Die Bezeichnung „Genetikum“ als Marke

12. August 2008
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Eigener Leitsatz:

Einer Eintragung der Bezeichnung „Genetikum“ in das Markenregister stehen Vorschriften des Markengesetzes nicht entgegen, da weder ein Freihaltungsbedürfnis aufgrund der fehlenden lexikalischen Nachweisbarkeit gegeben ist noch dieser die Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 29.07.2008

Az.: 33 W (pat) 28/08

Beschluss

in der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 44 166.0

hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 29. Juli 2008 …

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Dezember 2007 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Bezeichnung

Genetikum

ist am 5. Juli 2007 für folgende Dienstleistungen zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden:

Klasse 35:
Unternehmensverwaltung von medizinischen, insbesondere genetischen Praxen, Laboratorien, Biotechnologie- und Life-Science-Unternehmen; organisatorische, betriebswirtschaftliche, Unternehmens- und Marketingberatung für medizinische, insbesondere genetische Praxen, Laboratorien, Biotechnologie- und Life-Science-Unternehmen;

Klasse 42:
Wissenschaftliche Beratung von Arztpraxen, Laboratorien, Biotechnologie- und Life-Science-Unternehmen; wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Zytogenetik, molekulare Zytogenetik und Molekulargenetik; technische Beratung von medizinischen, insbesondere genetischen Praxen, Laboratorien, Biotechnologie und Life-Science-Unternehmen, technische Analyse und Befunderstellung;

Klasse 44:
Medizinische Beratung hinsichtlich genetischer Erkrankungen; medizinische Analysen von Fruchtwasserproben, Blutproben, Gewebeproben und DNA, medizinische Beratungsdienstleistungen für medizinische, insbesondere genetische Praxen, Laboratorien, Biotechnologie- und Life-Science-Unternehmen.

Die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluss durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Markenanmeldung wegen fehlender Schutzfähigkeit zurückgewiesen.

Nach Auffassung der Markenstelle ist die angemeldete Marke freihaltungsbedürftig und nicht unterscheidungskräftig. Sie weise lediglich inhaltsbeschreibende Merkmale i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auf. Die Bezeichnung „Genetikum“ bestehe aus zwei Wortteilen, nämlich aus dem Bestandteil „Genetik“ mit der Bedeutung „Vererbungslehre“ und aus der Endung „-(ik)um“, analog der Bezeichnungen für Heilmittel (Pharmazeutikum, Antibiotikum, Antiseptikum, Zytostatikum, Diuretikum usw.) oder auch für Institutsbezeichnungen bzw. Ausbildungsarten (Technikum, Klinikum). Der Verkehr werde analog dazu der Bezeichnung „Genetikum“ aufgrund der Wortbildung und Zusammensetzung ohne weiteres eine Bedeutung i. S. v. „Einrichtung für genetische Lehre/Forschung“ zuordnen. Somit bestehe sie ausschließlich aus Angaben, die unmittelbar Merkmale der beanspruchten Dienstleistungen beschreiben könne. Darüber hinaus fehle der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, der sinngemäß beantragt,

den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Der Anmelder ist der Auffassung, dass dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nur unmittelbar beschreibende Zeichen und Angaben unterfielen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Verkehr Kennzeichnungen regelmäßig in der Gesamtform aufnehme und nicht dazu neige, sie begrifflich zu analysieren, um beschreibende Bedeutungen herauslesen zu können. Genau dies mache aber die Markenstelle. Die schnelle Erfassbarkeit einer Wortneubildung sei nur dann gewährleistet, wenn sich die konkret beschreibende Aussage unmittelbar erschließe. Dies sei vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil es sich bei „Genetikum“ um ein Kunstwort handele. Die im Zurückweisungsbescheid weit überwiegend angeführten Heilmittelbezeichnungen zeigten, dass die Bildung eines Markenworts aus einer Sachangabe (Genetik) und dem Wortbestandteil „um“ für Dienstleistungen gerade unüblich sei. Jedenfalls weise das Markenwort eine begriffliche Ungenauigkeit auf, die ausschließe, dass es zu einer konkreten Beschreibung dienen könne. Außerdem sei die angemeldete Marke auch unterscheidungskräftig.

Die ursprünglich gestellten Anträge auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr und Rückerstattung der Beschleunigungsgebühr hat der Anmelder nach Hinweis durch den Senat zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache Erfolg.

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle steht nach Auffassung des Senats weder ein Freihaltungsbedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG noch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG der Eintragung der angemeldeten Marke entgegen.

1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Nach der Rechtsprechung des EuGH verfolgt die mit Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 (Markenrichtlinie) übereinstimmende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben können, von allen frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 (Nr. 25) „Chiemsee“; GRUR 2004, 146, 147 (Nr. 31) „DOUBLEMINT“; GRUR 2004, 674, 676 (Nr. 54, 56) „Postkantoor“; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 35 – 36) „BIOMILD“; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 176 m. w. N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nach der Erkenntnis des Senats vorliegend ein Eintragshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht gegeben.

Die Bezeichnung „Genetikum“ ist lexikalisch nicht nachweisbar. Auch bei einer Internetrecherche auf deutschsprachigen Seiten kann die Bezeichnung nicht beschreibend, sondern praktisch nur für die Arztpraxis mit humangenetischem Labor des Anmelders nachgewiesen werden. In den einschlägigen Wörterbüchern sind lediglich die Begriffe „Genetik“ (= Vererbungslehre), Genetiker (= Wissenschaftler auf dem Gebiet der Genetik) und genetisch (= u. a. die Vererbung betreffend) aufgeführt (vgl. z. B. Duden, Das Große Fremdwörterbuch, unter den entsprechenden Stichwörtern). Ausgehend davon ist es nicht gerechtfertigt anzunehmen, dass der Verkehr die angemeldete Bezeichnung als unmittelbar beschreibende Angabe erfasst. Es mag sein, dass ein Teil des Verkehrs in der angemeldeten Marke den Begriff „Genetik“ erkennt oder zumindest vermutet und ausgehend davon Überlegungen anstellt, ob „Genetikum“ ein Mittel gegen genetisch bedingte Krankheiten sein könnte. Denn in dem Warenbereich der pharmazeutischen Produkte gibt es – wie die Markenstelle zutreffend ermittelt hat – eine Vielzahl von Präparaten, die entsprechend ihrer Arzneimittelgruppenzugehörigkeit bezeichnet werden können und dann eine im Vergleich zu „Genetikum“ entsprechende Wortbildung aufweisen (siehe z. B. Analgetikum, Antiallergikum, Antiarrhythmikum, Antiemetikum, Antiepileptikum, Antihypotonikum, Antimykotikum, Broncholytikum, Cholinergikum, Dermatikum, Diuretikum, Fibrinolytikum, Geriatrikum, Gynäkologikum Hypnotikum, Kardiakum, Ophthalmikum, Otologikum usw., siehe dazu auch das Hauptgruppenverzeichnis der Roten Liste mit der Auflistung der entsprechenden Arzneimittelgruppen Analgetika, Antiallergika usw.). Arzneimittel sind vorliegend aber nicht beansprucht, so dass eine entsprechende Parallele nicht gezogen werden kann, wobei dahingestellt bleiben soll, ob bei einer Verwendung der angemeldeten Bezeichnung für Arzneimittel gegen genetisch bedingte Krankheiten tatsächlich die Bejahung eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2. Nr. 2 oder auch nach § 8 Abs. 2. Nr. 1 MarkenG gerechtfertigt wäre.

Soweit die Markenstelle ihre Entscheidung maßgeblich darauf stützt, dass der Verkehr in Anlehnung an Begriffe wie „Technikum“ und „Klinikum“ in der angemeldeten Bezeichnung ohne weiteres die Bedeutung „Einrichtung für genetische Forschung und Lehre“ erfasse, bewegt sie sich im Bereich der Spekulation ohne ausreichende tatsächliche Grundlage. Es mag sein, dass Teile des Verkehrs im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen solche Überlegungen anstellen. Um zu einem solchen Ergebnis zu kommen, bedarf es nach Auffassung des Senats einer eingehenden Analyse der Bezeichnung und weitergehender Überlegungen, die zudem eine ausgeprägte Fähigkeit zur Assoziation voraussetzen. Zunächst müsste der Verkehr in der angemeldeten Bezeichnung den Begriff „Genetik“ erkennen. Schon dies ist aufgrund der Verfremdung durch die Endung „um“ nicht selbstverständlich. Dann müssten ihm Wortbildungen wie Technik und Technikum (= technische Fachschule, Ingenieurfachschule) geläufig und einigermaßen präsent sein. Die von der Markenstelle gezogene Parallele zu den Begriffen Klinik und Klinikum ist in diesem Zusammenhang schon deshalb wenig überzeugend, da der Begriff „Klinikum“ mehrere Bedeutungen hat. Er bezeichnet einerseits „einen Zusammenschluss von (Universitäts-)Kliniken unter einheitlicher Leitung“, andererseits hat er die Bedeutung von „der Hauptteil der praktischen ärztlichen Ausbildung in einem Krankenhaus“ (vgl. Duden, Das Große Fremdwörterbuch, unter dem entsprechenden Stichwort). Schließlich müsste der Verkehr weiter folgern, dass der Begriff „Genetikum“ dieser Art der Begriffsbildung folgt. Erfahrungsgemäß neigt der Verkehr nicht dazu, Bezeichnungen begrifflich zu analysieren, um beschreibende Bedeutungen herauslesen zu können (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 196), weshalb diese Art der Vorgehensweise im Rahmen der Schutzfähigkeitsbeurteilung außer Betracht bleiben muss. Letztlich bleibt vorliegend auch nach einer eingehenden begrifflichen Analyse unklar, was mit der Bezeichnung „Genetikum“ gemeint sein könnte. Deshalb eignet sich diese Bezeichnung nicht zur unmittelbaren und ernsthaften Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, so dass dieses Schutzhindernis der Eintragung der angemeldeten Marke nicht entgegensteht.

2. Der angemeldeten Bezeichnung kann auch die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen aufgefasst zu werden. Diese fehlt einer Marke insbesondere dann, wenn ihr für die fraglichen Waren und Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann. Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen zum Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht bei der angemeldeten Bezeichnung eine solche beschreibende Bedeutung gerade nicht im Vordergrund.

3. Billigkeitsgründe, die eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG und eine Rückerstattung der Beschleunigungsgebühr nach § 63 Abs. 2 MarkenG angezeigt erscheinen ließen, sind nicht gegeben. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass das Patentamt verfahrensfehlerhaft gehandelt hätte und etwa gegen den Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs verstoßen hätte. Auf einen entsprechenden Hinweis des Senats hin, hat der Anmelder deshalb auch die ausdrücklich gestellten entsprechenden Anträge zurückgenommen.

4. Die Markenstelle wird noch darauf hingewiesen, dass der Anmelder in Klasse 42 „Wissenschaftliche Beratung von Arztpraxen, Laboratorien, usw.“ angemeldet hat und beansprucht und nicht „Wissenschaftliche Beratung ín Arztpraxen, Laboratorien, usw.“ wie dies im Stammdatenauszug vom 13.08.2007 vermerkt und auch im Zurückweisungsbeschluss ausgeführt ist.
 

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