Grundsatzurteil: Der selbstständige Freiberufler als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB

02. Oktober 2009
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Eigener Leitsatz:

In einem Grundsatzurteil hat der BGH zu entscheiden, inwiefern sich natürliche Personen, die sowohl Verbraucher als auch Unternehmer sind, im Rahmen freiberuflicher Tätigkeiten auf Verbraucherschutzrechte berufen können. Die Verbrauchereigenschaft und die daraus resultierenden Rechte bei einem Rechtsgeschäft dürfen nur verneint werden, wenn in der Handlung objektiv ausschließlich ein Handeln in Ausübung der selbstständigen beruflichen Tätigkeit zweifelsfrei zu erkennen ist. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Rechtsgeschäft der privaten Sphäre des Selbstständigen zugeordnet werden kann, sind die Verbraucherschutzvorschriften anzuwenden. Shopbetreiber sollten sich daher verstärkt darauf einrichten, dass auch Freiberufler von den verbraucherrechtlichen Widerrufsrechten Gebrauch machen werden.

Bundesgerichtshof

Pressemitteilung Nr. 200/2009 zum Urteil vom 30.09.2009

Az.: VIII ZR 7/09

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine natürliche Person, die nicht nur als Verbraucher, sondern auch als selbständiger Freiberufler am Rechtsverkehr teilnimmt als Verbraucher im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches anzusehen ist.

Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, bestellte am 7. Oktober 2007 über die Internetplattform der Beklagten unter anderem drei Lampen zu einem Gesamtpreis von 766 €. Sie gab dabei als Liefer- und Rechnungsadresse ihren Namen (ohne Berufsbezeichnung) und die Anschrift der "Kanzlei Dr. B." an, bei der sie tätig war. Die Klägerin erklärte am 19./21. November 2007 den Widerruf ihrer Vertragserklärung mit der Begründung, dass die Lampen für ihre Privatwohnung bestimmt gewesen seien und ihr deshalb ein Widerrufsrecht nach den Vorschriften über Fernabsatzgeschäfte (§ 355 Abs. 1, § 312d Abs. 1, § 312b Abs. 1) zustehe, über das sie von der Beklagten nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei.

Sie hat mit ihrer Klage unter anderem die Rückzahlung des Kaufpreises von 766 € begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht als Verbraucherin gehandelt habe und ihr daher ein Widerrufsrecht nach den fernabsatzrechtlichen Vorschriften nicht zustehe.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebte, hatte Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine natürliche Person, die – wie die Klägerin – sowohl als Verbraucher (§ 13 BGB) als auch in ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Unternehmer (§ 14 BGB) am Rechtsverkehr teilnimmt, im konkreten rechtsgeschäftlichen Handeln lediglich dann nicht als Verbraucher anzusehen ist, wenn dieses Handeln eindeutig und zweifelsfrei ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn das in Rede stehende Rechtsgeschäft objektiv in Ausübung der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit der natürlichen Person abgeschlossen wird (§ 14 BGB). Darüber hinaus ist rechtsgeschäftliches Handeln nur dann der unternehmerischen Tätigkeit der natürlichen Person zuzuordnen, wenn sie dies ihrem Vertragspartner durch ihr Verhalten unter den konkreten Umständen des Einzelfalls zweifelsfrei zu erkennen gegeben hat.

Nach diesen Kriterien war die Klägerin im entschiedenen Fall bei der Bestellung der Lampen als Verbraucherin tätig geworden. Nach den in den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen hatte die Klägerin die Lampen für ihre Privatwohnung gekauft. Konkrete Umstände, aus denen die Beklagte zweifelsfrei hätte schließen können, dass der Lampenkauf der freiberuflichen Sphäre der Klägerin zuzurechnen sei, lagen nicht vor. Insbesondere konnte die Beklagte aus der Angabe der Kanzleianschrift als Liefer- und Rechnungsadresse nichts Eindeutiges für ein Handeln zu freiberuflichen Zwecken herleiten, da hieraus nicht deutlich wurde, dass die Klägerin in der Kanzlei als Rechtsanwältin – und nicht etwa als Kanzleiangestellte – tätig war.

Vorinstanzen:
AG Hamburg-Wandsbek – Urteil vom 13. Juni 2008 – 716A C 11/08
LG Hamburg – Urteil vom 16. Dezember 2008- 309 S 96/08

2 Kommentare

  1. FreiberuflerXL, 8. Oktober 2009

    Endlich kommt der Verbraucherschutz auch bei uns Freiberuflern an. Wurde auch Zeit. Wenn man ständig arbeiten muss, um die hohe Steuerlast tragen zu können, hat man keine Zeit, zuhaus auf Päckchen zu warten.

    @CorneliusW: Sollen doch die Unternehmer bei unscharfen Angaben vorher nachfragen!!!

  2. CorneliusW, 8. Oktober 2009

    Das ist aber ganz schön krass, wenn man Unternehmer ist. Da kann ja jeder kommen und sich durch unscharfe Angaben unter den Schirm des Verbraucherschutzrechts mogeln… ob das so ein großer Wurf war?

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