 Shares

Eigener Leitsatz:

Bei Bezug von Plagiaten ist ein Rücktritt vom Kaufvertrag ohne angemessene und erfolglos abgelaufene Nacherfüllungsfristsetzung nach §§ 440, 281 BGB grundsätzlich nicht möglich. Vielmehr müssen entsprechende außergewöhnliche die Frist entbehrlich machende Gründe vorliegen. Erwirkt der Markeninhaber ohne vorherige Abmahnung eine einstweilige Verfügung gegen den Plagiatsverkäufer, hat dieser äußerst sorgfältig zu prüfen, ob ein Widerspruch gegen die Verfügung erfolgsversprechend ist. Sonst kann er seinen Zwischenhändler nicht in Regress bzgl. der dadurch entstehenden Verfahrens- und Gerichtskosten nehmen.

Landgericht Nürnberg-Fürth

Urteil vom 28.01.2009

Az.: 3 O 4369/08

Das Landgericht Nürnberg-Fürth, 3. Zivilkammer, erläßt durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Rottmann, den Richter am Landgericht Husemann und die Richterin am Landgericht Kneissl
In Sachen

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte BIZ Hild & Kollegen, Konrad-Adenauer-Allee 55, 86150 Augsburg, Gz.:

gegen

– Beklagte –
P-rozessbevollmächtigte:-

wegen Schadensersatz, MarkenG
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2008 folgendes

Endurteil:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.338,90 € nebst Zinsen in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 4.144,– € seit dem 12.08.2006 und aus 194,90 € seit dem 02.06.2008 sowie weitere außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 411,30 € nebst Zinsen hieraus in Hohe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.06.2008 zu zahlen.
 
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der Lieferung der Waren mit Rechnung vom 05.12.2005 Re.-Nr. 100255 und 09.12.2005, Re.-Nr. 100268 entstanden ist.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 42% und die Klägerin 58%.

V. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Streitwert wird auf 15.036,12 € festgesetzt. Hiervon entfallen 13.036,12 € auf Ziffer I.,2.000,– € auf Ziffer II. der Klageanträge.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen der Lieferung gefälschter Markenware. Die Klägerin betreibt ein Einzelhandelsgeschäft und einen Internethandel mit Kleidung. Sie unterhält bei dem Internetauktionshaus „eBay mehrere Accounts; von diesen wurden sechs wegen von Kunden der Klägerin erhobenen Betrugsvorwürfen gesperrt.
Die Beklagte betreibt hobbymäßig einen Internethandel mit Textilien. Ende 2005 erwarb die Klägerin von der Beklagten 35 für den Weiterverkauf bestimmte Jeanshosen der Marke „Rock & Republic". Hierfür wurden ihr 
mit Rechnung vom 05.12.2005 1.348,50 € (15 Stück)
mit Rechnung vom 09.12.2005 1.778,– € (20 Stück) 
in Rechnung gestellt. Eine Nachfrage der Klägerin, ob die Jeans echt seien, hat die Beklagte mit einer Email vom 05.12.2005 wie folgt beantwortet:

„Weiterhin brauchst Du dir wirklich keine Sorgen über die Originalität der Hosen zu machen. Sie sind es wirklich".

Tatsächlich handelt es sich bei den gelieferten Hosen jedoch nicht um Originalware sondern um Plagiate. Bei einer Durchsuchung der Geschäftsräume der Klägerin durch das Zollfahndungsamt München am 09.02.2006 wurden jedenfalls 2 Jeans mit der Aufschrift „Rock & Republic" sichergestellt. Anlässlich einer Überprüfung dieser Hosen durch die Markenrechtsinhaberin (Fa. Rock & Republic Enterprises) stellte sich heraus, dass es sich hierbei um Fälschungen handelte.
Am 03.03.2006 erwirkte die Markenrechtsinhaberin ohne vorherige Abmahnung beim Landgericht München I eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin (Az.: 33 0 3871/06). Zur Glaubhaftmachung ihres Verfügungsanspruchs legte die Markenrechtsinhaberin eidesstattliche Versicherungen ihrer Mitarbeiterin … vom 21.02. und vom 02.03.2006 vor, aus denen sich im Einzelnen ergab, in welchen Punkten die bei der Klägerin sicher gestellten Fälschungen von der Originalware abwichen wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Anlagen K4a- und K4a Bezug genommen. Die Klägerin legte gegen die einstweilige Verfügung am 03.03.2006 Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom 05.04.2006 verkündete sie außerdem der Beklagten den Streit; die Beklagte ist dem Verfügungsverfahren nicht beigetreten. Am 23.05.2006 fand die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht München I statt. Dort nahm die Klägerin nach entsprechenden Hinweisen der Kammer ihren Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 03.03.2006 zurück Der Klägerin sind anlässlich des einstweiligen Verfügungsverfahrens die folgenden Aufwendungen entstanden
An ihren eigenen Prozessbevollmächtigten zahlte die Klägerin Anwaltsgebühren in Höhe von 3.020,- € (2,5 Geschäftsgebühren aus 75.000,– €). Der Fa. Rock & Republic Enterprises musste die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 3.180,92 € erstatten. Die der Klägerin auferlegten Gerichtskosten betrugen 984,– €. Für die Zustellung der einstweiligen Verfügung fielen Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 17,10 € an. Für ein Abschlussschreiben vom 28 06.2006 musste die Klägerin der Fa. Rock & Republic Enterprises 1.580,– € erstatten. Für die Beratung durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten bezüglich des Abschlussschreibens wendete die Klägerin weitere 520,– € auf. Für deren Tätigkeit anlässlich der Wegnahme und Vernichtung der markenverletzenden Waren zahlte die Klägerin an die Prozessbevollmächtigten der Fa. Rock & Republic Enterprises schließlich 177,80 C.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.07.2006 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Ersatz der ihr entstandenen Aufwendungen geltend – wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K8 Bezug genommen.

Am 09.12.2005 äußerte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass sie künftig Jeans der Marke „Rock & Republic" nicht mehr über die Beklagte, sondern über eine … beziehen werde, da diese die Hosen um rund 30,– € billiger anböte.
Die Klägerin bestreitet, dass sie vor den hier streitgegenständlichen Lieferungen bereits Hosen der Fa. Rock & Republic im Angebot hatte.
Die Klägerin trägt vor, das Zollfahndungsamt München habe bei ihr insgesamt 15 Jeanshosen sicher gestellt. Diese würden allesamt aus den hier streitgegenständlichen Lieferungen der Beklagten stammen. Sie behauptet weiterhin, ihre Prozessbevollmächtigten seien auch anlässlich der Wegnahme und der Vernichtung der sichergestellten Hosen tätig geworden Hierfür seien von ihr weitere 177,80 € bezahlt worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte ihr zum Schadensersatz verpflichtet ist, da sie mit ihrer Email vom 05.12.2005 eine Beschaffenheitsgarantie bezüglich der Echtheit der Hosen abgegeben habe und daher verschuldensunabhängig nach §§ 443, 276 Abs. 1 Satz 1 BGB hafte. Aus diesem Grunde müsse die Beklagte ihr einerseits die anlässlich ihrer Inanspruchnahme durch die Markenrechtsinhaberin entstandenen Aufwendungen erstatten. Dabei könne die Beklagte sich wegen der Streitverkündung nicht darauf berufen, dass die Klägerin das Verfügungsverfahren fehlerhaft betrieben habe, §§ 74 Abs. 3; 68 ZPO. Daneben habe die Beklagte der Klägerin aber auch den von ihr gezahlten Kaufpreis zu erstatten. Einer Fristsetzung nach § 281 BGB habe es insoweit nicht bedurft, da die Beklagte auf die Streitverkündungsschrift nicht reagiert habe, was einer Verweigerung einer Nacherfüllung gleich käme.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.267,22 € nebst Zinsen hieraus in Hohe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2006 zu zahlen und 2.472,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der Lieferung der Waren mit Rechnung vom 05.12.2005, Rechnungsnummer 100255 und 09.121005, Rechnungsnummer 100268 entstanden ist.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Sie bestreitet, dass die vom Zollfahndungsamt München bei der Klägerin sichergestellten Hosen aus der Lieferung der Beklagten stammen und trägt vor, die Klägerin habe Hosen der Marke "Rock & Republic" schon vor den streitgegenständlichen Lieferungen im Angebot gehabt. Aus diesem Grunde könne nicht ausgeschlossen werden, dass die sichergestellten Hosen auch aus der Lieferung eines anderen Verkäufers, namentlich der Fa. … stammen könnten, zumal Hosen dieser Marke reißenden Absatz fänden und es daher unwahrscheinlich sei, dass die bereits im Dezember 2005 gelieferten Hosen im Monat Februar 2006 noch nicht abverkauft waren.

Die Beklagte trägt weiterhin vor, es sei für sie nicht ersichtlich gewesen, dass die von ihr gelieferten Hosen Fälschungen waren. Insoweit verweist sie auf ein Echtheitszertifikat ihrer Vorlieferantin vom 30.12.2005 (Anlage B1).
Die Beklagte bestreitet, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch anlässlich der Wegnahme und Vernichtung der sichergestellten Hosen tätig geworden sind. In rechtlicher Hinsicht ist die Beklagte der Auffassung, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises hat. Die Klägerin habe ihr nämlich keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt, weshalb sie nicht wirksam vom Kaufvertrag habe zurücktreten können. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen seien überhöht, da ihnen jedenfalls teilweise der Einwand des § 254 BGB entgegenzuhalten sei. Bereits bei Zustellung der Beschlussverfügung des LG München I vom 03.03.2006 habe die Klägerin nämlich erkennen können, dass die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen sei. Die Klägerin habe daher gegen ihre Schadenminderungspflicht verstoßen, als sie gleichwohl gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch einlegte, statt sofort gegenüber der Markenrechtsinhaberin eine Abschlusserklärung abzugeben. Aus diesem Grunde müsse die Beklagte der, Klägerin jedenfalls nicht eine 1,2-fache Terminsgebühr für deren eigene Prozessbevollmächtigte und die Prozessbevollmächtigten der Gegenseite, weiterhin auch nicht die durch das Abschlussschreiben angefallenen Anwaltsgebühren erstatten.
Auf §§ 74 Abs. 3; 68 ZPO könne die Klägerin sich nicht berufen, da die Beklagte trotz der Streitverkündung keinen Einfluss darauf habe nehmen können, ob die Klägerin Widerspruch gegen die Beschlussverfügung einlegt. Der Termin zur mündlichen Verhandlung. hat am 17.12.2008 stattgefunden. Beweise wurden nicht erhoben.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet:
1. Die Beklagte hat der Klägerin auf deren Nachfrage hin mit Emailschreiben vom 05.12.2005 versichert, dass es sich bei den gelieferten Hosen um Originalware handele. Die Kammer sieht hierin wie im Übrigen auch beide Parteien – eine Beschaffenheitsgarantie i.S.v. § 443 Abs. 1 BGB, die eine verschuldensunabhängige Haftung der Beklagten dafür begründet, dass es sich bei den gelieferten Jeans um Originalware der Fa. „Rock & Republic Enterprises" handelt. Es ist zwischen den Parteien auch unstreitig, dass der Garantiefall eingetreten ist, nachdem es sich bei der von der Beklagten gelieferten Ware tatsächlich um Plagiate handelte.

2. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass es sich bei der am 09.02.2006 durch das Zollfahndungsamt München sichergestellten Ware um diejenigen Hosen handelte, die von der Beklagten am 05. bzw. 09.12.2005 geliefert worden waren. Nach § 286 ZPO hat die Kammer unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Die Kammer kann hierbei im Rahmen des Anscheinsbeweises typische Geschehensabläufe für den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen unstreitigen oder nachgewiesenen Tatsachen heranziehen. Der behauptete Vorgang muss dabei schon auf den ersten Blick nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten „Muster" abzulaufen pflegen (vgl Zöller/Greger, ZPO, 25 Aufl. vor § 284, RdNr. 29).

Von einem solchen typischen Geschehensablauf geht die Kammer im vorliegenden Falle aus. Es entspricht nämlich der Lebenserfahrung, dass Handelsware – auch wenn sie einer starken Nachfrage unterliegt – nicht sofort nach ihrer Auslieferung an einen Handler abverkauft wird, sondern für einen gewissen Zeitraum im Warenbestand des Handlers verbleibt. Wie lange dieser Zeitraum ist, kann nicht allgemein angegeben werden, sondern hängt stark vom jeweiligen Einzelfall ab. Vorliegend hat die Beklagte „Markenjeans" geliefert, die sich unstreitig einer hohen Beliebtheit erfreuen und vom Publikum daher stark nachgefragt werden. Unstreitig ist allerdings auch, dass der zwischen den Parteien hierfür vereinbarte Preis marktüblich war, dass es sich also nicht um ein besonderes „Schnäppchen" handelte, das eine gesteigerte Nachfrage oder gar einen Ansturm auf die fraglichen Waren zur Folge gehabt hätte. Vielmehr trägt die Beklagte selbst vor, dass die gleichen Hosen von einem anderen Anbieter (Fa. … zu einem um 30,– € – also 1/3 – günstigeren Preis angeboten werden. Daraus muss gefolgert werden, dass auch die Klägerin ihrerseits die von der Beklagten gelieferten Hosen nicht zu einem Wiederverkaufspreis anbieten konnte, der vom Publikum als außerordentlich attraktiv empfunden wird. Es entspricht daher durchaus der Lebenserfahrung, dass die Anfang Dezember 2005 ausgelieferten Hosen Anfang Februar 2006 noch nicht vollständig abverkauft waren. Wenn also die Beklagte die Klägerin mit Plagiaten von Jeanshosen der Marke „Rock & Republic" beliefert und der Zoll nur zwei Monate später eben solche Plagiate bei der Klägerin sicherstellt, dann besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass es sich bei der sichergestellten Ware um diejenige handelt, die von der Klägerin geliefert wurde.

Damit ist ein vorläufiger Beweis dafür erbracht, dass die Pflichtverletzung der Beklagten ursächlich für die später bei der Klägerin eingetretenen Schäden war. Diesen „prima facie" Beweis kann die Beklagte zwar grundsätzlich dadurch erschüttern, dass sie die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs dartut. Im vorliegenden Fall ist dies jedoch nicht gelungen. Die Beklagte trägt nämlich lediglich vor, die Klägerin habe ihr gegenüber am 09.12.2005 geäußert, sie werde künftig Jeans der Marke „Rock & Republic" von einem anderen Lieferanten, nämlich der Fa. … beziehen. Sie legt dagegen weder dar, dass die Klägerin in der Folgezeit tatsächlich eine Bestellung bei der Fa. abgegeben hatte, noch trägt sie vor, dass die Fa. … ebenfalls keine Originalware, sondern Plagiate ausgeliefert hätte. Die Beklagte zeigt also allenfalls auf, dass es die abstrakte Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufes gibt. Dies ist jedoch nicht ausreichend, um den von der Klägerin angetretenen Anscheinsbeweis zu erschüttern.

Aus diesem Grunde erachtet es die Kammer für erwiesen, dass die vom Zoll sichergestellte Ware identisch ist mit derjenigen, die von der Beklagten geliefert wurde

3. Nach §§ 443, 280 BGB kann die Klägerin von der Beklagten Ersatz der ihr entstandenen Mangelfolgeschäden beanspruchen, ohne dass es insoweit einer Fristsetzung i.S.v. § 281 BGB bedurft hätte. Hierunter fallen grundsätzlich alle Aufwendungen, die der Klägerin dadurch erwachsen sind, dass sie von der Markenrechtsinhaberin vor dem LG München I auf Unterlassung künftiger Verletzungen und Herausgabe sowie Vernichtung der Verletzungsgegenstände in Anspruch genommen wurde. Insbesondere hat die Beklagte der Klägerin daher die im Rahmen des vor dem LG München I betriebenen Verfügungsverfahrens entstandenen Rechtsverfolgungskosten zu erstatten.
Allerdings traf die Klägerin in diesem Zusammenhang aus § 254 BGB eine Schadensminderungspflicht. Sie hatte ihre eigene Rechtsverteidigung also so auszurichten, wie dies eine verständige Partei nach Lage der Sache getan hätte, um sich selbst möglichst vor Schaden zu bewahren. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass die Klägerin gegen die Beschlussverfügung des LG München I vom 03.03.2006 keinen Widerspruch hätte einlegen dürfen, sondern zur Vermeidung weiterer unnötiger Kosten ohne gesonderte Aufforderung hierzu eine Schlusserklärung hätte abgeben müssen. Bereits aus der einstweiligen Verfügung und den der Klägerin zugestellten Anlagen hierzu war ohne weiteres ersichtlich, dass die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen ist, und insbesondere der geltend gemachte Verfügungsanspruch der Fa. Rock & Republic Enterprises bestand. Dies ergibt sich alleine schon aus der eidesstattlichen Versicherung der Frau … vom 02.03.2006, in der detailliert aufgeführt ist, worin sich die bei der Klägerin sichergestellten Jeanshosen von der Originalware unterscheiden. Die dort aufgeführten Gesichtspunkte, nämlich die fehlerhafte Platzierung von Applikationen sowie offensichtliche Rechtschreibfehler auf den Pflegeetiketten sind – gerichtsbekannt – geradezu typisch für Piraterieware. Aus Sicht der Klägerin konnte nach Kenntnisnahme von dieser eidesstattlichen Versicherung daher kein vernünftiger Zweifel mehr daran bestehen, dass die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen war und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Bestand haben würde. Auch die weiteren von der Klägerin im Ausgangsverfahren geltend gemachten Einwendungen waren offensichtlich nicht geeignet, dem Widerspruch zum Erfolg zu verhelfen. So ist es vollkommen realitätsfern, wenn die Klägerin die ein Einzelhandelsgeschäft betreibt und mehr als 6 Ebay-Accounts angemeldet hatte – ein Handeln im geschäftlichen Verkehr bestreitet. Auf ein fehlendes eigenes Verschulden konnte die Klägerin sich ebenfalls nicht berufen, da ein solches nicht Voraussetzung für die im Verfügungsverfahren geltend gemachten Ansprüche ist.

Dies Alles hätte zumindest der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin erkennen können und müssen, dessen mitwirkendes Verschulden sie sich nach §§-254 II, 278 BGB zurechnen lassen muss. Es stellte daher ein Verschulden der Klägerin „gegen sich selbst" dar, dass sie die einstweilige Verfügung zunächst nicht akzeptiert, sondern ein Rechtsmittel hiergegen eingelegt und dadurch die – kostenträchtige – Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hat. Der von der Beklagten zu ersetzende Schaden reduziert sich daher um die hierdurch verursachten zusätzlichen Kosten. Auch der Hinweis auf §§ 74 Abs. 1; 68 ZPO verfängt bereits deshalb nicht, weil sich diese Vorschrift auf die Bindungswirkung einer zu Ungunsten der Hauptpartei ergangenen rechtskräftigen Entscheidung bezieht, eine solche aufgrund der Widerspruchsrücknahme der Klägerin aber gerade nicht ergangen ist (vgl Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 68, RdNr. 4).

Demnach hat die Beklagte der Klägerin folgende im Rahmen des Ausgangsverfahrens entstandene Aufwendungen zu erstatten: Für das Verfügungsverfahren sind Gerichtskosten in Höhe von 984,– € und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von jeweils einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 75.000,- €, mithin 2 x 1.580,- € zu erstatten. Weiterhin hat die Beklagte die durch die Tätigkeit der gegnerischen Anwälte anlässlich der Wegnahme und Vernichtung der sichergestellten Waren entstandenen Gebühren, also 177,80 € zu tragen. Erstattungsfähig sind schließlich auch Gerichtsvollziehergebühren in Höhe von 17,10 €.

Insgesamt hat die Beklagte der Klägerin also Aufwendungen in Höhe von 4.338,90€ zu erstatten. Die Kosten für das Abschlussschreiben vom 28.06.2006 hat die Beklagte nicht zu tragen, da die Klägerin diese Kosten bei Aufwendung der sich selbst gegenüber obliegenden Sorgfalt hätte vermeiden müssen, indem sie die einstweilige Verfügung vom 03.03.2006 sofort und von sich aus als endgültige Regelung anerkannt hätte. Weitere Kosten in Höhe von 177,80 €, die von der Beklagten bestritten wurden, hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
Somit sind Aufwendungen in Höhe von insgesamt 4.338,90 € zu erstatten.

4. Die Klägerin hat – derzeit – keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von insgesamt 3.378,50 €. Dieser Anspruch richtet sich nach §§ 440, 281 BGB, die grundsätzlich eine erfolglose Fristsetzung zur Nacherfüllung voraussetzen. Die Klägerin hat auch keine Umstände vorgetragen, die im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine Fristsetzung entbehrlich machen würden. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, die Beklagte habe auf die Streitverkündungsschrift nicht reagiert und dadurch zu erkennen gegeben, dass sie zu einer Nacherfüllung nicht bereit sei. Die Streitverkündung ist nämlich eine rein prozessuale Erklärung, durch die eine Bindungswirkung der im Ausgangsverfahren ergehenden Entscheidung auch gegenüber dem Streitverkündeten herbeigeführt werden soll. Sie beinhaltet daher nicht auch die konkludente Aufforderung an den Streitverkündeten, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, zumal hierzu eine ausdrückliche Fristsetzung erforderlich wäre, die im Schriftsatz vom 05.04.2006 (Anlage K9) aber nicht erfolgt ist. Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensverlustes scheint der Kammer im vorliegenden Fall eine Fristsetzung nicht entbehrlich gewesen zu sein, da das zwischen den Parteien bestehende Gattungskaufverhältnis kein besonderes persönliches Vertrauen erfordert und die Beklagte glaubhaft dargetan hat, dass sie selbst auf die Echtheit der von ihr gelieferten Waren vertraut habe.

Aus diesem Grunde ist die Klägerin jedenfalls bislang nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, da es an den formalen Voraussetzungen hierzu fehlt. Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch ist daher nicht begründet.

5. Zinsen waren hinsichtlich der im Schriftsatz vom 12.07.2006 aufgelisteten Forderungen nur für die Zeit ab dem 12.08.2008 zuzusprechen, da die dortige einseitige Fristsetzung keinen Verzug nach § 286 Ab s 2 Nr. 1 BGB zu begründen vermag. Die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Klägerin sind unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes grundsätzlich erstattungsfähig. Dabei ist allerdings nur eine 1,3-fache Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 4.338,90 €, mithin 411,30 € zu erstatten.
6. Die streitgegenständlichen Forderungen sind nicht nach § 377 HGB ausgeschlossen, da die Beklagte ihren Internethandel nach eigenem Vortrag nur "hobbymäßig" betreibt und daher kein „Kaufmann" (bzw. Kauffrau) ist. Ein beiderseitiges Handelsgeschäft liegt somit nicht vor.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a