Prüfungspflichten des Unternehmers beim Widerruf

16. Dezember 2010
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Eigener Leitsatz:

Der Hinweis, dass das Widerrufsrecht nur gilt, wenn der Käufer als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB anzusehen ist, ist im Rahmen einer Widerrufsbelehrung unzulässig. Eine solche Formulierung widerspricht den gesetzlichen Bestimmungen, dass ein Unternehmer bei Fernabsatzverträgen selbst prüfen muss, ob der Käufer als Verbraucher anzusehen ist. Der Käufer wird anderes davon ausgehen, er selbst habe zu prüfen, ob er als Verbraucher einzustufen ist. Weiter muss ein Unternehmer sich stets darum kümmern, dass ein Verbraucher richtig und vollständig über die jeweils geltende Rechtslage informiert wird. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Gesetzes, muss dieses regelmäßig auch ordnungsgemäß angewandt werden; dem Unternehmer ist keine Übergangszeit zuzubilligen. Gerade ein Unternehmen, welches in erheblichem Umfang im Fernabsatzgeschäft tätig ist, muss sich über laufende Gesetzesvorhaben informieren und die jeweilige Rechtslage unverzüglich anpassen.

 

Landgericht Kiel

Urteil vom 09.07.2010

Az.: 14 O 22/10

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer jeweils festzusetzenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Zusammenhang mit Fernabsatzverträgen eine Widerrufsbelehrung zu verwenden und in dieser mit der Formulierung: „Das Widerrufsrecht besteht nur, wenn Sie Verbraucher im Sinne von § 13 BGB sind. …“ dem Verbraucher eine zusätzliche Prüfung über das Bestehen des Widerrufsrechts aufzuerlegen

und/oder

in der Widerrufsbelehrung zu behaupten, das Widerrufsrecht des Verbrauchers erlösche vorzeitig, wenn die Beklagte mit dessen ausdrücklicher Zustimmung vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen oder der Verbraucher selbst diese veranlasst hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger, eine qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG, nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Die Beklagte, die u. a. Mobilfunktarife anbietet, übersandte am 03.09.2009 einer Frau XXX, der sie zuvor telefonisch ihre Leistungen angedient hatte, per Email eine Auftragsbestätigung, in der die Belehrung über das gesetzliche Widerrufsrecht – soweit hier von Bedeutung – wie folgt formuliert wurde:

„Das Widerrufsrecht besteht nur, wenn Sie Verbraucher im Sinne von § 13 BGB sind.

Ihr Widerrufsrecht erlischt vorzeitig, wenn XXX mit Ihrer ausdruecklichen Zustimmung vor Ende der Widerspruchsfrist mit der Ausfuehrung der Dienstleistung begonnen hat oder Sie selbst diese veranlasst haben, z. B. unter Nutzung der XXX SIM-Karte die Mobilfunkdienstleistungen der XXX in Anspruch nehmen.“

Mit Schreiben vom 07.01.2010 und 25.02.2010 mahnte der Kläger die Beklagte unter Forderung strafbewehrter Unterlassungserklärungen vergeblich ab.

Der Kläger vertritt die Auffassung, der erste oben wiedergegebene Satz der Belehrung stelle eine Irreführung des Verbrauchers über die ihm gesetzlich zustehenden Rechte und eine unzulässige Ausnutzung seiner Rechtsunkenntnis dar, weil die Formulierung dem Verbraucher die zusätzliche Prüfung abnötige, ob er Verbraucher i. S. d. § 13 BGB sei. Die Belehrung über das Erlöschen des Widerrufsrechts widerspreche § 312d Abs. 3 BGB.

Der Kläger beantragt,

der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Zusammenhang mit Fernabsatzverträgen eine Widerrufsbelehrung zu verwenden und in dieser mit der Formulierung:“ Das Widerrufsrecht besteht nur, wenn Sie Verbraucher im Sinne von § 13 BGB sind. …“ dem Verbraucher eine zusätzliche Prüfung über das Bestehen des Widerrufsrechts aufzuerlegen

und/oder

in der Widerrufsbelehrung zu behaupten, das Widerrufsrecht des Verbrauchers erlösche vorzeitig, wenn die Beklagte mit dessen ausdrücklicher Zustimmung vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen oder der Verbraucher selbst diese veranlasst hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, der Hinweis darauf, dass das Widerrufsrecht nur bestehe, wenn der Vertragspartner Verbraucher i. S. d. § 13 BGB sei, sei inhaltlich zutreffend und überfordere den Verbraucher auch nicht. Der Hinweis darauf, wann das Widerrufsrecht erlösche, habe der bis zum 03.08.2009 geltenden Rechtslage entsprochen. Bei einem Massengeschäft sei es nicht möglich, sämtliche standardisierten Widerrufsbelehrungen taggleich an neue Gesetze anzupassen. Vielmehr müsse es zumindest für einen Übergangszeitraum von etwa drei Monaten statthaft sein, Widerrufsbelehrungen zu verwenden, die der alten Rechtslage entsprechen.

Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Zustimmung der Parteien hat das Gericht mit Beschluss vom 27.05.2010 das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat insgesamt Erfolg.

Die Unterlassungsansprüche des Klägers ergeben sich aus §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 2 UKlaG, 8 Abs. 3 Nr. 3, 4 Nrn. 2, 3 und 11, 3, 5 UWG.

Die vom Kläger beanstandeten Formulierungen in der Widerrufsbelehrung der Beklagten, die diese am 03.09.2009 ihrer Kundin XXX erteilt hat, verstoßen gegen Vorschriften i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG, die dem Schutz der Verbraucher dienen, sowie gegen §§ 4 Nrn. 2, 3 und 11 UWG, und sind zudem geeignet, eine nach § 5 UWG unzulässige Irreführung des Verbrauchers zu bewirken.

Im Einzelnen:

Der Hinweis eingangs der beanstandeten Widerrufsbelehrung, wonach das Widerrufsrecht nur besteht, wenn der (angesprochene) Vertragspartner Verbraucher ist, widerspricht § 312c Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246 §§ 1 Abs. 1 Nr. 10, 2 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB.

Nach diesen Vorschriften, die im Übrigen gegenüber der früheren Rechtslage inhaltlich keine Änderungen enthalten, hat der Unternehmer den Verbraucher bei Fernabsatzverträgen über das „Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts“ zu belehren. Mit dieser Formulierung legt der Gesetzgeber die Prüfung, ob die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen eines Widerrufsrechts nach §§ 312d, 355 BGB vorliegen, gerade dem Unternehmer – und nicht seinem Vertragspartner – auf. Die beanstandete Formulierung in der Widerrufsbelehrung, wie sie die Beklagte am 03.09.2009 gegenüber der Kundin XXX verwendet hat, wird dagegen auch bei einem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, auf dessen Verständnishorizont abzustellen ist, den Eindruck erwecken, er selbst müsse zunächst einmal prüfen, ob er eigentlich Verbraucher i. S. d. § 13 BGB ist und damit das Widerrufsrecht in Anspruch nehmen könnte. Das Risiko, insoweit zu einer rechtlichen Fehleinschätzung zu gelangen, wird damit gegen den Willen des Gesetzgebers auf den Verbraucher verlagert. Zugleich liegt in dieser Formulierung der Belehrung über das gesetzliche Widerrufsrecht eine mögliche Irreführung des Verbrauchers über die ihm zustehenden Rechte i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG und ein Verstoß gegen § 4 Nr. 2, 3, 11 UWG.

Auch die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Sie wird bei Vorliegen eines Verstoßes vermutet und kann in der Regel nur dadurch entkräftet werden, dass der Schuldner eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. § 8 UWG Rn 1.38 f und § 2 UKlaG Rn 16). Dies hat die Beklagte aber gerade abgelehnt.

Die weiter vom Kläger beanstandete Belehrung über das Erlöschen eines Widerrufsrechts widerspricht zweifelsfrei der seit dem 04.08.2009 geltenden Rechtslage, weil nach § 312d Abs. 3 BGB n. F. das Widerrufsrecht bei einer Dienstleistung entgegen der früheren Rechtslage erst dadurch erlischt, dass der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor dieser sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. Hierüber hätte die Beklagte seit Inkrafttreten des Gesetzes ordnungsgemäß belehren müssen.

Entgegen ihrer Ansicht war ihr auch nicht etwa eine Übergangszeit zuzubilligen, innerhalb derer sie noch nach der alten Rechtslage belehren durfte. Die Belehrungsvorschriften dienen gerade dem Verbraucherschutz und setzen daher voraus, dass der Verbraucher stets richtig und vollständig über die jeweils geltende Rechtslage informiert wird.

Die Beklagte wird hierdurch auch nicht über die Maßen belastet. Gerade ihr als ständig in erheblichem Umfang im Fernabsatzgeschäft tätigem Unternehmen ist es ohne weiteres zumutbar, sich über laufende Gesetzesvorhaben zu informieren und ihre Belehrungen entsprechend der jeweils geltenden Rechtslage unverzüglich anzupassen.

Nachdem die Beklagte zwar zwischenzeitlich ihre Belehrung geändert, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung jedoch abgelehnt hat, besteht auch insoweit die Wiederholungsgefahr fort.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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